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GALAXIA ist eine Parallelwelt, die über Jahrhunderte von dem grausamen Vampir Damon beherrscht wurde. Nach Damons Sturz brechen heftige Machtkämpfe aus. Der Fürstensohn Tyranimos versucht mit nackter Gewalt und heimtückischen Intrigen, das Land unter seine Vorherrschaft zu zwingen. Dass seine gefährlichste Widersacherin ausgerechnet ein 16jähriges Mädchen ist, will er lange nicht wahrhaben... Clevere Programmierer haben einen Online-Zugang zum Reich der Vampire gefunden und vermarkten diese schillernde Parallelwelt als Cyber-Vergnügungspark. Es ist der Hype des Jahres, und ein Millionengeschäft: Feierwütige Teenager lassen sich nach Galaxia teleportieren und machen dort Party, dubiose Wissenschaftler und zwielichtige Geschäftsleute suchen nach Diamanten. Kein Haar darf ihnen gekrümmt werden, das ist Gesetz, weil die Vampire die menschliche Lebensenergie neuerdings online abschöpfen. Aber nicht alle Vampire haben ihre Instinkte unter Kontrolle... Amy hält Galaxia für ein gut programmiertes Fantasy-Metaversum... bis sie erfährt, dass sie selber ein Halbvampir ist. Gegen ihren Willen wird sie in die turbulenten Geschehnisse auf Galaxia hineingezogen und erkennt: Die Leidenschaft eines Vampirs kann lebensgefährlich sein... KOMM MIT UND ENTDECKE GALAXIA SELBST! Erweiterte Ausgabe: Enthält die Songtexte zu »GALAXIA – Drachenkind« und einen Ausblick auf die Fortsetzung.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Inhaltsverzeichnis
EPISODE 01 – BLUTRAUSCH
___GALAXIA – Biesterburg
___REALWELT – in einer Kleinstadt vor den Toren Münchens
EPISODE 02 – SALAMANDER
___GALAXIA – Oberstes Vampirgericht
___REALWELT – im Haus von Familie Palmer
___GALAXIA – Azurinschloss
___REALWELT – Marie-Curie-Gymnasium
___REALWELT – im Haus von Familie Palmer
___GALAXIA – Azurinschloss
___REALWELT – im Haus von Familie Palmer
___REALWELT – Marie-Curie-Gymnasium
___REALWELT – im Haus von Familie Palmer
___REALWELT – bei Rebecca zuhause
EPISODE 03 – ASSASSINE
___REALWELT – Marie-Curie-Gymnasium
___REALWELT – im Haus der Nertens
___REALWELT – Marie-Curie-Gymnasium
___REALWELT – im Haus von Familie Palmer
___GALAXIA – Biesterburg
___GALAXIA – Azurinschloss
___GALAXIA – in der Nähe des Sanduhr-Kraftwerks
___GALAXIA – Azurinschloss
___GALAXIA – im Höhlenlabyrinth des Sanduhrkraftwerks
___GALAXIA – Biesterburg
___GALAXIA – im Höhlenlabyrinth des Sanduhrkraftwerks
___GALAXIA – Biesterburg
___GALAXIA – im Höhlenlabyrinth des Sanduhrkraftwerks
EPISODE 04 – ATEMLOS
___GALAXIA – Biesterburg
___GALAXIA – im Höhlenlabyrinth des Sanduhrkraftwerks
___GALAXIA – unweit der Biesterburg
___GALAXIA – im Höhlenlabyrinth des Sanduhrkraftwerks
___GALAXIA – Azurinschloss
___GALAXIA – im Höhlenlabyrinth des Sanduhrkraftwerks
___GALAXIA – Biesterwälder
___REALWELT – im Haus von Familie Palmer
___GALAXIA – Tropical Iceland
___REALWELT – im Haus von Familie Palmer
___GALAXIA – Azurinschloss
EPISODE 05 – DIAMANTENFIEBER
___GALAXIA – Azurinschloss
___GALAXIA – Drachenfels
___GALAXIA - Biesterburg
___GALAXIA – unweit vom Drachenfels
___REALWELT – im Haus von Familie Palmer
___GALAXIA – Biesterwälder
SONGTEXTE
FORTSETZUNG – Leseprobe
IMPRESSUM
Lizabeta spitzt ihre sensiblen Vampirohren, als sie den Tumult vor ihren Gemächern hört.
»Lasst! Mich! Los! Ich saug’ Euch aus bis auf die Knochen!« Tyranimos versucht mit aller Gewalt, sich zu befreien.
Aber die Wachen sind zu viert, er hat keine Chance. Sie zerren ihn den Korridor entlang und stoßen ihn in den Seiteneingang der Bibliothek. Ein Tritt in die Kniekehlen zwingt ihn zu Boden.
»Was gibt es?«, fragt Damon schlechtgelaunt.
»Er hat sich an Polinas Zimmertür zu schaffen gemacht, Mylord, und Ihr hattet Anweisung gegeben...«
»Raus!«, befiehlt Damon mit schneidender Stimme. Das lassen sich die Wachposten nicht zweimal sagen. Die schwere Tür fällt ins Schloss. »Und du?«, wendet sich Damon an seinen Sohn, der auf dem Boden kauert und verbissen versucht, die Fesseln hinter seinem Rücken zu lösen. »Was soll das?«
Tyranimos springt wütend auf. Er rempelt gegen den Schaukasten, in dem mit Hunderten von Zinnsoldaten die Schlacht vom Drachenfels nachgestellt ist, und zerrt an dem enggeschnürten Seil. »Diese Schwachköpfe!«, keucht er. »Sobald ich hier fertig bin...«
»Führ’ dich nicht so auf!« Damon knallt den Atlas auf den Tisch. »Du wirst gar nichts tun! Die Wachen haben nur meinen Befehl befolgt! Und was die kleine Süße angeht: Die lässt du in Ruhe! Sonst werfe ich sie aus der Burg, und dich gleich mit!«
»Es ist nichts gewesen, Vater!«, verteidigt sich Tyranimos.
»Du hast versucht, in ihr Schlafgemach einzubrechen!«
»Ich wollte mich nur ein bisschen amüsieren. Was ist schon dabei?«
»Lass’ die Finger von Polina!«, tobt Damon. »Du sollst erst mal ein paar Kämpfe gewinnen! In deinem Alter hatte ich schon meine eigenen Vasallen! Sobald du mehr bist als ein Niemand, kannst du dir irgendwelche Mätressen halten. Vorher nicht!«
»Sprecht leiser, Vater, sie kann Euch hören!«
»Das interessiert doch MICH nicht!«, bellt Damon. »Außerdem bekommt die sowieso nichts mit! Die lässt sich gerade einkleiden, drüben im Ostturm. Und du könntest dir auch mal was Festliches überziehen! Oder hast du vergessen, was heute für ein Tag ist?«
»Natürlich nicht, Vater! Aber so...« Tyranimos reißt an seinen Handfesseln, die schmerzhaft in seine Handgelenke schneiden, »... so kann ich mein Hemd nicht wechseln!«
Damon reißt die Tür der Bibliothek auf und brüllt: »Butler!«
Wie aus dem Boden gestampft steht sein Hausangestellter vor ihm. »Zu Euren Diensten, Mylord!«
»Helft meinem missratenen Sohn in ein vorzeigbares Outfit!«, knurrt Damon. »Aber vorher schafft mir Lizabeta herbei! Die soll repräsentieren! Die ersten Gäste müssten doch schon da sein!«
»Der Saal ist bereits halb voll, Mylord.«
»Ja, worauf wartet Ihr dann noch, Butler? Steht nicht so sinnlos herum! Bewegt Euch nach unten und empfangt meine Gratulanten!«
Butler verbeugt sich knapp und eilt hinaus.
****
Polina, ein zierlicher Vampir-Teenager mit blasser Haut und schlaksigen Armen, steht allein inmitten der feiernden Menge und dreht einen Champagnerkelch in ihren Fingern. Unruhig streicht sie sich eine Strähne ihres schwarzen, metallisch glänzenden Haares aus dem Gesicht. Der kinnlange Bob legt ihre aufreizende Halslinie frei.
Immer wieder wird sie von vorbeitanzenden Paaren gestreift. Sie sieht sich um, fühlt sich unbehaglich, als sie Tyranimos’ Blick auf sich spürt. Der verzogene Fürstenspross stellt ihr nach, wann immer sich eine Gelegenheit bietet. Jetzt steht er vor dem großen Drachenreitergemälde zwischen seinen Söldnern: Zwielichtige Gestalten mit verschlagenen Mienen und schlechten Manieren, die für ein paar lumpige Kröten ihre eigene Großmutter meucheln würden. Immer wieder wandern seine Augen hinter der goldüberzogenen Ledermaske zu ihr. Polina hat sein Gesicht noch nie ohne Maske gesehen. Schon deswegen ist er ihr unheimlich.
»Arefin, darf ich Euch meine Tochter Polina vorstellen?« Lizabeta winkt sie zu sich. »Polina! Arefin ist das Oberhaupt einer der wichtigsten Vampirfamilien von ganz Galaxia.« Sie sieht wohlwollend zu, wie Polina ihm schüchtern ihre schmale Hand entgegenstreckt.
»Es ist mir eine Ehre, Euch kennenzulernen, Polina. Genauso schön wie die Mutter« – der Sitte gebührend führt Arefin ihre Hand an seine Lippen – »und genauso intelligent, nehme ich doch an!«
Eine üppige Schönheit schiebt sich an ihnen vorbei und legt Arefin vertraulich eine Hand auf den Arm. »Oooh...«, stöhnt sie theatralisch und fasst sich an ihr ausladendes Dekolleté. »Damons Einladungen sind jedesmal ein rauschendes Fest! Dieser Prunk, dieses Buffet! Und die Gästeliste – nur vom Feinsten! Alles ist da, was Rang und Namen hat!« Sie schenkt Lizabeta ein gekünsteltes Lächeln, würdigt Polina jedoch keines Blickes.
Polina wendet sich ab. Diese arroganten, dekadenten, versnobten Schmarotzer interessieren sie nicht. Das Unangenehme an Damons Geburtstagsparties ist, dass sie regelmäßig in Orgien ausarten.
Der Ablauf ist immer derselbe: Sobald die hochkarätigen Gäste aus ihren Kutschen gestiegen sind, bekommen sie Champagner kredenzt, oder einen Bloody-Hell-Longdrink mit Schampus und Schuss. Man macht Konversation und tanzt, amüsiert sich und flirtet. Das Buffet wird geplündert und wieder aufgefüllt. Polina beobachtet diverse Herren, zuweilen auch Damen, die mit einem 3D-Girl hinter einer der vielen Türen verschwinden. Die Girls sind dreidimensionale Lichtillusionen – täuschend echt wirkende Projektionen der legendären Vampirin Bella Domina, die ihren Vampir-Liebhabern den letzten Tropfen Lebenssaft aus den Adern gesaugt haben soll. Und so wie das Sonnwendlicht dem Treiben der wahren Bella Domina ein Ende bereitete, löst sich auch ihre computeranimierte Traumfigur für gewöhnlich in Nichts auf: Wenn die Gäste das verführerische Hologramm erwartungsvoll in Turmzimmer, Kellerabgänge oder Besenkammern lotsen, erleben sie meist eine Enttäuschung. Die Datenverbindung für den Videostream kann durch die dicken Steinwände einfach nicht aufrechterhalten werden.
Um Mitternacht gibt es ein fulminantes Feuerwerk. Wer da noch nicht betrunken ist, wird es spätestens von dem legendären Black-Soul-Cocktail, den Küchenchef Herbie im Anschluss reicht. Hauptzutat ist ein Destillat aus Kellerasseln, die anderen Spezereien werden streng geheimgehalten. Der unmäßige Genuss dieser Mixtur führt zu totalem Kontrollverlust, so dass sich bei jeder Party einige der Eingeladenen zu dramatischen Hemmungslosigkeiten hinreißen lassen. Auch heute ist wieder ein Operateur bestellt, um den Kandidaten des Russisch Roulette die Kugeln aus dem Kopf zu holen, die sie sich in ihrem betrunkenen Leichtsinn hineinjagen.
Die Anzahl der Nackedeis unter den Gästen, denen Smoking oder Ballkleid beim Strip Poker abhanden gekommen sind, steigt von Stunde zu Stunde. Das wirkt besonders lächerlich, wenn die Herren im Adamskostüm zum Duellieren antreten. Einige sind zu betrunken, um noch selbstständig den Abzug ihrer Waffe zu finden, weshalb sie gleich ihren armseligen Adjutanten ins Gemetzel schicken. Wer noch in der Lage ist, vor Sonnenaufgang in die richtige Kutsche einzusteigen, wird von seinem Personal nach Hause gefahren. Der Rest schläft im Morgengrauen seinen Rausch aus, unter Tischen oder auf Treppenstufen.
Polina schaut zur Seite. Tyranimos steht immer noch da, mit seiner Aztekenmaske, und lässt sie nicht aus den Augen. Ein Glatzkopf im weißen Kittel macht sich an ihn heran. Polina erkennt sofort, dass der kein Vampir ist: Seine Aura strahlt die bunte, facettenreiche Lebensenergie eines Menschen aus. In seinem großen kugelförmigen Schädel ist das linke Auge deutlich größer als das rechte. Das ist also RobDoc, Professor für Robotergenetik. Die Bediensteten haben ihr schon von ihm erzählt: Das deformierte Auge ist angeblich das Ergebnis eines fehlgeleiteten Experiments, welches er in jungen Jahren unvorsichtigerweise im Selbstversuch durchführte.
Der Professor betrachtet angewidert Tyranimos’ Handlanger, die mit ihren zottigen Haaren und selbstgestochenen Tätowierungen wie Piraten aussehen, und nicht wie die Gefolgsleute eines zukünftigen Herrschers. Er hat seine Mimik aber schnell wieder im Griff. Mit demütig gesenktem Kopf spricht er Tyranimos an.
Tyranimos wendet seinen Blick unwillig von Polina ab. Er hört dem Professor zu, lächelt dann geschmeichelt, legt ihm gönnerhaft beide Hände auf die Schultern und redet auf ihn ein. Der Mensch nickt pausenlos. Schließlich verlassen die beiden den Saal. Als sie wieder zurückkommen, trägt der Kahlkopf ein Päckchen unter dem Arm, ziegelsteingroß, eingewickelt in braunes Papier.
Solche Päckchen hat Polina schon mal gesehen. Wo war das nur? Ja, richtig: als sie mit Butler Lizabetas Schmuck aus dem Tresor holen sollte. Der Professor wirft einen letzten misstrauischen Blick in die Runde, lehnt ein Glas Wein ab, das Butler ihm anbietet, und drängt sich durch die feiernden Gäste zum Ausgang.
Tyranimos glotzt wieder herüber. Polina dreht ihm den Rücken zu. Keine Minute später stellt sie genervt fest, dass er sich erneut in ihrer Blickrichtung postiert hat und sie unverändert mit den Augen verschlingt. Wieder wendet sie sich ab. Wie sie es hasst, pausenlos angestarrt zu werden! Sie ahnt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis seinen begehrlichen Blicken die ersten Annäherungsversuche folgen.
Viel schlimmer als der Junge aber ist der Alte. Damon, Fürst der Dunkelheit, mächtigster Vampir im ganzen galaktischen Universum, mustert Polina ebenfalls unverhohlen vom anderen Ende des Festsaals. Er ist Tyranimos’ Vater, mächtig und geil. Sein Leben lang hatte er die schönsten Frauen Galaxias an seiner Seite. Seit ein paar Jahren schon ist das Polinas Mutter. Und das ist das Schlimmste für Polina: Sie weiß genau, dass Lizabeta es merkt, wie ungeniert ihr fürstlicher Liebhaber neuerdings ihrer Tochter nachstellt. Es ist ja auch kaum zu übersehen, dass Damon sich am Buffet auf Tuchfühlung hinter Polina drängt, seine Nase in ihren schwarzen Charleston-Bob senkt, mit leisem Schnaufen ihre Halslinie entlangsabbert und in ihrer Nähe schmutzige Witze reißt.
Soeben huscht der Professor hinter ihm vorbei.
»Professor RobDoc!«, dröhnt Damon, als ob er im Hinterkopf Augen hätte.
Die Vampire in seiner Nähe drehen sich nach dem Wissenschaftler um, der eigentlich unauffällig an der Saalwand entlangschleichen wollte... und nun widerwillig herankommt. Das braune Päckchen drückt er wie ein Baby vor seine Brust, während er Damon gequält lächelnd die Hand schüttelt. Dieser zieht irritiert die Augenbrauen zusammen und deutet mit dem Zeigefinger auf das Geldpaket: »Täusche ich mich, oder hattet Ihr Euch erst letzte Woche einen Vorschuß geholt? RobDoc?«
»Eeeh... Exzellenz... nun ja... Ich meine: Nein, Euer Gnaden täuschen sich natürlich bedauerlicherweise nicht. Das Projekt ist komplizierter als ich dachte...«
Damon winkt ab. »Schon gut, Doktor, ich will nicht kleinlich sein. Aber wann liefert Ihr uns mal einen Prototyp, der funktioniert? Der letzte hat ein Massaker in unserer Küche angerichtet. Ich habe gestern noch drei Patronenhülsen in meinem Gulasch gefunden.«
»Arghhh.« RobDoc beißt die Zähne zusammen, als würde ihm diese Nachricht körperliche Schmerzen bereiten. »Ich arbeite daran, Mylord. Das Problem liegt in der Befehlsverwaltung. Mit Vampiren als Ausgangsmaterial ist einfach kein funktionaler Roboterkorpus hinzukriegen. Ihre Gehirne arbeiten nicht logisch genug... äh, Anwesende natürlich ausgenommen. Es gibt keine Übereinstimmung in den binären Schnittstellen. Wenn ich...«
»Ach, RobDoc, langweilt mich nicht mit Eurem Wissenschaftslatein. Ihr werdet das schon hinkriegen!« Unvermittelt packt Damon ihn am Oberarm und ruft: »Hochverehrte Gäste, hatte ich schon das Vergnügen, Professor RobDoc vorzustellen?« Er zerrt ihn in die Mitte einer Gruppe gutgelaunter Vampire. »Nicht so schüchtern, Doktorchen, wir beißen nicht!«
»Sehr erfreut!«, murmelt RobDoc mit sauertöpfischer Miene und reicht reihum jedem der Umstehenden die Hand, bis er versehentlich nochmals die von Damon schüttelt. »Äh... und alles Gute zum Geburtstag, mein lieber Damon, falls ich das vorhin noch nicht erwähnt haben sollte!«, wünscht er, um ein bisschen Smalltalk zu machen. »Wie alt seid Ihr geworden, wenn ich fragen darf?«
»169!«, verkündet Damon stolz.
Ein gebeugter, verhutzelter Vampir richtet seine wässrigen blutunterlaufenen Augen auf ihn: »Das kann nicht sein, Damon. Ihr seid doch schon viel älter!«
»Oh doch, das ist wirklich so, mein lieber Krestos!«
»Aber ich kenne Euch doch schon seit mindestens fünfhundert Jahren! Nein, nein, Ihr seid älter!«, beharrt der Greis.
»Auch wenn Ihr nicht so alt ausseht«, beeilt sich ein anderer Vampir hinzuzufügen.
»Sir Caluardo...«, erwidert Damon mit offensichtlichem Vergnügen, »ich werde Euch die Lösung des Rätsels verraten: Wir haben heute den 29. Februar. Ich wurde in einem Schaltjahr geboren!«
Wieherndes Gelächter bricht aus. Rätsel, Witze und Scherze des Herrschers – auch die schlechten – sind mit besonderem Enthusiasmus zu honorieren, so will es die höfische Sitte.
»169 ist ein ganz besonderer Geburtstag!«, ruft Damon aufgekratzt. »Es ist nämlich – na? – eine Quadratzahl! Und zwar was für eine?« Er blickt erwartungsvoll in die Runde. »Ich gebe Euch einen Tipp, damit es nicht zu schwer wird: Ein mal Eins ist es NICHT.«
Krestos zuckt mit den Schultern. »Zwei mal Zwei?«
»Neiiiin!« Damon reibt sich erwartungsfroh die Hände.
»Sieben mal Sieben?«, rät Norina.
»Auch nicht!« Lachend klatscht Damon dem Professor seine kräftige Pranke auf den Rücken, so dass dieser einen Schritt vorwärts stolpert. »Nichts verraten, mein Lieber!« Und an sein Gegenüber gewandt: »Sir Caluardo, wisst Ihr es?«
Der Angesprochene winkt ab. »Ich kann es ausrechnen lassen von meinen Leuten... aber das dauert immer so lange. Ist es sehr wichtig?«
Damon schaut schlechtgelaunt. Spielverderber, sagt sein Blick. Immerhin ist das sein Geburtstag! »Verratet Ihr es uns, Professor?«
RobDoc versucht auszuweichen, aber Damons freundlicher Boxhieb erwischt ihn trotzdem. »Wenn Ihr es wünscht«, antwortet er gepresst und massiert seinen Oberarm. »Es ist die Dreizehn im Quadrat.«
Die Vampirin neben ihm unterdrückt einen Aufschrei. »Ein schwarzes Omen!«, quiekt sie hinter vorgehaltener Hand. »Tod und Verderben belauern einander, um sich mit bösem Blut zu besudeln!« Sie ist Liliputanerin, kaum größer als ein fünfjähriges Kind, ganz in Schwarz gekleidet. Um die Speckfalten ihres Halses und an der fassartigen Taille baumeln okkulte Amulette.
RobDoc wirft ihr einen irritierten Blick zu. »Ich muss dann leider aufbrechen«, nuschelt er. »Dringende Forschungsarbeiten, bitte vielmals um Verständnis!« So schnell er kann verschwindet er durch die nächstgelegene Flügeltür.
Diese Vampire mit ihrer albernen Rechenschwäche. Kein Wunder, dass es mit den automatisierten Kampfrobotern nicht hinhaut, denkt RobDoc erbost. Sobald er die maschinenbetriebenen Teile an den Wirtskörper eines Vampirs anschließt, funkt ihr unlogisches, irrationales, paradoxes Denkorgan dazwischen und sabotiert alles. Wie es in so einem Blutsaugergehirn innendrin aussieht, das würde ihn wirklich mal brennend interessieren. Dazu müsste er allerdings erst mal einem von ihnen eine Vollnarkose verpassen. Bisher hat er sich noch nicht dazu überwinden können, mit der Hand in eines dieser Saugzahngebisse zu greifen, um den Beatmungsschlauch fachgerecht einzuführen. »Man müsste einen anderen Wirtskörper finden«, murmelt er vor sich hin, während er durch den nächtlichen Burghof hetzt. »Ein logisch denkendes Gehirn, das meinen Roboter steuert. Aber wen? Aber wen?«
»Butler!«, ruft Damon über die Köpfe der Umstehenden hinweg. »Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um unseren Gästen einen Humpen echtes Blut anzubieten. Auf meinem Fest bleibt keine Kehle trocken! Niemand soll mir nachsagen, ich würde an meinem Geburtstag knausern!«
Das Trinken von Blut gilt zwar auf Galaxia schon lange als verpönt, aber viele der älteren Vampire hängen diesem Laster immer noch mit Leidenschaft an.
»Butler!«, schreit Damon erneut in die Richtung, wo er seinen treuen Domestiken vermutet. »Gebt dem Kerkermeister Bescheid, er soll ein paar Gefangene anzapfen!«
»Ich bitte um Verzeihung, Mylord, aber das geht nicht«, sagt sein Butler hinter ihm, kalkweiß im Gesicht.
»Wenn der Herrscher über ganz Galaxia Blut trinken will, dann bringt ihm das!«, ruft Damon launig über seine Schulter.
»Ich bedaure außerordentlich, Mylord, aber es geht wirklich nicht«, wiederholt Butler. Seine Stimme wird mit jedem Wort leiser.
Damon wendet sich überrascht um. »Wie bitte?«
»Ihr selbst habt mir vor zwei Tagen die Erklärung an den Ältestenrat diktiert...«
»Hä?«
»... in der Ihr Euch verpflichtet und mit Blutsiegel geschworen habt, das Trinken von Blut als unkultivierte Unsitte zu ächten und fortan zu unterlassen.«
»Ihr seid zu bürokratisch, mein lieber Butler. Was interessiert mich mein Geschreibsel von vor zwei Tagen! Ich habe jetzt Durst!«
Butler schaut betreten. Er ringt nach Worten.
»Na los, wird’s bald?«, schnauft Damon verärgert. »Bringt mir jetzt meinen Humpen, aber ein bisschen plötzlich!«
»Sie... sie sind nicht mehr da«, stottert Butler.
»Butler, Ihr werdet frech! Wollt Ihr mir wirklich weismachen, es gäbe in der ganzen Burg keine Humpen mehr?«
»Nein, Mylord... Aber es gibt keine Gefangenen mehr.«
»WAAAAAAAS?« Auf Damons Geschrei hin kehrt rundum eine eigentümliche Stille ein. Die Musik setzt aus, die Tänzer halten inne. Alle Blicke ruhen auf dem krebsroten Gesicht ihres um Fassung ringenden Herrschers.
Butler holt tief Luft: »Nachdem Ihr die Erklärung an den Ältestenrat unterzeichnet hattet, hielt ich es für konsequent, dem Kerkermeister Anweisung zu geben, die Gefangenen freizulassen.« Die Worte des Bediensteten werden immer leiser, je stärker die Augen seines Herrn aus ihren Höhlen hervortreten.
»IHR HABT WAS? SEID IHR WAHNSINNIG?« Damon schnappt über, ihm entgleist die Stimme. »ALLE?«
Butler nickt. »Sämtliche Häftlinge hatten ihre Haftstrafe schon längst verbüßt und wurden nur noch zum Blutabzapfen gehalten«, versucht er sich zu verteidigen. »Und nach dieser Unterlassungserklärung von Euch, da dachte ich...«
»IHR DACHTET! IHR DACHTET!« Damon kann seinen Zorn nicht länger beherrschen und kickt mit einem gewaltigen Tritt einen Stehtisch an die Wand. Zwei Gäste, denen so die Stütze unter ihren Ellenbogen weggerissen wird, gehen zu Boden. »SEIT WANN HAT EIN DIENER ZU DENKEN? ICH VERBIETE EUCH ZU DENKEN! DENKEN IST BLÖDSINN! DENKEN MACHE NUR ICH! IHR SOLLT NICHT DENKEN, IHR SOLLT GEHORCHEN!«
»Jawohl, Mylord.«
»NIX DA ›JAWOHL‹! IHR SEID GEKÜNDIGT! PER SOFORT VOM DIENST SUSPENDIERT! UNEHRENHAFT ENTLASSEN! PACKT EURE SACHEN UND SCHERT EUCH FORT!«
»Mylord!« Butlers Stimme hat etwas Flehendes.
»ICH BIN NICHT LÄNGER EUER LORD! SEHT ZU, WIE IHR MIT DIESER SCHANDE LEBT! EIN DIENER OHNE HERR IST EIN NIEMAND! IHR SEID EIN NIEMAND! IHR SEID FAKTISCH TOT!« Wutentbrannt wendet Damon sich ab und stapft von dannen. Seine Gefolgsleute eilen ihm mit gesenkten Köpfen hinterher.
Butler bleibt geschockt zurück. »Ich war Euch immer loyal ergeben!«, ruft er Damon hinterher. Aber da hat die Musik schon wieder eingesetzt, und niemand hört ihm mehr zu.
Lizabeta steht mit Arefin in dem Gedränge an der Bar, wo der Praktikant aus Realwelt einen Zuckerhut mit einer zweckentfremdeten Folterzange über einer Glasschale fixiert, den weißen Kegel mit hochprozentigem Rum tränkt, ihn anzündet... und dabei die wacklige Konstruktion versehentlich umstößt. Die Umstehenden beobachten interessiert, wie die Dessert-Etagère abfackelt. Man prügelt sich um das, was von der Feuerzangenbowle übrig ist, ohne auf das Geschrei des Fürsten zu achten.
Lizabeta sieht verblüfft von Damon zu Butler. Der Hauch eines Lächelns umspielt ihre Mundwinkel. Das passt ja ganz hervorragend in ihren Plan! »Polina, mein Liebling, würdest du mir bitte meine Stola holen? Ich habe sie oben vergessen, sie hängt über dem Paravent.«
»Aber Mama, es ist doch ganz warm hier!«
»Polina? Bitte!«
Polina versteht den versteckten Befehl, sich zu entfernen. Sie senkt folgsam den Kopf und stöckelt über den Steinboden zu der geheimen Tür, hinter der eine schmale Wendeltreppe zu den Privatgemächern führt.
»Ihr seht besorgt aus, Lizabeta«, sagt Arefin, sobald Polina außer Hörweite ist.
Lizabeta sieht ihn mit großen Augen an. Arefins kräftig cobaltblaue Aura hat sie schon vor vielen Jahrhunderten fasziniert, und daran hat sich nichts geändert.
»Außer mir sieht das keiner«, beruhigt Arefin sie. »Für alle anderen seid Ihr einfach nur so schön wie immer.«
Lizabeta zieht ihn hinter die Bar, wo sie sich zwischen Glasscherben und klebrigen Bowle-Pfützen ganz ungestört unterhalten können. »Irgendwo muss doch noch Sodawasser sein!«, murmelt sie. »Ah, hier, hinter den Sherryflaschen...«
»Wie ich sehe, hat sich der große Ehrgeiz Eures Lebens erfüllt: Ihr verbringt Euer Leben in Prunk und Pracht, als Geliebte des Herrschers über ganz Galaxia. – Das war doch Euer Wunschtraum, oder nicht?«
»Ja«, gibt Lizabeta das Offensichtliche zu. »Aber doch nicht so!« In den ersten Jahren war sie überzeugt gewesen, dass Damon sie heiraten würde und sie zur Fürstin aufsteigen könnte. Jahrelang tat sie ihr Bestes, um Damon zu umgarnen und zu verführen, ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen und ihm in jeder Form zu Willen zu sein... und bis vor kurzem noch war Damon absolut verrückt nach ihr. Gewesen.
»Ihr wolltet Macht haben, Juwelen, Bedienstete... das war Euer einziges Streben. Damon konnte Euch das geben. Ich konnte es damals nicht.« Arefin sagt es ohne Verbitterung.
»Ich verfüge nicht über wirkliche Macht. Heute schicke ich hundert Diener mit einer Handbewegung von links nach rechts. Morgen habe ich vielleicht nicht einmal mehr einen Kutscher. Mein Status ist nur von Damons Launen abhängig... und Ihr wisst, wie wankelmütig er ist!«
»Ich verstehe. Ihr wollt die rechtmäßige Fürstin sein. Ihr wollt an seiner Seite auf dem Thron sitzen und über Galaxia herrschen.«
»Ja, natürlich! Jede Frau in meiner Position würde das anstreben! Aber Damon verweigert mir die Ehe. Früher hat er sich noch die Mühe gemacht, mich mit halbscharigen Ausflüchten hinzuhalten. In letzter Zeit sagt er einfach nur ›Nein‹. Er entgleitet mir.«
»Sein Interesse an Euch hat also nachgelassen«, konstatiert Arefin.
»Ja. Bevor ich meinen Einfluss auf ihn völlig verliere, muss ich etwas unternehmen«, erklärt Lizabeta.
»Was ist Euer Plan?«
»Wenn ich schon nicht Herrscherin sein kann, dann will ich wenigstens die Mutter einer Herrscherin sein!«
Arefin sagt lange nichts mehr. Er lässt seinen Blick über die feiernde Menge gleiten. »Habt Ihr Euch das auch gut überlegt?«, fragt er schließlich. »Damon ist... sagen wir mal: nicht unumstritten. Er hat sich viele Feinde gemacht. Sein Sohn scheint einen ähnlich schwierigen Charakter zu haben.«
»Ich weiß, dass auch Tyranimos in weiten Kreisen verhasst ist. Trotzdem glaube ich, dass es Polina im Zentrum der Macht am besten gehen wird.«
»Dass der Sohn nicht automatisch die Nachfolge des Vaters antritt, ist Euch sicherlich bekannt? Galaxias Herrscher wird traditionell durch das Orakel bestimmt.«
Lizabeta winkt nachlässig ab. »Damons Sippe hat die Macht schon immer über die Hintertür an sich gerissen, indem der Ältestenrat bestochen wurde, die Entscheidung des Orakels außer Kraft zu setzen. Das wird auch seinem Sohn gelingen.«
»Ich werde Euch da nicht dreinreden. – Wenn Ihr Hilfe braucht...«
Lizabeta lächelt melancholisch und streicht ihm flüchtig mit einer Hand über den gestutzten Bart. »Ihr seid ein wahrer Freund, Arefin! Mein einziger! – Aber nein. Macht Euch keine Gedanken, ich bekomme das alleine hin.«
»Polina ist schön und klug. Ihr wisst, in welches Leben Ihr sie schickt, wenn Ihr sie mit Tyranimos verheiratet. Warum wollt Ihr ihr das antun?«
»Ich sehe keine andere Möglichkeit, Arefin. Nicht, seitdem sich auch Damon für sie interessiert.«
»Oh! Tut er das? Das ist tatsächlich ein Problem!«
»Allerdings! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Damon Polina als seine Mätresse beansprucht.«
Arefin nickt. »Eure eigene Tochter ist der Grund, warum Damons Leidenschaft für Euch erkaltet ist. Das ist hart. Seid Ihr eifersüchtig?«
Lizabeta winkt müde ab. »Nein, besorgt trifft es eher. Sobald Damon Polina zu seiner Mätresse macht, kommt sie als offizielle Gemahlin für seinen Sohn nicht mehr in Frage.«
»Was dann bedeutet, dass auch Polina nie auf den Fürstenthron gelangen könnte«, überlegt Arefin. »Außer wenn Damon sie heiraten würde. Aber diesen Gefallen hat er ja in all den Jahrhunderten noch keiner Frau getan. – Und jetzt?«
»Das Problem gehört beseitigt«, sagt Lizabeta kühl.
Arefin nickt und sieht aus dem Augenwinkel zu Damon hinüber. »Egal was Ihr vorhabt – versucht niemals, ihn im Schlaf zu erstechen. Seine Reflexe sind zu schnell, Ihr hättet keine Chance. Nicht mal, wenn er so viel trinkt wie heute.«
Lizabeta lächelt. »Ich danke Euch für Eure Warnung, Arefin – aber glaubt Ihr, das wüsste ich nicht? Mit Waffengewalt ist Damon nicht zu besiegen. Dafür ist er zu stark, zu wachsam, zu routiniert im Kampf – und er hat einen siebten Sinn für Gefahren wie kaum ein anderer.« Nachdenklich streicht sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Nein, ich bin eine Frau. Und Frauen, so sagt man...«
»... bevorzugen Gift.«
»Das habt IHR gesagt, mein Lieber!«
Arefin betrachtet sie. Ihre goldgrüne Aura leuchtet heute noch intensiver als sonst. »Hört zu, Lizabeta... Ihr seht immer noch sensationell gut aus. Ihr könntet Euch einen Mann wählen, der Euch wirklich liebt!«
»Ich bin eine Vampirin mit Ansprüchen und Status, Arefin! Ich interessiere mich nicht für Liebe. Sondern für Macht. Liebe ist eine Illusion... Ein vergängliches Gefühl. Weiter nichts.«
»Es gibt durchaus Vampire, die sich verlieben!«, widerspricht Arefin.
»So wie Baroon, meint Ihr? Das ist doch albern. Geradezu lächerlich! ICH habe mich nie zur Gefangenen meiner Gefühle gemacht. Liebe vergeht. Macht und Status bleiben.«
»Wenn Ihr das so sehen wollt... Jeder hat das Recht, auf seine Weise unglücklich zu werden!«, erwidert Arefin spöttisch. Lizabeta kennt ihn lange genug, um den resignierten Unterton herauszuhören.
»Mama, Eure Stola!« Polina ist zurückgekehrt.
»Wie lieb von dir, mein Schatz. Ich möchte ein wenig frische Luft schnappen. Würdest du mich begleiten?« Bevor Arefin sich noch als Begleiter zur Verfügung stellen kann, hält Lizabeta ihm ihre Hand vor die Nase. »Ich danke Euch für alles, Arefin.«
»Auf Wiedersehen, Lizabeta.« Er blickt ihr lange in die Augen, während er ihre Hand nimmt und einen Kuss aufhaucht.
Lizabeta nickt und geht ohne ein weiteres Wort. Polina eilt ihr hinterher. Schon nach wenigen Metern wird sie aufgehalten. Eine Hand packt sie am Arm. Es ist Tyranimos, der Fürstensohn, schon ziemlich betrunken für die Uhrzeit, und dementsprechend noch aufdringlicher als sonst.
»Wohin denn so eilig, meine Schöne?« Seine Alkoholfahne schlägt ihr ins Gesicht.
»Ich wüsste nicht, was Euch das angeht! Würdet Ihr mich bitte loslassen, Tyranimos?«
»Ja doch, gleich!« Die Augen hinter seiner Maske schimmern glasig. »Aber so kann ich Euch wirklich nicht gehen lassen – Ihr habt da ein Haar!« Er fasst mit seinen Fingern tief in den Ausschnitt ihres Kleides, zwischen ihre Brüste, und zieht ein imaginäres Haar heraus, das er gegen das Licht einer Fackel hält. Seine Gefolgsleute grölen vor Lachen, als er gönnerhaft nickt und so tut, als würde er das unsichtbare Haar zu Boden fallen lassen.
KLATSCH – Polinas Hand landet halb auf seiner Maske, halb auf seinem Ohr. Tyranimos blinzelt erstaunt. Ihr Schlag hat eine Wucht, den er diesen zarten Armen gar nicht zugetraut hätte. »Lasst Eure Dreckspfoten von mir, Tyranimos!«, faucht sie wie eine Katze. »Hier gibt es genug billige Flittchen, an denen Ihr herumgrapschen könnt! Wüsste ich es nicht besser – ich könnte glauben, Ihr stammt von Schweinehirten ab!«
Abrupt dreht Polina sich weg und sucht zwischen den vielen Gesichtern nach Lizabeta. Diese lächelt sie über die Menge hinweg an und winkt sie zu sich. Während sich Polina einen Weg durch die Gäste bahnt, verschwindet ihre Mutter durch die hohe Flügeltür.
Als Lizabeta die breiten Marmorstufen der Außentreppe hinabsteigt, sieht sie Butler auf einer der Stufen sitzen. Neben ihm steht ein halbvolles Aperitif-Tablett, von dem er ein Glas nach dem anderen in sich hineinkippt. Er dreht sich um, als er ihre Absätze auf dem Marmor klackern hört. »Auch ein Gläschen Champagner, Mylady?«
Lizabeta macht eine abwehrende Handbewegung. »Nein, danke. Ich darf heute überhaupt keinen Alkohol trinken.« Sie setzt sich neben ihn auf die Treppenstufe. »Oh, Butler... Ich bedauere den Vorfall von heute Abend. Bitte grämt Euch nicht zu sehr. Ich fürchte, Damon weiß gar nicht, was er an Euch hat.«
»Hmpf!« Mehr ist von Butler nicht zu hören, als er sich den nächsten Aperitif in den Rachen schüttet.
»Butler – Was ich Euch schon lange sagen wollte: Ich bin Euch unendlich dankbar, dass Ihr schon mehrmals im richtigen Moment in Polinas Nähe zu arbeiten hattet... so dass sie nicht mit Damon alleine war.«
Butler stiert, den Kopf in die Hände gestützt, auf die Spitzen seiner schwarzglänzenden Lackschuhe. »Reiner Zufall, Mylady.«
»So viele Zufälle!« Lizabeta lächelt den zusammengesunkenen Mann neben ihr wissend an. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Damon den letzten Anschein von Zurückhaltung aufgibt... und dann kann sie sich gegen seine Zudringlichkeiten nicht zur Wehr setzen!« Vorsichtig dreht Lizabeta sich um. Als sie sich vergewissert hat, dass niemand sonst in der Nähe ist, senkt sie ihre Stimme zu einem Flüstern: »Butler, hört mir zu. Ich muss Euch um einen sehr großen Gefallen bitten. Außer Euch gibt es hier niemanden, dem ich vertraue.«
Butler hebt alarmiert den Kopf. Lizabetas Tonfall ist ungewohnt. Ist sie in Gefahr? Wovor hat sie Angst? »Jederzeit, Mylady. Worum handelt es sich?«
»Polina wird Euch kurz nach Mitternacht ein Paket übergeben. Würdet Ihr dieses... dieses Bündel zum Vampirgericht bringen? Und zwar so schnell wie möglich? Es wäre von allerhöchster Wichtigkeit!«
»Zum Gericht des Orakels?« Butler überlegt kurz. »Ich hoffe bloß, meine Zugangsberechtigung am LogScreen ist noch nicht deaktiviert. Weil ich doch fristlos gekündigt wurde.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen.« Lizabeta schüttelt den Kopf. »Ich habe den Programmierer drinnen gesehen, er macht Saufspiele. Der wird sich erst um die LogScreens kümmern, wenn er seinen Rausch ausgeschlafen hat. Es dürfte also kein Problem für Euch sein, das besagte Paket zum Vampirgericht zu teleportieren.«
»Dann werde ich diese Eilsendung zuverlässig für Euch abliefern, Mylady.«
Lizabeta greift nach seiner Hand. »Versprecht es! Schwört es mir! Wenn das Paket nicht vor Tagesanbruch bei Gericht abgegeben wird, bin ich erledigt!« Sie sieht ihn flehend an.
Butler traut seinen Ohren kaum. Lizabeta muss sehr verzweifelt sein. Er nickt heftig. »Ihr habt mein Wort, Mylady.«
Hastig lässt Lizabeta seine Hand wieder los, als über ihnen eine Tür knarzt.
»Mama, warum wartet Ihr nicht auf mich?« Es ist Polina, die durch das Hauptportal ins Freie tritt.
»Ach mein Liebes, drinnen war es so stickig. Ich brauchte dringend frische Luft.« Lizabeta erhebt sich von der Stufe. Butler fängt ihren dankbaren Blick auf. »Lebt wohl, Butler. Ich verlasse mich auf Euch!«
Butler nickt trübsinnig und kippt noch einen Aperitif.
****
Nachdem sich Damon mit einer kross gebratenen, vor Fett triefenden Biesterkeule beruhigen konnte – nicht ganz so exquisit wie Frischblut, aber besser als ein leerer Bauch – gesellt er sich zu einer Runde menschlicher Anzugträger. Ooohhhh, was quält da seine empfindlichen Sinneszellen? Blutgruppe Null! Dieser Kerl da links von ihm ist ein echter Leckerbissen. Damon muss sich zusammenreißen, damit ihm nicht die Saugzähne aus dem Kiefer fahren. Als Ersatzbefriedigung kippt er einen doppelten Kakteenschnaps hinunter, von dem jeder dieser Realwelt-Heinis eine eigene Flasche vor sich stehen hat.
Damon schmatzt probehalber dem Geschmack hinterher. Naja. Geht so. Er räuspert sich und wendet sich leutselig an den Anführer der Gruppe: »Nerten, mein Lieber! Ich fühle mich geehrt, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid!« Er hält ihm sein Schnapsglas entgegen. Sieben Flaschen werden eilfertig hochgerackt. Vip Nerten gießt Damons Glas bis zum Rand voll.
»Willkommen in der Biesterburg!«, prostet Damon den Vertretern der menschlichen Spezies und ganz speziell Blutgruppe Null zu. Dann konzentriert er sich auf Nerten. »Wie laufen die Geschäfte?«, erkundigt er sich mit geheuchelter Anteilnahme. »Ich habe gehört, Euer neu aufgelegter Edelmetallfonds hat eine Klage der Aufsichtsbehörde am Hals? Weil einige Goldminen in Eurem Portfolio nur Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen sind?«
Nerten, ein feister Blonder mit einem geröteten Kopf, winkt locker ab: »Nicht der Rede wert, Damon. Üble Nachrede, weiter nichts. Meine Anwälte sind schon dabei, die Sache zu klären. Wisst Ihr... Anlaufschwierigkeiten gibt es bei jedem Projekt.« Nerten schiebt sich aus dem Kreis seiner Kompagnons heraus und zieht Damon beiseite: »Vielleicht ist es auch an der Zeit, meine Geschäftsaktivitäten in weniger regulierte Gebiete zu lenken. Ich spiele schon länger mit dem Gedanken, Realwelt den Rücken zu kehren und mich in Galaxia niederzulassen. Aber sagt mal, Damon... meine Quellen berichten, dass Ihr seit kurzem im Besitz des legendären Wunschdiamanten seid?«
Damon grinst überheblich. »Angenommen, Euer Informant liegt richtig – Euch wird doch klar sein, dass so ein magisches Einzelstück nicht verkäuflich ist?«
»Vollkommen, lieber Damon, vollkommen!«, erwidert Nerten mit abgesenkter Stimme. »Aber habt Ihr Euch schon mal überlegt, dass Diamanten nicht zwangsläufig Einzelfunde sein müssen? Dort, wo man einen findet, gibt es vielleicht noch weitere – möglicherweise eine ganze Diamantenmine!«
Damons Grinsen friert ein vor Verblüffung. Nein, dieser Gedanke ist ihm tatsächlich noch nie gekommen. Fahrig zerrt er den vierschrötigen Herrn Nerten noch ein Stück von der Gruppe der Anzugträger weg, die auf einmal Stielaugen und Elefantenohren bekommen. »Das ist ja ein überaus interessanter Gedanke, Nerten. Ich würde zwar nicht darauf wetten, dass es in Galaxia einen zweiten Wunschdiamanten gibt, geschweige denn mehrere...«
»Das käme auf einen Versuch an!«, bettelt Nerten. »Ich wäre bereit, das unternehmerische Risiko alleine zu tragen! Über die Aufteilung des Gewinns können wir ja später noch reden.«
Damon lächelt breit. »Ja... Aber alleine werdet Ihr so eine Mine nicht finden. Ihr braucht einen Verbündeten, der Euch den Zugang zu entlegenen Gebieten ermöglicht... und der den Ältestenrat in Schach hält, um die Lagerstätten ungehindert ausbeuten zu können.«
Nerten nickt zustimmend. »Dann sind wir uns ja schon fast einig. Einen Haken hat die Sache aber noch.«
»Ach so?«
Nerten sieht ihm direkt ins Gesicht, stahlgraue Augen in einem glattrasierten Pokerface. »Bevor ich mich zu größeren Investitionen entschließe, müsste ich mich vergewissern, dass der Wunschdiamant mehr ist als reine Fiktion – dass es ihn wirklich gibt.«
Damon zieht nachdenklich einen Flunsch.
»Also«, hakt Nerten nach. »Habt Ihr ihn, den Wunschdiamanten? Wenn ja – kann ich ihn sehen?«
»Schaut Euch mal dieses ganze feiernde, besoffene Pack an, Nerten!«, fordert Damon mit einer weit ausholenden Handbewegung in Richtung der Partymeute. Diese formiert sich gerade zu einer langen Polonaise, angeführt vom ersten Nackedei des Abends, dem altehrwürdigen Sir Caluardo, der sich gutgelaunt mit zwei Champagnerflaschen gleichzeitig übergießt, während er den Saal durchschreitet. »Glaubt Ihr wirklich, ich würde diesen phänomenalen, einzigartigen Wunderstein hier aufbewahren, wo ihn mir jeder stehlen könnte? Ich möchte nicht wissen, wie viele meiner lieben alten Freunde ihre Adjutanten darauf angesetzt haben, in meinen Gemächern herumzuschnüffeln, während sie sich hier auf meine Kosten volllaufen lassen.«
Nerten lacht. »Wir haben in Realwelt reihenweise Banktresore, 100% einbruchsicher. Nur für den Fall, dass Ihr ein sicheres Versteck braucht.«
»Es gibt kein sicheres Versteck, Nerten! Sobald mir eine brillante Idee kommt, muss ich davon ausgehen, dass sie einem anderen ebenfalls einfallen könnte. Nein, ich habe das Problem anders gelöst.«
»Und wie?«
»Ich habe den Wunschdiamanten nicht versteckt, Nerten. Er liegt einfach nur dort, wo ihn niemand vermutet.«
****
Polina bemüht sich, mit ihrer Mutter Schritt zu halten. »Wohin geht Ihr, Mama?«
Lizabeta lächelt nur und legt einen Finger auf die Lippen. Sie greift nach Polinas Hand und zieht sie mit sich, über den Burghof, durch den verwilderten Kräutergarten, bis vor das Gatter des Biestergeheges. Polina fühlt sich unwohl. Sie ist nicht gerne in diesem Teil des Anwesens. Jeder weiß, wie unberechenbar die Biester sind. Zögerlich dreht sie sich nach allen Seiten um. Außer ihnen ist niemand da. Aus den Fensterluken der Burg dringt Musik und Stimmengewirr. Gelbes Licht fällt auf die Bäume, aber das Gehege liegt fast im Dunklen. Selbst mit Vampiraugen kann man nur schemenhafte Umrisse erkennen.
Unerschrocken geht Lizabeta auf das mehrfach gesicherte Tor zu und fingert an den Schlössern herum. Polina sieht ihr verstört zu. Wie kommt ihre Mutter überhaupt an die Schlüssel? Ketten rasseln. Ein Scharnier quietscht. Lizabeta öffnet das hohe Gatter. Der intensive Gestank aus dem Biestergehege überdeckt den süßlichen Duft der Sumpforchideen, die um den Burggraben wachsen. Als Lizabeta durch das Tor tritt, bleibt Polina dicht hinter ihr. Sie zuckt zusammen, als es zurückschwingt und laut krachend ins Schloss fällt.
Lautlos bewegen sich die Biester in ihren Zwingern. Die Wärme ihrer Körper strahlt bis zu ihnen herüber. Diese gefährlichen Untiere, die niemals satt zu bekommen sind, haben ihre Witterung längst aufgenommen. Sie verfolgen jeden ihrer Schritte, soweit es die Umzäunung zulässt. Vereinzelt hört Polina sie hecheln. Es ist ihr, als würde sie die Blicke aus blutunterlaufenen Augen im Genick spüren, und den fauligen Atem aus räudigen Schnauzen auf ihrer Haut.
Ihre Mutter bewegt sich zielsicher zwischen den hohen Käfigen hindurch. Polina stolpert hinterher. Neben einem engmaschigen Gitter bleibt Lizabeta stehen. Sie bückt sich nach einer Kerze, die hinter einem Felsen versteckt war, und reißt ein Streichholz an. Im flackernden Kerzenlicht nestelt sie an dem Riegel herum, der die Futterluke verschließt.
Polina kaut nervös auf ihren Nägeln. Aus einer dunklen Nische beobachtet ein ausgewachsener Teufelsskorpion ihr Treiben. Von dem Biest sieht man nur die Umrisse seines wuchtigen Panzers.
»Euch ist klar, dass sein Stich tödlich ist, Mama?«
»Keine Sorge, Liebes. Er wird genau das tun, was ich von ihm will.« Lizabeta öffnet den Riegel und schiebt ihre Hand durch die Futterluke. Die Scheren des Teufelsskorpions zucken. Sie trommelt mit den Fingern auf den Käfigboden und greift nach herumliegenden Steinen, die sie nach ihm schmeißt. Langsam bewegt sich der Teufelsskorpion aus seiner Höhle heraus. Nervös ratscht er mit dem Stachel über seinen Rücken. Ein scharfer Geruch breitet sich aus. Polina fröstelt und wendet den Blick ab. Das riesige Tier flößt ihr Furcht und Ekel ein.
»Na los, mach schon!«, zischt Lizabeta in den Käfig, während sie ihre Hand nach seinen Scheren ausstreckt. »Komm her mit deinem Giftstachel!«
Entsetzt beobachtet Polina aus dem Augenwinkel, wie der Teufelsskorpion näherkommt. »Mama!«, winselt sie.
»Pscht! Du vertreibst ihn wieder!«
»Er wird Euch stechen!«
»Er tut das, was er tun muss!« Lizabeta nimmt die Futterschale und drischt damit auf die Scheren ein.
»Lasst ihn doch! Warum wollt Ihr ihn reizen?«, flüstert Polina verzweifelt.
Lizabeta antwortet nicht gleich. Sie konzentriert sich darauf, den klappernden Scheren auszuweichen. Es ist wie ein Spiel: Die Greifwerkzeuge des riesigen Skorpions grapschen nach ihrem Arm, den sie immer wieder wegzieht. »Ich will nicht, dass er meine Hand verstümmelt«, erklärt sie schließlich. »Ich will nur sein Gift.«
Die Biester in den umliegenden Zwingern werden unruhig und schnauben erregt. Polina schließt die Augen. Sie hat Angst vor dem, was kommt.
Plötzlich ein spitzer Schrei. Lizabeta geben die Knie nach – der Skorpion hat ihr seinen Stachel ins Fleisch gehackt. Gekrümmt vor Schmerzen zieht sie ihren Arm aus der Futterluke und taumelt benommen zurück.
Polina springt ihr bei, um sie zu stützen. »Mama!«, kreischt sie hysterisch. »Er hat Euch gestochen! Ich hole Hilfe!«
»Nein!«, keucht Lizabeta. »Bleib hier! Es geht gleich wieder. Ich muss nur atmen... atmen...« Sie schiebt Polina von sich weg und tastet sich mühsam an den Bäumen entlang. Alle paar Schritte bleibt sie stehen und ringt nach Luft. Im Schein der Kerze glänzt ihr Gesicht nass vor Schweiß.
Als sie endlich beim Gattertor angelangt sind, hat Lizabeta sich soweit gefangen, dass sie wieder Herrin der Lage ist. »Leuchte auf meinen Arm, Kind! Ich will die Wunde sehen.« Dort, wo der Skorpion zugestochen hat, ist ein kreisrundes Loch im Fleisch. Das umliegende Gewebe hat sich blauschwarz verfärbt.
»Mama, was habt Ihr getan?«, haucht Polina verstört. Jedes Vampirkind weiß, dass Skorpiongift eine der wenigen Möglichkeiten ist, einen Vampir umzubringen.
»Damons Lieblings-Biest!«, keucht Lizabeta. In ihrer Stimme schwingt Genugtuung mit. »Groß, stark und tödlich!«
»Es gibt kein Gegengift!« Polinas Augen quellen über vor Tränen, die sie erfolglos zurückzuhalten versucht. »Ich habe so Angst um Euch!«
Lizabeta seufzt; es klingt wie ein Keuchen. »Ich dachte mir schon, dass du so reagieren würdest. Hör sofort auf zu heulen, du ruinierst dein Makeup! Wir gehen gleich wieder zu Damons Geburtstagsfeier zurück, da will ich dich lächeln sehen!«
»Wie soll ich lächeln, wenn ich weiß, dass Ihr in weniger als einer Stunde sterben werdet?«, flüstert Polina. Eine dunkle Kajalspur zieht sich von ihrem Augenwinkel nach unten, am Mund vorbei.
»Du kannst das, mein Herz. Du bist stärker als du glaubst!« Lizabeta streicht ihrer Tochter eine schwarze Träne von der Wange. »Als ich herkam, war ich zu naiv. Ich hatte gedacht, ich könnte mit Damon glücklich werden, und du mit Tyranimos. Heute weiß ich, dass das ein Fehler war. Damon wird sich niemals mit nur einer Frau zufriedengeben. Und ihm ist schon lange aufgefallen, dass meine Tochter zu einer bezaubernden Vampirin herangereift ist.« Sie lächelt Polina liebevoll an. »Es wird nicht mehr lange dauern, und Damon wird versuchen, mich loszuwerden... um sich an meine schöne junge Tochter heranzumachen.«
Polina starrt ihre Mutter entsetzt an. »Hattet Ihr Angst, ich würde Euch Euren Liebhaber ausspannen?«
»Polina, mein Liebling, du verstehst mich ganz falsch.« Lizabeta weiß nicht, ob sie lachen oder weinen soll. Gerührt nimmt sie die Hand ihrer Tochter. »Damon interessiert mich überhaupt nicht. Das Einzige, was mir wichtig ist, ist deine Zukunft. Ich tue das für dich!«
»Wenn Ihr wollt, werde ich von hier weggehen, Mama.« Polina bemüht sich vergeblich, ihr Schluchzen zu unterdrücken.
Lizabeta schüttelt den Kopf. »Oh nein, du wirst schön hierbleiben. Bemerkst du nicht, wie Tyranimos dich anstarrt? Er ist noch nicht so verdorben wie sein Vater. Wenn du es richtig anstellst, frisst er dir aus der Hand. Du kannst alles von ihm haben, wenn du willst – du könntest die Herrin über Galaxia werden!«
»Das habe ich bemerkt, Mama. Ich weiß, wie er mich anstarrt.«
»Und du weißt auch, wie sein Vater dich anstarrt! Damon wird dich nicht seinem Sohn überlassen. Er nimmt sich selbst, was er will! Und wenn er dich nach ein paar Jahren satt hat... Glaube nicht, dass er seinem Sohn erlauben würde, eine seiner abgelegten Mätressen zu heiraten!«
»Tyranimos...? Aber ich will ihn doch gar nicht heiraten, Mama!«
»Du weißt ja nicht, was du da sagst, du dummes Ding! Natürlich willst du! Es geht um die Macht! Du! Meine Tochter! Wirst die mächtigste Frau von ganz Galaxia sein! Und dafür müssen wir Damon aus dem Weg räumen.«
Polina zittern die Hände. »Aber Damon ist doch quicklebendig!«, flüstert sie verwirrt.
»So etwas kann sich schnell ändern.«
»Ihr liebt ihn nicht mehr«, stellt Polina fest.
»Ich habe ihn nie geliebt«, erwidert Lizabeta. »Wir Vampire brauchen so etwas nicht. Liebe ist ein irrationaler Schwachsinn, den sich die Menschen ausgedacht haben, um ihre Triebe zu rechtfertigen.«
»Liebt Ihr mich, Mama?«
»Wenn ich jemals irgendjemanden geliebt habe, dann dich, Polina!«
»War das ein Ja?«
»Wenn du es so verstehen willst«, antwortet Lizabeta sanft. Sie nimmt Polinas Kopf in ihre Hände und zwingt sie, ihr in die Augen zu sehen. »Und jetzt hör mir zu: Wenn der Nachtisch gereicht wird, zieht Damon sich gerne in mein Schlafgemach zurück, um ein wenig verwöhnt zu werden. Das erwartet er so, und das soll er auch bekommen. Schließlich hat er Geburtstag.«
»Ich verfluche den Tag seiner Geburt!«
»Während unseres Stelldicheins hältst du dich in meinem Ankleidezimmer versteckt«, fährt Lizabeta ungerührt fort.
Polina zieht irritiert die Stirn kraus.
»Wenn er das Blut in meinen Adern pochen hört, gerät er in einen Blutrausch. Damon wird mit meinem Blut auch das Skorpiongift trinken.«
»Warum habt Ihr ihm das Gift nicht einfach in sein Trinkhorn gefüllt? Warum opfert Ihr Euch, Mama?«
»Kind, wenn das so einfach wäre! Damon würde jedes Attentat bemerken und vereiteln. Du hast ja keine Ahnung, wie mächtig er ist und über welche Magie er verfügt!«
»Ihr zahlt einen zu hohen Preis für seinen Tod!« Polina beißt sich auf die zitternden Lippen.
Lizabeta schüttelt den Kopf. »Ich glaube gar nicht, dass das Gift reicht, um ihn umzubringen. Es hängt von vielen Faktoren ab: Wie viel Blut er trinkt, ob er den Beigeschmack des Skorpiongifts bemerkt, wie lange sein Körper Widerstand gegen das Gift leistet... Vermutlich wird Damon nur die Besinnung verlieren, und ich weiß nicht, für wie lange. Vielleicht ein paar Minuten, vielleicht wenige Stunden.« Sie schaut Polina beschwörend an. »Also musst du im Kämmerchen nebenan sitzen und den Moment abpassen, an dem Damon zusammenklappt!«
»Dann werde ich ihn töten!«
»Nein! Du tust nichts, wofür man dich anklagen könnte! Du wirst Butler holen. Butler wird dafür sorgen, dass Damon der Justiz übergeben wird.«
»Aber warum, Mama?«, schluchzt Polina.
»Wenn Damon schon nicht an dem Gift in meinem Blut stirbt, so wird er zumindest vom Vampirgericht verurteilt und entmachtet werden. Dann ist er dir nicht mehr im Weg, die Frau des zukünftigen Herrschers von Galaxia zu werden!«
»Aber... Mama! Glaubt Ihr wirklich, dass Damon das Bewusstsein verliert, nur weil er ein paar Schluck von Eurem Blut getrunken hat? Wenn IHR hier noch stehen und sprechen könnt? Wo Ihr doch eine viel größere Menge Skorpiongift in Euren Adern habt als Damon Euch jemals heraussaugen könnte?«
»Damon ist der gierigste Vampir von allen. Blut kann er kaum widerstehen. Er hält sich für einen Genießer, aber in Wirklichkeit ist er einfach nur ein Säufer. Hast du gesehen, wie er den Wein in sich hineinschüttet?«
Polina nickt stumm.
»Skorpiongift ist heimtückisch. Es wird durch Alkohol in seiner Wirkung potenziert. Bei ihm wird es viel schneller und stärker wirken als bei mir.«
Polina schwirrt der Kopf. Sie versucht das Unvermeidliche zu akzeptieren und dem Willen der Mutter so gut sie kann zu entsprechen. »Sobald Damon die Besinnung verloren hat, muss ich Butler holen.«
»Genau.« Lizabeta nickt. »Und DU wirst MEINEN Körper fortschaffen. Butler kann dir nicht helfen, der hat mit Damon alle Hände voll zu tun. Du musst das alleine machen. Ich weiß, dass du kräftiger bist, als du aussiehst.« Ihr stählerner Blick sorgt dafür, dass Polina nicht erneut in Tränen ausbricht. »Das Skorpiongift ist stark, es lähmt die Atmungsorgane. Es wird so aussehen, als wäre ich tot. Trotzdem gibt es Hoffnung für mich. Wenn du es schaffst, mich den Nordturm hinaufzubringen!«
Polina nickt verstört.
»Du kannst das haben, was ich nie hatte. Du wirst herrschen! Du wirst glücklich sein!«
»Mein Glück, Mama, seid Ihr!«, flüstert Polina kaum hörbar.
»Mach mir jetzt keine Schuldgefühle, Kind!« Als Lizabeta bemerkt, wie Polina bei ihrem schroffen Ton zusammenzuckt, legt sie ihr zärtlich die Hand an den weichen, weißen Hals. »Du bist noch zu jung, um das zu verstehen. Ich habe lange darüber nachgedacht. Es ist die einzige Möglichkeit, deine Zukunft zu sichern. Tu genau das, was ich dir gesagt habe – du wirst sehen, es wird sich alles fügen!«
Polina schluckt mühsam. Die Angst vor dem, was auf sie zukommt, lässt den Kloß in ihrer Kehle immer größer werden.
»Und jetzt gib mir deine Armstulpen. Ich muss diese hässliche Stichwunde verdecken, bevor wir zum Fest zurückkehren. Damon wird sich schon wundern, wo wir abgeblieben sind.«
****
Entgegen Lizabetas Vermutung hat Damon sie in der Zwischenzeit nicht vermisst. Er wankt beschwingt durch die Gänge im Erdgeschoss, bis zum Anschlag abgefüllt mit Rotwein und Kakteenschnaps. Sein Weg führt ihn in die EDV-Zentrale der Biesterburg, wo Server und Videoüberwachungsanlage untergebracht sind. Es reizt ihn, dem leckeren Anzugträger mit Blutgruppe Null ein wenig nachzustalken. Um ihn in Ruhe observieren zu können, hat Damon eines der 3D-Girls auf das Objekt seiner Begierde angesetzt. Geschickt lockt das holographische Bella-Domina-Double den arglosen Menschen zu einem der Diwane, die in den Nischen des Ballsaals aufgestellt sind, um ihn dort nach Strich und Faden zu umgarnen.
Während Damon das Treiben der beiden über die Monitore der Überwachungskameras beobachtet, schieben sich seine Saugzähne lang und durstig aus dem Oberkiefer heraus. »Ob sie ihn wohl dazu bringen kann, die Krawatte abzunehmen?«, rülpst er dem Programmierer ins Ohr, der die Steuerungs-Software der 3D-Girls entwickelt hat.
Flugs hackt sein Untertan ein paar Befehle in die Tastatur. Auf den Bildschirmen ist zu beobachten, wie sich die videoanimierte Bella-Domina-Kopie auf dem Schoß von Blutgruppe Null räkelt und die Hologramme ihrer nackten, dünnen Frauenarme um seinen Hals wickelt. »Ich bin so scharf auf deinen Schlips!«, fiepst ihre monotone Computerstimme aus den Lautsprechern. Die Pixelgrafik ihres aufreizenden Lächelns entblößt vier blitzeweiße, dolchartige Vampirzähnchen.
»Ich bin auch ganz scharf auf dich!«, grunzt Blutgruppe Null, dem die Wärme der energiegeladenen Computersimulation auf seinem Schoß den Schweiß auf die Stirn treibt. Er zieht sich seine Krawatte vom Hals, lockert den Hemdkragen und präsentiert eine schimmernd glatt rasierte Kehle, an der sich der Adamsapfel mit jedem Schlucken deutlich auf und ab bewegt.
»Zoomt ran, zoomt ran!«, lechzt Damon den Monitor an.
Sein Programmierer beeilt sich, den Ausschnitt der pulsierenden Halsschlagader bildschirmfüllend zu vergrößern, da öffnet sich die Tür.
»Hier seid Ihr also, mein Lieber!« Es ist Lizabeta. Ihr Blick wandert über Damon, der mit verdrehten Augen in den Monitor stiert und lüstern mit der Zunge über seine Lippen schleckt.
»Verschwindet!«, herrscht er sie an, ohne den Blick von der pochenden Arterie zu nehmen. »Ihr stört!«
Lizabeta betrachtet ihn aufmerksam. Damon hält es nicht einmal mehr für nötig, sich vor ihr zusammenzureißen und seine Gier nach Menschenblut zu verstecken. Deutlicher könnte er seinen Überdruss an ihrer Person gar nicht zeigen. Es ist also soweit: Er wird sie abservieren, eher heute als morgen. Das ging ja schneller als gedacht.
»Ihr wisst, dass es unklug ist, diesen Menschen anzurühren, Damon«, sagt sie gelassen. »Wenn hier ein menschlicher Gast zu Schaden kommt, werden sie Eure LogScreens deaktivieren... um Eure Verbindung von Galaxia nach Realwelt zu kappen.« Lizabeta spricht langsam und deutlich, wie mit einem Kleinkind, damit die Information in seinem trunkenen Hirn auch ankommt. »Im Übrigen wird gerade der Nachtisch serviert.« Sie lächelt hintergründig und verlässt den Computerraum in Richtung ihrer Gemächer.
»Fuck!« Erbost schleudert Damon einen Vampirblitz aus seiner Hand quer durch den Raum, der die Sicherung des Überwachungsmonitors durchbrennen lässt. Zischend verabschiedet sich das Bild der appetitlich pochenden Halsschlagader. Dieses überhebliche Frauenzimmer! Hat ihm mit ihrem rechthaberischen Gesülze den Appetit auf das leckerste Häppchen des ganzen Abends versaut! Nachtisch? Ha! Den wird er ihr servieren! Vom Drang getrieben, Lizabeta seinen Unmut spüren zu lassen, eilt er ihr hinterher.
Im Obergeschoß angekommen, stößt Damon die Tür zu Lizabetas privaten Gemächern auf. Dort steht sie vor dem Schminktisch mit dem Rücken zu ihm. Sie trägt nur ein schwarzseidenes Unterkleid und lange Armstulpen, die sie schmal und zerbrechlich wirken lassen. Ihre Samtrobe hat sie achtlos auf den Boden geworfen.
»Was glaubt Ihr Miststück eigentlich, wer Ihr seid? Mich zu maßregeln, wen ich in meiner Burg aussauge und wen nicht?«, tobt er hinter ihr, während sie in Ruhe ihren Schmuck ablegt. »Bildet Euch ja nicht ein, Euer welkender Körper würde mich noch irgendwie reizen! Ich habe genug von Euch! Ihr könnt verschwinden! Hier! Jetzt! Sofort!« Damons Brüllen wird lauter. Sie spürt seine feuchte Aussprache wie Gischt in ihrem Nacken. »Dieser Mensch war eine Blutgruppe Null! Ein Schluck der edelsten Sorte! Und Ihr... Wenn Ihr mir noch einmal unter die Augen kommt, dann lasse ich Euch pfählen und vierteilen!«
Lizabeta schaut ihn amüsiert lächelnd an, während sie die Kämme ihrer Hochsteckfrisur löst – ohne Hast, einen nach dem anderen. Strähne für Strähne fällt ihr blauschwarzes Haar über die blanken Schultern. Das letzte Kämmchen ist ein filigranes Schmuckstück aus geschmiedeter Bronze, mit schimmernden Perlen besetzt. Ein Geschenk von Damon, aus romantischeren Zeiten. Sie führt es an ihren Hals. Ratsch – eine schnelle Bewegung ihrer Hand, und die scharfen Zacken des Kamms ritzen ihre Haut auf.