Galerie der unterhaltendsten Geister- und Zaubergeschichten - Christian August Vulpius - E-Book

Galerie der unterhaltendsten Geister- und Zaubergeschichten E-Book

Christian August Vulpius

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Beschreibung

= Digitale Neufassung für eBook-Reader = Vulpius: So ausgemacht und gewiss es ist, dass meine Leser und Leserinnen nicht mehr an Geister-und Gespenster-Erscheinungen, an Walten und Wirken der Hexen und Zauberer, ja an den Teufel und seine Kunstwirkungen, der neuesten Erklärung des Bischofs von Lausanne ungeachtet, glauben, so habe ich doch gemeint, als romantische Erzählungen betrachtet, würden viele Gespenstergeschichten und dergleichen sich lesen lassen und vielleicht auch unterhalten.

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Inhalt

Galerie der unterhaltendsten Geister- und Zaubergeschichten.

Technische Anmerkungen

=> Erster Band <=

I. / Vorwort.

I. / I. Die doppelte Erscheinung.

I. / II. Die Teufelsbraut.

I. / Kleine Erzählungen und Nachrichten von Geister-, Gespenster- und Spukgeschichten.

I. / 1. Geisterspuk in dem Schlosse bei Tull.

I. / 2. Gretchens und ihres Tonerl schlimme Brautnächte.

I. / 3. Abenteuer des Jägers Marx.

I. / 4. Schuhmacher-Glück.

I. / 5. Dorotheens Vision.

I. / 6. Die diabolische Erscheinung in weiblicher Gestalt.

I. / 7. Des Herrn von Bernsteins Geister-Erscheinungen.

I. / 8. Der Kobold von Saragosa.

I. / 9. Die Wallfahrt. - Eine spanische Novelle.

=> Zweiter Band <=

II. / Zueignung.

II. / I. Erscheinungen der schönen Unbekannten bei „den vier Jahreszeiten“ in Wiesbaden.

II. / II. Die schöne Helena der Griechen in Insprugk.

II. / III. Die weiße Frau.

II. / IV. Die von Furcht getötete Fegefeuer-Seelen befreien wollende Luisana.

II. / V. Das Wildfeuer und der Wunderfrevel.

II. / Kleinere Erzählungen aus dem Reiche der Geister und Gespenster.

II. / 1. Der unerwartete Besuch.

II. / 2. Die Gespenster und die Hofjungfern zu Weimar.

II. / 3. Der nach seinem Tode erschienene Liebhaber.

II. / 4. Wunderbare Vision.

II. / 5. Der mit Verlust des Lebens gezüchtigte Ehemann.

II. / 6. Der Mönch als Todesprophezeier.

II. / 7. Der zersprungene Pokal.

=> Dritter Band <=

III. / I. Modestina in Onoreska und der Luftgeist.

III. / II. Das niedliche Sperber-Kätchen.

III. / III. Der gute Abend.

Digitale Neufassungen

Impressum

Galerie der unterhaltendsten Geister- und Zaubergeschichten.

Vom

Verfasser des „Rinaldo Rinaldini“

Band 1 - 3

Quedlinburg und Leipzig,

bei Gottfr. Basse,

1826.

Digitale Neufassung des altdeutschen Originals

von Gerik Chirlek

Reihe:  Alte Reihe / Band 13

Technische Anmerkungen

Die vorliegende digitale Neufassung des altdeutschen Originals erfolgte im Hinblick auf eine möglichst komfortable Verwendbarkeit auf eBook Readern. Dabei wurde versucht, den Schreibstil des Verfassers möglichst unverändert zu übernehmen, um den Sprachgebrauch der damaligen Zeit zu erhalten. 

=> Erster Band <=

Nil adeo magnum, nec tam mirabile quicquam

Principio, quod mon minuant mirarier omnes.

Paullatim.

Lucretius.

***

I. / Vorwort.

So ausgemacht und gewiss es ist, dass meine Leser und Leserinnen nicht mehr an Geister-und Gespenster-Erscheinungen, an Walten und Wirken der Hexen und Zauberer, ja an den Teufel und seine Kunstwirkungen, (der neuesten Erklärung des Bischofs von Lausanne ungeachtet 1, glauben, so habe ich doch gemeint, als romantische Erzählungen betrachtet, würden viele Gespenstergeschichten u. dgl. sich lesen lassen und vielleicht auch unterhalten. Ob eine Ergötzlichkeit dabei stattfinden würde, müsste freilich die Erfahrung erst lehren. – Ich habe es gedacht und eine große Anzahl von Geistererzählungs-Büchern, in allen mir bekannten Sprachen, durchgesehen und durchgeblättert, die unterhaltendsten Erzählungen aus derselben genommen, bearbeitet, (so wie es jetzt verlangt wird) und gebe sie der Lesewelt; denn unterhaltend kann man viele derselben doch nennen; gleichsam als eine Gattung von Volksmärchen, bei denen auch oft das Wollen in dem Erzählen gefallen muss.

Als Probe, will ich davon erst zwei Bände liefern und erfahren, was man davon denkt. Das zu umsegelnde Meer der Geister-und Gespenstergeschichten (welche man ehedem geglaubt hat) ist, sich sehr weit erstreckend, groß und lässt sich sobald nicht umfahren; es muss aber nun erwartet werden, ob man glücklich genug ist, an Plätzen zu landen, die gefällige Unterhaltungen darbieten und gewähren. Dass Erdichtungen, dichterische Phantasie allenthalben da walten muss, wo man unterhalten sein will, muss, glaube ich, erwartet werden; denn sonst würde ein gewöhnliches Einerlei alle Landungsplätze auf dem zu umsegelnden Meer in eine Aussicht drängen und ihnen alle Mannichfaltigkeit rauben. Das aber soll nicht sein. – In ganz anderem Lichte sieht der Deutsche, der Franzose, der Italiener, der Spanier etc. seine Geister, und wer nacherzählt was sie sahen, von den Sehenden erfuhren etc., darf die Farben nicht verwischen, in welchen er dieselben aufgetragen fand; dass er sie aber gefälliger machen kann, bleibt ihm nicht nur überlassen, sondern wird auch von ihm gefordert.

Ich wünsche diese Forderungen erfüllt zu haben; dann wäre ich auf ein sehr ergiebiges Flöz geraten und hätte bei der Unterhaltung selbst, in dem gewünschtesten Territorio eingeschlagen. – Wollen Leser und besonders Leserinnen mich weiter begleiten, werde ich in erquicklicher Gesellschaft immer weiterwandern.

Noch sind wir nicht am Ziele.

Doch weiter wandern wir, Senora!

Nur Mut! – Erreichen werden wir's gewiss. –

Ich aber danke für gefällige Begleitung!

sagt Lope de Vega in seinem Schauspiel: La Mentiraes hija de algo.

Ich bin kein Maxo, aber als Erfinder stehe ich meinen Mann und erwarte die Gefälligkeit vor den Schranken der Geistererfindungen als angenehmen Kampfrichter.

Geschrieben am Tag der 40 Ritter, 1826.

Mas cidos, quées loquevso?

¿ Eres sombra delseo,

Ó del pensamiento sombra?

Calderon.

La Devocion de la Cruz. p. 66.

Die Berliner Zeitung gibt uns den Hirtenbrief des Bischofs von Lausanne vom 28sten Januar 1826 ganz, in welchem er diejenigen den katholischen Kirchenverordnungen widerstrebenden und sich in dieselben fügen wollenden Menschen Teufelskinder nennt, und sagt: „Ihr habt keinen andern Vater mehr, als den Teufel. – Berliner vermischte Nachrichten. 1826. Nro. 49.

I. / I. Die doppelte Erscheinung.

Et visio est nihil!

Opsopaeus.

***

Ganz gemächlich ließ Ritter Gandolf, der Edle von Morungen, sich in seinem wohlgepolsterten Bequemstuhle nieder, erwartend den Pater Gervasius, seinen und seiner Familie Beichtvater, welchen er zu sich hatte entbieten lassen, mancherlei mit ihm zu sprechen. Sein geschäftiger Rüstmeister Steinhart trug zwei Tischchen herbei, besetzt und belegt mit wohlgefüllten Weinkännchen und Bechern und mehreren Küchleinscheibchen; und kaum war alles gehörig besorgt, als der Erwartete eintrat.

„Pax vobiscum!“ herausstöhnend, nahm er sogleich Platz und sprach, nach einem eingenommenen Schluck weiter: „Ihr seid wohl zu loben und beneidenswert zu preisen, edler Ritter Morungen für die Wohltat, welche der Allmächtige Euch erzeigt hat, indem er Euch eine so edel, schöne und kluge Tochter, die fromme Gisela, geschenkt hat, welche allen ihren Bekannten gefällt.“

„Ja, wertester Herr Pater!“ fiel Ritter Gandolf ein, „deshalb sei Gott gelobt und gepriesen; wenn Ihr aber bedenkt –“

„O! welchem Manne Gott hinieden eine Tochter geschenkt hat, welche sich nach und nach ihrer Ehebürtigkeit naht, den hat er auch zu diesen und jenen Rücksichten erkoren.”

„Das würde sich wohl geben, was aber jetzt meine Gisela erfahren muss… –“

„Lieber Mann, davon und darüber wird viel zu reden sein!“ –

„Als ihr Beichtvater werdet Ihr wohl selbst wissen… –?“

„Sie hat sich in einer langen Ohrenbeichte mir, hoffe ich, ganz vertraut… –“

„Also hat sie Euch erzählt… –“

„Die doppelte Erscheinungsgeschichte? o ja! – Sonderbar! – rufe ich auch jetzt wieder aus. – Es sind ihre Erscheinungsbilder; – Lasst Euch erzählen, edler Ritter und hört mich wohl an, ohne mich zu unterbrechen. Unsere wichtige, unter Schlössern liegende Chronik habe ich durchgesehen und mich durch dieselbe, in unserer Sangerhäuser Geschichte wohl informiert. Lasst Euch erzählen, was ich gelesen habe. – Cecilia hieß, als sie noch lebte, eine Markgräfin und Herzogin, die durch Heirat Sangerhausen an eine andere Herrschaft brachte.

Man weiß nicht, wie es kam, dass sie, als sie Witwe war, durch der Leute Mäuler verschrien wurde, denn sie soll wohl und dabei sehr unregelmäßig gelebt haben. Dennoch aber fand sich ein Graf, der sie gern sah und sich um ihre Huld bewarb. Das war der erste, nachherige Landgraf Ludwig von Thüringen, der, einen großen Bart tragend, bei den Weibern sich gar angenehm zu machen wusste; deshalb er auch der Bärtige genannt wurde. Dieser gefiel der lebenslustigen Witwe Cecilia, erhielt ihre Hand und mit ihr ihre Besitzungen, unter denen auch Sangerhausen war. Sie selbst war reich, schön und wohlgestaltet. Dies ist die edle Frau, die längst schon verschieden, vor kurzem Eurer Gisela erschienen ist, heraufsteigend aus ihrer Gruft in der Kirche zu St. Jakob.”

Rasch ging die Tür des nahegelegenen Betstübchens auf, Gisela trat ein, eilte herbei und sprach:

„So, mein lieber Vater! wie der Herr Pater von mir erzählt, war es. – Betend lag ich auf den Knien in unserer St. Jakobs-Kirche; da rauschte es vernehmlich hinter mir. Als ist aufstand, sah ich eine weißgekleidete Frau neben mir stehen, und hörte von ihr, dass sie sprach: „Ich bin Cecilia.“ –

Meinen Augen und meinen Sinnen kaum trauend, sprach ich von dieser Erscheinung nicht, und nur dann erst, als ich mehrere Male dieselbe hatte. Da fragte ich mich selbst: Ist es möglich, dass ein Mensch dergleichen geistische Erscheinungen haben kann? Ja, sprach die Vernunft, wenn der Mensch dazu geboren und erlesen ist. – Denn also hat der Herr über einiger Menschen Geistern gewaltet, dass er die selben des Anschauens verklärter Geister teilhaftig machte.“

„Das ist wohl nicht zu leugnen, edle Beichttochter!“, sagte der Pater Gervasius.

„Denn also sagt auch der heilige Kirchenvater Hieronymus: Je näher die Geister sich verwandt sind, je anschaulicher werden sie auch einander.“

„Also sagt auch der alte, hochgelehrte Meister Laßdorf, euer guter Freund, edler Vater!“

„Ja“, fiel der alte Gandolf ein; „Meister Laßdorf sagt gar vielerlei, weil er vieles und mehr weiß, als alle Sangerhäuser, ausgenommen die geistlichen Herren unserer Stadt.“

Gervasius. Es ist gewiss, Meister Laßdorf weiß viel zu sagen, ist weit umhergezogen, lebte auch einige Zeit am Kaiserhof und in der Umgebung des Bischofs zu Mainz. – Bekannt ist uns, dass der Mensch lebt in Seelen- und in Leibes-Kräften.

Gisela. Ein hohes Licht erging über des Menschen Seele; und die erkoren ist, dasselbe zu fassen und sich anschaulich zu machen, ist die wohl zu preisende; der beherrschende, empfangene, gegebene aber nicht von allen zu verstehende Geist. Deshalb auch sieht der Geist nur Geister, die jedoch von Menschenaugen nicht zu sehen sind. – Aber in des Menschen Seele, der erkoren ist, geht ein sonderbares Drängen und Aufregen vor sich, und er sieht das sich vor ihm Gestaltende.

Gandolf. So ist es wohl auch bei dir?

Gisela. So scheint es.

Gandolf. Aber du bist wohl nicht immer bei dir, meine Tochter?

Gisela. Eben das, was die Welt ein „außer sich sein“ nennt, ist das „bei mir sein.“

Gandolf. Also für die gewöhnliche Welt schickst du dich wohl gar nicht?

Gisela. Deshalb auch möchte ich gern eine Klosterjungfrau sein.

Gandolf. Willst du denn nicht deiner Mutter folgen und dir auch einen Gatten wählen?

Gisela. Das soll nur des Himmels Wille sein.

Gandolf. Unser Geschlecht. –

Gisela. Es stirbt aus; das ist des Himmels Wille. – Dein Bruder war Vater dreier Söhne, und alle starben vor ihm. – Gibt es auch hienieden keine Morungen mehr, gibt es doch wohl welche in der schönen Welt der Geister. – Ich höre sie die Töne ihrer Himmels-Musik! – Ach und gestern, gegen Abend beinahe, lag ich betend in der St. Ulrichs-Kirche, nicht weit von dem Hauptaltare, neben dem Denkmale der Landgräfin Adelheid –“

Gervasius. Der Gemahlin Ludwigs des Springers.

Gisela. … und beschaute ihr Bildnis mit Entzücken. Alsobald aber stand die schöne Gestalt vor mir. – Lieblich schwankten die Federn des Hütleins auf ihrem Haupte. Fröhlich blinzelnd ruhten ihre schönen Augen auf mir, – ach! wie mit so hoher Seligkeit drangen ihre Blicke in mein Herz. – Ja, sie sind bei mir, sichtbar, diese schönen, ehemaligen Gestalten, und sie sollen bei mir bleiben, bis ich nicht mehr bin. Zu ihnen gehöre ich, was soll ich länger hier? – Tot ist meine Mutter. Ich bin in der Geisterwelt!

Mit, wie es schien, nach etwas Ausgestrecktem enteilte sie dem Gemache und Ritter Gandolf rief aus:

„Ach was soll man zu dem allen sagen?“

„Man lasse es gehen, wie es geht“, sagte der Pater Gervasius, „suche aber nicht dem Himmel vorzugreifen. Ruhig lasst uns erwarten, was geschehen wird!“

Auch den wohlerfahrenen Meister Laßdorf ließ der ängstliche Ritter Gandolf zu sich entbieten, hörte ihn viel von sogenannten Astralgeistern sprechen und sollte von ihm beredet werden, sich der Geisterwelt zu ergeben, versprach auch dem Vorgeben seiner Tochter zu glauben, konnte sich jedoch nicht enthalten, für sich selbst an all dem Geistererscheinungs-Wesen zu zweifeln, aber doch ruhig zu erwarten, was etwa sich ereignen werde.

In seinem Erkerfenster lehnend, sprach er mit sich selbst so laut, dass er zuletzt sich darüber selbst wunderte:

„Ich weiß gar nicht, wie ich mich benehmen und was ich denken soll von meiner Tochter Gisela und all dem, womit sie umgeht und was sie betrifft! – Sich selbst nennt sie eine Geisterseherin. – Nun frage ich, als Vater: Hat der Himmel Menschen, Mädchen erschaffen, Geisterseherinnen zu sein? – Was sollen sie? Wozu wären sie da? Was hat ein Geistersehen Gutes in der Welt? Und ist all das nicht Einbildung? Selbsttäuschung? – Kann sie sich nicht eingebildet haben, jene Gestalten zu sehen, welche sie nicht wirklich sah? – Meister Laßdorf glaubt an das Geisterwesen. Ja, ist es deshalb wahr und gewiss? – Und wenn auch. Es ist dennoch die Frage: „wozu nutzt es? – O! dass meine Frau noch lebte. Die brächte alles heraus. – Rüstmeister! Armbrust und Lanze; ich will ausreiten; man sattle meinen Rappen!“

–          

Indem Ritter Gandolf über seine Landhufen ganz langsam dahin trabte, begegnete er auf der Anhöhe dem Commenthurherrn, deren Falkenern und Falken, der ihm sogleich als alter Freund einen Gruß zurief. Dabei kamen sie einander näher und endlich ins Gespräch.

„Werter Freund und Commenthurherr! Wie lebt Ihr? Sehe ich Euch endlich einmal?“

„Endlich sieht man Euch auch einmal. Ihr lebt doch wohl und gut? Unser Freund, der Pater Gervasius, hat mir indessen viel von Euch erzählt und von Eurer Tochter –“

„Ach! das sei Gott geklagt! Dieses gute fromme Tochterwesen –“

„Hat, glaubt man, die Gewissheit ihrer Sinne verloren?“

„Meint Ihr? –“

„Sie sieht Geister –“

„Der Toten. – Mag doch der heilige Ulrich wissen, wie das Ding sich enden soll!“

„Das kann alles sich gar leicht geben. – Wir haben ja zwei Custodien hier, von welchen die eine, die Custodia S. Ulrici, die Kloster-Domina hat, verbindlich dem Hause Morungen –“

„Was? Soll ich mein Kind ad custodiam bringen?“

„Gebt ihr einen Mann; da vergisst sie vielleicht die Geister. Der Leibarzt des Naumburger Bischofs sagt: alle unverheiratete Jungfrauen wären verliebt und sähen Geister. Käme aber ein Mann über sie, vergäßen sie dieselben.“

„Das sagt meiner Gisela selbst.“

„Warum nicht? – Ich gehe mit ihr zu ihren Erscheinungen. – Die deutschen Ritter lieben so etwas.“

„Ihr glaubt also nicht, was die Kirche glaubt?“

„Warum nicht? Erscheinungen mag es wohl geben, aber etwas Gewöhnliches sind sie doch nicht.“

„Wenn Gisela ihren Sinn behält, soll sie werden was sie will, – eine Klosterjungfrau.“ Söhne habe ich ohnehin nicht, und so mag denn das Geschlecht Morungen –“

„Heda! Das sind die Falken des Bischofs, – Gott befohlen, edler Ritter.“

Der Commenthurherr jagte dem Zuge des Bischofs zu. Gandolf war ziemlich ärgerlich und nahm sich vor, mit seiner Tochter ernsthaft zu sprechen.

Das geschah, sobald er zu Hause angekommen war. Gisela war nicht wenig verlegen, da sie ihren Vater so ernsthaft sprechen hörte. Tränen entrollten ihren klaren, hellen Augen, die Wangen hinab, und seufzend sprach sie:

„Ach lieber Vater! Was ich erzählte sah ich wirklich. Glaubt mir, dass ich dabei ängstlich bin. Aber es hilft nichts. Was geschehen soll, geschieht doch.“

„Weißt du denn, – und wie willst du es wissen? – dass es kein Augenbetrug ist, dass du das so siehst?“

„Ach lieber Vater! – Nicht wahr, Ihr seht dort jene Vögel auf der Linde unter den Bäumen umherspringen? Kann man zu Euch sagen: es ist nicht wahr? Du siehst sie nicht?“

„Die Vögel sind keine Geister, die nicht alle Menschen sehen, sie werden von jedermann erschaut.“

„Wenn aber Geister sich zeigen?“

„Sie sind nicht allen Menschen sichtbar, und es gibt schreckliche, teuflische Verblendungen. Damit will der Böse Menschen betrügen und fangen.“

„Ach lieber Vater! Ich habe oft gebetet und heilige Worte gesprochen, wenn die Erscheinungen kamen; deshalb verschwanden sie nicht.“

„Warst du denn aber nicht so entschlossen und beherzt, einmal zu fragen: Was verlangt ihr? Wer findet euch zu mir? Tut es Gott? Tun die Heiligen es? – Geschah das nicht, so muss es geschehen. Noch besser wäre es, wären Menschen dabei.“

„Den Beichtvater habe ich schon darum gebeten. Er sagt wohl, aber er tut es nicht. – Ach, bester Vater!, erlaubt mir eine Klosterbraut zu werden. In der stillen Klostereinsamkeit wird –

Steinhart, der Rüstmeister, trat ein: „Edler Ritter und Herr! Ein ganz feiner junger Mann, gewappnet, wohl und schön gerüstet, ist eingeritten und verlangt Euch zu sprechen.“

„Wie nennt er sich?“

„Da kommt er.“

„Er heißt“, sagte derselbe, als er eintrat, „Philipp von Röbelingen, grüßt Euch, edler Herr und Ritter, und diese züchtige Jungfrau, die vielleicht Eure Tochter ist?“

„So ist es. – Was bringt Ihr, junger Wappener?“

„Einen Handbrief von Eurem alten, aber noch rüstigen Öhm, Veit von Willberg. Ganz waffenrüstig hat er noch beigewohnt dem Kaiserzuge und war mit in Rom. Herzlich lässt er Euch grüßen, ist zu seiner Hausfrau geeilt, wird aber bald kommen, Euch zu besuchen. Der Brief wird Euch sagen, dass ich, – wenn Ihr es erlaubt! – ihn bei Euch erwarten soll.“

„Recht gern! Lasst es Euch bei mir gefallen.“

„Es eilte Euer Öhm, seine Veste zu erreichen; denn in seiner Gegend soll der sogenannte Geißeler-Schwarm zu hausen anfangen.“

„Sie regen sich auch bei uns, werden aber eingefangen, die sonderbaren Kauze und bestraft oder unschädlich gemacht. – Wie steht es denn nur mit diesem Gesindel?“

„Wir haben schon in Italien diese Schwärmer sehen müssen, die sich auch in Deutschland auszubreiten suchen. – Ich will sagen, was ich von den Geißelern zu sagen weiß. – Es hat, (verbreiten und erzählen sie, ein Engel vom Himmel einen Brief gebracht und ihn in Rom auf St. Peters, Altar gelegt, nach welchem von Gott dem heiligen Vater alle Binde- und Löse-Gewalt genommen und dieselbe den Geißelern übergeben worden sei. Aufgehoben sei die Wassertaufe, denn es sei jedes Menschen Blut seine Taufe. Gott habe die Pfaffen und das Sacramentum Ordinis aufgehoben und verworfen. Über nichts könnten die Pfaffen schalten, nicht einmal über ihren Geiz, welchem sie ganz ergeben wären, denn dieser Geiz sei ihre ganze Tugend. Der Ablass sei von Gott verworfen, samt den Pfaffen, die, wie derselbe, nichts taugten. Jedes Heiligenbild anzubeten sei Abgötterei. Der Sonntag sei das einzige wahre Fest der Kirche. – Diese Menschen ziehen umher von Städten zu Städten, mit Fahnen und Gesange und glauben, damit Vergebung aller Sünden zu erlangen, indem sie sich geißeln. Besonders gefallen in solchen Bußübungen die Geißelerinnen, Frauen und Jungfrauen.“

„Sehen diese etwa auch Geister?“

„Ach Vater!“, seufzte Gisela, indem Tränen ihren Augen entrannen.

Schnell einfallend fragte Philipp: „Sieht jemand hier Geister? – O! Ich lernte in Mailand eine Gräfin kennen, der zuweilen, wenn sie auch daran gar nicht dachte, Geister erschienen. In Gestalten kleiner Kinder schwebten die Geisterlein vorüber, wie sie sagte, und brachten ihr Geistesschwäche und Konvulsionen.“

„Saht Ihr auch, was die Gräfin sah?“, fragte Gisela.

„Ich habe nichts gesehen; doch ängstlich wurde mir, wenn sie sprach: ich sehe es, und sich dahin neigte, wo sie, wie sie sagte, etwas sah.“

„Was die meisten Menschen nicht sehen und auch nicht glauben, dass einige es sehen, die davon sprechen, ist dennoch nicht abzuleugnen, dass es gesehen wird.“

Damit verließ Gisela das Gemach. Ritter Morungen gab seinem Gaste die Hand und ging mit ihm in das ihm angewiesene Gemach.

Philipp, der junge, feine, weitläufige Verwandte, schien von dem alten Oheim nicht ohne Absicht zu dem Ritter Gandolf abgesendet worden zu sein. Es hatte derselbe eine schöne, junge Tochter, die er vielleicht, wenn er sich gehörig zu benehmen wusste, zu seinem Weibe erhalten konnte. Auf so etwas wurde damals gar sehr gerechnet und gehofft. Von ihrer Geisterseherei wusste er noch nichts.

Aber bald sollte er etwas davon erfahren. – Ihm das Begräbnis der Familie zu zeigen, worauf damals auch als Prunkerscheinung noch sehr gehalten wurde, war Gisela einst gegen Abend mit ihm in die St. Ulrichs-Kirche gegangen. Was sie ihm zeigen gewollt hatte, zeigte sie ihm und wollte sich, ihr Abendgebetlein am Altare zu verrichten, niederwerfen, als schnell herbei, zwischen beide die Geisterfigur der Landgräfin Adelheid trat. „Ave Maria!“, rief Gisela, ganz laut erseufzend, aus. Philipp aber rief: „Ha! Doppel-Statue!“, und griff rasch zu, schnell hinzusetzend: „Was ich da fasse, ist ein Mensch!“, fort war sie, wie verschwunden, im Augenblick. „Was ist, was war das?“, fragte er. Gisela weinte: „Es ist die Erscheinung, die so oft sich mir darstellt. Den Kopf schüttelnd, setzte Philipp hinzu: „Sonderbar!“ Er reichte der Zitternden die Hand und führte sie aus der Kirche in ihre Wohnung.

Hier kam es sogleich zur Erzählung, nach welcher Gandolf ausrief: „Was ist das? Das muss der Bischof erfahren.“

Sogleich wurden die Rosse gesattelt; Gandolf stieg auf, der Rüstmeister und vier Knappen mit ihm; auch Philipp saß sogleich auf. Sie ritten rasch auf, Naumburg bald zu erreichen.

Der Bischof empfing sie, besonders da er Gandolfen von sonst her schon kannte, sehr wohlwollend. Der alte Ritter erzählte, ihm die Erscheinungen seiner Tochter und das Ergreifen der letzteren Vision durch Philippen. Der Leibarzt des Bischofs sprach: „Glaubt mir, so ist es! Betrügt Eure Tochter nicht selbst, so wird sie betrogen. Verliebt sind alle Mädchen in der Welt, darum betrügen sie sich auch selbst, ohne es zu wollen und zu wissen. In den ältesten Zeiten hat so manche Zärtliche den Gott Mars, Apollo, oder einen anderen zum Vater ihrer Kinder gemacht, glaubte auch was sie sagte; in unseren Zeiten aber kommen Visionen an die Stelle der Göttererscheinungen.“ Der Bischof lächelte sehr gutmütig: „Ritter! vernichtet all' das Gerede, die Untersuchungen, handelt als kluger Mann und Vater und gebt Eure Tochter einem Ehemanne. – Man hat glaubwürdige Erzählungen von Geistererscheinungen und Sichtbarkeiten; auch soll es Betrüglichkeiten des Teufels dieser Art geben; jedoch da eigentlich die Kirche, als Kirche, sich nicht in der gleichen Sache zu mengen braucht, ist auch ein Erzbischof nicht dazu bestellt, solche Visionen zu untersuchen, denselben mit bischöflicher Gewalt nachzuforschen und der gleichen, sondern er wird alles gütlich beizulegen suchen. Beredet, Ritter Gandolf, Eure Tochter, Euch zu offenbaren, ob es etwa einen jungen Wappener gebe, der ihr gefalle? Und diesem gebt sie zur Gattin. Hat der zuletzt erschienene Geist wirklich Fleisch und Bein gehabt, so wird ihn schon gelegentlich der Mann zu erwischen und abzustrafen wissen. Doch da der Tochter Beichtvater um die Erscheinung weiß, will ich ihn kommen lassen und darüber mit ihm sprechen.“ Des Bischofs Leibarzt redete seinem Herrn zu, die Geschichte wohl zu untersuchen, und setzte hinzu: „Wir wollen auch erwägen, dass Ritter Gandolf der Letzte des Geschlechts Morungen ist, der sich, wie man gewiss erwartet hat, schon längst hätte vorsehen sollen, eine Kirche, ein Kloster, oder dergleichen erbschaftlich zu bedenken. Dann wäre vielleicht das Erscheinungswesen unterblieben. Der Erzbischof setzte noch hinzu: „Ich komme nächstens nach Sangerhausen und werde Euch besuchen.“

Nach einem, von dem Erzbischof zu Naumburg erhaltenen Briefe, machte sich der Pater Gervasius gleich auf und wanderte dorthin, kam aber auch nie wieder nach Sangerhausen zurück, und war in ein dortiges Kloster gegangen. Das fiel dem Ritter Gandolf sehr auf. In Sangerhausen aber ging, seit der Öhm Veit von Willberg gekommen war, das Gerücht sehr rasch umher: „Gisela ist Braut!“ —So war es auch; bald wurde ihre Hand mit der des jungen Philipp von Röbelingen, zusammengelegt und der Vater gab fröhlich ein großes Hochzeitmahl. Vor dem Altare, nicht weit von Adelheids Grabmale, geschah die festliche Vereinigung, aber es erschien die Gestalt der verstorbenen Landgräfin nicht dabei. Sanft lispelte Gisela ihrem mit ihr Verbundenen zu: „Ich bin ruhig, lass mich nun auch glücklich werden.“ Er drückte ihr die Hand und sprach: „Da du ruhig bist, wirst du sicher auch glücklich werden.“ Dann setzte er mit erhöhter Stimme hinzu: „Haben die Erscheinungen Macht und Gewalt, so mögen sie jetzt sich zeigen, da der HERR mit uns ist, denn er schuf ein Männlein und ein Fräulein zu vorbestimmter Vereinigung.“ – Als der Priester seine Kirchenschuldigkeit erfüllt hatte, wurde eine feierlich schöne Musik aufgeführt, wozu der Erzbischof seine Leute aus Naumburg abgesendet hatte. Sein Hofsänger überreichte in seines Herrn Namen, der Braut ein feines Brautgeschenk, stellte sich dem landgräflichen Monument entgegen und sprach:

„Suscipe sancte Domum.

quam vinctus compede vovi!

***

Nimm hin, St.Ulrich, mein Versprechen!

Du halfst mir meine Ketten brechen,

so sprach er auf dem Gieb‘chenstein,

der Landgraf Ludwig, froh und fein,

Dort saß er wohl gar sehr verstrickt,

bis das Entkommen ihm geglückt.

In Scheiplitz Pfalzgraf Friedrich lebte

mit seiner schönen Adelheid

von Stade, die sich froh bestrebte,

als schönste Frau zu ihrer Zeit,

ihr schönes Wesen zum Entzücken,

um den Geliebten zu beglücken.

Der Landgraf Friedrich war der Mann,

der ihre Liebesgunst gewann.

In diesem zärtlichen Bestreben

verlor der Pfalzgraf gar sein Leben,

durchstochen auf der Jagd behende;

was Friedrichen vom Weibchen trennte.

Darüber Ludwig wurd‘ gebracht

in seines Kerkers Hut und Nacht.

Da rufte er St. Ulrich an

und dann ward leicht der Sprung getan.

Es brachten ihn durchs Wasser durch,

behende nach der Schauenburg,

die Leute sein, zur werten Braut.

Mit dieser ward er gleich getraut.

Im Freudenleben aber fein,

gedacht‘ er des Versprechens sein

und baute dieses Kirchlein hier,

St. Ulrich deinen Schutz und dir.

Damit er sein Verbrechen wende,

wallt er nach Rom zum Papst behende

und beichtete, was er getan.

Der Papst nahm seine Beichte an,

doch legt‘ er ihm die Buße auf:

Zwei Klöster baue schnell herauf,

du und dein Weib, die sich gefiel

mit dir in diesem Wolllustspiel.

Der Landgraf war ein guter Mann,

den man wohl nicht g'nug loben kann,

doch gegen seine Adelheid

kannt‘ er kein Ziel der Zärtlichkeit.

Das nahm der Tod ihm endlich ab.

Betrachtet hier das kleine Grab,

das ihm der Tod zur Wohnung gab.

So stark wohl auch der Mensch mag sein,

sein Ende macht ihn immer klein.

Doch führt es ihn zum Himmel ein.

Dort wünscht sich jeder Christ zu sein.

Wo aber freie Hochzeit ist,

fühlt sich beglücket jeder Christ.

Es wird dann Gott auch gnädig sein

und schenken gute Kinderlein.

Viel Glück und Freude noch dazu,

Vergnügen auch in Morungruh‘;

Erscheint der Braut ein Bild, das sei

des Mannes Bild, gar hold und treu,

Es wird ihm alles wohl gelingen,

dem Rittersmann von Röbelingen.

Die Ritterfrau ist schön und fein.

So soll, will's Gott, mein Liebchen sein!“

Philipp beschenkte den Sänger mit einem Ring, und Gisela, vor den Bildnissen der schönen Adelheid und anspruchsvollen Cäcilia niederfallend, rief laut aus: „Nicht wahr, der Frau erscheint ihr nicht wieder? Sie hat nun das gefunden, was ihre Sehnsucht vorher nicht gefunden hatte und was sie ihr auch im Kloster nicht geben konnte. – Ihr aber seid so schön, dass Euch die Sangerhäuser nie vergessen können.“

In einem alten Liede heißt es:

Die Sangerhäuser feine Leut,

ergeben sich der Fröhlichkeit;

sie schleichen sich, gar zärtlich fein,

bei hübschen Mädchen herzlich ein.

Da gibt es Frauen in der Stadt,

die alles gar zum feinsten hat,

an welchen selbst ihr Frauenbild

erscheint als schönstes Mädchenschild.

Ihr Augenblicke, Sonnenschein,

strömt über Männer mild herein;

ihr Busen, der sich zärtlich hebt,

hat nur nach Liebe stets gestrebt.

Die Händchen weich, wie zarter Flaum,

verschenken der Erwartung Traum.

Und öffnet sich ihr Rosenmund,

macht er die schönsten Wünsche kund.

Ein solcher Wunsch erfreue mich.

Ach, Sangerhäuser Mädchen, dich

Wünsch‘ ich in meine Dichter-Arm.

Da wär ich zärtlich, froh und warm!

Vielleicht wurden damals noch keine Untersuchungs-Akten geführt, oder wenigstens nicht aufgehoben. – Wie es aber scheint, war der Pater Gervasius listiger als Gisela und ihr guter Vater. Wer weiß, bis zu welchem Endzweck die Geschichte der Erscheinungen noch gespielt sein würde, hätten nicht Philipps Arme das Adelheidsbild so kräftig umfasst, dass er überzeugt worden wäre, es sei ein menschliches. Das war das unvorhergesehene Ende der Erscheinungsgeschichte.1

Zwar sollen in dem artigen Sangerhausen noch jetzt zuweilen artige Erscheinungen sich ereignen; doch sie bleiben auch noch nur unter den Liebhabern, wo sie auch am gefälligsten aufgenommen werden und bleiben

Erscheinend mag's vorüber brausen!

Das Wirkliche bleibt doch in Sangerhausen.

Es war Sitte der Lebenden in der Vorzeit, (eine ziemlich allgemeine), dergleichen Begebenheiten und Ereignisse der Dichtkunst zu übergeben und dieselben in Liedern fortleben zu lassen. Unsere opernartigen Zeiten finden Text und Melodien aber nicht so, dass sie glauben, sie fortleben lassen zu dürfen; deshalb werden sie seltener und verlieren sich nach und nach ganz. Nur einige Chroniken sind noch vorhanden, worin sie aufbehalten worden sind. – In solch einem alten Zeitenbuch steht das Lied von der schönen Adelheid und ihrem lieben Liebhaber Ludwig. – Um es nicht ganz untergehen zu lassen, wollen wir es mitteilen, da wir doch vielleicht hoffen dürfen, Leser und Leserinnen zu finden, die so etwas auch nicht ganz ungern lesen:

Lied von dem Grafen Ludwig in Thüringen und der Frau zu Weißenburg.

Was wollen wir aber singen,

was wollen wir heben an?

Ein Lied von der Frau von Weißenburg,

wie sie ihren Herrn verriet.

Sie ließ ein Brieflein schreiben,

gar fern in's Thüringer Land,

zu ihrem Ludwig Buhlen,

dass käme er zur Hand.

Er sprach zu seinem Knechte:

jetzt sattle mir mein Pferd,

wir woll'n zur Weißenburg reiten.

Das ist des Reitens wert!

„Gott grüß' Euch, Frau Adelheid schöne,

wünsch' Euch einen guten Tag!

Wo ist Euer edler Herre,

mit dem ich kämpfen mag?“

Die Frau leugnet ihren Herren,

im Scheine falsches Gemüts:

„Er reitet nächten2 späte

mit Hunden auf die Jeit3. 

Da Ludwig unter die Linden kam,

wohl unter die Linden so grüne,

da kam der Herr von Weißenburg

mit seinen Hunden, so kühne.

„Willkommen, Herr von der Weißenburg!

Gott geb Euch guten Mut.

Ihr sollt nicht länger leben

denn heut diesen halben Tag.“

„Soll ich nicht länger leben

denn diesen halben Tag,

so klag ich's Gott im Himmel,

der all‘ Ding‘ wenden mag.“

Sie kamen hart zusammen

mit Worten, im Zorne groß,

dass einer zu dem andern

sein Armbrust abeschoss.

Er sprach zu seinem Knechte:

„Dein Armbrust spanne ein,

und schieß den Herrn von der Weißenburg

zur linken Seit hinein!“

„Warum soll ich ihn schießen

und morden auf dem Plan?

Er hat mir doch im Leben

noch nie ein Leid getan.“

Da nahm Ludwig sein Jägerspieß

selber in seine Hand,

durchrann den Pfalzgraf Friederich

unter der Linde, tot.

Er sprach zu seinem Knechte:

Nun, auf zur Weißenburg!

da sind wir wohlgehalten

nach unserm Herz und Mut.

Da kam er zu der Weißenburg,

wohl unter's hohe Haus,

da sah die schöne Fraue

vergnügt zum Fenster h’raus.

„Gott grüß Euch, edle Fraue,

bescher' Euch Glück und Heil!

Euer Wille ist ergangen;

Tot habt Ihr den Gemahl.“

„Mein Wille ist ergangen?

Mein edler Herr wär tot?

Ich will es doch nicht glauben;

wo wär sein Blut so rot?“

Er zog aus seiner Scheide

sein Schwert vom Blute rot.

„Sieh's Zeichen, edle Fraue!

und glaub's, dein Herr ist tot.“

Sie rang die weißen Hände,

zerrauft ihr gelbweiß Haar,

„Hilfreicher Christ im Himmel!

was habe ich getan?“

Sie zog von ihrem Finger

den Ring von Golde rot:

„Da sieh, mein Ludwig! Buhle;

vergiss nun meiner nicht.

„Was hilft mir dieser Fingerring

unrecht gewonnen so?

Soll ich der Tat gedenken,

mein Herz wird nimmer froh.“

Des erschrak die Frau von der Weißenburg.

Verfiel in Trauer-Mut.

„Verlass mich, lieber Ludwig, nicht!

mein edler Herr ist tot.“