Ganztagsschule als Hoffnungsträger für die Zukunft? -  - E-Book

Ganztagsschule als Hoffnungsträger für die Zukunft? E-Book

4,5

Beschreibung

"Ein verlässliches Ganztagsangebot hat das Potenzial, die Bildungschancen der Kinder zu verbessern, und unterstützt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf", betont Dr. Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung. Die Zahlen der letzten sieben Jahre zeigen: Das ganztägige Angebot - ob offen, teilgebunden oder verbindlich - hat sich bundesweit mehr als verdoppelt, Tendenz weiter steigend. Dennoch sind für die Zukunft wichtige Fragen zu klären: Was leistet Ganztagsschule tatsächlich für die individuelle Förderung und Chancengerechtigkeit? Wie stellt sich die Profilbildung der Schulen dar? Was sind die Qualitätskriterien für "guten" Ganztag? Die Expertise in diesem Band beschreibt und bewertet den aktuellen Forschungsstand zur bundesdeutschen Entwicklung. Auf Basis der Daten der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) werden typische Profile vorgestellt. Zwölf Thesen fassen die vielfältigen Erwartungen an Ganztagsschule zusammen und geben wichtige Hinweise für den quantitativen und qualitativen Ausbau.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 209

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,5 (16 Bewertungen)
11
2
3
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2012 E-Book-Ausgabe (EPUB)
© E-Book-Ausgabe 2012 © 2012 Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
Verantwortlich: Dr. Nicole HollenbachLektorat: Heike Herrberg, BielefeldHerstellung: Sabine ReimannUmschlaggestaltung: Elisabeth MenkeUmschlagabbildung: Veit Mette, BielefeldSatz und Druck: Hans Kock Buch- und Offsetdruck GmbH, Bielefeld
ISBN : 978-3-86793-466-4
'www.bertelsmann-stiftung.de/verlag'
Vorwort
Das Potenzial der Ganztagsschule besser ausschöpfen
Vielfalt ist Normalität in unseren Klassenzimmern – nicht nur in den Grundschulen, sondern auch in den weiterführenden Schulen. Vor allem in den Großstädten steigt die Zahl der Kinder aus Zuwandererfamilien, in ländlichen Gebieten müssen Schulen unterschiedlicher Art wegen Schülermangels zusammengelegt werden, immer mehr Eltern schicken ihre Kinder – gerade in wohlhabenden Gegenden – auf das Gymnasium, und seit Inkrafttreten der UN-Konvention gehen zunehmend Kinder mit besonderem Förderbedarf auf Regelschulen.
Diese Vielfalt der kulturellen und sozialen Hintergründe, der Begabungen, aber auch der unterschiedlichen Lernausgangslagen stellen zusätzliche Anforderungen an Schule und Unterricht. Bislang gelingt es unserem Schulsystem nicht ausreichend, der zunehmend heterogenen Schülerschaft faire Bildungschancen zu bieten – der Bildungserfolg hängt nach wie vor in hohem Maße von der Herkunft ab. Das belegt, neben internationalen Schulleistungsstudien wie PISA und IGLU, auch der »Chancenspiegel« des Instituts für Schulentwicklungsforschung und der Bertelsmann Stiftung, der die Leistungsfähigkeit und Gerechtigkeit der deutschen Schulsysteme untersucht: Die Chance eines Akademikerkindes, ein Gymnasium zu besuchen, ist beispielsweise 4,5-mal höher im Vergleich zur Chance eines Arbeiterkindes. Angesichts dieser Bestandsaufnahmen drängt sich die Frage auf, mit welchen konkreten Maßnahmen die Schulsysteme in allen Bundesländern gerechter und gleichzeitig leistungsfähiger gestaltet werden können.
Der quantitative und qualitative Ausbau der Ganztagsschule spielt dabei eine zentrale Rolle. Seit 2003 unterstützen Bund und Länder gemeinsam den Ausbau ganztagsschulischer Angebote im Zuge des Investivprogramms »Zukunft Bildung und Betreuung«. Die Bundesregierung fördert den Aus- und Aufbau der Ganztagsinfrastruktur mit insgesamt vier Milliarden Euro. Schon diese Fördersumme ist ein Hinweis auf die großen Hoffnungen, die mit Ganztagsschulen verbunden werden: An die Ganztagsschule richtet sich die Erwartung, dass sie die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit unterstützt, zur Entwicklung von Lernkultur und pädagogischer schulischer Praxis beiträgt, Lernchancen verbessert, den Erwerb kognitiver und sozialer Fähigkeiten fördert sowie soziale Benachteiligung kompensiert.
Vor dem Hintergrund der ambitionierten Zuschreibungen und Erwartungen an Ganztagsschulen hat die Bertelsmann Stiftung das Deutsche Jugendinstitut beauftragt, das »Reformprojekt Ganztagsschule« auf den empirischen Prüfstand zu stellen. Die Studie zeigt einerseits die beeindruckende Ausbaudynamik der Ganztagsschulen in Deutschland. Sie macht aber andererseits auch die Grenzen eines Projekts deutlich, das ohne klares Leitbild und mit geringen inhaltlichen Vorgaben gestartet ist. So ist, laut der Definition der Kultusminister, eine Schule bereits dann eine Ganztagsschule, wenn sie an drei Tagen der Woche mindestens sieben Stunden unterrichtet. Daher geht die Studie vor allem der Frage nach, ob der bisherige Ganztag wirklich einen substanziellen Beitrag zu Chancengerechtigkeit leistet und herkunftsbedingte Benachteiligungen ausgleichen kann. Ich danke an dieser Stelle den engagierten Autorinnen und Autoren, Thomas Rauschenbach, Bettina Arnoldt, Christine Steiner, Heinz-Jürgen Stolz, die sich der Herausforderung einer Bilanz der Ganztagsschulentwicklung in Deutschland gestellt haben.
Empirische Befunde zur Leistungsfähigkeit der Ganztagsschulen waren bislang eher enttäuschend. So zeigt im erwähnten Chancenspiegel ein Vergleich der Kompetenzwerte von Schülern in Ganz- und Halbtagsschulen auf der Grundlage von PISA- und TIMSS-Daten keine besseren Leistungen von Ganztagsschülern. Die Studie des Deutschen Jugendinstituts macht nun deutlich, wie das Potenzial der Ganztagsschule besser ausgeschöpft werden kann. Denn der Besuch einer Ganztagsschule kann bei Schülerinnen und Schülern sehr wohl zu positiven Wirkungen führen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf erzieherische Wirkungen (Motivation, Wertorientierung, Sozialverhalten) als auch auf Leistung und Schulerfolg. Die Wirksamkeit der Ganztagsschule ist allerdings abhängig von der Qualität des Angebots und einer regelmäßigen Teilnahme. So bieten voll gebundene Ganztagsschulen prinzipiell bessere Bedingungen für eine individuelle Förderung, sind aber nicht hinreichend für eine gute und gerechte Schule. Nachdenklich stimmt im Hinblick auf Chancengerechtigkeit zudem, dass sich Ganztagsschulen bislang nicht vermehrt in sozialen Brennpunkten finden, wo der Bedarf an passgenauen Unterstützungsangeboten für benachteiligte Schüler am größten ist. Insgesamt deuten die Ergebnisse daraufhin, dass das qualitative Potenzial des Ganztags zurzeit noch nicht ausgeschöpft wird und auch Ganztagsschulen es noch nicht schaffen, Herkunft und Schulleistung zu entkoppeln.
Ziel muss es daher sein, dass alle Kinder und Jugendlichen von einem qualitativ hochwertigen Ganztagsangebot profitieren können. Allerdings ist der Weg zu dem benötigten flächendeckenden System alles andere als einfach – und auch finanziell eine Herausforderung: Der flächendeckende Betrieb von gebundenen Ganztagsschulen kostet Schätzungen zufolge bis zu zehn Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr. Beginnen muss der Ausbau darum in den sozialen Brennpunkten der Städte. Dort werden die Ganztagsschulen am dringendsten gebraucht. Mit der Zeit müssten sich die anfangs häufig unverbindlichen offenen Ganztagsschulen in – pädagogisch sinnvollere – verbindliche gebundene Angebote wandeln. Damit der quantitative und qualitative Ausbau mit dem nötigen Nachdruck passiert, brauchen wir in wenigen Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz.
Bereits zu Beginn des Ausbaus müssen die Schulen so gut sein, dass die Eltern ihre Kinder gern und freiwillig dorthin schicken – anders wird sich der kulturelle Wandel politisch nicht durchsetzen lassen. Deshalb müssen Ganztagsschulen mehr sein als Halbtagsschulen, die in den Nachmittag verlängert werden: Lernen und Erholungsphasen wechseln sich während des Tages ab, Sport und Musik sind verstärkter Teil des Curriculums, Selbstlernphasen sind genauso Bestandteil des Schulalltags wie »normaler« Unterricht. So verstandene und konzipierte Ganztagsschulen unterstützen kognitives Lernen, indem sie die intensive individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler ermöglichen und sicherstellen, dass das neu Erlernte geübt, wiederholt und verfestigt wird. Solche Ganztagsschulen bieten aber auch neue Möglichkeiten, da sie Gelegenheiten für informelles, soziales und interkulturelles Lernen eröffnen und beispielsweise Sport- und Kulturangebote bereitstellen, die Kindern aus bildungsfernen Familien sonst nicht zugänglich sind.
Eine solche Schule ist Lern- und Lebensraum für alle Kinder und Jugendlichen. Nur so bietet Schule echte Chancen für alle und leistet einen wirksamen Beitrag für mehr Chancengerechtigkeit in Deutschland. Die einzelne Schule wird das allein nicht schaffen. Sie ist dabei auf die Unterstützung der Kommune und des Landes angewiesen. Wir brauchen eine Gesamtstrategie von Bund, Ländern und Kommunen, damit das Potenzial von Ganztagsschulen endlich besser ausgeschöpft werden kann. Diese Studie soll für eine solche Strategie entsprechende Anstöße geben.
Dr. Jörg DrägerMitglied des Vorstands der Bertelsmann Stiftung
Inhaltsverzeichnis
Titel
Impressum
Vorwort
1 Das Reformprojekt Ganztagsschule – eine Einleitung
2 Schulbezogene Reformimpulse – zeitgeschichtliche Vergewisserungen
Der Dialog Ganztagsschule
Der Dialog Bildungslandschaft
3 Der Ausbau der Ganztagsschule – ein Blick auf die Länder
Entwicklungen im Vorfeld des IZBB
Der Ausbau der Ganztagsschulen auf Länderebene
Ganztagsschule und Chancengerechtigkeit
Kooperation mit außerschulischen Partnern
Wandel durch Annäherung
Zwischenfazit
4 Der Ganztag im Spiegel der Forschung – eine Bilanz
Eine Bestandsaufnahme empirischer Befunde
Chancengerechtigkeit und Ganztag? Ein Zwischenfazit
5 Ganztagsschulen – Modelle empirischer Klassifikation
Klassifi kationen von Schulen
Methodisches Vorgehen
Befunde
Ganztagsschule als Regelschule – aber nach welchen Regeln?
6 Die Ganztagsschule der Zukunft – Erweiterungen des Bildungskonzepts
Die Ganztagsschule im kommunalen Sozialraum
Die Ganztagsschule in einem erweiterten Bildungshorizont
Literatur
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Ganztagsschule als Hoffnungsträger? Eine Bilanz in zwölf Thesen
Anhang
1 Das Reformprojekt Ganztagsschule – eine Einleitung
Im Schuljahr 2010/11 gab es in Deutschland mehr als 14.000 Schulen bzw. schulische Verwaltungseinheiten mit Ganztagsangeboten. Das entspricht einem Anteil von inzwischen über 50 Prozent an allen schulischen Verwaltungseinheiten. Im Vergleich zum Bezugsjahr 2002/03, als es noch keine 5.000 »Ganztagsschulen« gab, kommt das einem Zuwachs um 192 Prozent bzw. um mehr als 9.500 Ganztagsschulen in nur acht Jahren gleich. Setzt sich der Ausbau in den nächsten Jahren etwa im gleichen Tempo fort – und mehrere Bundesländer haben sich hier ehrgeizige Ziele gesteckt – , dürfte die Zahl der Ganztagsschulen bis Mitte des Jahrzehnts, also bis zum Schuljahr 2015/16, auf nahezu 20.000 Verwaltungseinheiten steigen. Das hieße: Rund sieben von zehn Schulen könnten in wenigen Jahren ein Schulangebot im Ganztagsbetrieb unterbreiten.
Schon dieses kleine Zahlenspiel macht deutlich: Wenige bildungspolitische Reformprojekte der letzten Jahre dürften das Bildungswesen und die Schullandschaft hierzulande – aber auch das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen – so nachhaltig verändert haben wie der Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen. Deutlich leiser geworden sind die anfänglich kontroversen Debatten um die weitere Ausbreitung staatlich verantworteter Bildung, Betreuung und Erziehung, nahezu verstummt sind die zeitweilig massiv geäußerten föderalen Vorbehalte gegen eine bundeszentrale Beteiligung am Ganztagsschulausbau. Aus einer zunächst ungewissen Entwicklungsperspektive heraus hat sich Deutschland ausnahmslos in allen Bundesländern auf den Weg gemacht, die für die Bundesrepublik so prägende Halbtagsschullandschaft sukzessive mit einem flächendeckenden Ganztagsangebot zu unterfüttern.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!