Der ägyptische Fluch - A. F. Morland - E-Book

Der ägyptische Fluch E-Book

A. F. Morland

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Beschreibung

In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert! Der ägyptische Herrscher lächelte die hübsche blonde Frau an. Das erschreckte Patricia so sehr, daß sich ihrer trockenen Kehle ein heiserer Schrei entrang. Verwirrt fuhr sie sich mit den Fingerspitzen an die Lippen. »Warum fürchtest du dich vor mir?« hörte sie eine sanfte Stimme zu ihr sprechen. Das war doch nicht möglich. Wie konnte dieses Bild denn auf einmal reden? Ich spinne! durchzuckte es Patricia. Ich bin verrückt, habe nicht mehr alle meine Sinne beisammen! »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben«, sagte Rimus weich. »Ich bin dir nicht feindlich gesinnt. Ich bin dein Freund. Gern würde ich dich überallhin begleiten als dein Beschützer, denn ich liebe dich.« Wahnsinn, dachte Patricia und sah, wie ihre Hände zitterten. Wie kann das Bild einer alten Steinfigur plötzlich leben und zu mir sprechen? Ein eiskalter Schauer durchrieselte Patricia Hamilton. Gebannt, fasziniert, fast hypnotisiert sah sie die alte graue Steinstatue an, die in dem dicken Bildband abgebildet war, den ihr Mark, ihr Mann, geschenkt hatte. Es war ein Werk über die ägyptische Kunst, mit unzähligen, wunderschönen farbigen Bildern, die veranschaulichten, was für große Künstler schon 2500 Jahre vor Christus in diesem Land gelebt hatten.

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Gaslicht – 57 –

Der ägyptische Fluch

Unveröffentlichter Roman

A. F. Morland

Der ägyptische Herrscher lächelte die hübsche blonde Frau an. Das erschreckte Patricia so sehr, daß sich ihrer trockenen Kehle ein heiserer Schrei entrang. Verwirrt fuhr sie sich mit den Fingerspitzen an die Lippen. »Warum fürchtest du dich vor mir?« hörte sie eine sanfte Stimme zu ihr sprechen. Das war doch nicht möglich. Wie konnte dieses Bild denn auf einmal reden? Ich spinne! durchzuckte es Patricia. Ich bin verrückt, habe nicht mehr alle meine Sinne beisammen! »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben«, sagte Rimus weich. »Ich bin dir nicht feindlich gesinnt. Ich bin dein Freund. Gern würde ich dich überallhin begleiten als dein Beschützer, denn ich liebe dich.« Wahnsinn, dachte Patricia und sah, wie ihre Hände zitterten. Wie kann das Bild einer alten Steinfigur plötzlich leben und zu mir sprechen?

Ein eiskalter Schauer durchrieselte Patricia Hamilton. Gebannt, fasziniert, fast hypnotisiert sah sie die alte graue Steinstatue an, die in dem dicken Bildband abgebildet war, den ihr Mark, ihr Mann, geschenkt hatte.

Es war ein Werk über die ägyptische Kunst, mit unzähligen, wunderschönen farbigen Bildern, die veranschaulichten, was für große Künstler schon 2500 Jahre vor Christus in diesem Land gelebt hatten.

Patricia konnte den Blick nicht von der abgebildeten Statue lösen. Wer sie nur flüchtig betrachtete, hätte sie für eine Sphinx halten können, doch ein genauerer Blick ließ erkennen, daß diese Statue menschliche Gestalt und männliche Züge hatte.

Das Haar war lang. Pagenschnitt. Der Mund zusammengekniffen, und leere Augen sahen die fassungslose Betrachterin an. In die Stirn, über der Nasenwurzel waren Buchstaben oder Symbole eingemeißelt, die Patricia nicht entziffern konnte.

Sie war schließlich keine Ägyptologin, wenngleich ägyptische Kunst und ägyptische Geschichte sie immer schon interessiert hatten.

Um den Hals der Figur war eine dickgliedrige Kette geschlungen, die sich über der Brust kreuzte. Sollte die Kette Gefangenschaft symbolisieren? Patricias Gedanken versuchten, sich das Schicksal dieses Mannes aus einer längst versunkenen Vergangenheit vorzustellen.

Was erwartete ihn nach der Gefangennahme? Foltern, Schmerzen, Tod? Obwohl dieser Mensch von einst keine Zukunft mehr hatte, zeigte sein Gesicht Gefaßtheit und Unerschrockenheit, als wäre er davon überzeugt, daß man ihm nichts anhaben konnte. Hielt er sich für unverwundbar?

Eines beeindruckte Patricia an dieser Steinstatue am meisten. Es fiel ihr nicht leicht, diese Wahrnehmung geistig zu verarbeiten. Je länger sie die Aufnahme, ansah, desto überzeugter war sie davon, daß dieser Mensch, der vor mehr als 4000 Jahren gelebt hatte, aussah wie ihr Mann.

Diese Wahrnehmung regte Patricia so sehr auf, daß sie leicht zu zittern begann.

Gibt es die Reinkarnation wirklich? fragte sie sich mit laut schlagendem Herzen? Ist die Lehre von der Wiedergeburt kein leeres Gerede? Können Menschen, die einmal gelebt haben, wieder auf die Welt kommen?

Patricia las gespannt die Bildunterschrift.

Statue Rimus I. Zweite Dynastie, etwa 2500 Jahre vor Christus Rimus I. beherrschte das alte Ägypten nur kurze Zeit. Er lebte in der damaligen Hauptstadt Memphis und wurde von einem Volkstribunal zum Tode verurteilt. Man legte ihn in Ketten, mißhandelte ihn grausam und warf ihn schließlich den Krokodilen vor.

Rimus und Mark, dachte Patricia gebannt. Zwei Menschen, die in verschiedenen Ländern, getrennt durch mehr als 4000 Jahre, lebten beziehungsweise leben. Kann es zwischen denen eine Verbindung geben? Ist es Zufall, daß Rimus wie Mark aussieht, oder umgekehrt?

Patricia ließ das Buch langsam sinken. Sie wußte, daß es verrückt war, aber sie fragte sich dennoch: Bin ich mit einem altägyptischen Herrscher verheiratet ?

Pharao Rimus I. herrschte damals in Memphis über viele Menschen.

Mark herrscht heute in New York mit seinem Ölimperium ebenfalls über Menschen. Sie müssen tun, was er sagt. Er ist ein moderner König, reich und mächtig.

Eine Persönlichkeit, die hart und unerbittlich gegen Feinde sein kann, die jedoch Freunden unendlich viel Liebe entgegenzubringen imstande ist. Mark Hamilton, der Märchenprinz der Ostküste.

Mark Hamilton, ein Mensch mit einer mehr als 4000jährigen Vergangenheit?

Patricia legte die Hand auf die abgebildete Statue, um sie nicht mehr zu sehen. Plötzlich vermeinte sie Wärme von diesem Bild in ihre schlanke, feingliedrige Hand strömen zu spüren.

Bildete sie sich das nur ein, oder befand sich Leben in dieser mysteriösen Figur?

Patricia zog die Hand hastig zurück und wurde sofort wieder von diesen angsteinflößenden leeren Augen angestarrt. Sie bekam davon eine Gänsehaut und wollte den wertvollen Bildband rasch schließen, doch irgend etwas hielt sie davon ab.

Es gab eine Art Sperre in ihr, die sie nicht überwinden konnte. Rimus I. wollte nicht, daß sie sich von ihm trennte. Er hatte den Wunsch, sie weiter anzusehen und erwartete das gleiche von ihr.

Patricia wußte nicht, wieviel Zeit sie schon mit diesem Bild verbracht hatte. Allmählich begannen die steinernen Züge vor ihren Augen zu verschwimmen, wurden weich, die steinerne Oberfläche nahm eine leicht bräunliche Färbung an, und mit einemmal lebte dieses Gesicht.

Der ägyptische Herrscher lächelte die hübsche blonde Frau an. Das erschreckte Patricia so sehr, daß sich ihrer trockenen Kehle ein heiserer Schrei entrang.

Verwirrt fuhr sie sich mit den Fingerspitzen an die Lippen.

»Warum fürchtest du dich vor mir?« hörte sie eine sanfte Stimme zu ihr sprechen. Das war doch nicht möglich. Wie konnte dieses Bild denn auf einmal reden?

Ich spinne! durchzuckte es Patricia. Ich bin verrückt, habe nicht mehr alle meine Sinne beisammen!

Sie wünschte sich, Mark wäre jetzt bei ihr, doch ihr Mann hatte eine dringende Geschäftsbesprechung.

Als er sich deswegen entschuldigte, hatte Patricia geschmollt. »Wir sind noch nicht einmal achtundvierzig Stunden verheiratet, und schon sind dir die Geschäfte wichtiger als deine Frau.«

»Das darfst du nicht sagen«, hatte er widersprochen. »Damit machst du mich traurig. Es gibt für mich nichts Wichtigeres auf der Welt als dich, das werde ich dir im Laufe unserer Ehe noch sehr oft beweisen. Ich lege dir diesen Globus zu Füßen, Patricia. Die Menschen werden in dir eine Königin sehen.«

Eine Königin, hatte er gesagt, und er hatte versprochen, die Besprechung so kurz wie möglich zu halten. Eine Königin, dachte Patricia, an Rimus’ Seite…

Bei diesem Gedanken erschrak sie. Hatte es sie etwa auch schon einmal gegeben? Hatte sie schon einmal mit Mark gelebt? Er hatte damals Rimus geheißen. Wie war ihr Name gewesen? Wieso konnte sie sich an ihr früheres Leben nicht erinnern? Wo hatte sie die Zeit zwischen damals und heute verbracht?

Viele irrwitzige Gedanken durchstürmten sie, während dieses menschliche, lebendige Gesicht sie aus dem Buch freundlich anlächelte.

»Du brauchst keine Angst vor mir zu haben«, sagte Rimus weich. »Ich bin dir nicht feindlich gesinnt. Ich bin dein Freund. Gern würde ich dich überallhin begleiten, als dein Beschützer, denn ich liebe dich.«

Wahnsinn, dachte Patricia und sah, wie ihre Hände zitterten. Wie kann das Bild einer alten Steinfigur plötzlich leben und zu mir sprechen?

Die Hochzeit, die vielen Gäste, die ermüdenden Vorbereitungen, die große Freude – all das war zuviel für mich. Jetzt kommt es heraus. Meine überforderten, überreizten Sinne spielen mir einen Streich. Ich sehe Dinge, die unmöglich sind. Sogar Worte höre ich, die niemand spricht.

Sie schloß die Augen ganz fest und hoffte, die Steinfigur würde nicht mehr leben, wenn sie die Augen wieder öffnete, doch dieser Wunsch erfüllte sich nicht.

Rimus I. lachte. Patricia hielt sich die Ohren zu. »Hör auf! Ich bitte dich, hör auf damit!«

»Warum möchtest du nicht hören, daß ich dich liebe?«

»Weil… weil es unmöglich ist – und weil es nicht sein darf. Ich bin verheiratet, ich habe einen Mann.«

»Ich bin dein Mann.«

»Um Himmels willen, laß es genug sein«, sagte Patricia ängstlich. »Du bist nicht Mark, du bist Rimus I.«

»Wo ist da der Unterschied?«

»Genug! Ich halte das nicht mehr aus!« keuchte Patricia, und sie strengte sich an, endlich diese hartnäckige Sperre zu überwinden. Verzweifelt und trotzig kämpfte sie gegen die hypnotische Kraft an, die von dieser Steinfigur ausging.

Ein Ruck durchzuckte sie plötzlich. Etwas schien gebrochen zu sein. Endlich gehorchten Patricias Hände, und sie klappte das dicke Buch so heftig zu, daß es laut knallte.

Eine große Erleichterung durchflutete sie danach.

*

Du hast diese Hochzeitsreise dringend nötig, sagte sie sich. Du mußt dich erholen, deine Nerven sind angegriffen. Du hast Halluzinationen.

Einen Augenblick dachte sie an Doktor Booskey, den Hausarzt und persönlichen Freund Marks. »Wenn Sie irgendwelche Probleme haben, seien Sie nun physischer oder psychischer Art, kommen Sie zu mir«, hatte er am Hochzeitstag gesagt. »Oder rufen Sie mich an, wenn Ihnen das lieber ist, dann suche ich Sie zu Hause auf. Ich bin von nun an jederzeit für Sie da. Bitte, vergessen Sie das nicht, Patricia. Mark braucht eine starke, gesunde Frau an seiner Seite.«

Eine starke, gesunde Frau, dachte Patricia. Bist du das? Im Augenblick eher nicht, aber du wirst dich erholen auf dieser Traumreise, die kurz bevorsteht.

Mark gibt seinen leitenden Angestellten die letzten Anweisungen. Danach hast du ihn einen ganzen herrlichen Monat lang für dich, brauchst ihn mit niemandem zu teilen.

Weder mit seiner Schwester noch mit seiner Firma, noch mit diesen vielen fremden Menschen, die ihn immer wieder von dir fortholen. Eine Reise ins Glück steht dir bevor. Unbeschwerte Tage in einem Land voller Geheimnisse. Freu dich darauf, Patricia. Was auf dich wartet, wird sich unvergeßlich in dein Gedächtnis einprägen. Sehr, sehr lange wirst du an diese Hochzeitsreise zurückdenken, und du wirst deinen Kindern und Enkeln davon vorschwärmen, wenn du alt bist.

Patricia erhob sich, und es gruselte sie, als aus dem geschlossenen Buch Rimus zu ihr sagte: »Ich erwarte dich in Ägypten, meiner Heimat, und ich freue mich auf ein Wiedersehen.«

Die Stimme verwehte. Patricia hatte den Eindruck, Rimus’ Geist würde sich aus diesem Raum zurückziehen, und sie war ihm dafür dankbar, denn diesem Spuk fühlte sie sich auf die Dauer nicht gewachsen.

Würde sie Rimus I. wirklich in Ägypten wiedersehen? Wer hatte nun eigentlich zu ihr gesprochen? Das Bild? Oder hatte ihr Geist diese Stimme entstehen lassen?

Wieder fiel ihr Doktor Booskey ein. Sollte sie sich mit ihm darüber unterhalten? Vielleicht hätte sie es getan, wenn ihre Hochzeitsreise nicht bevorgestanden hätte.

Sie wollte diese Reise, auf die sie sich schon seit Wochen unbändig freute, auf keinen Fall gefährden. Doktor Booskey hätte die Ansicht vertreten können, daß es besser wäre, die Reise zu verschieben.

Niemals!

Nimm dich zusammen! sagte sich Patricia und hob energisch den Kopf. Laß dich nicht unterkriegen! Du bist jetzt Mark Hamiltons Frau, das verpflichtet! Viele andere Frauen sehen in dir nun ein Vorbild! Sie werden sich nach dir richten, werden deine Kleider kopieren, deine Bewegungen studieren und nachahmen… Du darfst keine Schwäche zeigen. Es gibt keine schwachen Leitbilder.

Entschlossen richtete sie den Blick auf das Buch, als wollte sie sich selbst beweisen, daß sie davor keine Angst hatte.

»Es war alles nur Einbildung«, sagte sie leise, und sie riskierte es sogar, das teure Buch noch einmal aufzuschlagen. Während sie darin blätterte, strafften sich ihre Nerven, und ein dünner Schweißfilm legte sich auf ihre Stirn, doch sie suchte weiter nach der Abbildung der Statue.

Als sie sie gefunden hatte, blickte sie sie trotzig an, und nichts passierte.

»Siehst du«, sagte sie aufatmend, »du hast dir das vorhin alles nur eingebildet. Er lebt nicht, und er hat nie zu dir gesprochen. Es spielte sich alles nur in deiner Phantasie ab.«

Sichtlich erleichtert schloß Patricia das Kunstbuch wieder und war froh, sich selbst bewiesen zu haben, daß alles in Ordnung war.

Es klopfte. »Ja, bitte?« sagte Patricia.

Die Tür öffnete sich, und Jane Hamilton trat ein. Sie war zwei Jahre jünger als Patricia, also zwanzig. Ein hübsches Mädchen mit langem seidig-braunem Haar und grünen, leicht schräggestellten Augen.

»Ist es erlaubt, Eure Hoheit zu stören?« fragte Jane spöttisch.

Patricia wußte, daß ihre Schwägerin sie nicht mochte. Jane begegnete ihr mit unverhohlener Feindschaft. Sie unternahm gar nicht den Versuch, mit Patricia auszukommen.

Das war nicht immer so gewesen. Als Mark Patricia zum erstenmal in sein Haus gebracht hatte, war Jane liebenswürdig und nett zu ihr gewesen. Sie hatten sich gut miteinander unterhalten, fanden, daß sie viele gemeinsame Interessen hatten, und es hatte den Anschein, als ob sie Freundinnen werden könnten.

Von Patricias Seite aus wäre es auch zu dieser Freundschaft gekommen, aber Jane war dagegen gewesen. Sobald sie gehört hatte, daß Mark diese gutaussehende blonde Frau mit den weichen, dunklen Samtaugen heiraten wollte, war ein unsichtbarer eiserner Vorhang herabgefallen.

Jane hatte Patricia nicht mehr an sich herangelassen, war ihr zu-nächst aus dem Weg gegangen, hatte jedoch bald ihre Taktik geändert und war kaltschnäuzig zum Angriff übergegangen. Es machte ihr sichtlich Freude, Patricia zu blamieren oder ihr weh zu tun. Keine Gelegenheit ließ sie ungenützt, der Rivalin in diesem Hause eins auszuwischen, und sie vertrat die Ansicht, daß diese Ehe nicht von langer Dauer sein würde.

Armes Mädchen heiratet reichen Mann… Jane fand das nichts weiter als kitschig. So etwas brauchte man nicht ernstzunehmen.

»Kann ich etwas für dich tun?« fragte Patricia.

Jane kam mit aufreizendem Gang näher. »Wie kommst du darauf, daß du in der Lage bist, etwas für mich tun zu können, liebste Schwägerin?«

Der beißende Spott war nicht zu überhören, doch Patricia ging nicht darauf ein. Als Mädchen von zwölf Jahren hatte sie einem Judoclub angehört, und dort hatte sie den Spruch gelernt: Nachgeben, um zu siegen.

»Stell dir einen Baum im Winter vor«, hatte ihr Trainer gesagt. »Dicke schwere Schneekissen liegen auf seinen Zweigen, die von der weißen Last tief nach unten gedrückt werden. Der Baum wehrt sich nicht, er gibt nach. Der Schnee fällt zu Boden, die Zweige schnellen wieder nach oben – der Baum hat gesiegt. Genauso mußt du es auch machen.«

An diese Worte dachte Patricia heute immer noch. Seit sich Jane um hundertachtzig Grad gedreht hatte, mehr denn je. Sie wollte es zu keinem offenen Schlagabtausch kommen lassen.

Nicht, daß sie davor Angst gehabt hätte, sondern weil es nicht ihrem Wesen entsprach, mit ihren Mitmenschen zu streiten. Sie würde nachgeben und siegen – irgendwann. Sie hatte Zeit, sehr viel Zeit.

Man sagt, Güte ist Schwäche, aber das trifft nicht immer zu.

Patricia hob die Schultern. »Nun, wenn ich nichts für dich tun kann, was führt dich dann zu mir?«

»Ich möchte mit dir ein wenig plaudern.«

»Sehr gern«, sagte Patricia.

»Darf ich dich etwas fragen, Patricia?«

»Natürlich, Jane.«

»Wie fühlt man sich als frischgebackene Mrs. Hamilton?«

»Großartig.«

»Cinderella und der Märchenprinz. Ich finde es rührend, daß mein Bruder dich aus dem Elend geholt und zu seiner Frau gemacht hat.«

»Ich war arm, aber ich lebte nicht im Elend«, widersprach Patricia.

Jane kniff die Augen zusammen. »Glaubst du, daß du diesen unerwarteten Aufstieg seelisch verkraften wirst? Ich könnte mir vorstellen, daß das nicht ganz einfach für dich sein wird. Unter Umständen kann ein Mensch mit labilem Charakter daran zerbrechen.«

»Mach dir um mich keine Sorgen, Jane, mein Charakter ist fest und stark.«

»Du kommst aus dem Nichts, von ganz unten. Plötzlich stehst du ganz, ganz oben. Wird dir dabei nicht schwindelig?«

»Stehst du nicht auch ganz oben, Jane?«

»Bei mir ist das etwas anderes, ich bin oben geboren. Du kannst dich mit mir nicht vergleichen… Aufstieg und Fall der Patricia Hamilton«, sagte Jane schmunzelnd. »Ich werde beides miterleben, und es wird dir eine Lehre sein. Du wirst erkennen, daß es niemals gutgeht, wenn man so vermessen ist, nach den Sternen zu greifen. Genieße den kurzen Höhenflug, liebste Schwägerin. Koste das Glück aus, solange du kannst, denn allzulange wird es nicht währen.«

»Warum können wir nicht versuchen, Freunde zu sein, Jane?« fragte Patricia.