Böse Mächte auf Korsika - Alice Walton - E-Book

Böse Mächte auf Korsika E-Book

Alice Walton

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Beschreibung

In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert! Yvonne strich liebevoll über den steinernen Kopf und freute sich, dass der Schaden, den sie angerichtet hatte, nun behoben war. Als sie auf der Rückseite vom Gerüst absteigen wollte, brach es unter ihr weg. Während sie fiel, betete sie, sich nur nichts zu brechen. Das würde ihre Arbeit hier ganz gewiss beenden. Aber seltsamerweise fiel sie nicht auf den harten Boden, sondern durchbrach Äste und Laubwerk, ehe sie noch tiefer stürzte. Ein Grab, dachte sie entsetzt. Sie haben wieder eine Grube ausgehoben, wahrscheinlich für einen neuen Mord. Oder – der Gedanke war noch entsetzlicher – man hatte speziell für sie oder den Professor eine Grube gegraben. Sie war in eine Falle getappt. Während sie diese Gedanken wälzte, hörte sie über sich etwas knarren. Sie blickte nach oben und sah etwas auf sich zusausen. Ein dumpfer Schlag traf ihren Kopf. Yvonne Berger blickte trübe in den verhangenen Himmel. Das war genau die Stimmung, die sie seit ein paar Tagen umgab. Jeder, der es sich leisten konnte, hatte das schwüle Paris spätestens am Vorabend des berühmten Feiertags, dem 14. Juli, verlassen und irgendwo am Meer Erfrischung und heiteres Urlaubsleben gesucht. Ich könnte jetzt auch am Mittelmeer sein, dachte sie wehmütig. Aber unter welchen Bedingungen? Henri würde sie wieder voll in Besitz nehmen und ihr kaum Raum zum Atmen lassen. Schon lange drängte er auf Heirat und Gründung einer Familie; möglichst mit drei Kindern: »Schnell hintereinander, damit wir unsere Pflicht erfüllt haben …«

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Gaslicht – 65 –

Böse Mächte auf Korsika

Unveröffentlichter Roman

Alice Walton

Yvonne strich liebevoll über den steinernen Kopf und freute sich, dass der Schaden, den sie angerichtet hatte, nun behoben war. Als sie auf der Rückseite vom Gerüst absteigen wollte, brach es unter ihr weg. Während sie fiel, betete sie, sich nur nichts zu brechen. Das würde ihre Arbeit hier ganz gewiss beenden. Aber seltsamerweise fiel sie nicht auf den harten Boden, sondern durchbrach Äste und Laubwerk, ehe sie noch tiefer stürzte. Ein Grab, dachte sie entsetzt. Sie haben wieder eine Grube ausgehoben, wahrscheinlich für einen neuen Mord. Oder – der Gedanke war noch entsetzlicher – man hatte speziell für sie oder den Professor eine Grube gegraben. Sie war in eine Falle getappt. Während sie diese Gedanken wälzte, hörte sie über sich etwas knarren. Sie blickte nach oben und sah etwas auf sich zusausen. Ein dumpfer Schlag traf ihren Kopf. Dann wurde es Nacht um sie …

Yvonne Berger blickte trübe in den verhangenen Himmel. Das war genau die Stimmung, die sie seit ein paar Tagen umgab. Jeder, der es sich leisten konnte, hatte das schwüle Paris spätestens am Vorabend des berühmten Feiertags, dem 14. Juli, verlassen und irgendwo am Meer Erfrischung und heiteres Urlaubsleben gesucht.

Ich könnte jetzt auch am Mittelmeer sein, dachte sie wehmütig. Aber unter welchen Bedingungen? Henri würde sie wieder voll in Besitz nehmen und ihr kaum Raum zum Atmen lassen.

Schon lange drängte er auf Heirat und Gründung einer Familie; möglichst mit drei Kindern: »Schnell hintereinander, damit wir unsere Pflicht erfüllt haben …«

Das Telefon schrillte. Sie hob ab und meldete sich gelangweilt.

»Yvonne? Gehts dir gut? Hast du dir’s nicht doch überlegt?«

»Bitte, Henri, bedräng mich nicht wieder. Ich möchte zur Ruhe kommen. Und zwar allein.«

Natürlich war sein Angebot verlockend: ein Ferienhaus an der Cote d’Azur mit Garten, großer Terrasse und Schwimmbecken.

»Du brauchst auch wirklich nicht jeden Tag zu kochen. Das verspreche ich dir. Ganz in der Nähe gibt es ein entzückendes rustikales Restaurant. Ganz familiär.«

»Ich glaub’s dir ja, Henri. Aber bitte, versteh’ mich doch. Ich muss eine Weile allein sein.«

»Aha, Selbstfindungsphase«, spottete er.

»Mit Ironie erreichst du gar nichts bei mir. Das solltest du inzwischen wissen.«

»Tut mir leid. War nicht so gemeint. Ich bin nur wahnsinnig enttäuscht. So schön hatte ich mir’s vorgestellt: drei Wochen mit dir …«

»Vergiss es, Henri. Vielleicht ein anderes Mal.«

Er schwieg eine Weile verärgert. Dann sagte er: »Solltest du dir’s doch noch anders überlegen, ruf mich an. Mach’s gut, Yvonne.«

»Du auch, Henri«, erwiderte sie mit Bedauern in der Stimme. Im Grunde genommen tat er ihr leid. Aber seit wann war Mitleid ein Fundament für dauerhafte Liebe?

Kaum hatte sie aufgelegt, klingelte das Telefon wieder. Sie zögerte. Aber dann sagte sie sich, dass es nicht noch einmal Henri sein konnte. Sie nahm ab.

»Yvonne Berger«, sagte sie kühl.

»Ah, Mademoiselle Berger! Da habe ich aber Glück. Sie sind also nicht in Urlaub gefahren?«

»Professor Grédun? Was für eine Überraschung! Und Sie haben Paris auch nicht verlassen?«

»Nein. Noch nicht. Ich hatte noch einiges nachzuarbeiten – vom letzten Semester.«

»Ja, ich weiß. So lästige Aufgaben wie die Doktorarbeit von Yvonne Berger.«

»O nein! Das ist für mich ein reines Vergnügen. Sie sind sehr begabt. Aber deshalb rufe ich nicht an. Ich möchte Ihnen eine Aufgabe übertragen.«

»Mir? In den Semesterferien?«

»Ja. Dabei können Sie das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Was halten sie von Korsika?«

»Sehr viel. Da wollte ich immer schon einmal hin. Die alten Dolmen und Menhire …«

»Genau darum geht es. Ich bin gebeten worden, einen tüchtigen Archäologen zur Verfügung zu stellen. Da kann ich im Augenblick nur Sie empfehlen. Hätten Sie Lust?«

»Natürlich, Herr Professor. Wann solls denn losgehen?«

»Sobald Sie wollen. Nicht gerade heute. Wie Sie sicher wissen, halten die Korsen nicht viel von unserem Nationalfeiertag. Ich würde vorschlagen, dass Sie sich in Ruhe vorbereiten und vielleicht in drei Tagen nach Figari fliegen. Sie werden in den Ausgrabungsstätten bei Tizzano und Filitosa mit Professor Pucceddu zusammenarbeiten.«

»Aha. Kennen Sie den Herrn?«

»Ja. Wir haben zusammen studiert. Von Zeit zu Zeit tauschen wir Erfahrungen aus. Er ist ein bisschen kauzig, wenn ich mal so sagen darf.«

»Das macht mir nichts aus. Ich kann mich anpassen.«

»Das ist gut. Und noch etwas sollten Sie wissen: Ich habe einen Tipp vom Staatssicherheitsdienst bekommen. Man will, dass dem Professor ein bisschen auf die Finger gesehen wird. Es hat Ärger mit Separatistengruppen gegeben. Man hat den Verdacht, dass unersetzliche archäologische Schätze ins Ausland verscherbelt werden sollen, um den sogenannten Freiheitskampf der Korsen gegen Frankreich zu finanzieren.«

»Das gefällt mir aber gar nicht, Herr Professor.«

»Auf den ersten Blick sicher nicht«, erwiderte er besänftigend. »Aber denken Sie doch an die einmalige Gelegenheit. Welche Chancen für ihre Karriere tun sich dort auf!«

»Das mag wohl stimmen. Aber wenn ich zwischen die Fronten gerate …«

»Unsinn, Mademoiselle. Sie sollen nur ein bisschen die Augen offenhalten. Und ich verspreche Ihnen auch weitere Unterstützung. Sie werden sehen, dass alles ganz ungefährlich ist. Es wird Ihnen große Freude bereiten. Da bin ich ganz sicher.«

Yvonne sagte mit einigen Bedenken zu und legte nachdenklich auf. Morgen würde sie per Post genauere Anweisungen und Unterlagen bekommen. Auch das Flugticket für den übernächsten Tag würde dabei sein. Es gab also kein Zurück mehr.

Aber nun hatte sie einen noch besseren Grund, Henri abzusagen. Der Auftrag von ihrem Doktorvater war wichtiger als alles andere.

Sie wählte Henris Nummer und hatte Mühe, seine Freude zu dämpfen.

»Du hast es dir also doch überlegt?«, fragte er, anstatt sie zu Wort kommen zu lassen.

»Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, Henri. Aber ich habe eben ein Angebot bekommen, das ich nicht ausschlagen konnte.«

Sie berichtete ihm haargenau von dem Gespräch mit ihrem Professor, verschwieg aber ihre eigenen Bedenken.

»Bist du dir im Klaren darüber, dass du dich in Gefahr begibst?«, fragte er besorgt.

»Was sollte mir denn passieren?«, fragte sie angriffslustig. »Meinst du, der alte Professor Pucceddu könnte mir gefährlich werden?«

»Du brauchst darüber nicht zu spotten. Mag ja sein, dass er ganz harmlos ist. Aber die Separatisten scheuen vor keiner Gewalt zurück.«

»Es ist seit Monaten nichts passiert.«

»Das will doch nichts heißen. Es kann jederzeit wieder losgehen. Wenn sie dahinterkommen, dass du als Spionin geschickt wirst …«

»Was für ein Unsinn! Ich arbeite doch nicht für den Geheimdienst.«

»Woher willst du das wissen? Kommt der Auftrag nicht letztlich von denen?«

»Ich werde als Archäologin dort hingeschickt. Nicht als Agentin.«

Er seufzte. »Wie ich sehe, kann ich dich nicht davon abbringen. Für deine Karriere tust du anscheinend alles.«

»Nein, Henri, so ist es nicht. Aber mich reizt dieser Auftrag. Korsika – davon träume ich schon lange.«

»Hoffentlich gibts kein böses Erwachen. Ich habe dich gewarnt, Yvonne.«

Sie wies seine Warnung trotzig zurück, konnte sie aber nicht aus ihrer Erinnerung löschen.

*

Das Flugzeug landete erst am Abend in Figari. Um noch nach Tizzano weiterzufahren, war es zu spät. Der Taxifahrer empfahl ihr ein einfaches Hotel, das ihren Ansprüchen durchaus genügte. Sie gönnte sich ein kräftiges korsisches Abendessen und trank dazu eine ganze Flasche feurigen Rotwein.

Als einzige Frau in dem kleinen Eßsaal wurde sie von allen Seiten teils neugierig, teils misstrauisch gemustert. Der Wirt, ein ausgesprochen südländischer Typ, versuchte, etwas über ihre Absichten herauszubekommen. Sie aber blieb verschlossen und erwähnte nur, dass sie morgen nach Tizzano fahren wollte.

Der Wirt empfahl ihr einen befreundeten Autoverleiher. Aber ein Leihwagen kam für sie nicht infrage. So musste sie sich mit den knappen Auskünften über Busverbindungen zufriedengeben. Ihr war klar, dass sie zu allerlei Rätselraten Anlass gab. Wieso kam eine junge Frau allein aus Paris angereist? Was wollte sie in Tizzano?

Yvonne ignorierte die fragenden Blicke und wünschte schon zeitig eine gute Nacht. Müde und zufrieden sank sie ins Bett.

Als sie zum Frühstück herunterkam, folgten ihr wieder neugierige Blicke. Sie frühstückte mit gutem Appetit, bezahlte die Rechnung und rollte ihren Koffer zur nahe gelegenen Bushaltestelle.

Der Bus brachte sie quer durch das Gebirge nach Sarténe. Aber da war die öffentliche Verbindung zu Ende. Sie musste sich also ein Taxi nehmen, um nach Tizzano zu kommen.

Der Taxifahrer war nicht sehr gesprächig. Immerhin bekam sie aus ihm heraus, dass der Professor Pucceddu eine bekannte Persönlichkeit in dieser Gegend sei. Er wohne aber nicht etwa in Tizzano, sondern habe sein Quartier auf einem Campingplatz in der Nähe der Ausgrabungen von Palaggiu aufgeschlagen.

»Erzählen Sie mir mehr von ihm«, bat Yvonne. »Wenn ich mit ihm zusammenarbeiten soll, muss ich wissen, was auf mich zukommt.«

Der Mann zögerte kurz. »Nun ja«, begann er schließlich. »Es soll nicht so einfach mit ihm auszukommen sein. Er ist sehr anspruchslos und arbeitswütig. Dasselbe verlangt er von seinen Mitarbeitern. Bisher hat es keiner lange bei ihm ausgehalten.«

»Wo treffe ich ihn? In Palaggio oder besser auf dem Campingplatz?«

»Ich fahre Sie am besten zum Campingplatz. Dort können Sie auf ihn warten.«

»Ich habe aber kein Zelt bei mir.«

»Das brauchen sie auch nicht. Dort gibt es kleine Hütten zu mieten. Der Platz liegt mitten im Wald. Sehr romantisch.«

Diese Auskunft beruhigte Yvonne sehr. Allerdings konnte sie sich unter einer kleinen Hütte nichts Konkretes vorstellen. Um so größer war die Überraschung, als sie bei der ›Rezeption‹ ausstieg und nach einer Unterkunft fragte.

»Sie haben Glück«, war die prompte Antwort. »Gleich neben dem Professor ist ein Häuschen frei.«

Die junge Frau, die sich als Chefin des Platzes vorstellte, führte sie einen steilen Weg hinauf zu einem Holzhäuschen, das an eine Schutzhütte im Gebirge erinnerte. Über eine knarrende Treppe und ächzende Bohlen gelangte man in einen Vorraum, in dem sich ein verrosteter Gasherd, ein Ausguss und ein alter Kühlschrank befanden. Von da aus erreichte man ein Zimmerchen mit einem Doppelbett – es gab weder Tisch und Stuhl – und eine Kabine mit einer primitiven Dusche und Toilette. Die einzigen Sitzgelegenheiten befanden sich in der ›Küche‹ und vor dem Häuschen. In der Tat sehr romantisch, wie Yvonne feststellen konnte.

»Der Professor kommt immer erst bei Einbruch der Dunkelheit«, erklärte die Platzverwalterin. »Er ist sehr fleißig. Morgens steht er schon sehr früh auf. Da Sie kein eigenes Auto haben, werden Sie sich nach ihm richten müssen.«

Yvonne nickte. »Es wird mir nichts anderes übrig bleiben. Oder kann man hier irgendwo ein Fahrrad mieten?«

»Ja. Bei mir. Das machen viele Gäste. Im Augenblick ist noch nicht viel Betrieb. Die Besucher aus Frankreich kommen nicht mehr so häufig. Und unsere Leute machen erst im August Ferien.«

Yvonne fragte sich, warum das so sei. Hatten die Franzosen Angst vor Anschlägen? Oder war ihnen die Überfahrt vom Festland aus zu lästig? Ihr aber konnte es nur recht sein. Für ihren Seelenfrieden war ein mäßig besuchter Campingplatz angenehmer als eine turbulente Feriensiedlung.

Als sich die Verwalterin verabschieden wollte, fiel Yvonne ein, dass sie keinen Proviant bei sich hatte. Weit und breit gab es keinen Laden. Ihr Magen aber knurrte schon seit einer Stunde.

»Gibt es bei Ihnen was Essbares zu kaufen?«, fragte sie besorgt.

»Im Moment habe ich keine großen Vorräte, weil so wenig Gäste da sind. Sie müssen schon selber für Ihre Verpflegung sorgen. Weißbrot und Käse könnte ich Ihnen anbieten. Wasser und Wein können Sie bei mir auch bekommen.«

»Das genügt fürs Erste vollkommen, Madame. Wenn ich mich eingerichtet habe, komme ich zu Ihnen hinunter.«

»In Ordnung. Bis später.«

Es gab nicht viel einzurichten, weil geeignetes Mobiliar fehlte. Aus der dunklen Holzwand im ›Schlafzimmer‹ ragten zwei rostige Haken. Sie würde wohl die ganze Zeit aus dem Koffer leben müssen …

Nachdem sie sich in der ›Rezeption‹ mit den versprochenen Waren versorgt hatte, setzte sie sich vor ihre Hütte und begann herzhaft zu schmausen. Der Landkäse schmeckte vorzüglich. Das Baguette war noch knackig, und der Rotwein floss angenehm durch die trockene Kehle.

Sie vergaß ihre primitive Unterkunft und begann ihr Dasein zu genießen. Über ihr in den dichten Baumwipfeln sangen Vögel und zirpten Grillen. Die Sonne schickte ihre letzten Strahlen durch Blattwerk und Fichtenzweige. Es war noch immer sehr warm, aber nicht unangenehm.