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Merry Christmas! Weihnachten steht vor der Tür, und Elektriker Heiko hat ein Problem: Sein fünfjähriger Sohn wünscht sich ein Mädchenspielzeug. Ausgerechnet! Für Heiko steht fest: Diesen Wunsch kann er dem Jungen nicht erfüllen. Leon soll schließlich mal ein richtiger Mann werden – und auf keinen Fall schwul! Dabei merkt Heiko nicht, wie sehr er mit seiner Einstellung nicht nur seinen Sohn, sondern auch seine Frau verletzt. Als er Heiligabend noch zu einem Notfall in den ominösen „Club DT“ gerufen wird, weil es dort Probleme mit der Elektrik gibt, fährt er in der Annahme los, den Job schnell erledigen zu können. Doch im Club angekommen, geht alles drunter und drüber. Und dann steht er plötzlich einer ziemlich merkwürdigen Gestalt gegenüber. Ist das etwa … ein Engel?
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Veröffentlichungsjahr: 2020
Dee Dee
Gay Christmas
Eine Weihnachtsgeschichte
GAY CHRISTMAS
PROLOG
ERSTER TEIL
ZWEITER TEIL
DRITTER TEIL
EPILOG
Impressum
»Wenn er es sich aber doch so sehr wünscht, Heiko.«
Genervt stöhnte Heiko auf. Es war der 24. Dezember und gerade mal acht Uhr morgens. Er hatte sich auf ein gemütliches Frühstück mit seiner Frau und seiner Zeitung – vor allem seiner Zeitung! – gefreut, doch obwohl es noch früh am Tag war und die Kinder noch schliefen, hing mal wieder der Haussegen schief. Und warum? Wegen Weihnachten, natürlich! Seit Tagen, nein, Wochen ging das nun schon so. Aber jetzt war es zum Glück bald vorbei. Zwei Tage und der Rest von heute, und eswar geschafft.
Energisch schüttelte er den Kopf. »Kommt überhaupt nicht infrage, Sandra. Es ist mir schnurzpiepegal, wie sehr der Junge sich diese verdammte Mein kleines Pony-Figur wünscht – sie ist pink, Himmelherrgott. Pink!«
»Ist doch nur ein Spielzeug … Und bei Katja warst du auch nie so streng. Wenn sie mit Autos spielen will, hast du damit kein Problem.«
»Das ist auch etwas ganz anderes«, erwiderte Heiko nur.
Sandra senkte leise seufzend den Kopf. Dann hob sie ihn wieder und setzte diesen Welpenblick auf, mit dem sie ihren Mann im Laufe ihrer zehnjährigen Ehe schon oft um den Finger gewickelt hatte.
Aber dieses Mal nicht! Bei dem Thema blieb Heiko standhaft. Auf keinen Fall würde er zulassen, dass seine Frau den Jungen zu einem Homo erzog! Und wenn rosafarbene Pferdefiguren einen Fünfjährigen nicht dazu machten, was denn bitteschön dann? Natürlich graute ihm auch schon davor, wenn Leon heute Abend sein Geschenk auspacken und dann erst mal wieder einen Schreianfall kriegen würde, weil sich unter dem Geschenkpapier »nur« ein Spielzeug-Parkhaus verbarg und kein gottverdammtes pinkes Plastikpony. Aber da mussten sie dann alle eben durch.
»Spielzeug hin oder her.« Er warf ihr einen harten Blick zu. »Du kennst meinen Standpunkt.«
Ehe sie etwas erwidern konnte, schellte es an der Tür. Um diese Uhrzeit? Heiko kniff die Augen zusammen. Eine echte Unverschämtheit, rechtschaffene Leute zu so früher Stunde aus dem Bett zu klingeln!
Energisch schob er seinen Stuhl zurück und stand auf. Wer immer da auch draußen auf seiner Türschwelle stehen mochte, konnte sich jetzt schon mal warm anziehen – und zwar nicht, weil es draußen eiskalt war. Noch so eine Sache, die ihm Kopfzerbrechen bereitete. Wenn man dem Wetterbericht Glauben schenken durfte, gab es dieses Jahr endlich wieder weiße Weihnacht. Und anscheinend freute sich ganz Deutschland darauf. Heiko nicht. Klar mochte es schön für die Kinder sein. Schneemänner bauen, Schlittenfahren … er aber dachte da eher daran, was das noch bedeutete: Schneeschippen, Autoscheiben freikratzen, Verkehrschaos auf den Straßen …
Als er die Tür aufriss, standen zwei Typen davor. Die beiden waren etwa Anfang zwanzig und so offensichtlich schwul, dass es schon fast an Frechheit grenzte. Der eine trug unter seiner dicken offenen Daunenjacke ein Shirt mit der provokanten Aufschrift »Boy Toy«, der andere hatte eine von diesen albernen Emo-Frisuren, die das halbe Gesicht verdeckte, und so enge Jeans an, dass sich darunter praktisch alles abzeichnete.
Der Anblick brachte unwillkürlich Heikos Blut zum Kochen – und nicht im positiven Sinne. Was, in drei Teufels Namen, wollten diese Typen von ihm?
»Schönen guten Morgen«, begann einer der beiden mit einem blendenden 100-Watt-Strahlen. »Wir sind vom Verein Sterntaler und sammeln für …«
»Aber nicht bei mir«, unterbrach Heiko ihn sofort. »Ich spende nichts für …« Den Rest des Satzes verkniff er sich lieber. Man musste ja heute aufpassen, was man sagte. »Und ein guter Morgen wäre es vielleicht geworden, wenn ihr mich nicht beim Frühstück gestört hättet.«
Mit diesen Worten knallte er den Jungs die Tür vor der Nase zu. So, das wäre erledigt, dachte er zufrieden. Jetzt kann ich mich wieder entspannt meinem Frühstück widmen …
Aber da hatte er die Rechnung ohne seine Frau gemacht, die offenbar partout nicht lockerlassen wollte.
»Überleg’s dir noch mal wegen dem Geschenk, ja? Leon würde sich doch so freuen. Und es ist doch Weihnachten. Wenn du willst, fahre ich gleich noch schnell los und kaufe das P…«
»Auf keinen Fall«, blieb Heiko unnachgiebig. »Der Junge bekommt seine Parkgarage, und damit hat es sich. Von mir aus holen wir nachher noch irgendetwas anderes dazu – aber eine pinkfarbene Ponyfigur? Nur über meine Leiche!«
Sandra schaute ihn an, als zöge sie diese Option ernsthaft in Erwägung. Doch ehe sie noch etwas erwidern konnte, ertönte der Klingelton seines Geschäfts-Handys.
Heiko war seit einigen Monaten stolzer Besitzer seines eigenen Elektrogeschäftes. Ursprünglich hatte die Firma seinem Schwager Andreas gehört. Vor anderthalb Jahren war Heiko mit seiner Familie nach Berlin gezogen, weil es für ihn als Elektriker zu Hause im Dorf immer schwerer wurde, finanziell über die Runden zu kommen. Nachdem der Betrieb, in dem er auch gelernt hatte, dichtmachen musste, hatte er sich eine Zeitlang mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten. Doch das Geld reichte hinten und vorne nicht. Und als Sandras Bruder ihnen dann anbot, bei ihm mit in die Firma einzusteigen …
Zu dem Zeitpunkt konnte ja noch niemand ahnen, dass Andreas schon zwei Monate später von einem Moment auf den anderen tot umfallen würde.
Tja, auf jeden Fall stand Heiko jetzt allein mit dem Laden da. Oder besser – so gut wie allein, denn da war noch Samuel Braun. Sam, wie er sich von allen nennen ließ, arbeitete für ihn. Zumindest, wenn er nicht gerade mal wieder krankfeierte.
Dieser Drückeberger!
Allein schon der Gedanke an ihn ließ Wut in Heiko aufsteigen. Er hatte diesen Typ von Anfang an nicht ausstehen können. Und das lag nicht nur daran, dass Sam schwul war. Aber wahrscheinlich doch zu einem nicht unerheblichen Maße. Es ging ihm einfach tierisch auf die Nerven, wie der Kerl den ganzen Tag im Laden und vor den Kunden herumtänzelte. Dieses affektierte Gehabe, die übertriebenen Gesten … schrecklich!
Sam hatte seine Lehre bei Sandras Bruder gemacht und sie erst kurz vor dessen Tod beendet. Zu Anfang wollte Heiko ihn unbedingt loswerden – lieber heute als morgen. Aber dann hatte er es sich anders überlegt. Warum ihn so einfach vom Haken lassen? Es war doch viel effektiver, ihm das Leben als Angestelltem so schwer wie möglich zu machen. Überstunden ohne Ende und immerzu die Arbeiten, die sonst keiner freiwillig machen wollte – und das bei einem Gehalt, das kaum der Rede wert war.
Heiko war gespannt, wie lange Sam das Spielchen noch mitspielte. Bisher hatte es noch nicht gereicht, dass er von selbst hinschmiss. Aber das konnte eigentlich nur noch eine Frage der Zeit sein.
Jetzt allerdings war er schon wieder seit knapp einer Woche krankgeschrieben.
Und an wem bleibt mal wieder sämtliche Arbeit hängen? An mir, natürlich!
»Hallo«, meldete Heiko sich nun nach dem dritten Klingeln.
»Ja, hier spricht Tom Erding vom Club DT«, erklang eine tiefe Männerstimme am anderen Ende der Leitung. »Ihr Elektro-Notdienst war der Erste, den mir Google ausgeworfen hat. Wir haben hier ein kleines Problem mit unserer Elektrik. Nein, vergessen Sie das gleich wieder. Wir haben ein Riesenproblem. Und unser Hauselektriker ist über die Feiertage zu seiner Familie nach Bayern gefahren. Nun, hier geht jedenfalls gar nichts mehr, und heute Abend steigt unsere große Weihnachtsparty.«
Heiko unterdrückte ein Seufzen. Das war’s dann wohl endgültig mit dem gemütlichen Frühstück!
Club DT … er konnte sich nicht erinnern, den Namen schon mal gehört zu haben. Aber egal, sagte er sich, einmal ist immer das erste Mal.
»Ich könnte mich gleich auf den Weg zu Ihnen machen«, bot er an. Eigentlich passte es ihm zwar überhaupt nicht, heute zu arbeiten, andererseits konnte er sich so einen Auftrag nicht durch die Lappen gehen lassen. »Wo muss ich hinkommen?«
Der Anrufer nannte ihm die Adresse. Heiko beendete das Gespräch, stand auf und verließ die Küche, um sich seinen Arbeitsoverall anzuziehen.
»Du arbeitest heute?« Sandra kam ihm in die Diele nachgelaufen. »An Heiligabend?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ist ein wichtiger Auftrag. Aber keine Sorge, ich werde schon rechtzeitig zur Bescherung zurück sein.«
***
Etwas über eine halbe Stunde später erreichte er nach einigem Suchen den Club, zu dem er bestellt worden war. Vorher hatte er noch tanken müssen – und was war ihm da an der Kasse aufgefallen? Gleich ein halbes Dutzend dieser bescheuerten pinkfarbenen Ponyfiguren, auf die sein Sohn so wild war! Diese Teile bekam man offenbar im Moment überall. Jedenfalls war seine Stimmung seitdem erst mal wieder auf dem Nullpunkt.
Der Eingang des Clubs war unscheinbar. Über der Tür prangte eine Leuchtreklame, die aber aus war, weil der Laden ja im Moment nicht geöffnet hatte. Er las irgendetwas von MOVIE LOUNGE, konnte sich aber nichts darunter vorstellen. Sollte das hier so eine Art Kino sein?
Neben der Tür entdeckte er eine Klingel und betätigte sie. Es dauerte eine ganze Weile, bis endlich jemand aufmachte. Dann aber sah Heiko sich einem großen, schlanken Typen gegenüber.
»Sind Sie der Elektriker?«, fragte der hektisch.
Heiko nickte. »Ja, ich …«
»Gott sei Dank, dass Sie hier sind!« Der Typ fasste sich theatralisch an Herz. »Ich muss nämlich dringend weg. Noch einige Einkäufe für die Veranstaltung heute Abend erledigen, wissen Sie? Kommen Sie, ich zeige Ihnen alles. Ich bin übrigens Tom Erding, ich habe Sie angerufen.«
Heiko trat ein, öffnete seinen Mantel und sah in dem Licht der Deckenbeleuchtung, dass es sich um einen ganz netten Laden zu handeln schien. Eine große Bar und einige Nischen, in denen man es sich bequem machen konnte … ziemlich modern, aber eben auch gemütlich. Überall standen künstliche Weihnachtsbäume, die jetzt natürlich nicht beleuchtet waren, und auch sonst gab es jede Menge Weihnachtsdeko, in Form von Schneemännern, Nikoläusen und Rentieren.
Genauer konnte Heiko sich aber jetzt nicht umschauen, da er zusehen musste, Tom Erding zu folgen, der zur Theke hetzte und dort auf die Beleuchtung oberhalb der Theke deutete. Heiko erkannte auf den ersten Blick, dass es sich um eine selbst zusammengewerkelte Konstruktion aus Halogenleuchten handelte, die die gesamte Theke sowie die Regale dahinter beleuchten sollte, in denen sich Gläser, Flaschen und sonstiger Kram befanden.
»Hier geht überhaupt nichts mehr«, erklärte Erding. »Und das ist eine Katastrophe. Ohne einen hellen Barbereich wird der Abend heute ein Desaster.«
Das leuchtete natürlich ein. »Kein Problem, das kriege ich schon wieder hin«, versicherte Heiko rasch, damit der Kerl sich wieder einigermaßen beruhigte.
Erding war anzusehen, dass ihm ein Stein vom Herzen fiel. »Würden Sie denn auch alleine hier zurechtkommen?«, fragte er etwas unsicher. »Wie gesagt, ich habe noch einige Besorgungen zu erledigen, und meine Mitarbeiter kommen erst am Nachmittag.«
Heiko zuckte die Achseln. »Sicher, wenn Sie mir sagen, wo der Stromkasten ist und was ich machen soll, wenn ich hier fertig bin …«
»Natürlich.« Erding deutete auf einen Spiegel an der Thekenwand. »Dahinter finden Sie den Stromkasten. Wenn Sie gehen, ziehen Sie bitte einfach die Tür hinter sich zu. Meine Mitarbeiter kommen ja später auch. Und die Rechnung schicken Sie mir dann zu? Ich habe nämlich im Moment kein Bargeld hier.«
»Ja, das ist kein Problem«, erwiderte Heiko nickend. »Ich mache die Rechnung dann nach den Feiertagen fertig.«
»Also gut, dann hoffe ich, Sie können das Problem schnell finden und beseitigen. Ich muss jetzt auch wirklich weg.« Er sah Heiko noch einmal dankbar und erleichtert an, dann drehte er sich um und eilte aus der Bar.
Sobald Heiko allein in der Bar war, zog er seinen Mantel aus und legte ihn auf einen der Barhocker. Verwirrt schüttelte er den Kopf. Irgendwie schon seltsam, das Ganze. Dieser Erding kannte ihn schließlich gar nicht und ließ ihn trotzdem hier ganz allein rumwerkeln. Und dass er anschließend nur die Tür zuziehen sollte … Ihm wäre das in dieser Ecke Berlins jedenfalls zu gefährlich gewesen. Aber das sollte nicht sein Problem sein.
Schulterzuckend ging er hinter die Bar zum hinter dem Spiegel verborgenen Stromkasten. Einen Augenblick verharrte er davor und betrachtete in den nicht ganz so guten Lichtverhältnissen sein eigenes Spiegelbild. Nicht zum ersten Mal stellte er fest, dass er wohl ganz zufrieden mit sich sein konnte. Gut, das Gesicht war etwas rundlich, und insgesamt konnte er sich auch nicht gerade als schlank bezeichnen, aber er wirkte bestimmt ein paar Jahre jünger als er eigentlich war. Wozu nicht zuletzt sein dunkles, noch volles Haar beitrug.