Gedächtniswelten, Bertas Entscheidung - Claudia Krüger - E-Book

Gedächtniswelten, Bertas Entscheidung E-Book

Claudia Krüger

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Beschreibung

Nach einem überstandenen Schlaganfall zieht Mathilde zu Lotti und Jakob in die Seniorenresidenz. Das gemeinsame Leben der drei Freunde könnte so harmonisch verlaufen, wäre da nicht Berta Wesselhausen, Lottis exzentrische Zimmernachbarin. Diese hatte sich in den letzten Monaten voller Hingabe um Mathildes kleine Hündin gekümmert und fühlt sich jetzt, wo Ernas Frauchen wieder gesund ist, ihrer wichtigsten Aufgabe beraubt. Mit ihrer Eifersucht und Besserwisserei in Sachen Hundeerziehung sägt sie gehörig am Nervenkostüm der Mitbewohner. Lotti und Jakob beschließen, dass Berta, um des lieben Friedens willen, dringend eine neue Beschäftigung braucht und gehen hinter ihrem Rücken für sie auf Männerfang.

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Seitenzahl: 120

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An den Scheidewegen des Lebens

stehen keine Wegweiser

(Charlie Chaplin)

Danksagung

Liebe Leser,

eine Danksagung findet man in der Regel erst am Ende eines Buches, zu dessen Gelingen es aber nicht nur dem auf dem Cover genannten Autor und des Verlages bedarf, sondern meistens gleich mehrerer Personen. Sehr viel Glück hat ein Schreiberling, wenn ihm oder ihr, so wie mir, gleich eine ganze Arbeitsgruppe mit Rat und Tat zur Seite steht.

Aus diesem Grund möchte mich bereits an dieser Stelle ganz herzlich bei Edith Post, Ilse Grieger, Irene Rühlow, Ruth Kitschler, Waltraud Gehler, Martchen Kaatz, Gerda Köhler, Ilse Albrecht, Dieter Drywa, Eva Mertens und Fritz Schütte sowie allen weiteren Bewohnern und Besuchern des Lebens- und Gesundheitszentrums Haus Philia bedanken, die mit mir ihre Geschichten ausgetauscht, zusammen in Erinnerungen geschwelgt, neue Charaktere erfunden und Textstellen erarbeitet haben.

Ein besonderer Dank gebührt jenen Mitgliedern der Gedächtniswelten-Arbeitsgruppe, die für die Illustration Modell gestanden haben, damit es auf und in unserem Buch nicht nur etwas zum Lesen, sondern auch etwas zum Gucken gibt:

Ruth Kitschler (Titelbild)

Ilse Grieger und Dieter Drywa (Seite →)

Ilse Albrecht (Seite →)

und Hündchen Luna (Titelbild, Seite →, Seite →). Un

ser Fototermin hat mir viel Spaß gemacht!

Dem Lebens- und Gesundheitszentrum Haus Philia und seinen Mitarbeitern möchte ich ein dickes Dankeschön für die liebevolle Unterstützung unserer Arbeitsgruppe und die Bereitstellung der schönen Räumlichkeiten zukommen lassen.

Mein Dank gilt selbstverständlich auch der WH Care Holding GmbH, die das Gedächtniswelten-Projekt überhaupt erst ermöglicht hat, außerdem Jessica Herzog für das tolle Coverdesign – sowie meiner Familie, die es sich auch dieses Mal nicht nehmen ließ, einen prüfenden Blick auf das Manuskript zu werfen, bevor es in den Druck ging.

Ohne all diese wunderbaren Menschen wäre dieses Buch nicht entstanden.

Claudia Krüger

Inhaltsverzeichnis

Eine Überraschung für Berta, Juli 2015

Ein kleiner Abschied, Mai 2015

Eine schöne Bescherung, April 1957

Eine glückliche Familie, März 1959

Auf der Parkbank, Mai 2015

Joschis Geburtstag, November 1962

Streit um Erna, Juni 2015

Böses Erwachen, November 1962

Die Verbündeten, Juni 2015

Eine wahre Lüge, Dezember 1962

Die Blamage, Juli 2015

Zeit des Dämmerns, Dezember 1962

Die beste Freundin, Januar 1963

Guter Rat ist teuer, Juli 2015

Neue Wege, Juli 1963

Der Erfolg, Mai 1968

Lumpi, August 2015

Geduld zahlt sich aus, Oktober 2015

Epilog – Marcus Mollik

Eine Überraschung für Berta, Juli 2015

Verblüfft starrte Berta auf den riesigen Blumenstrauß vor ihrer Nase.

Lotti und Jakob hatten sie vorhin in die Cafeteria der Seniorenresidenz geschickt und gesagt, es gäbe dort eine Überraschung für sie. Was genau sie erwarten würde, hatten die beiden Freunde ihr nicht verraten. Nicht mal ein kleiner Tipp war ihnen zu entlocken gewesen.

Wie lieb von ihnen, ihr so ein üppiges Präsent zukommen zu lassen, wo doch heute gar nicht Bertas Geburtstag war! Womit hatte sie das bloß verdient?

»Sehr angenehm, gnä` Frau!«, näselte es hinter dem aufdringlich duftenden Buquet aus Lilien und gelben Rosen hervor.

»Ebenso«, Berta versuchte vergebens, an dem Dickicht, das sie von ihrem Gegenüber trennte, vorbeizuschauen.

Als wüsste er von ihren Bemühungen, machte der Strauß eine Linkswendung, fegte Berta dabei quer über das Gesicht und gab den Blick auf seinen männlichen Träger frei, dessen Stirn sich in etwa auf einer Höhe mit dem Kinn der Seniorin befand.

Berta prustete pikiert und wischte sich mit ihrem Spitzentaschentuch, das sie stets im Blusenärmel parat hatte, den Blütenstaub aus der Nase. Was für ein ungehobeltes Benehmen manche Leute heutzutage hatten!

»Der ist für Sie!« Der schmächtige Mann gehobenen Alters drückte ihr, gänzlich unbeeindruckt von seinem eigenen Missgeschick, sein Mitbringsel in die Hand.

»Es tut mir leid«, sagte Berta, lehnte ihren messingfarbenen Gehstock gegen einen Stuhl und klopfte demonstrativ auf ihre Rocktasche, »ich habe gerade kein Trinkgeld dabei.«

»Ich fürchte, Sie verstehen mich falsch, gnä` Frau. Mein Name ist Biedermann. Ferdinand Biedermann. Wir waren hier meines Wissens nach zum Kaffee verabredet.«

»Wie bitte? Ich kenne Sie doch gar nicht!«, erwiderte Berta halb verärgert, halb belustigt.

»Sie sind doch die Frau«, er fummelte einen Briefbogen aus seiner Hemdentasche und warf einen Blick darauf, »die Frau Wesselhausen, wenn ich nicht irre.«

Demonstrativ wies er auf das paillettenbestickte Seidentuch, das Berta an diesem Nachmittag um ihren Hals trug, als stünde dort ihr Name drauf.

»Ja schon, aber …«, Berta musterte den Fremden genauer. Zur kleinen, knubbeligen Nase gesellten sich blassgrau schimmernde Augen über wulstigen Wangenknochen. Das schüttere Resthaar hatte der unscheinbare Mann in einer pomadisierten Strähne über die glänzende Halbglatze gekämmt. Nichts an seinen Gesichtszügen kam ihr bekannt vor.

Den kannte sie keinesfalls!

Moment mal. Hatten nicht Lotti und Jakob sie vorhin ermuntert, ausgerechnet dieses Tuch umzuwerfen, obwohl es Bertas Meinung nach gar nicht zu ihrer fliederfarbenen Rüschenbluse passte?

»Geben Sie mal her!« Alarmiert entriss Berta ihrem Besucher das Blatt Papier.

Ihre Augen weiteten sich, als sie sich selbst auf einem Bild erkannte, das in der oberen rechten Ecke des Briefes klebte. Mit zunehmender Entrüstung las sie den darunter stehenden Text.

Nein, das konnten sie nicht gewagt haben. Das schlug doch wohl dem Fass den Boden aus!

Ohne ein weiteres Wort klatschte die alte Dame ihrem verstört dreinschauenden Besucher die Blumen vor die Brust und stürmte, die Quelle ihrer Empörung wie eine Fahne neben sich herschwenkend, aus dem Café der Seniorenresidenz.

Ein kleiner Abschied, Mai 2015

»Hallo, bist du da?«

Jakob versuchte, die fordernde Stimme auf der anderen Seite der Tür zu ignorieren und sich möglichst still zu verhalten. Vielleicht würde sich das Problem alias Berta dann ganz von selbst lösen.

»Jakob! Ich habe doch vorhin gesehen, dass du mit Erna zusammen in dein Zimmer gegangen bist!«

Die zierliche Hündin, die gerade auf Jakobs Bett eingenickt war, riss ihre braunen Kulleraugen weit auf und bellte, als sie ihren Namen hörte.

»Schönen Dank auch, kleines Fräulein!«, schimpfte der alte Herr mit Erna, die prompt Richtung Tür stürmte.

Genau das war nämlich das Ärgernis bei Berta, dachte er, als er dem Hündchen hinterherschlurfte: Sie sah wirklich alles, besonders das, was sie eigentlich nichts anzugehen hatte.

»Wenn du schon weißt, dass ich hier bin, warum fragst du dann noch?«, fuhr er die silbergelockte Dame an, als er sie hereinließ.

»Also wirklich, Jakob, deine Laune lässt heute aber mal wieder zu wünschen übrig!«, erwiderte die Angesprochene und schob sich unbeeindruckt an ihrem Bekannten vorbei ins Zimmer, um die aufgeregte Erna auf den Arm zu nehmen.

»Nicht wahr, mein Schätzchen, wir haben uns doch so lange nicht mehr gesehen!«, fuhr sie fort und überschüttete das zappelnde Fellbündel mit feuchten Küssen.

»Zwei Stunden, Berta. Es ist erst zwei Stunden her, seitdem du sie nach dem Spaziergang bei mir abgeliefert hast!«, entgegnete Jakob, während er Erna aus ihrer ungemütlichen Umklammerung befreite. »Du wirst dich ohnehin langsam mal an den Gedanken gewöhnen müssen, dass Mathilde bald für immer im Haus nebenan wohnen und Erna dann vorzugsweise bei ihr sein wird.«

Bertas Blick verdunkelte sich und die Furche zwischen ihren Augenbrauen nahm bedenkliche Ausmaße an.

»Das wollen wir ja mal sehen! Erna möchte bestimmt lieber bei mir bleiben.«

»Kinderkram!«, erboste sich Jakob, dem allerdings der Gedanke, die Hündin bald wieder an ihr richtiges Frauchen abgeben zu müssen, auch nicht so recht behagte.

Eigentlich gehörte Erna nämlich Lottis Freundin Mathilde, die jedoch am Ende des letzten Jahres einen Schlaganfall erlitten und die darauffolgenden Monate im Krankenhaus und in einer Rehaklinik verbracht hatte.

Mit der Pflege ihres Eigenheims, in dem sie bis zu ihrer Erkrankung gelebt hatte, war sie seitdem überfordert. Daher der Entschluss, zu ihren Freunden in die hübsche Seniorenresidenz Am Park zu ziehen.

Seit einer Woche bereitete Mathilde, die von ihrer Familie und von Bekannten auch Tilda genannt wurde, nun gemeinsam mit ihrer Nichte Ulla den Umzug in den neuen Wohnbereich vor. Dieser war erst kürzlich an das Haupthaus angebaut worden, in dem sich Jakobs, Lottis und Bertas Zimmer befanden.

Bevor die kleine Erna ihr beschauliches Rentnerdasein gründlich durcheinandergewirbelt hatte, war die stets neugierige, eigentümliche Berta Wesselhausen, die das Zimmer neben Lotti bewohnte, Jakob ein Dorn im Auge gewesen.

Dann jedoch war der Tag gekommen, an dem Jakob und Lotti die Hündin klammheimlich in die Seniorenresidenz geschmuggelt hatten. Was war ihnen auch anderes übrig geblieben, nachdem sich Mathilde so plötzlich nicht mehr um sie kümmern konnte und kein anderer zur Stelle gewesen war, der das Hündchen hätte versorgen können. Eine lange Geschichte, die an einer anderen Stelle erzählt werden soll.1

Jedenfalls hatte sich die kauzige Berta in dieser Zeit als gar nicht so furchtbar, letztendlich sogar als echte Hundeliebhaberin entpuppt und ihren beiden Mitbewohnern bei der gemeinsamen Betreuung des vierbeinigen Pfleglings unter die Arme gegriffen.

Natürlich hatten sie alle drei um die Gunst der niedlichen Erna gerungen und ihre Anwesenheit genossen, allerdings tat sich besonders Berta sehr schwer damit, die Hündin zukünftig nicht mehr ständig an ihrer Seite haben zu dürfen.

Jakob argwöhnte, dass Berta ohne den quirligen Puffer zwischen ihnen, der stets alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen vermochte, womöglich in ihre unangenehmen Verhaltensweisen zurückfallen und wieder zu dem schrulligen Besen werden würde, als der er sie einst kennengelernt hatte.

Durch Ernas Anwesenheit war die alte Dame regelrecht aufgeblüht, erinnerte das Tierchen sie doch an längst vergangene, viel glücklichere Zeiten, als sie noch eine Familie und eigene Haustiere gehabt hatte.

1Gedächtniswelten, Lottis Geheimnis

Eine schöne Bescherung, April 1957

Leicht torkelnd trug Anton seine Berta die Verandatreppe hinauf, grad so, wie er es an ihrem Hochzeitstag vor fünf Jahren gemacht hatte. Da nur der Mond ein mattes Licht auf die Stufen warf, stellte dieses eine echte Herausforderung dar.

Als Berta kicherte, rief Anton in gespielter Empörung: »Weib, lach nicht, dein Göttergatte stellt sich doch gar nicht so ungeschickt an!«

Das Kichern ging in Glucksen über.

»Nein, zum Glück bist du nicht so tollpatschig wie der junge Mann auf dem Ball heute Abend!«

Bei dem Gedanken an den armen Tropf, der bei dem Versuch, vor seiner Angebeteten eine gute Figur zu machen, vor Übereifer ausgeglitten und quer über das Parkett bis vor die Füße der jungen Frau geschlittert war, musste auch Anton lachen.

Schwungvoll drehte er sich um die eigene Achse, wobei er ordentlich ins Schwanken kam. Berta kreischte und klammerte sich an Antons Hals fest. Aus dem Haus drang ihnen lautes Bellen entgegen.

»Bist du denn des Wahnsinns«, schalt sie ihren Mann, »wir wecken noch alle auf!«

»Ach was«, antwortete Anton. »Wen sollen wir schon wecken? Joschi schläft bei seinem Freund Michael, und unsere nächsten Nachbarn wohnen fünfzig Meter entfernt, schon vergessen?«

Anton schaute in Bertas filigran geschnittenes Gesicht mit den tiefblauen Augen, die ihn bereits bei ihrer ersten Begegnung in ihren Bann gezogen hatten, und nun im Mondlicht funkelten. Manchmal konnte er sein Glück kaum fassen, das ihm diese wundervolle Frau bescherte, die ihm Geliebte und beste Freundin zugleich war und die ihm vor vier Jahren den kleinen Joschi geschenkt hatte.

Seitdem Berta nach ihrer Hochzeit zu Anton auf den Hof gezogen war, fielen ihm die tägliche Plackerei auf den Feldern und die mühevolle Arbeit mit den Tieren nur noch halb so schwer, wusste er doch nun, für wen er das alles machte. Denn zu Berta und Joschi heimzukommen, bedeutete eine herzliche Umarmung, fröhliches Kinderlachen und den Duft einer leckeren Mahlzeit, die seine geliebte Frau für ihn gezaubert hatte. Sie brachte Sonne in sein Leben und dafür trug er sie auf Händen, nicht nur jetzt auf der schummerigen Veranda.

Spitzbübisch hielt Berta ihrem Anton die Haustürschlüssel vor die Nase.

»Meinst du nicht, du solltest mich langsam mal über die Schwelle tragen, bevor die Sonne wieder aufgeht? Schließlich haben wir nicht jeden Tag kinderfrei!«

Ohne seine Frau dabei abzusetzen, angelte Anton nach den Schlüsseln und tastete nach dem Türschloss. Berta hatte die Kraft ihres Mannes schon immer bewundert. Seinen breiten Schultern sah man deutlich an, dass er von klein auf an auf dem Hof seiner Eltern hatte zupacken müssen.

Als sein Vater verstorben und seine Mutter zu ihrer Schwester in die Stadt gezogen war, hatte Anton das Gut jahrelang nur mithilfe eines einzelnen Stallburschen bewirtschaftet, bis er eines Tages seine Berta getroffen und lieben gelernt hatte.

Sie griff ihm bei der Arbeit unter die Arme und hatte erst kürzlich in der großen Küche eine Ecke für die Lagerung frischer Eier, Milch, Gemüse, Obst und Marmelade aus ihrer eigenen Produktion eingerichtet. Eine Schiefertafel an der Hofeinfahrt wies die Bewohner des Fünfzig-Seelen-Dorfes sowie Durchreisende darauf hin, was sie gerade im Angebot hatten.

Da die junge Landwirtin immer zu einem Plausch aufgelegt war, galt Bertas Ecke, wie ihre Küchennische gerne bei den Nachbarn genannt wurde, nicht nur als willkommene Möglichkeit, sich günstig mit Nahrungsmitteln zu versorgen, sondern auch als bester Umschlagplatz für den neuesten Dorftratsch.

Bertas Ecke brachte der Familie ein gutes Beibrot ein. Dieser Zusatzverdienst ermöglichte ihnen, sich manchen Luxus, wie den heutigen Ausflug zum Tanz in den Mai, zu gönnen.

Als Anton endlich die Tür aufstieß und Berta hinter der Schwelle absetzte, glitt diese prompt auf etwas aus und konnte sich gerade noch am Arm ihres Mannes festhalten. Von den Hunden, die sich eben noch lautstark bemerkbar gemacht hatten, keine Spur.

Anton zog sein Feuerzeug aus der Hemdentasche, leuchtete damit die Diele aus und griff nach dem fünfarmigen Kerzenständer auf der Fensterbank. Als eine Flamme nach der anderen aufflackerte, kam hinter der Küchentür zutage, was das Ehepaar, ob der plötzlichen Stille, bereits insgeheim befürchtet hatte.

Der Fliesenboden vor ihnen war mit zerrissenem Stoff und Federn gepflastert. Von der Küche aus ließ sich die Daunenspur den Flur entlang bis ins obere Stockwerk verfolgen, aus dem ein schuldbewusstes Winseln zu vernehmen war.

»Dotti, Harras, was habt ihr da wieder angerichtet?!«, rief Anton den armen Sündern entgegen, als er, Berta hinter sich, die knarrenden Holzstufen hinaufstieg.

Im Schlafzimmer ragte Harras‘ buschiger Schwanz unter dem Bett hervor. Die braun gefleckte Dotti machte sich in einer vermeintlich sicheren Ecke ganz klein und hielt reumütig den Blick gesenkt. Auf ihrer Nase hatte sich eine gelbliche Daune festgesetzt, die sanft im Luftzug ihres Atems bebte.

»Das Deckbett ist dann wohl mal hin«, sagte Berta resigniert und hielt Anton einen zerrissenen Bezug entgegen. »Oh, warte, ein heiles Kissen ist noch da, das müssen wir uns dann wohl heute Nacht teilen«, fügte sie hinzu und wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.

Nachdem er den ersten Schrecken verdaut hatte, nahm Anton seine Frau in die Arme und sagte neckend: »Dann müssen wir uns eben gegenseitig wärmen.«