Gedankenspiele über das Gelingen - Michael Köhlmeier - E-Book

Gedankenspiele über das Gelingen E-Book

Michael Köhlmeier

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Beschreibung

Michael Köhlmeier ist einer der herausragenden Autoren unserer Zeit, dem über die Jahrzehnte ein großes Werk gelungen ist. Wer wäre also geeigneter "Gedankenspiele über das Gelingen" anzustellen? Einer wahren Fundgrube voller Anekdoten und Kuriositäten aus der Menschheitsgeschichte bedient sich Köhlmeier und überlässt es uns Leser*innen, herauszufinden, welche Art des Gelingens im Kern der einzelnen Beispiele steckt.

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Seitenzahl: 33

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Michael Köhlmeier

Gedankenspiele über das

Gelingen

Literaturverlag Droschl

 

für meine Enkelin Marie

 

Schule der Enttäuschung

Der antike Philosoph Diogenes soll die Statuen auf dem Athener Marktplatz um eine Münze angebettelt haben. Auf die Frage, warum er das tue, antwortete er, er übe sich in Enttäuschung.

Der Teufelsmusikant

Keith Richards, Rhythmusgitarrist der Rolling Stones, habe sich als junger Musikant immer wieder eine Platte von Robert Johnson angehört. Bei Come on in my Kitchen, aber auch bei anderen Nummern, sei er sich sichergewesen, dass zwei Gitarren spielen oder sogar drei. Er habe die Nummern analysiert, habe die einzelnen Läufe gespielt – sie zusammen in eine Hand zu legen, sei ihm unmöglich erschienen. Der Musikant müsste Finger haben, länger als ein Zimmermannsbleistift. Über Robert Johnson war wenig bekannt, es hieß aber, bei allen neunundzwanzig Songs, die er aufgenommen hatte, habe nur er Gitarre gespielt. Nie habe ihn jemand begleitet. Auch auf der Bühne sei er immer allein aufgetreten, er habe nie einer Band angehört. Auch zeitgenössische Musikanten meinten, ein Mann allein könne so nicht spielen. Es hieß: Der Teufel helfe aus.

Keith Richards experimentierte mit offenen Stimmungen, er drehte die zwei tiefen, besonders dicken Saiten – E und A – nach unten auf D und G, drehte die hohen, besonders dünnen Saiten h und e auf d und g, die zwei mittleren Saiten D und G ließ er. So entstand der Eindruck, als ob einer die Bässe spielte und ein anderer die hohen Licks, und wenn er dazwischen über die beiden mittleren Saiten strich, hörte es sich an, als ob ein dritter dazu begleitete.

Was bei den Originalen noch auffiel, war eine merkwürdige Verschränkung der Rhythmen. An manchen Stellen klang das sogar fehlerhaft. Die Licks attackierten die Bässe. Die Begleitsaiten behaupteten einen anderen Rhythmus als die hohen und die tiefen Saiten, nicht selten hielten sie dem Herzschlagrhythmus des Blues’ einen Dreivierteltakt entgegen; es hörte sich an, als ob der Rhythmusgitarrist ein klein wenig hinterherhinke. Was aber den besonderen Beat der Nummern ausmachte. Ähnlich wie Billie Holliday mit ihrem Gesang hinter der Band herhinkte.

Mit siebenundzwanzig – oder achtundzwanzig – Jahren starb Robert Johnson. Auf allen Vieren sei er durch den Saloon gekrochen und habe gebellt. Der Teufel, hieß es, habe ihn geholt. Auf einem Kreuzweg um Mitternacht habe Johnson nämlich mit dem Teufel einen Pakt geschlossen: der perfekte Blues gegen die Seele.

Keith Richards hat herausgefunden, wie es geht!

Befleckung

Am 9. September 1976 starb Mao Tse-tung. China trauerte. Nicht zwei Männer in Peking. Sie saßen in der Küche des einen und tranken Schnaps und riefen: »Lange verrotte der Große Vorsitzende!« Nachbarn zeigten sie an, sie wurden verhaftet und wegen »Befleckung des Sozialismus« zum Tode verurteilt. Nach einem Jahr wurde das Urteil aufgehoben. Ihr Verhalten sei zwar kritikwürdig gewesen, stelle aber keine Straftat dar, hieß es. Die Löhne, die ihnen während der Haftzeit entgangen waren, wurden zurückgezahlt. Einer von den beiden machte später Karriere in der Kommunistischen Partei.

Ein Kriegsgedicht

Phrynichos lebte im späten 6. Jahrhundert vor Christus, er war ein hoch geschätzter Tragiker. Er gilt als Vorläufer und Vorbild von Aischylos. Wie keinem anderen gelang es ihm, die Gefühle des Publikums aufzupeitschen. In einem seiner Stücke, das von der Einnahme Milets durch die Perser handelte, weinten die Menschen nach der Uraufführung so sehr, dass er eine Strafe von 1000 Drachmen zahlen musste – er habe in seinem Werk auf zu mitreißende Weise an dieses Unglück erinnert. Später machten ihn die Athener zum Feldherrn – nicht weil er Kriegserfahrung besaß, besaß er nämlich nicht, nicht weil er aus einer vornehmen Familie stammte, stammte er nämlich nicht, sondern weil er ein Gedicht verfasst hatte, das die Soldaten im Gefecht sangen und das sie mit solcher Inbrunst kämpfen ließ, dass sie gegen eine Übermacht siegten. Den Sieg rechneten die Bürger Athens nicht der Tapferkeit der Soldaten oder dem strategischen Geschick ihrer Offiziere an, sondern dem Dichter eines Liedes.

Der Vertrag