Gedolmetschte Ärzt:innen-Patient:innen-Gespräche - Gertrud Hofer-Falk - E-Book

Gedolmetschte Ärzt:innen-Patient:innen-Gespräche E-Book

Gertrud Hofer-Falk

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Beschreibung

Wie verständigen sich Ärzt:innen und Pflegefachpersonen mit Patient:innen, wenn sie keine gemeinsame Sprache haben? Dieser Frage geht die vorliegende Studie nach. Die Basis für die Analysen sind 26 Ausschnitte aus authentischen gedolmetschten Ärzt:innen-Patient:innen-Gesprächen. Die theoretische Grundlage bilden die Interaktionale Linguistik, die Multimodalitätsforschung sowie die Dolmetschforschung. Die Videoaufzeichnungen beziehen die multimodalen Handlungen aller Beteiligten mit ein. Die Ergebnisse zeigen, dass zentrale Anliegen der Patient:innen von medizinischer Relevanz wie Schmerzen oder krankheitsbedingte Ängste oft ausgeblendet werden. Außerdem demonstriert die Studie erstmals in diesem umfassenden Ausmaß, wie eng die Redebeiträge sowie die Verdolmetschungen mit Blickkontakten, mit der Gestik und der Körperposition verknüpft sind.

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Seitenzahl: 600

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Gertrud Hofer-Falk

Gedolmetschte Ärzt:innen-Patient:innen-Gespräche

Phänomene und Probleme aus gesprächsanalytischer und aus dolmetschwissenschaftlicher Perspektive

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

DOI: https://doi.org/10.24053/9783823395546

© 2023 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

Internet: www.narr.de

eMail: [email protected]

Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

ISBN 978-3-8233-8554-7 (Print)

ISBN 978-3-8233-9554-6 (ePDF)

ISBN 978-3-8233-0394-7 (ePub)

Inhalt

Danksagung

Vorwort

1Einleitung

1.1Motivation

1.2Ziel und Fragestellung

1.3Ein Forschungsprojekt als Wegbereiter

1.3.1Konzeption des Projekts

1.3.2Ergebnisse im Rahmen des Projekts

1.4Gliederung der vorliegenden Studie

2Theoretische Grundlagen aus gesprächsanalytischer Perspektive

2.1Die Videoaufzeichnung von authentischen Gesprächen

2.2Aspekte der Räumlichkeit

2.3Multimodale Interaktion und Koordination

2.3.1Der multimodale Analyseansatz

2.3.2Die Koordination von verschiedenen Ausdrucksebenen

2.4Merkmale der Ärzt:innen-Patient:innen-Gespräche

3Gesprächsdolmetschen: Theoretische Grundlagen und Berufspraxis

3.1Gesprächsdolmetschen als disziplinübergreifendes Forschungsthema

3.2Der Dolmetschprozess und der konsekutive Modus

3.2.1Gesprächsdolmetschen als Beruf

3.2.2Berufsbezeichnungen

3.2.3Dolmetschen im Spital

3.2.4Organisation des Dolmetschwesens in Schweizer Spitälern

3.3Kriterien für die Beurteilung der Qualität von Dolmetschleistungen

3.4Spezifische Phänomene in der gedolmetschten Interaktion

3.4.1Redewiedergabe und Adressierung

3.4.2Beteiligungsformen

3.4.3Rollenprofile

3.4.4Modifikationen

3.5Methoden der linguistischen Gesprächsanalyse in der Dolmetschwissenschaft

3.5.1Die Videoaufzeichnungen von authentischen Daten in der Dolmetschforschung

3.5.2Aspekte der Räumlichkeit und der Sitzpositionen der Beteiligten

3.5.3Multimodalität als Forschungsgegenstand in der Dolmetschwissenschaft

3.6Merkmale der gedolmetschten Ärzt:innen-Patient:innen-Kommunikation

3.6.1Inhaltliche Divergenzen

3.6.2Divergierende Wissensvoraussetzungen in der Expert:innen-Laien-Kommunikation

3.6.3Heterogene Ansichten und Einschätzungen

4Korpus und Datenaufbereitung

4.1Datenerhebung

4.1.1Auswahl der gedolmetschten Gespräche

4.1.2Auswahl der Dolmetscher:innen

4.2Transkription der Gesprächsdaten

4.3Datenselektion

4.4Vorgehen und Aufbau der Sequenzanalysen

4.5Fallbeispiele und Datenbeispiele im Überblick

4.6Terminologisches

5Auswertung der Fallbeispiele

5.1Fallbeispiel 1: Konsultation in der Allgemeinmedizin

5.1.1Sequenz 1: „Wie geht’s?“

5.1.2„Sind das Schmerzen, die neu sind oder die Sie schon von vorher kennen?“

5.1.3„Sind die Schmerzen abhängig von der Belastung oder auch in Ruhe oder in der Nacht?“

5.1.4Sequenz 4: „Wann hat sie die Schmerzen?“

5.1.5Zusammenfassung

5.2Fallbeispiel 2: Nachsorgegespräch in der Onkologie

5.2.1Sequenz 1 „[…] ich habe viel Schmerzen und Weh.“

5.2.2Sequenz 2: „[…] dann packt mich die Angst sofort […]“

5.2.3Sequenz 3: „[…] die letschte zwei het sie sehr übertriebe.“

5.2.4Sequenz 4: „Hat sie Fragen an mich?“

5.2.5Zusammenfassung

5.3Fallbeispiel 3: Beratungsgespräch in der Diabetologie

5.3.1Sequenz 1: „Diese fragt weiter, warte, bis sie fertig ist.“

5.3.2Sequenz 2: „Ich würde gerne mit ihr einmal die Blutzuckerwerte anschauen.“

5.3.3Sequenz 3: „Sie will was über den Magen erzählen […].“

5.3.4Sequenz 4: „[…] und ihre Frage ist jetzt, ob […] das Insulin daran schuld ist?“

5.3.5Sequenz 5: „Wenn wir Anfang Jahr etwas abmachen würden?“

5.3.6Zusammenfassung

5.4Fallbeispiel 4/Teil I: Konsultation in der Diabetologie

5.4.1Sequenz 1: „[…] wir müssen die Mitte finden.“

5.4.2Sequenz 2: „Novorativ dings, sagt sie.“

5.4.3Sequenz 3: „Tschuldigung, heisst das nicht vor dem Essen essen?“

5.4.4Sequenz 4: „[…] also er isch do sehr gut begabt.“

5.4.5Sequenz 5: „Er macht das nach dem Essen […]“

5.4.6Sequenz 6: „Ich habe das Gefühl, wir verstehen uns nicht ganz […]“

5.4.7Zusammenfassung

5.5Fallbeispiel 4/Teil II: Konsultation in der Diabetologie

5.5.1Sequenz 1: „Also er hat so ne kleine Probleme […]“

5.5.2Sequenz 2: „Ja, Sie haben ja em Probleme mit den Gefässen […]“

5.5.3Sequenz 3: „Beim Laufen macht es Schmerzen, als ob ich auf Sand laufe.“

5.5.4Sequenz 4: „Meins ist schlimm, es brennt so, schmerzt, es zerstört mich.“

5.5.5Zusammenfassung

5.6Fallbeispiel 5: Pflegeanamnese nach Notaufnahme

5.6.1Sequenz 1: „Dann Wort für Wort, also möglichst.“

5.6.2Sequenz 2: „Okay, er hat so weit verstanden.“

5.6.3Sequenz 3: „Also ihr Deutsch ist sehr gut, wahrscheinlich.“

5.6.4Zusammenfassung

6Übersicht und Diskussion der Ergebnisse

6.1Organisatorische, strukturelle und thematische Gemeinsamkeiten

6.1.1Ausblendung von Schmerzen und krankheitsbedingten Ängsten

6.2Fallübergreifende dolmetschspezifische Muster

6.2.1Modifikationen

6.2.2Redewiedergabe und Adressierung in den Fallbeispielen

6.2.3Wider statische Rollen im spontanen Gespräch

6.3Fallübergreifende multimodale Muster

6.3.1Beteiligungsformen in den Fallbeispielen

6.3.2Der Sprecherwechsel in der gedolmetschten Interaktion

6.3.3Die räumliche Positionierung

6.3.4Körperorientierung

6.3.5Blickverhalten

6.3.6Gestik

6.3.7Backchannel-Signale

6.4Gedolmetschte Expert:innen-Laien-Kommunikation

6.4.1Divergierende Wissensvoraussetzungen

6.4.2Asymmetrie in der Gesprächsbeteiligung

6.4.3Ungleichheit der Vertrauensbedingungen

6.5Disziplinübergreifende Phänomene

6.6Gedanken zur Aus- und Weiterbildung von Dolmetscher:innen und Expert:innen

7Literaturverzeichnis

Danksagung

Diese Dissertation ist mit der Unterstützung von einigen Menschen entstanden, bei denen ich mich bedanken möchte. Zunächst danke ich meiner Erstbetreuerin Ulla Kleinberger herzlich dafür, dass sie mich dazu ermunterte, die vorliegenden Gesprächsdaten für eine Dissertation zu nutzen. Sie stand mir mit ihrer Erfahrung zur Seite, lenkte meine Schreiblust in geordnete Bahnen und liess mir bei der Konzeption der Arbeit sowie bei der Wahl der Methodik viel Freiheit. Zu grossem Dank verpflichtet bin ich meinem Zweitbetreuer Heiko Hausendorf, der sich auf das Thema einliess und mir sein Doktorandenkolloquium öffnete, was mir einen vertieften Einblick in gesprächsanalytisches Arbeiten in einem kollegialen Umfeld ermöglichte. Dort lernte ich Kenan Hochuli kennen, dem ich für die Überprüfung der türkischen Redebeiträge und für anregende Gespräche über die linguistische Gesprächsanalyse danke.

Die Dissertation hat sich aus einem Forschungsprojekt entwickelt, das ohne die intensive Zusammenarbeit mit der Abteilung Psychosomatik der Universität Basel nie zustande gekommen wäre. Mein Dank geht an Prof. Dr.W. Langewitz, Dr. M. Sleptsova sowie Dr. N. Morina, die mit der Problematik des Dolmetschens aus der medizinischen Praxis vertraut sind und mit ihrem Interesse am Thema die Videoaufzeichnungen überhaupt erst ermöglichten. N. Morina war auch nach Abschluss des Projekts bereit, sich mit kritischen Stellen in albanischen Äusserungen noch einmal auseinanderzusetzen. Mein Dank gilt auch den anonym bleibenden Ärzt:innen, den Pflegefachfrauen, den Dolmetscher:innen sowie den Patient:innen, die bei ihren Konsultationen ein Videogerät akzeptierten.

Meiner damaligen Assistentin Stefanie Kaufmann bin ich für ihre stete Einsatzbereitschaft und die vielen Stunden intensiver Zusammenarbeit dankbar. Ein herzliches Dankeschön gilt meinen Kolleg:innen an der ZHAW für das Diskutieren und das gemeinsame Analysieren der Daten. Die Transkriptionen und die Übersetzungen verdanke ich Mitarbeiter:innen der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften), verschiedenen Dolmetscher:innen, die im Gesundheitswesen tätig sind und sich auf theoretische Überlegungen und auf elektronische Tools einliessen, sowie ehemaligen Studierenden der ZHAW.

Über das Projekt hinaus standen mir Katerina Badras und Marcel Eggler mit fachlichem Rat und stets ermutigenden Worten bei. Sie waren bereit, mich bei konzeptionellen Problemen zu unterstützen und grössere oder kleinere Textausschnitte kritisch zu kommentieren. Damit halfen sie mir über inhaltliche Schwierigkeiten und meine Zweifel hinweg. Katerina bedeutete mir eine grosse Stütze, intellektuell und mit ihrer Freundschaft.

Schliesslich gehört mein Dank meinen Eltern, die mir meine Ausbildung ermöglichten, sowie meinen Kindern und Schwiegerkindern für ihre Informatikhilfe und ihre moralische Unterstützung. Vor allem danke ich meinem Mann, der mir immer zur Seite stand und mitdachte.

Für das Zustandekommen des Buches möchte ich mich bei Herrn Tillmann Bub vom Gunter Narr Verlag herzlich für die kompetente und freundliche Unterstützung bedanken.

Vorwort

Ärzt:innen und Pflegefachpersonen weisen verschiedentlich auf Kommunikationsprobleme mit Patient:innen hin. Die Kommunikation wird zusätzlich erschwert, wenn für die Verständigung Dolmetscher:innen benötigt werden. Um konkrete Phänomene und Probleme der gedolmetschten Ärzt:innen-Patient:innen-Gespräche besser zu verstehen, wurden in verschiedenen Studien Auftraggeber:innen und Dolmetscher:innen zu den Ansichten über die Aufgaben und über die Rolle der Dolmetscher:innen befragt. Die Ergebnisse weisen auf divergierende Ansichten der Befragten sowohl innerhalb als auch zwischen den verschiedenen Berufsgruppen hin. Wie sich die unterschiedlichen Ansichten auf reale Gesprächssituationen auswirken, bleibt jedoch offen.

In der vorliegenden Untersuchung wird anhand von Videoaufzeichnungen detailliert untersucht, wie sich die primären Beteiligten mit Hilfe von Dolmetscher:innen verständigen. Die primären Beteiligten sind einerseits Ärzt:innen, Pflegefachpersonen und andererseits Patient:innen mit albanischer oder türkischer Erstsprache.

Das Thema ist an der Schnittstelle zweier Fachdisziplinen angesiedelt – der linguistischen Gesprächsanalyse und der Dolmetschwissenschaft. Methodologisch ist die vorliegende Studie in der linguistischen Gesprächsanalyse verortet. In der linguistischen Gesprächsanalyse wird untersucht, wie Gespräche in Alltagssituationen verlaufen. Mit der Entwicklung der Videotechnik ist das Interesse an der Koordination des Sprechens mit anderen leiblichen Handlungen wie der Körperorientierung, den Körperbewegungen, der Augenkommunikation, und den Gesten in den Vordergrund gerückt. Im Zusammenspiel mit den sprachlichen Handlungen wenden sich Menschen einander zu, schauen sich an, schauen weg, gestikulieren oder nicken. Unter dem Einfluss der linguistischen Gesprächsanalyse gewinnt der Einbezug der körperlichen Ressourcen in das empirische dolmetschwissenschaftliche Arbeiten ebenfalls an Bedeutung. Die multimodale Analyse ist eine Erweiterung der rein sprachzentrierten Perspektive. Im Analyseteil wird die gesamte Interaktion als multimodal geprägter Prozess aufgefasst, das heisst, auch die zwischen den Redebeiträgen der primären Gesprächsparteien eingebetteten Verdolmetschungen sind Teil der gemeinsam und multimodal hergestellten Interaktion.

Zwischen den Redebeiträgen der primären Gesprächsparteien in der Ausgangssprache und den Verdolmetschungen in die Zielsprachen besteht indessen ein entscheidender Unterschied. Die primären Gesprächsparteien äussern originale Redebeiträge. Die Aufgabe der Dolmetscher:innen ist die Wiedergabe dieser originalen Redebeiträge. Verdolmetschungen sind immer Veränderungen unterworfen. Welche Veränderungen die Verdolmetschungen durch die Prozesse der individuellen Wahrnehmung der Dolmetscher:innen, durch die unterschiedlichen Sprachkompetenzen, die Gedächtnisleistung beziehungsweise die Gedächtnislücken und die adäquate oder weniger adäquate Ausdrucksfähigkeit erfahren haben, lässt sich von den Beteiligten kaum abschätzen. Die durch die Veränderungen beim Dolmetschen bedingten allfälligen Störungen können für die Ärzt:innen, die Pflegefachfrauen sowie für die Patient:innen gravierende Folgen haben. Auf der Gesprächsebene wird eine Störung jedoch lediglich dann sichtbar, wenn eine/r der drei Beteiligten selbst ein Problem signalisiert, etwa durch Backchannel-Signale oder durch Nachfragen. In vielen anderen Fällen können inadäquate Verdolmetschungen und dadurch entstandene Missverständnisse erst anhand der Transkription offengelegt werden. Die Qualität der Verdolmetschung ist aus dolmetschwissenschaftlicher Sicht also von zentraler Bedeutung. Die Beurteilung der Qualität ist der entscheidende Unterschied zwischen der dolmetschwissenschaftlichen und der gesprächsanalytischen Perspektive, die Interaktionen aus der Beteiligtenperspektive beschreibt.

Trotz der Unterschiede zwischen den beiden Disziplinen dokumentiert die vorliegende Untersuchung vor allem in drei Aspekten das Verbindende: In beiden Fachdisziplinen geht es zunächst um das Sichtbarmachen des sprachlich-interaktiven Handelns in Ärzt:innen-Patient:innen-Gesprächen, vor allem bei sensiblen Gesprächsthemen wie Krankheitssymptomen, Schmerzen und Ängsten. Weiter geht es bei der Beobachtung der authentischen Gespräche darum, Beteiligungsformen der Ärzt:innen oder Pflegefachfrauen, der Patient:innen und der Dolmetscher:innen aufzuzeigen und schliesslich ist die Beschreibung der Besonderheiten der sozialen Beziehungen im Expert:innen-Laien-Gefüge im Fokus.

Für die detaillierte Analyse der 26 Gesprächsausschnitte aus sechs Ärzt:innen-Patient: innen-Gesprächen, die in den drei Universitätsspitälern in der Deutschschweiz stattgefunden haben, wurden beide Methoden einbezogen. Als wesentliche Ergebnisse konnten fallübergreifende Muster und Dynamiken identifiziert werden. So wird aus den Analysen klar ersichtlich, dass die Verständigung in gedolmetschten Ärzt:innen-Patient:innen-Gesprächen deutlich erschwert ist, dass Dolmetscher:innen sich mit Blickkontakten und Gesten an den Interaktionen beteiligen und durch selbst-initiierte Redebeiträge einen prägenden Einfluss auf die Gesprächsverläufe sowie auf die Beziehungen zwischen den Beteiligten haben. Ebenso deutlich wurde in den Analysen der Fallbeispiele, dass die Ärzt: innen oder die Pflegefachfrau den Dolmetscher:innen mehr Vertrauen entgegenbringen als den Patient:innen.

1Einleitung

Seit etwa der Mitte des 20. Jahrhunderts leben vermehrt Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt in der Schweiz.1 Sie kommen je nach ihren Lebensumständen möglicherweise ohne Kenntnisse in der jeweiligen Landessprache mit Vertreter:innen von Schulen, sozialen Institutionen, Behörden, Gerichten, Strafbehörden oder Spitälern in Kontakt. An solchen Gesprächen sind daher in vielen Fällen Dolmetscher:innen beteiligt.

Verständigungsschwierigkeiten aufgrund von mangelnden Sprachkenntnissen können zu Benachteiligungen für diejenigen Patient:innen führen, deren Kompetenz in der Sprache der Expert:innen2 gering ist (Menz, 2013a, p. 7). In solchen Gesprächssituationen können gravierende Missverständnisse entstehen, die sich auf die medizinische Behandlung auswirken.3 Dazu das Beispiel einer kurzen Notiz unter dem Titel „Am falschen Finger operiert“ im Tages-Anzeiger vom Dienstag, dem 24. Dezember 2013, in der folgende Verwechslung geschildert wird:

Ein Arzt hat im Spital Langenthal eine Patientin aus Versehen am falschen Finger operiert. Als Ursache kommen möglicherweise sprachliche Probleme infrage. Die gebürtige Türkin liess sich inzwischen den richtigen Finger operieren. Der 58-Jährigen hätte vergangene Woche am Mittelfinger ein sogenannter Anker eingesetzt werden sollen. (SDA, 2013)

Um folgenreiche Fehlbehandlungen wie Operationen am falschen Finger und schlimmere Ereignisse zu vermeiden, werden in verschiedenen Schweizer Spitälern seit Jahren Gesprächsdolmetscher:innen4 hinzugezogen. Man hofft, dass damit alle Kommunikationsprobleme gelöst sind. Aber wenn man Expert:innen in informellen Gesprächen auf gedolmetschte Konsultationen anspricht, dann thematisieren sie ihre Zweifel an der Adäquatheit von Verdolmetschungen. Die Äusserungen in der jeweils anderen Sprache sind ihnen meist unzugänglich. Es entzieht sich ihrem Wissen, wie gedolmetschte Gespräche wirklich verlaufen, was die Dolmetscher:innen hören, wie sie das Gehörte verstehen, wie sie es verarbeiten und in der anderen Sprache wiedergeben. Meldungen über problematische Konsequenzen aufgrund von inadäquaten Verdolmetschungen sind entsprechend selten. Patient:innen, die seit einiger Zeit in der Schweiz leben, haben zwar eine gewisse Kompetenz im Deutschen. Diese Situation schildert Meyer (2009) auch für Deutschland. Ob sie aber die Redebeiträge der Expert:innen verstehen und sich der Veränderungen bewusst werden, wird lediglich in den Fällen deutlich, in denen sie direkt auf die deutschen Redebeiträge reagieren.

Dolmetscher:innen im Bildungs-, Gesundheits-, Justiz- und Sozialwesen haben in der Regel keine dolmetschspezifische Ausbildung. Dolmetschen in institutionellen Settings wurde sowohl von der Lehre als auch von der Dolmetschforschung lange vernachlässigt.5 Das gesprochene Wort war zwar schon vor den 1990er-Jahren Gegenstand der Dolmetschforschung, aber der Fokus der Dolmetschwissenschaft lag vorwiegend auf dem Konferenzdolmetschen (vgl. u. a. Gerver, 1975; Kalina, 2011). Die Bedeutung einer Qualifizierung für Dolmetscher:innen im Gesundheitswesen wurde in der Schweiz erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts erkannt (Hudelson et al., 2013, p. 2).

Da es an Schweizer Hochschulen bisher keine Ausbildung mit Bachelor- oder Masterabschlüssen für Dolmetscher:innen, die zu Gesprächen in institutionellen Settings hinzugezogen werden, gibt, war und ist das Gesprächsdolmetschen am Institut für Übersetzen und Dolmetschen der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) nicht Teil der Ausbildung der Konferenzdolmetscher:innen. Hingegen wurden im Rahmen der Weiterbildung des Instituts von einem aus Dolmetscher:innen und Linguist:innen bestehenden Team zwischen 2003 und 2013 Aus- und Weiterbildungsprogramme für Dolmetscher:innen durchgeführt, die für das Bildungs-, das Gesundheits-, das Justiz- und das Sozialwesen dolmetschen. Das Interesse von Auftraggeber:innen an solchen Kursen bestand zunächst bei den Polizeibehörden und Gerichten, wenig später suchten Spitäler den Kontakt zur ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften).

Für den Aufbau von Grundkursen mussten zunächst die beruflichen und die theoretischen Hintergründe erarbeitet werden. Vor der Durchführung der ersten Grundkurse, die spezifisch für das Justizwesen konzipiert wurden, erhielt das Team einen detaillierten Einblick in die Komplexität der Dolmetschtätigkeit. Nur schon die Fremdheit der zahlreichen Sprachen, in die und aus denen bei Behörden und Gerichten seit Jahren gedolmetscht wird, war beeindruckend. Die verschiedenen Sprachen sind in der Schweiz ausserhalb der jeweiligen Gemeinschaften zum Teil so unbekannt, dass Polizeibeamte, Staatsanwält:innen oder Richter:innen nicht einmal ein „Ja“ oder ein „Nein“ verstehen. Sprachenübergreifend angebotene Weiterbildungsprogramme entsprechen deshalb einem dringenden Bedürfnis der Vertreter:innen des Justizwesens sowie der Dolmetscher:innen, wie das auch im internationalen Kontext beschrieben wird (vgl. v. a. Driesen, 2012). Der von den Jurist:innen gewünschte weitere Ausbau der Weiterbildung gab den Anstoss zu einem umfassenderen Aus- und Weiterbildungsprogramm im Anschluss an den Grundkurs. Die Weiterentwicklung der Grundkurse erforderte ein breiter abgestütztes Wissen über die beruflichen Anforderungen der Dolmetscher:innen und die Erwartungen der Jurist:innen an die Dolmetscher:innen (vgl. Hofer & General, 2012). Zu diesem Zweck fand die weitere Zusammenarbeit im Justizwesen in Form einer Befragung von Auftraggeber:innen (Gerichte, Staatsanwaltschaften, Polizei) und von Dolmetscher:innen zur Dolmetschtätigkeit und zum Rollenprofil statt. Die Dolmetscher:innen mit den verschiedensten Erstsprachen wie Albanisch, Chinesisch, Tigrinya oder Türkisch dolmetschten zum Teil seit Jahren im Auftrag der Justiz, verfügten aber in den meisten Fällen weder über juristisches Fachwissen noch über eine dolmetschspezifische Ausbildung. Über die Qualität der Dolmetschleistungen, die im Auftrag der Ermittlungsbehörden und der Gerichte des Kantons Zürich erbracht wurden, wusste man wenig. Die Auftraggeber:innen vermuteten jedoch, dass es häufig zu Kommunikationsproblemen kam.

Die Ergebnisse der Befragung wiesen denn auch auf einige Problembereiche hin. So wurde zum Beispiel deutlich, wie weit die Vorstellungen bezüglich der Dolmetschtätigkeit und des Berufsprofils der Dolmetscher:innen auseinanderklafften, und zwar nicht nur zwischen den Dolmetscher:innen einerseits und den Auftraggeber:innen andererseits, sondern auch innerhalb der beiden Gruppen der Befragten. Über die tatsächliche Qualität der Verdolmetschungen sagte diese Befragung jedoch nichts aus (vgl. Hofer, 2010).

Aufgrund der in dieser Befragung deutlich zutage getretenen Divergenzen interessierten sich auch Auftraggeber:innen im Gesundheitswesen für entsprechende Projekte. Ein erstes Projekt mit dem Zürcher Kinderspital, in dem die Bandbreite von Ansichten zum Dolmetschen aus der Perspektive der Dolmetscher:innen und der Auftraggeber:innen in analoger Weise erhoben wurde, ergab ähnlich divergente Resultate wie zuvor im Justizwesen (vgl. Hofer, 2009). Ausserdem wurden in diesem Projekt die Angehörigen6 der Patient:innen zu ihrer Meinung über die Qualität von Dolmetschleistungen befragt. Die Angehörigen, die (etwas) Deutsch verstanden und bereits einiges über die Krankheit der Kinder wussten, schätzten die Leistungen der Dolmetscher:innen aufgrund des mangelhaften Verständnisses für medizinische Zusammenhänge sowie der inadäquaten Sprachkenntnisse teilweise negativ ein (Wietlisbach & Hofer, 2008, p. 26).7

Die Qualität von Dolmetschleistungen ist schwer zu messen, da transparente Kriterien als Grundlage für eine Beurteilung fehlen (vgl. Kalina, 2011, p. 161). Aufgrund der Ergebnisse im Justizwesen, im Kinderspital-Projekt sowie aufgrund eigener Erfahrungen aus den Aus- und Weiterbildungsprogrammen ist man in der Weiterbildung am Institut für Übersetzen und Dolmetschen der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) zur Überzeugung gelangt, dass ein präzises Wissen über die Phänomene der gedolmetschten Kommunikation in der Praxis lediglich anhand der Analyse von authentischen Gesprächsdaten zu erhalten ist.

Diese Einschätzung teilten Vertreter:innen der Abteilung Psychosomatik des Universitätsspitals Basel, die schon seit längerem gravierende Kommunikationsprobleme in gedolmetschten Gesprächen vermuteten.8 Die beunruhigenden Ergebnisse der Befragung im Kinderspital verstärkten ihre Zweifel. Die Diskussionen um die Leistungen der Dolmetscher:innen mündeten in eine Zusammenarbeit der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) mit der Abteilung Psychosomatik des Universitätsspitals Basel.

1.1 Motivation

Zur Faszination der Beschäftigung mit dem facettenreichen Thema „Dolmetschen im Spital“ kam in der Folge der Erfahrungen in den Weiterbildungsprogrammen, der Ergebnisse der Befragungen und der Gespräche mit den Vertreter:innen der Abteilung Psychosomatik des Universitätsspitals Basel als Motivation die Überzeugung hinzu, dass sowohl die Patient:innen als auch die Expert:innen ein Anrecht auf die Loyalität9 der Dolmetscher: innen gegenüber ihren Äusserungen haben und ein Gespräch zwischen den Gesprächsparteien10 möglichst so verläuft, als könnten Expert:innen und Patient:innen direkt miteinander sprechen. Aus der Vermutung heraus, dass die Realität anders ist, ergaben sich Fragen nach den Besonderheiten der gedolmetschten Kommunikation, die das wechselseitige Verstehen erschweren, etwa nach den Ursachen für fehlende Reaktionen der Expert:innen auf die Anliegen der Patient:innen oder für auffallende Diskontinuitäten im Gesprächsverlauf.

Das gemeinsame Forschungsinteresse der Mediziner:innen und der Linguist:innen mündete schliesslich in das KTI-Projekt Nr. 11424.1 PFES-ES mit der Laufzeit von zwei Jahren (2010–2012), das mit dem unveröffentlichten Bericht „Anforderungs- und Rollenprofil für Dolmetschende im medizinischen Bereich“ (Sleptsova et al., 2012) abgeschlossen wurde. An dieser Untersuchung waren die Universitätsspitäler Basel11 (Abteilung Psychosomatik), Zürich (Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer [afk]) und Bern (Inselspital) beteiligt.12 Die Schwerpunkte der Analyse lagen auf der (In-)Adäquatheit der Verdolmetschungen sowie auf der Rolle der Dolmetscher:innen (Sleptsova et al., 2015; Sleptsova et al., 2017).

Für dieses Projekt sind die Sprachen Albanisch und Türkisch ausgewählt worden. Diese beiden Sprachen sind bisher nicht Teil von regulären Ausbildungsprogrammen an Schweizer Hochschulen.

1.2 Ziel und Fragestellung

In der vorliegenden Untersuchung geht es um die Analyse der Kommunikation zwischen Patient:innen und Expert:innen, die nicht die gleiche Sprache sprechen und sich ausschliesslich oder vorwiegend mit Hilfe von Dolmetscher:innen verständigen.

Im Fokus der in dieser Untersuchung analysierten Gespräche sind Schmerzzustände und die emotionale Betroffenheit der Patient:innen. Da Schmerzen, schmerzbegleitende Ängste und krankheitsbedingte Sorgen in der Regel nicht beobachtet werden können, sind Expert: innen für die Diagnostik auf das Gespräch mit den Patient:innen angewiesen. Wie Dolmetscher:innen Schmerzen, schmerzbegleitende Ängste und krankheitsbedingte Sorgen von Patient:innen wiedergeben, wurde in der dolmetschwissenschaftlichen Literatur m.W. bisher erst anhand des vorliegenden Datenmaterials herausgearbeitet (Hofer, 2019; Hofer et al., 2017).

Über den detaillierten Gesprächsablauf in gedolmetschten Ärzt:innen-Patient:innen-Gesprächen, die im Spital durchgeführt werden, ist wenig bekannt. Mit der vorliegenden Studie sollte insbesondere auf drei Forschungsdesiderate reagiert werden:

•auf die Seltenheit von empirischen Forschungen im Vergleich mit den Studien über isolierte Teilthemen wie die inadäquate Verdolmetschung einzelner Stellen und die Rolle der Dolmetscher:innen

•auf den systematischen Einbezug der Redebeiträge der primären Gesprächsparteien statt der bisher meist üblichen Konzentration auf die Dolmetscher:innen

•auf das Zusammenwirken der Verbalität mit den anderen multimodalen Handlungen

Gegenstand der Untersuchung sind

a.die thematisch-inhaltlichen Interaktionsverläufe in den ausgewählten Gesprächsausschnitten. In der Analyse steht die Verstehens- und Verständigungsarbeit im Vordergrund. Dabei interessiert die Frage, ob die aufeinanderfolgenden Redebeiträge der Beteiligten einen sinnvollen Zusammenhang ergeben oder ob inhaltliche Diskontinuitäten die Gedankenfolge entstellen und allenfalls zu Verständigungsproblemen führen. Im Falle von Divergenzen zwischen den originalen Äusserungen und den gedolmetschten Redebeiträgen interessieren die Auswirkungen auf den weiteren Gesprächsverlauf.

Die zentrale Frage lautet: Wie stimmen die Beteiligten ihre Redebeiträge im interaktionalen Geschehen aufeinander ab?

b.das multimodale Handeln aller Beteiligten. Durch die geringe physische Distanz zwischen den Beteiligten sind multimodale Handlungen (Körperorientierung, Kopfbewegungen, Blickkontakte, Gesten) gegenseitig grundsätzlich gut wahrnehmbar. Für die Analyse von Belang sind die Körperorientierung, die Blickrichtung sowie die Gestik aller Beteiligten.

Die zentrale Frage lautet: Wie koordinieren die primären Gesprächsparteien und die Dolmetscher:innen ihre sprachlichen Handlungen mit anderen körperlichen Ressourcen und wie reagieren die Beteiligten mit ihren gesamten Ausdrucksweisen aufeinander?

c.die Beteiligungsformen. Die Art der Beteiligungsformen der primären Gesprächsparteien und der Dolmetscher:innen ist infolge der Aufgabenverteilung eigentlich vorgegeben. Die Expert:innen und die Patient:innen sprechen miteinander, während die Aufgabe der Dolmetscher:innen der sprachliche Transfer ist. Die Expert:innen können die Patient: innen in der gedolmetschten Kommunikation ebenso wie im monolingualen Gespräch direkt adressieren. Die Dolmetscher:innen können die direkte Anrede übernehmen und die Expert:innen sowie die Patient:innen in der Verdolmetschung in der 3. Person Plural adressieren. Bei der Wiedergabe verwenden sie generell die 1. Person Singular.13 Soweit die theoretische Verteilung der Rollen. Nun haben einige Untersuchungen gezeigt, dass die Adressierungsformen wechseln und die Dolmetscher:innen bei der Wiedergabe nicht nur die direkte, sondern auch die indirekte Rede verwenden (u. a. Bot, 2005a, 2005b; Dubslaff & Martinsen, 2005). In den vorliegenden Daten wird deshalb untersucht, wie die Dolmetscher:innen die ausgangssprachlichen Äusserungen in der Zielsprache wiedergeben, wie sie sich an der Interaktion beteiligen und ausserdem wie sie von den Expert: innen und den Patient:innen beteiligt werden.14 In die Untersuchung einbezogen werden auch die Adressierungsformen der Expert:innen und der Patient:innen.

Die zentrale Frage lautet: Wie beteiligen sich die Dolmetscher:innen am Gespräch und wie werden sie von den primären Gesprächsparteien am Gespräch beteiligt?

Übergreifendes Ziel ist es, durch eine Verbindung der methodischen Ansätze der Gesprächsanalyse und der Dolmetschwissenschaft zu einem Verständnis der gedolmetschten Interaktion als einem multimodalen interaktiven Geschehen zu gelangen und durch die Verbindung beider Forschungsdisziplinen im Hinblick auf die Frage, wie gedolmetschte Gespräche funktionieren, einen Beitrag zu leisten.

Ein weiteres Ziel besteht darin, zusätzlich zu den Befunden in den einzelnen Gesprächen wiederkehrende Muster von sprachlichen und anderen körperlichen Handlungen in mehreren Gesprächen zu identifizieren und zu bündeln. Ausserdem wird auf disziplinübergreifende Muster hingewiesen.

Ebenfalls zum Ziel gehört vor allem anhand der Gesprächsausschnitte im Analyseteil ein Aufzeigen von Möglichkeiten, wie die Resultate in der Lehre sowie in der Weiterbildung von Dolmetscher:innen und Expert:innen umgesetzt werden können.

Und schliesslich ist die Studie mit der Hoffnung verbunden, dass abgesehen von Gesprächsforscher:innen, Dolmetschwissenschaftler:innen und Gesprächsdolmetscher:innen auch Fachleute aus der medizinischen Praxis vermehrt für die Phänomene des Dolmetschens sensibilisiert werden können, umso mehr als das Interesse von Mediziner:innen am Thema „Dolmetschen“ durch verschiedene Studien belegt ist, die für die Analysen der Fallbeispiele mehrfach herangezogen werden.

1.3 Ein Forschungsprojekt als Wegbereiter

Wegbereiter der vorliegenden Studie war das KTI-Forschungsprojekt (vgl. Kap. 1.1). Es wurde von der Abteilung für Psychosomatik des Universitätsspitals Basel und dem Institut für Übersetzen und Dolmetschen der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) initiiert und durchgeführt, nachdem Gespräche mit Vertreter:innen aus verschiedenen medizinischen Fachbereichen lediglich pauschale Äusserungen zu den Aufgaben und zur Funktion von Dolmetscher:innen zutage brachten.

Ausschlaggebend für die Motivation, authentische Ärzt:innen-Patient:innen-Gespräche zu untersuchen, waren ausserdem Publikationen zu inadäquaten Dolmetschleistungen u. a. des Dolmetschwissenschaftlers Pöchhacker (2007), Klagen von Expert:innen, die in ihrem Alltag seit Jahren Dolmetscher:innen einsetzen (vgl. u. a. Butow et al., 2011b; Flores et al., 2003) sowie die eigene Erfahrung mit Dolmetschleistungen von Teilnehmer:innen an Weiterbildungskursen der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften). Es zeigte sich im Rahmen des Aus- und Weiterbildungsprogramms, dass die bereits als Dolmetscher:innen tätigen Teilnehmer:innen mit den Dolmetschtechniken, der Problematik des Rollenverhaltens und dem spezifischen Fachwissen im Gesundheits-, im Justiz- und im Sozialwesen wenig vertraut waren (vgl. Hofer & General, 2012). Die Dolmetscher: innen, die zum Teil bereits seit Jahren in verschiedenen Bereichen zum Dolmetschen hinzugezogen wurden, haben aufgrund ihrer Erstsprachen (Albanisch, Arabisch, Chinesisch, Türkisch usw.) in der Schweiz auch kaum eine Möglichkeit zur Weiterbildung.

Datengrundlage im KTI-Projekt sind gedolmetschte Ärzt:innen-Patient:innen-Gespräche, die in den Jahren 2011 und 2012 mit Videokameras aufgezeichnet wurden. Das im Rahmen des KTI-Projekts erhobene Datenmaterial besteht aus 19 gedolmetschten Ärzt: innen-Patient:innen-Gesprächen (mehr dazu in Kap. 4.1). In der Schweiz war diese KTI-Studie die erste interdisziplinäre Untersuchung, in der anhand von authentischen Videoaufzeichnungen gedolmetschte Konsultationen aus verschiedenen medizinischen Bereichen von Expert:innen und Linguist:innen analysiert wurden.

1.3.1Konzeption des Projekts

Zunächst wurden im KTI-Projekt die Ansichten zu den Aufgaben der Dolmetscher:innen und zu ihrer Rolle sowie zur Adäquatheit der Dolmetschleistung aus der Perspektive der Expert:innen sowie der Dolmetscher:innen erfragt. Die Befragung wurde mit einem schriftlichen Fragebogen durchgeführt. Der Fragebogen ist eine Übersetzung des von Angelelli (2004) verwendeten Fragebogens Interpreter’s Interpersonal Role Inventory (IPRI).15 Er umfasst u. a. Fragen zum Rollenbild, zur Kulturvermittlung, zur Interpretation von Gefühlen der Patient:innen durch die Dolmetscher:innen sowie zur Ansicht über die Parteilichkeit. Angelelli (2004) hatte Dolmetscher:innen aus den Bereichen des Konferenzdolmetschens sowie des Gesprächsdolmetschens befragt. Im KTI-Projekt wurden zusätzlich zu den Dolmetscher:innen, die vorwiegend im Spital dolmetschen, auch Expert:innen befragt. Ziel dieser Fragebogenuntersuchung war es, Einblick in die subjektiven Ansichten der Expert:innen beziehungsweise der Dolmetscher:innen zur Tätigkeit des Dolmetschens zu gewinnen. Insgesamt wurden 374 Dolmetscher:innen und 391 Expert:innen (Ärzt:innen, Psycholog:innen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeut:innen) befragt. Aufgrund der aus den persönlichen Daten der Befragung gewonnenen Angaben wurde deutlich, dass die befragten Dolmetscher:innen nur in Ausnahmefällen über eine Dolmetschausbildung an einer Hochschule verfügen (vgl. Sleptsova et al., 2015). Sie sind zum grossen Teil bei regionalen Vermittlungsstellen registriert (mehr dazu in Kap. 3.2.4). In allen im KTI-Projekt durchgeführten Gesprächen wurden die Dolmetscheinsätze von solchen Vermittlungsstellen organisiert. Es ist also davon auszugehen, dass die Aussagen zum Bildungshintergrund auch für die von den Vermittlungsstellen ausgewählten Dolmetscher:innen zutreffen, die für die Gespräche hinzugezogen wurden, aus denen die in der vorliegenden Arbeit analysierten Fallbeispiele stammen.

Ziel des KTI-Projekts war es, die Ansichten zur Dolmetscherrolle zunächst anhand von einer Befragung von Expert:innen und Dolmetscher:innen zu erheben. Dabei ging es um die Frage, welche Rolle(n) die Dolmetscher:innen in der Kommunikation übernehmen und welche Rolle(n) ihnen von den Expert:innen zugeschrieben werden. Das Hauptanliegen war jedoch die Analyse der mit Videokameras aufgezeichneten Gespräche. Insbesondere sollte die Adäquatheit der Verdolmetschungen der ausgangssprachlichen Redebeiträge untersucht werden (vgl. Sleptsova et al., 2012). In der Hauptsache ging es darum, sprachliche Handlungsweisen der Dolmetscher:innen sowie inhaltliche Abweichungen zwischen den ausgangssprachlichen Redebeiträgen und den Verdolmetschungen anhand von Beispielen aus den authentischen Ärzt:innen-Patient:innen-Gesprächen zu identifizieren und zu dokumentieren. Im Falle von Divergenzen zwischen den beiden Versionen wurde anhand von Kriterien untersucht, in welcher Hinsicht sich die beiden Versionen sprachlich unterscheiden.

Die Kriterien wurden zunächst in Anlehnung an bestehende Kriterienkataloge entwickelt. Bei der Erstellung des Kriterienrasters nahmen die vom Dolmetschwissenschaftler Pöchhacker (2007) und die von der Dolmetschwissenschaftlerin Kadrić (2009) formulierten Kriterien im Vorfeld des KTI-Projekts eine prägende Rolle ein. Pöchhacker (2007) hat Kriterien für die Befragung in Wiener Spitälern erstellt, Kadrić (2009) konzentrierte sich auf das Dolmetschen im Justizbereich.16 Pöchhacker (2007) und Kadrić (2009) liessen die Dolmetschtätigkeit anhand von Fragebögen von Expert:innen im Gesundheitsbereich beziehungsweise von Fachleuten im Justizwesen beurteilen. In beiden Studien werden u. a. folgende Verhaltensweisen der Dolmetscher:innen erfragt: Auslassungen von Inhalten, Hinzufügungen von Inhalten, von Erklärungen oder von Kommentaren, Vereinfachungen und selbst-initiierte Rückfragen. Die Ergebnisse in verschiedenen Publikationen, in denen vor allem unvollständige Verdolmetschungen (Auslassungen) und/oder selbst-initiierte Redebeiträge (Hinzufügungen) beobachtet wurden, beeinflussten die Gestaltung des Kriterienrasters ebenfalls (vgl. Bot, 2005b). Die fehlende Nähe der Verdolmetschung zum Original wurde sowohl von weiteren Dolmetschwissenschaftler:innen (vgl. Amato, 2007; Napier, 2002, 2004) als auch von Mediziner:innen (vgl. Aranguri et al., 2006; Butow et al., 2011b; Flores et al., 2003) thematisiert. Zusätzlich zu den Beobachtungen aus den verschiedenen Studien wurden die für die Analyse der Gespräche bedeutsamen Kriterien durch die Unterrichtserfahrung der Dozierenden des Instituts für Übersetzen und Dolmetschen der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) ausdifferenziert. Ausserdem wurden die Kriterien während des laufenden Projekts aufgrund der beobachteten Phänomene des Datenmaterials weiter ausgestaltet.

Die schliesslich konsensual etablierten Kriterien bezogen sich auf die Vollständigkeit und die Genauigkeit der Verdolmetschung, das medizinische Fachwissen und die Terminologiekenntnisse der Dolmetscher:innen sowie auf die sprachlich beobachtbaren rollenspezifischen Handlungen (vgl. Sleptsova et al., 2015).

Nach der Fertigstellung des Kriterienrasters wurden die 19 Konsultationen in Segmente aufgeteilt. Insgesamt wurden 3866 Segmente gezählt. Anschliessend wurden die Kriterien anhand des Software-Programms ATLAS.ti kodiert und mit Hilfe dieser Software in den Dateien ausgezählt (vgl. Hofer et al., 2013; Sleptsova et al., 2015). Die Kodierung der Kriterien in ATLAS.ti war in erster Linie die Basis der quantitativen Analyse. Für Mediziner: innen ist die quantitative Forschung von zentraler Bedeutung. Auch in der Linguistik wird auf die Bedeutung der Verbindung von quantitativen und qualitativen Methoden hingewiesen (vgl. Menz, 2013a, p. 8; Sator & Spranz-Fogasy, 2011, p. 382).

ATLAS.ti ist ein flexibles Instrument, das neben quantitativem auch qualitatives Arbeiten unterstützt (vgl. Muhr, 1994). Das Programm ATLAS.ti erlaubt es, neben der Kodierung Kommentare zu formulieren. Beim Kriterium „Auslassungen“ kann zum Beispiel erfasst werden, ob Sachverhalte, Phatisches, emotionale Äusserungen oder anderes unverdolmetscht bleiben. Beim Kriterium „Hinzufügungen“ kann beispielsweise zwischen Erklärungen, Zusatzfragen oder metadiskursiven Kommentaren differenziert werden. Die Kodierungen können jederzeit von allen beteiligten Projektmitarbeiter:innen automatisch abgerufen werden, was ein gemeinsames Arbeiten an denselben Gesprächen erleichtert.

1.3.2Ergebnisse im Rahmen des Projekts

Die Auswertung der Fragebögen ergab abgesehen von Unterschieden in der Gewichtung in wesentlichen Punkten übereinstimmende Meinungen in der Beurteilung des Rollenprofils.17 So lehnen es sowohl Expert:innen als auch Dolmetscher:innen ab, dass die Dolmetscher:innen für die Patient:innen oder die Expert:innen Partei ergreifen oder die Gefühle der Patient:innen explizieren (vgl. Sleptsova et al., 2012). Hingegen sind die Dolmetscher: innen aus der Sicht der Expert:innen sowie aus der Sicht der Dolmetscher:innen dazu legitimiert, erklärend und/oder vermittelnd in die Interaktion einzugreifen. Ebenso wird den Dolmetscher:innen sowohl von den Expert:innen als auch von den Dolmetscher:innen selbst die Aufgabe der Kulturvermittlung zugestanden. Auf der Seite der Expert:innen ist die Zustimmung in diesem Punkt deutlicher.

Die Einträge im Software-Programm ATLAS.ti18 ermöglichen die Quantifizierung und die Systematisierung von dolmetschspezifischen Kriterien (vgl. Sleptsova et al., 2012). Die Häufigkeit von systematischen Problemen in gedolmetschten Gesprächen im Spitalalltag wird über das ganze Korpus hinweg sichtbar. Die quantitative Auswertung anhand des Kriterienrasters zeigt inhaltlich-thematische Veränderungen auf, vor allem Auslassungen oder Hinzufügungen. Es sind insgesamt 2148 Auslassungen und 1781 Hinzufügungen gezählt worden (Sleptsova et al., 2015, p. 5). Hinzufügungen treten oft gemeinsam mit Rollenwechseln auf. Mit dem Rollenwechsel sind Interventionen der Dolmetscher:innen gemeint, mit denen sie zusätzliche Informationen, Erklärungen oder Präzisierungen in die Gespräche einfügen, die nicht Teil der Äusserungen der primären Gesprächsparteien sind. Daneben zeigt die quantitative Auswertung den häufigen Wechsel in der Adressierung: Es finden in erster Linie Wechsel von der Höflichkeitsform (Sie) zur 2. Person Singular (du) statt, wenn die Dolmetscher:innen und die Patient:innen miteinander sprechen, sowie Wechsel von der 3. Person Plural zur 3. Person Singular, wenn die Dolmetscher:innen und die Expert:innen über die Patient:innen sprechen statt mit ihnen. Solche Rollenwechsel bei den Dolmetscher:innen wurden in 660 Fällen registriert (Sleptsova et al., 2015, p. 5). Weiter weist die quantitative Auszählung in 315 Fällen auf fehlende terminologische Kenntnisse der Dolmetscher:innen hin (Sleptsova et al., 2015, p. 5). Die Bedeutung der Terminologie wird in linguistischen Beiträgen (Brünner, 2009; Lalouschek, 2005; Meyer, 2004) und in übersetzungs- und dolmetschwissenschaftlichen Publikationen mehrfach beschrieben (vgl. Bancroft & Dallmann, 2010; Crezee, 2013; Schmitz, 2012). In der quantitativen Analyse steht der Fachausdruck als „isoliertes sprachliches Mittel“ im Mittelpunkt (Brünner & Gülich, 2002), d. h. ein Fachausdruck wird in der quantitativen Analyse als in der Verdolmetschung vorhanden oder als nicht vorhanden aufgelistet.

Aber auch wenn der vorwiegend quantitative Ansatz hauptsächlich etwas über das Auftreten von Phänomenen und Problemen aussagt, weist die Häufigkeitsverteilung der Kriterien im vorliegenden Datenmaterial auf das Ausmass des Einflusses der Dolmetscher: innen auf die Gesprächsinhalte sowie auf die unterschiedliche Qualität der Verständigung hin. Die Häufigkeit der Abweichungen, vor allem der Auslassungen und Hinzufügungen überraschte sowohl die Expert:innen als auch die Linguist:innen.

Hinter der quantitativen Auszählung von einzelnen Kriterien standen auch qualitative Schritte (vgl. Schlobinski, 1996, p. 15 ff.). Die Auswertung war insofern auch ein qualitatives Verfahren, als das gesamte Interaktionsgeschehen analysiert wurde. So führte bereits die Zuordnung von Daten in das Kriterienraster im Projektteam mehrfach zu Diskussionen über den quantitativen Ansatz hinaus, da einzelne Daten mehreren Kriterien zugeteilt werden konnten. Es war oft eine Ermessensfrage, ob Ausgelassenes für wesentlich gehalten, eine Passage lediglich als ungenau eingestuft oder ob ein fehlender logischer Zusammenhang in der Verdolmetschung als nachteilig für die Verständigung beurteilt wurde. Diskussionsbedarf gab es etwa bei der Zuordnung von Fachausdrücken. Es musste mehrfach überlegt werden, ob ein bestimmter terminologischer Ausdruck überhaupt notwendigerweise durch den äquivalenten Ausdruck in der Zielsprache wiedergegeben werden muss, ob er paraphrasiert, durch Zeigeprozeduren, durch deiktische Mittel („hier“ tut es weh) oder durch einen pronominalen Hinweis in adäquater Weise substituiert werden kann, so dass gar kein terminologisches Problem entsteht (vgl. Hofer et al., 2013). Als unzureichend erwies sich der quantitative Ansatz vor allem, wenn deutlich wurde, dass Dolmetscher:innen zum Wohle der optimalen Verständigung von originalen Redebeiträgen abweichen und zum Beispiel vereinfachend formulieren, den Sinn aber beibehalten.

Zusammenfassend wird im Rahmen des KTI-Projekts Folgendes deutlich: Zunächst hinterlassen die gedolmetschten Gespräche einen weitgehend positiven Eindruck: Alle Gespräche können zu Ende geführt werden. Die Dolmetscher:innen haben offensichtlich Routine und sind es gewohnt, nach jedem Redezug zu dolmetschen und ohne Verzögerungen an die vorausgehenden Redebeiträge anzuschliessen. In allen Gesprächen fällt ein zügiger Redefluss und eine Flexibilität in der Lexik auf, selbst dann, wenn die Dolmetscher: innen in der Wortwahl eingeschränkt sind.19 Die Dolmetscher:innen sind zum Teil vertraut mit der Verwendung der 1. Person Singular in der Redewiedergabe, wie es den von Ausbildungsinstitutionen und Berufsverbänden priorisierten Formen des Dolmetschens entspricht. Daraus lässt sich schliessen, dass sie sich Grundsätze des Dolmetschens entweder in Aus- und Weiterbildungskursen oder in der Berufspraxis angeeignet haben.

Nach der quantitativen Auswertung anhand des Kriterienrasters änderte sich der Eindruck deutlich. Neben positiven Aspekten liessen sich im Gesprächsverlauf Unstimmigkeiten und Brüche erkennen, die bei den ersten Sichtungen der Videoaufzeichnungen verborgen blieben. Die Resultate der Analyse zeigen, dass die Selbsteinschätzung der Dolmetscher:innen, wie sie in den Resultaten der Befragung zum Ausdruck kommt, nicht mit den in der Praxis gewonnenen Ergebnissen übereinstimmen. In den Analysen von verschiedenen Textausschnitten wird sichtbar, dass die Dolmetscher:innen Informationen mehrfach auslassen und (manchmal gleichzeitig) durch Hinzufügungen entscheidend in die Gesprächsinhalte eingreifen, während sie sich in der Befragung vielmehr als Übermittler: innen der originalen Informationen sehen (vgl. Sleptsova et al., 2015). Die Ergebnisse, die im Rahmen des KTI-Projekts gewonnen und im Schlussbericht für die KTI beschrieben wurden (vgl. Sleptsova et al., 2012), sind für die vorliegende Arbeit grundlegend. Das wichtigste Ergebnis ist, dass zentrale Anliegen der Patient:innen in den Verdolmetschungen keine Entsprechung finden. Damit können die Expert:innen diese nicht weiter explorieren.

1.4Gliederung der vorliegenden Studie

Nachdem in Kapitel 1 die Ergebnisse des wegbereitenden Forschungsprojekts, die Motivation zur eigenen Forschungsarbeit sowie die Ziele der vorliegenden Arbeit beschrieben wurden, geht es in Kapitel 2 um die theoretische Einbettung dieser Studie. Die linguistische Gesprächsanalyse wird als methodischer und theoretischer Bezugsrahmen vorgestellt (2). In neuerer Zeit setzt die auf der Konversationsanalyse basierende multimodale Detailanalyse Videoaufzeichnungen voraus (2.1). Anhand von Videoaufzeichnungen können in den sechs ausgewählten Fallbeispielen die räumlichen Gegebenheiten (2.2) sowie das Zusammenwirken der sprachlichen Äusserungen mit den körperlichen Ressourcen aller Beteiligten beobachtet werden (2.3). Den Abschluss dieses Kapitels bilden Merkmale der Expert:innen-Laien-Kommunikation20 im medizinischen Setting (2.4). In Kapitel 3 wird einleitend über impulsgebende Forschungsdisziplinen für das Gesprächsdolmetschen orientiert (3). Seit den 1970er-Jahren interessieren sich Forscher:innen aus verschiedenen Fachbereichen für die gedolmetschte medizinische Kommunikation. Insbesondere Arbeiten aus der interaktionalen Linguistik, aus der Soziolinguistik sowie aus der medizinischen Gesprächsforschung prägen die dolmetschwissenschaftliche Forschung. Im Bereich des Gesprächsdolmetschens setzte die Forschung in den 1990er-Jahren ein (3.1). Im darauffolgenden Unterkapitel wird auf den beim Gesprächsdolmetschen üblichen konsekutiven Modus, auf die Besonderheiten des Gesprächsdolmetschens als Beruf sowie auf das Dolmetschen im Spital eingegangen. Die hohen Anforderungen an Gesprächsdolmetscher:innen stehen in keinem Verhältnis zu den geringen Möglichkeiten der Qualifizierung. Verbindliche Standards oder genormte Vorstellungen über die Aufgaben und über die Rolle der Gesprächsdolmetscher:innen fehlen weitgehend (3.2). Ein zentrales Anliegen in der Dolmetschwissenschaft ist die Beurteilung der Dolmetschqualität. Seit den 70er-Jahren haben verschiedene Autor:innen Taxonomien für die Beurteilung der Dolmetschqualität erstellt, die für die Analysen von Gesprächen im institutionellen Kontext herangezogen werden (3.3). Im Folgenden werden basierend auf der bestehenden Forschungsliteratur spezifische Themen, die mit der Aufgaben- und Problemstruktur des Dolmetschens zusammenhängen, vorbereitend auf die empirischen Analysen dargelegt. Vertieft bearbeitet werden die Redewiedergabe und die Adressierung, die verschiedenen Beteiligungsformen, das von bestimmten Rollenprofilen geprägte sprachlich wahrnehmbare Verhalten der Dolmetscher:innen sowie die Modifikationen des ausgangssprachlichen Inhalts durch die Dolmetscher:innen (3.4). Auch wenn in der Dolmetschwissenschaft neben der beschreibenden Vorgehensweise eine inhaltsvergleichende, kategorisierende und bewertende Haltung besteht, hat die Multimodalität in der neueren Dolmetschwissenschaft die Schwerpunktsetzung zunehmend beeinflusst. Die multimodale Erforschung von gedolmetschten Gesprächen bedingt Videoaufzeichnungen. Anstelle von Audiodaten ermöglichen Videoaufzeichnungen von gedolmetschten Ärzt:innen-Patient:innen-Gesprächen einen Einblick in die räumlichen Gegebenheiten sowie in die Positionierung der Beteiligten im Raum. Ebenso werden die Blickkontakte, die Körperorientierung, die Kopfbewegungen sowie die Gesten sichtbar. Die Beobachtung der Beteiligten legt das Zusammenwirken von sprachlichen Handlungen und körperlichen Ressourcen sowie die Beteiligungsformen dar (3.5). Wesentliche Ursachen von Verstehensproblemen sind inhaltliche Divergenzen zwischen den ausgangssprachlichen und den zielsprachlichen Redebeiträgen, divergierende Wissensvoraussetzungen in der Expert:innen-Laien-Kommunikation sowie heterogene Ansichten von Dolmetscher:innen und Expert:innen hinsichtlich der Gestaltung der Zusammenarbeit (3.6). In Kapitel 4 wird das methodische Vorgehen transparent gemacht. Weiter dient das Kapitel der Vorstellung des Korpus (4). Die Auswahl der Gespräche und der Dolmetscher:innen erfolgte im Rahmen des KTI-Projekts, das dieser Arbeit zugrunde liegt. Bei diesen Gesprächen handelt es sich um 19 authentische Ärzt:innen-Patient:innen-Gespräche, die im Zeitraum vom Dezember 2011 bis Mai 2012 mit Videokameras aufgezeichnet wurden. Die Videoaufzeichnungen stammen aus verschiedenen Abteilungen der Schweizer Universitätsspitäler Basel, Zürich und Bern. Beteiligt an den Gesprächen sind Expert:innen (Ärzt:innen, Pflegefachfrauen, Physiotherapeut:innen und eine Diabetesberaterin), Patient:innen sowie Dolmetscherinnen beziehungsweise ein Dolmetscher. Die Aufnahmedauer umfasst insgesamt 14 Stunden und 42 Minuten (4.1). Bereits im Rahmen des KTI-Projekts wurden die Gespräche vollständig transkribiert. Die Transkribentinnen übersetzten die albanischen beziehungsweise die türkischen Anteile im Verlauf der Transkription ins Deutsche (4.2). Aus den 19 Gesprächen wurden für die vorliegende Arbeit 26 Sequenzen aus fünf Gesprächen ausgewählt. Bei der Selektion von analyserelevanten Stellen ging es für die Datenpräsentation darum, besonders klare Passagen zu identifizieren, die für bestimmte Phänomene und/oder für eine Gesprächsphase typisch sind. Abgesehen von Fallbeispiel 6 handelt es sich dabei um längere Sequenzen, in denen Schmerzen und krankheitsbedingte Sorgen inhaltlich im Fokus sind (4.3). Das Vorgehen orientiert sich sowohl an den Methoden der Gesprächsanalyse als auch an den Methoden der Dolmetschwissenschaft. Die unterschiedlichen Perspektiven der Gesprächsforschung und der Dolmetschwissenschaft spiegeln sich in einer Zweiteilung der Analysen. In einem ersten Teil wird das koordinierte Handeln nachgezeichnet, während im zweiten Teil die Verarbeitungsprozesse der Dolmetscher:innen im Fokus sind. Die beiden Teile greifen auf vielfältige Weise ergänzend ineinander. Die Fallbeispiele werden jeweils mit einer Zusammenfassung abgeschlossen (4.4). Anschliessend folgt ein Überblick über die Fallbeispiele sowie über die Datenbeispiele in den Kapiteln 2 beziehungsweise 3 (4.5). Kapitel 4 endet mit der Beschreibung einiger terminologischen Besonderheiten (4.6). In Kapitel 5 bilden die Sequenzanalysen den empirischen Kern. Die 26 Gesprächsausschnitte wurden fünf Konsultationen in der inneren Medizin, in der Onkologie und in der Diabetologie entnommen. Das sechste Fallbeispiel ist ein Ausschnitt aus einer Pflegeanamnese. In allen Sequenzanalysen werden die Auswirkungen der Verdolmetschungen auf das Interaktionsgeschehen, das Zusammenwirken von sprachlichen und anderen multimodal wahrnehmbaren Handlungen der Beteiligten sowie die Beteiligungsformen diskutiert. Eine Reihe von Standbildern aus den Videoaufzeichnungen illustrieren verschiedene Gesprächssituationen. Die Fallbeispiele bauen nicht aufeinander auf, können also unabhängig voneinander gelesen werden. Mit Ausnahme der Pflegeanamnese sind sie durch die Wahl der inhaltlichen Schwerpunkte verbunden. In fünf Fallbeispielen werden die patient:innenenseitigen Beschwerdeschilderungen und die sprachliche Umsetzung der Dolmetscher:innen sowie die Reaktionen der Expert:innen auf die Äusserungen der Patient:innen einschliesslich der Verdolmetschungen analysiert (5.1–5.5). Im sechsten Fallbeispiel ist das übergeordnete Thema die Diskrepanz zwischen der Aushandlung der Rollen durch die Pflegefachfrau und die Dolmetscherin in der ersten Sequenz und der Ausgestaltung der Rollen in den zwei weiteren Sequenzen (5.6). In Kapitel 6 werden zentrale Ergebnisse der Arbeit zusammengeführt. Die sechs Fallbeispiele eint zunächst die Häufigkeit der Themen „Schmerz“, „Ängste“ und „krankheitsbedingte Sorgen“ (6.1). Fallübergreifende Ergebnisse aus den Sequenzanalysen werden aus der dolmetschwissenschaftlichen Perspektive präsentiert. Schwierigkeiten ergeben sich im Verstehensprozess vor allem, weil die Verarbeitungsprozesse der Dolmetscher:innen für die primären Gesprächsparteien in der Interaktion aus sprachlichen Gründen nicht wahrgenommen werden können (6.2). Die Analysen illustrieren das systematische Zusammenwirken der sprachlichen Redebeiträge mit den anderen multimodalen Ausdrucksressourcen über längere Passagen. Im Vordergrund sind Beobachtungen zur Körperorientierung, zum Blickverhalten und zur Gestik (6.3). Schliesslich werden musterhafte Charakteristika der gedolmetschten Expert:innen-Laien-Kommunkation gebündelt. Hervorgehoben werden Aspekte der divergierenden Wissensvoraussetzungen, der Asymmetrie in der Gesprächsbeteiligung sowie der Ungleichheit der Vertrauensbedingungen (6.4). Für die Generalisierung von Analyseergebnissen der vorliegenden Untersuchung werden im Folgenden disziplinübergreifende Forschungsresultate aus dem Konferenzdolmetschen, dem Gebärdensprachdolmetschen, der linguistischen Gesprächsanalyse und der darauf fussenden Multimodalität sowie aus der medizinischen Gesprächsforschung herangezogen (6.5). Die Arbeit endet mit einigen Überlegungen zur Umsetzung der Ergebnisse in der Aus- und Weiterbildung von Dolmetscher:innen und Expert:innen (6.6).

1Quelle: Bundesamt für Statistik: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/katalogedatenbanken/grafiken.gnpdetail.2021-0180.html (Stand: 11. 12. 2021)

2In dieser Studie werden die verschiedenen Vertreter:innen der Medizin mit dem Ausdruck „Expert: innen“ bezeichnet. Dies deshalb, weil die Gespräche nicht nur mit Ärzt:innen, sondern auch mit einer Diabetes-Beraterin, mit einer Pflegefachfrau und mit verschiedenen Physiotherapeut:innen geführt worden sind. Der lexikalisch etablierte Terminus „Ärzt:innen-Patient:innen-Kommunikation“ wird hingegen beibehalten.

3Gemäss der Schweizerischen Gesundheitsbefragung von 2017 stellt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) Folgendes fest: „(…) Personen mit Migrationshintergrund [sind] häufiger gesundheitlich benachteiligt“. Bereits 2004 und 2010 hatte das BAG auf diesen Missstand hingewiesen: www.bag.admin.ch/bag/de/home/strategie-und-politik/nationale-gesundheitsstrategien/gesundheitliche-chan-cengleichheit/forschung-zu-gesundheitlicher-chancengleichheit/gesundheitsmonitoring-der-migra-tionsbevoelkerung.html (Stand: 11. 12. 2021)

4Gesprächsdolmetscher:innen werden meist aufgrund ihrer Zweisprachigkeit zu Gesprächen an Behörden, Gerichten, Schulen oder Spitälern hinzugezogen, obwohl sie häufig keine den Anforderungen entsprechende formale Ausbildung haben.

5Kalina (2017) beschreibt dieselbe Situation in Deutschland (Kalina, 2017, p. 174).

6In der Regel waren das die Eltern oder ein Elternteil.

7Ursprünglich war der vollständige Bericht im Internet zugänglich. Der inzwischen auf wenige zusammenhanglose Aussagen reduzierte Bericht ist im Internet abrufbar: http://asp.artegis.com/urlhost/artegis/events/4899/pres/B1_Abs4_M.%20Wietlisbach.pdf, (Stand: 11.12.2021).

8Die Problematik war offenbar identisch mit derjenigen im Justizwesen.

9Der Ausdruck „Loyalität“ wird in der Übersetzungstheorie verwendet: „Der Translator ist […] bilateral gebunden: an den Ausgangstext und an die Ziel(text)situation, und er trägt Verantwortung sowohl gegenüber dem AT-Sender [Ausgangstextsender, Anm. GH] […] als auch gegenüber dem Zieltextempfänger. Diese Verantwortung bezeichne ich als ‚Loyalität‘ […]“ (Nord, 2003, p. 32).

10In der vorliegenden Arbeit wird aufgrund der Asymmetrie zwischen medizinischen Fachpersonen und Patient:innen grundsätzlich von Gesprächsparteien gesprochen, wie es der Usanz in der medizinischen Kommunikation entspricht (Mündliche Kommunikation des Internisten und Psychiaters Wolf Langewitz).

11Die Abteilung Psychosomatik des Universitätsspitals Basel hatte die Projektleitung inne, die Pflegeabteilung des Universitätsspitals Basel und asim Begutachtung waren Wirtschaftspartner. Überdies beteiligten sich mehrere Abteilungen der Universitätsspitäler Basel, Zürich und Bern mit der Bereitstellung von Videoaufzeichnungen am KTI-Projekt.

12An der Studie beteiligt waren Marina Sleptsova (Gesuchstellerin), Wolf Langewitz, Naser Morina, Paul Grossmann, Irina Weber, Matthis Schick (Universitätsspitäler Basel und Zürich) sowie Gertrud Hofer (Mitgesuchstellerin des Projekts), Marcel Eggler, Ulla Kleinberger, Michaela Albl-Mikasa, Christian Kriele (Institut für Übersetzen und Dolmetschen der ZHAW).

13Die Verwendung der 1. Person Singular entspricht dem üblichen Verhalten der Konferenzdolmetscher: innen: „In particular, the ‚true interpreter‘ norm, or norm of the ‚honest spokesperson‘ hardly ever made explicit, establishes that interpreters reproduce the source speech accurately and completely, with no personal alterations. Furthermore, the interpreter speaks in the first person as if s/he were the orator […]“ (Garzone, 2015, p. 282).

14Die verschiedenen Adressierungsformen der Dolmetscher:innen waren bereits im KTI-Projekt Gegenstand der Analyse.

15Der Fragebogen wurde mit dem Einverständnis der Autorin verwendet. Der in englischer Sprache vorliegende Fragebogen wurde gemäss den Konzepten des funktionalen Übersetzens mit Hilfe der Übersetzerin Barbara Brändli übersetzt und im Anschluss daran aufgrund von Rückmeldungen von Proband:innen durch die Projektleiter:innen angepasst (vgl. Behr, 2009). An dieser Stelle möchte ich Barbara Brändli für ihre Unterstützung danken.

16An dieser Stelle möchte ich Mira Kadrić für die Durchsicht des Entwurfs des Kriterienrasters und für ihre Hinweise danken.

17Diese Ergebnisse sind im unveröffentlichten Schlussbericht an die KTI-Kommission enthalten (Sleptsova et al., 2012).

18Für die Erstellung der Transkripte in EXMERaLDA und die Verwendung von ATLAS.ti braucht es spezielle Fertigkeiten. Für ihren grossen Einsatz bei der Einführung der Software sowie bei der Auswertung der Daten möchte ich Stefanie Kaufmann herzlich danken. Dankbar denke ich auch an die Unterstützung von Sandra Hanselmann, Mirjam Zürcher und Mirjam Hodel zurück. Für die Einführung in das Software-Programm ATLAS.ti danke ich Franc Wagner und Ulla Kleinberger.

19Die Zweitsprache der Dolmetscher:innen in den sechs Fallbeispielen ist Deutsch. Die sprachliche Kompetenz der Dolmetscher:innen im Deutschen ist unterschiedlich gut, sie ist aber nicht Teil der Untersuchung.

20In der Regel wird in der vorliegenden Arbeit der Gender-Doppelpunkt gesetzt. Eine Ausnahme ist der Ausdruck „Laien“.

2Theoretische Grundlagen aus gesprächsanalytischer Perspektive

In Kapitel 2 geht es um die theoretische Einbettung der Studie aus gesprächsanalytischer Perspektive. Das bahnbrechend Neue der soziologisch orientierten Konversationsanalyse, die unter anderen von den Soziologen Erving Goffman (1922–1982), Harvey Sacks (1935–1975) und Harold Garfinkel (1917–2011) initiiert wurde, ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem realen Gespräch. Garfinkel entwickelte die Ethnomethodologie, die Ausgangspunkt der Konversationsanalyse ist. Als deren Begründer gilt Sacks, dessen Vorlesungen zum grossen Teil erst nach seinem frühen Unfalltod im Jahr 1975 posthum publiziert wurden (Sacks, 1992).

Die Anhänger der Konversationsanalyse „[…] sehen in Alltagsgesprächen einen besonders geeigneten Gegenstand, um soziales Handeln im Detail zu beobachten und zu beschreiben.“ (Gülich & Mondada, 2008, p. 1) Das Gespräch wurde in den 1970er-Jahren zu einem zentralen Forschungsthema der Linguistik (vgl. Löning, 2001, p. 1577). Hausendorf (2001) beschreibt die Gesprächsanalyse „als eine lebendige, sowohl empirisch ertragreiche als auch methodisch innovative linguistische Disziplin“ (Hausendorf, 2001, p. 971).1

Die der ethnomethodologischen Konversationsanalyse verpflichteten Forscher:innen untersuchen Gespräche in verschiedenen Kontexten. Seit den 1980er-Jahren wurde die medizinische Kommunikation im deutschsprachigen Raum zu einem durch eine rege Forschungstätigkeit gekennzeichneten Gegenstandsbereich (vgl. u. v. a. Ehlich et al., 1990; Löning, 1981, 1985; Löning & Rehbein, 1993; Spranz-Fogasy, 1987).

Die Konversationsanalyse wurde zu einem bedeutsamen Zweig der Linguistik. Von Anfang an verzichtete sie auf eine „allgemeine explizite Methodik“ (Kallmeyer, 2005, p. 1215). In konversationsanalytischen Untersuchungen wird datengeleitet vorgegangen. Das Ziel der analytischen Arbeit besteht darin, bestimmte Mechanismen und Prinzipien anhand von authentischen Gesprächen sichtbar zu machen und nicht umgekehrt von bereits vorgegebenen Kategorien auf das Datenmaterial auszugehen (vgl. Gülich & Mondada, 2008). Deppermann (2008) beschreibt das Ziel folgendermassen:

[Die Gesprächsanalyse] will wissen, wie Menschen Gespräche führen [Hervorhebung im Original]. Sie untersucht, nach welchen Prinzipien und mit welchen sprachlichen und anderen kommunikativen Ressourcen Menschen ihren Austausch gestalten und dabei die Wirklichkeit, in der sie leben, herstellen. Deppermann (2008, p. 9)

Aus gesprächsanalytischer Perspektive geht es um die Beobachtung, wie sich die Beteiligten interaktiv aufeinander beziehen und das fortlaufende Gespräch koordinieren. Die Gesprächsanalyse begreift Gespräche als interaktiven und sequenziell organisierten Prozess. Die Gespräche finden in einer zeitlichen Abfolge statt. Jede Äusserung bezieht sich auf die vorhergehende. Die interaktiven Prozesse finden zwischen allen an der Interaktion Beteiligten statt:

Das in den Mittelpunkt gerückte System des Zug-um-Zug kann dabei als ein originär interaktives Ordnungsprinzip gelten [Hervorhebung im Original], insofern es auf Organisationsaufgaben aufmerksam macht, die mit der Interaktion zwischen Beteiligten anfallen und gelöst werden müssen; insofern es auf einen Abstimmungs- und Koordinationsbedarf hinweist, der allein daraus resultiert, dass im Gespräch nicht alle zur gleichen Zeit reden können und von daher Mechanismen der Sprecherwahl, d. h. Mechanismen der Etablierung von Anschlussfähigkeiten für nächste Sprecher, einsetzen müssen. (Hausendorf, 2004, p. 9)

Die Sequenzialität ist eine grundlegende Eigenschaft des Gesprächs, die mit der Frage „what’s next?“ in Schegloff/Sacks (1973) die Reihenfolge im Blick hat (vgl. auch Hausendorf, 2007b). Ein Turn ist für nachfolgende Turns bestimmend. Am engsten ist die Verknüpfung bei den so genannten Paarsequenzen („adjacency pairs“):

Hierbei handelt es sich um zwei paarweise aneinander gekoppelte, von zwei verschiedenen Sprecher:innen produzierte Äusserungen, von denen – wie etwa bei der Frage-Antwort-Sequenz oder bei der Paarsequenz der Begrüssung – die Realisierung der ersten eine normative Erwartung im Hinblick auf die unmittelbar nachfolgende Realisierung einer dem initiierten Paarsequenztypus adäquaten zweiten Äusserung erzeugt. (Bergmann, 1981, p. 27; vgl. auch Sacks et al., 1974)

Aus der Sequenzialität „[…] ergibt sich ein wichtiges […] Prinzip, nämlich das der „lokalen Kohärenz“ (Gülich & Mondada, 2008, p. 49) [Hervorhebung GH]:

Es besagt, dass Äußerungen sich normalerweise auf das beziehen, was ihnen im Gespräch unmittelbar vorausgeht. Wenn dieses Prinzip an einer Stelle im Gespräch nicht gelten, d. h. ein Beitrag nicht entsprechend der zeitlich-linearen Abfolge verstanden werden soll, verwenden die Gesprächsteilnehmer bestimmte Verfahren, um sequenzielle Diskontinuität zu markieren, z. B. Ausdrücke wie d’ailleurs oder metadiskursive Äusserungen wie à propos oder justement oder pour en revenir à ce dont nous parlions. [Hervorhebung im Original] (Gülich & Mondada, 2008, p. 49)

Kohärenz ist eine komplexe Eigenschaft, die in der vorliegenden Arbeit auf den Aspekt des wechselseitigen Verstehens im Gespräch fokussiert. Es geht um den Zusammenhang, der durch eine kohärente Folge von Redebeiträgen der Beteiligten entsteht. „Kohärenz“ bedeutet auch, dass die Interaktion in eine von den Beteiligten erwartete Richtung geht und eine entsprechende Reaktion auslöst (mehr zu Kohärenzbedingungen z. B. bei Brinker, 1997, p. 27 ff.). Kohärenzstiftend sind u. a. Kohäsionsmittel. Sie unterstützen die logischsemantische Beziehung in der Interaktion.

Ein mit der Interaktivität und der Sequenzialität verknüpfter Mechanismus ist der Sprecherwechsel oder das turn-taking (vgl. die grundlegende Studie von Sacks/Schegloff/Jefferson, 1974). Die an einem Gespräch Beteiligten wechseln sich beim Sprechen ab. Ein Redezug oder Gesprächsbeitrag dauert so lange, bis ein/e andere/r Sprecher:in einen neuen Redezug beginnt. Die Länge eines Redezugs ist sehr unterschiedlich. Entweder beendet eine/r der Beteiligten den Redezug (Turn) und der/die nächste Sprecher:in übernimmt das Rederecht oder eine/r der Beteiligten ergreift das Wort an „sogenannten redeübergaberelevanten Stellen (transition relevance places, TRP)“ (Gülich & Mondada, 2008, p. 39). Der Sprecherwechsel kann aber auch an anderen Stellen erfolgen (vgl. u. a. Egbert, 2009, p. 39; Schegloff, 2000). Er kann in gegenseitigem Einverständnis stattfinden, aber er gestaltet sich keineswegs immer reibungslos. Egbert (2009) weist auf einen engen Zusammenhang zwischen dem Sprecherwechsel und der Entstehung von Problemquellen hin. Die Lösung eines Problems wird entweder von den Sprecher:innen des eben abgeschlossenen Redezugs selbst initiiert oder von den Sprecher:innen, die den Turn übernehmen. (Egbert, 2009, p. 42) An einem Gespräch können zwei Menschen oder mehr Menschen beteiligt sein. In der vorliegenden Studie geht es um Gespräche, bei der drei Personen anwesend sind. Man spricht von Mehrparteiengesprächen oder triadischer Kommunikation.2

Unabhängig davon, ob zwei, drei oder mehr Parteien an einem Gespräch beteiligt sind, können Verstehensprobleme zum Beispiel durch mangelnde Kohärenz entstehen, wenn ein Wort oder ein Verknüpfungsmittel fehlt (Rickheit & Schade, 2001, p. 282). Die Verständigung kann auch misslingen, wenn mehrere Beteiligte überlappend sprechen. Es kann sich dabei um eine Fehleinschätzung handeln, zum Beispiel wenn Redezüge als beendet gesehen werden, etwa bei (längeren) Sprechpausen. In anderen Gesprächssituationen entstehen Überlappungen durch ein kompetitives Verhalten, das als Unterbrechung empfunden werden kann (vgl. Goodwin & Goodwin, 1992). Überlappte Anteile können wiederholt werden, damit sie doch noch gehört werden (vgl. Egbert, 2009, p. 79).

Auffälligkeiten in der Interaktion ergeben sich nicht nur durch mangelnde Kohärenz oder durch Überlappungen, sondern zum Beispiel auch durch Design-Aktivitäten. Dabei beziehen sich die Sprecher:innen bei der Textproduktion auf die vorangegangenen Redebeiträge und orientieren sich an den Adressat:innen, d. h. sie gestalten ihre Beiträge so, dass sie auf die Adressat:innen zugeschnitten sind. Hinter ihren Redebeiträgen sind Überlegungen, mit welchen Äusserungen sie zum Beispiel auf Zustimmung stossen oder ein bestimmtes Ziel erreichen können. Dabei bleiben die Einschätzungen aber diejenigen der Sprecher:innen selbst. Ein auf solchen strategischen Überlegungen basierendes Konzept ist das recipient design. Dieses Konzept geht auf Sacks, Schegloff und Jefferson zurück; in Sacks/Schegloff/Jefferson (1974) wurde es folgendermassen beschrieben:

By ‚recipient design‘ we refer to a multitude of respects in which the talk by a party in a conversation is constructed or designed in ways which display an orientation and sensitivity to the particular other(s) who are the co-participants. (Sacks et al., 1974, p. 727)

Das recipient design besagt also, dass die Beteiligten ihre Redebeiträge auf die Adressat: innen zuschneiden.3 Gemäss dem recipient design orientieren sich Sprecher:innen an den „kognitiven Voraussetzungen“, die sie selbst den Adressat:innen zuschreiben (Hitzler, 2013, p. 110). Dabei handelt es sich nicht um „gesicherte“ Zuschreibungen, sondern um Annahmen über den Wissensstand, über Ansichten, Erwartungen oder über wahrscheinliche Reaktionen ihrer Adressat:innen (vgl. z. B. Deppermann, 2015, p. 343; Deppermann & Blühdorn, 2013, p. 8).4 Der Grundgedanke besteht darin, dass die Sprecher:innen ihre Äusserungen nach ihren eigenen Einschätzungen an die Erwartungen der Rezipient:innen anpassen. Diese Annahmen sind nicht statisch, sondern sie werden im Laufe der Interaktion aktualisiert (Deppermann & Blühdorn, 2013, p. 8). Die Adressat:innen können die von den Sprecher:innen getroffenen Annahmen ratifizieren oder neu aushandeln (Hitzler, 2013, p. 113).

In den folgenden Unterkapiteln werden der Standard der Videoaufzeichnungen, Aspekte der Räumlichkeit, die Bedeutung der multimodalen Ressourcen sowie Besonderheiten in der Ärzt:innen-Patient:innen-Kommunikation diskutiert.

2.1Die Videoaufzeichnung von authentischen Gesprächen

In den Anfängen der Konversationsanalyse wurden Telefongespräche analysiert, die auf Tonbandgeräte aufgenommen wurden (vgl. Schegloff & Sacks, 1973). Gesprächsanalytisches Arbeiten beschränkte sich auf das Verbale, bevor die körperlichen Ressourcen einbezogen wurden, wie Holly (2008) in seinem Kommentar zu Schmitts (2007b) Sammelband „Koordination. Analysen zur multimodalen Interaktion“ schreibt (Holly, 2008, p. 277). Bedenken, die Interaktionen könnten durch Beobachtungen verändert werden, mögen den Einsatz von Videokameras zunächst eingeschränkt haben. Labov (1972), einer der Gründerväter der Soziolinguistik, sah in der Beeinflussung des Verhaltens der Sprecher: innen durch Videoaufnahmen ein besonderes Problem. Er vertrat die Ansicht, dass Sprecher:innen sich anders verhalten, wenn sie beobachtet werden: „To obtain the data most important for linguistic theory, we have to observe how people speak when they are not being observed.“ (Labov, 1972, p. 113) Mit dem „Beobachterparadoxon“ zog er den Wert der empirischen Forschung in Zweifel. Deppermann (2008) argumentiert mit dem Aspekt der Gewöhnung gegen das Beobachterparadoxon, wonach die Befangenheit der am Gespräch Beteiligten „bereits nach einigen Minuten rapide abnimmt“ (2008, p. 25). Tuma et al. (2013) bestätigen diese Ansicht. Die heutige Forschungspraxis zeigt, „[…] dass Menschen, die […] miteinander interagieren, die Kamera sehr bald nicht mehr beachten.“ (Tuma et al., 2013, p. 13) Die technische Entwicklung, u. a. die Handlichkeit von Videokameras, und vor allem das Interesse der Linguist:innen an den körperlichen Ausdrucksweisen führten schliesslich zur Erweiterung des Untersuchungsfokus um multimodale und paraverbale Anteile.5

Videoaufzeichnungen von authentischen Gesprächen werden den Audiodaten vorgezogen, da die räumlichen Bedingungen sowie die körperlichen Ressourcen bei der Kommunikation eine zentrale Rolle spielen und so auch mit analysiert werden können (vgl. z. B. Mondada & Schmitt, 2010a). Zur detailgetreuen Erforschung von Interaktionen sind Videoaufzeichnungen das geeignetste Mittel.

Videoanalysen werden in verschiedenen Forschungsfeldern genutzt, u. a. bei Ärzt:innen-Patient:innen-Gesprächen. Voraussetzung ist das Einverständnis der Beteiligten (für den vorliegenden Kontext wird in Kapitel 4.1.1 ausführlicher darauf eingegangen).

Durch den Zugriff auf Videodaten werden etwa Aspekte wie die Räumlichkeit und die Positionierung der Beteiligten im Raum, die multimodalen Handlungen wie das Blickverhalten, die Körperorientierung, die Gestik sowie die Kooperation in der Interaktion und die Adressat:innenwahl zu beobachtbaren relevanten Merkmalen (Hausendorf et al., 2012).

In Mehrparteiengesprächen können Redebeiträge anhand der Videoaufzeichnungen leichter zugeordnet werden.

2.2Aspekte der Räumlichkeit

Die Videoaufzeichnungen geben neben dem Einblick in den genauen Gesprächsverlauf Aufschluss über den räumlichen Rahmen sowie über die Positionierung: „Face-to-face-Interaktion ist ein unumgänglich räumliches Ereignis, und die Strukturen gegebener Räumlichkeit wirken über unterschiedlichste Implikationen auf die Interaktion ein.“ (Deppermann & Schmitt, 2007, p. 24)

Die Räume, die für Ärzt:innen-Patient:innen-Gespräche genutzt werden, sind „Sprechzimmer“. Mit dieser Bezeichnung wird auf die Aufgabe des Sprechens hingewiesen. Die „Sprechzimmer“, Behandlungsräume oder Therapieräume sind nicht privat, aber der Zutritt ist lediglich mit dem Einverständnis der Vertreter:innen der medizinischen Institutionen gestattet. Die Expert:innen beziehungsweise die Institutionen entscheiden über die Nutzung der Einrichtung, der Instrumente und der sonstigen Gegenstände. Bereits durch die räumlichen Verhältnisse und die Möblierung wird die Asymmetrie der an der Interaktion Beteiligten sichtbar. Die Ausstattung des Raums weist auf die unterschiedlichen Rollen der Expert:innen und der Patient:innen sowie auf die Gesprächsverantwortung der Expert: innen hin. Es ist eindeutig, wo die Expert:innen sitzen. Ihr Bürostuhl steht beim Schreibtisch und sollte auch für längeres Sitzen bequem sein. Falls es ein Drehstuhl ist, können sich die Expert:innen den Patient:innen fallweise zuwenden, um Fragen zu stellen, Erklärungen abzugeben, oder sich von ihnen abwenden, um im Computer Daten abzurufen, die Krankengeschichte nachzuführen und Rezepte auszustellen. Ihre Aufmerksamkeit ist bei fliessender Interaktion abwechslungsweise auf die Patient:innen, auf die Schreibarbeit oder auf die Arbeit am Computer gerichtet. Bei Heath (1984) finden sich folgende Beobachtungen:

[…] as well as conversing with the patient, the doctor engages in a myriad of other activities in the patient’s presence including – conducting physical examinations, reading and writing the medical record cards, issuing prescriptions, sick notes and the like. These concerns may be dealt with in distinct phases of the consultation, though it is frequently the case that they are conducted alongside the flow of talk between the patient and the doctor. (Heath, 1984, p. 312)

Im Sinne eines genormten „Ensembles“ (vgl. Hausendorf & Schmitt, 2013) sind in einem Sprechzimmer auf dem Schreibtisch ein Computer, ein Telefon, Schreibutensilien, die für die Konsultation wesentlichen Patient:innen-Akten und allenfalls Persönliches der Expert: innen wie Fotos oder Erinnerungsstücke zu finden. In die Einheit „Tisch und Stuhl“ kann eine Hängeregistratur integriert sein. Die übrige Einrichtung ist den entsprechenden Konsultationszwecken angepasst, zum Beispiel mit einer Liege für körperliche Untersuchungen.

Die Patient:innen bleiben lediglich für die beschränkte Zeit der vereinbarten Konsultation im Sprechzimmer, die Sitzgelegenheit muss daher nicht zum Verweilen einladen. Die Sitzgelegenheiten sind so positioniert, dass die Patient:innen den Expert:innen gegenüber sitzen oder an einem Tisch übereck. Die Möblierung im Raum ist grundsätzlich so organisiert, dass der Sichtkontakt gewährleistet ist (zur Positionierung der Dolmetscher: innen siehe Kap. 3.5.2).

Die Sitzposition, der Bezug zum Raum sowie der Bezug der Beteiligten zueinander spielen in der Face-to-face-Kommunikation eine wesentliche Rolle (vgl. Hausendorf et al., 2012; Hausendorf & Schmitt, 2018). Die Plätze, die von den Beteiligten eingenommen werden, weisen auf die soziale Ordnung hin:

Die Einnahme bestimmter Plätze im Raum durch Beteiligte im Kontext spezifischer Handlungszusammenhänge ist ein zentraler Bestandteil sozialer Interaktion, bei der die räumliche Positionierung in höchst anschaulicher Weise zum Indikator für die soziale Positionierung der Beteiligten wird. In dieser Verschränkung sozial-räumlicher Positionierung zeigt sich in exemplarischer Weise die Relevanz, die die Analyse des Raumes für die Analyse gerade auch der sprachlichen Interaktion besitzt. (Hausendorf & Schmitt, 2018, p. 96)

2.3Multimodale Interaktion und Koordination

Die Analyse des multimodalen Handelns der Beteiligten erfordert Videodaten als Datengrundlage. Sie ermöglichen die Beobachtung der körperlichen Resssourcen und erlauben es, die verbalen Äusserungen im Zusammenspiel mit handlungsbegleitenden multimodalen Anteilen aller Beteiligten genau zu verfolgen: „Durch Aufnahme und Transkription der Interaktionen bleiben der Prozess und die Details für die Analyse erhalten […]“ (Deppermann, 2008, p. 106; vgl. auch Mondada & Schmitt, 2010b).

Die multimodale Analyse der Interaktionen folgt dem gesprächsanalytischen Grundsatz, transkribierte Videoaufnahmen von authentischen Gesprächen möglichst unvoreingenommen zu beobachten. Mit Multimodalität werden in der Gesprächsforschung verschiedene Ressourcen bezeichnet. Die Veränderungen der Körperhaltung, die Kopfbewegungen, die Körperzuwendung, das Blickverhalten sowie die Gesten werden visuell wahrgenommen (vgl. Schmitt, 2007b; Spranz-Fogasy & Becker, 2015, p. 96; Stukenbrock, 2008, 2015).

An der multimodalen Kommunikation sind verschiedene Körperregionen beteiligt:

Insbesondere sind dies das Gesicht, die Augen, der Kopf, die Arme, die Hände und die Beine