GEFÄHRLICHE KURVEN FÜR CALLAGHAN - Peter Cheyney - E-Book

GEFÄHRLICHE KURVEN FÜR CALLAGHAN E-Book

Peter Cheyney

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Slim Callaghan benutzt selten konventionelle Methoden, um einen Fall zu klären. Aber die Art, mit der er den jungen Riverton - in Londoner Gangster-Kreisen "der Gimpel" genannt - sucht, ist einmalig. Slim findet bald heraus: Es ist Raffano, der sich damit beschäftigt, dem Gimpel den größten Teil des Familienvermögens beim Spiel abzunehmen. Aber noch ehe er sich Raffano vorknöpfen kann, ist dieser tot, und der Gimpel liegt mit einem Lungenschuss neben seiner Leiche... Der Roman GEFÄHRLICHE KURVEN FÜR CALLAGHAN von Lemmy-Caution-Erfinder Peter Cheyney (* 22. Februar 1896; † 26. Juni 1951) erschien erstmals im Jahr 1939; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1972. Der Verlag DER ROMANKIOSK veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Hard-Boiled-Klassikers in seiner Reihe DIE MITTERNACHTSKRIMIS.

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PETER CHEYNEY

 

 

Gefährliche Kurven

für Callaghan

 

Roman

 

 

 

 

Die Mitternachtskrimis, Band 5

 

 

Der Romankiosk

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

  

GEFÄHRLICHE KURVEN FÜR CALLAGHAN 

1. Eine Schiebung 

2. Zu Damen muss man nett sein 

3. Die Fahrkarte 

4. Adieu, Jake! 

5. Ein Ruhetag 

6. Horker packt aus 

7. Eine Frau im Kreuzverhör 

8. Gute Arbeit 

9. Ein ganzer Mischmasch 

10. Gespräch mit Vorbehalten 

11. Henny tritt auf - Henny geht ab 

12. Die Dame hat Verstand 

13. Unterhaltung unter Freunden 

14. Na, Sie werden sich wundern 

 

 

Das Buch

 

Slim Callaghan benutzt selten konventionelle Methoden, um einen Fall zu klären. Aber die Art, mit der er den jungen Riverton - in Londoner Gangster-Kreisen »der Gimpel« genannt - sucht, ist einmalig. Slim findet bald heraus: Es ist Raffano, der sich damit beschäftigt, dem Gimpel den größten Teil des Familienvermögens beim Spiel abzunehmen.

Aber noch ehe er sich Raffano vorknöpfen kann, ist dieser tot, und der Gimpel liegt mit einem Lungenschuss neben seiner Leiche...

 

Der Roman Gefährliche Kurven für Callaghan von Lemmy-Caution-Erfinder Peter Cheyney (* 22. Februar 1896; † 26. Juni 1951) erschien erstmals im Jahr 1939; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1972.  

Der Verlag DER ROMANKIOSK veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Hard-Boiled-Klassikers in seiner Reihe DIE MITTERNACHTSKRIMIS.

   GEFÄHRLICHE KURVEN FÜR CALLAGHAN

 

 

 

 

 

 

  1. Eine Schiebung

 

 

Callaghan erwachte und blickte auf die Zimmerdecke. Seine Lippen waren trocken, und seine Zunge fühlte sich an wie ein Plüschsofa. Er sah auf seine Armbanduhr. Es war acht.

Er stand auf, um ins Badezimmer zu gehen, als das Telefon klingelte. Es war Effie Thompson. Er knurrte in die Sprechmuschel. »Schon gut«, sagte sie abweisend. »Verzeihen Sie; dass ich Sie störe, aber haben Sie die Absicht, überhaupt noch jemals ins Büro zu kommen? Hier ist immerhin einiges los.«

Callaghan fuhr sich mit seiner pelzigen Zunge über die trockenen Lippen. »Hab' ich gestern einen Zacken gehabt!«, sagte er. »Mir ist scheußlich übel. Was ist denn bei Ihnen los?«

»Der Fall Riverton ist los«, antwortete sie. »Wenn Sie diese Kundschaft behalten wollen, dann sollten Sie zusehen, dass endlich was geschieht. Ich meine...«

»Ich hab' Sie nicht um Ihren Rat gebeten«, bellte Callaghan.

»Sehr wohl, Sir«, antwortete Effies kühle Stimme und betonte das Sir. »Ich möchte Ihnen die Einzelheiten erzählen. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie seit zwei Tagen nicht hier waren. Auf Ihrem Schreibtisch liegt ein Haufen Briefe. Es wird Sie eine Woche kosten, die alle zu beantworten. Aber das ist nicht alles. Man hat achtmal aus dem Schloss angerufen. Ich glaube, der Oberst ärgert sich schon ein bisschen über das Detektivbüro Callaghan. Und dann ist hier ein Brief von Selby, Raukes und White, den Anwälten Rivertons. Soll ich Ihnen den vorlesen?«

»Nein, danke«, sagte Callaghan. »Ich komme gleich runter.«

Das Telefon klingelte im Schlafzimmer. Callaghan war noch nass. Mit einem Fluch nahm er den Hörer auf, aber als er den kanadischen Akzent hörte, beruhigte er sich. Es war Kells.

»Hallo, Slim«, sagte Kells. »Ich hab' das Frauenzimmer. Sie heißt Azelda Dixon, und man nennt sie Hüftenschwingerin. Und bei Gott, sie schwingt sie!«

Callaghan grinste. »Gut gearbeitet, Monty«, sagte er. »Erzählt sie was?«

»Keinen Ton«, sagte Monty. »Sie ist so schweigsam wie ein Grab. Ich weiß nicht einmal, wo sie wohnt. Aber ich seh' sie wieder. Vielleicht fällt sie dann auf meine männliche Schönheit rein und packt aus. Wenn nicht, dann muss ich mir was anderes ausdenken. »In Ordnung, Monty«, sagte Callaghan. »Hör zu, ich geh' heute Abend zu Martinella rüber. Ich will den Kampf sehen. Nachher bin ich bei Perruqui. Effie sagt, vom Schloss hat man den ganzen Tag lang angerufen. Die regen sich über irgendwas auf. Vielleicht glauben sie, ich tue nicht genug für ihre hundert Pfund in der Woche. Sieht aus, als müssten wir mal ein bisschen Schwung in die Sache bringen.«

»So was hab' ich gern«, sagte Kells. »Was glauben die denn, was wir getan haben?«

Callaghan legte auf.

Er zog sich an, dann ging er in den Hausflur hinaus und klingelte nach dem Fahrstuhl. Callaghan war einen Meter achtundsiebzig groß; seine Schultern waren breit und fielen zu einer schlanken Taille und schmalen Hüften ab. Seine Arme waren lang; sein Gesicht war schmal und hatte hohe Wangenknochen, ein energisches Kinn, Ohren, die flach am Kopfe lagen. Seine Augen waren sonderbar blau, sein Haar schwarz und störrisch, und Frauen gefiel die Form seines Mundes. Wenn man ihn ansah, erhielt man einen Eindruck von äußerster Unbarmherzigkeit und einem zynischen Humor.

Der Fahrstuhl kam herauf. Callaghan fuhr zwei Stockwerke tiefer, wo sein Büro war.

Effie Thompson stand am Aktenschrank im inneren Büro. Sie war mittelgroß und wohlgerundet. Ihr Haar war rot, ihre Augen grün. Ihre Kleider saßen an ihr, wie Kleider sitzen sollen. Sie sah gepflegt und tüchtig aus.

Callaghan setzte sich an seinen großen Schreibtisch. Er öffnete den Brief von Selby, Raukes und White. Plötzlich sagte er: »Ist Kells hier gewesen?«

Sie nickte. »Er war heute früh hier, und ich wollte, er könnte seine Hände bei sich behalten!«

Callaghan grinste. Seine Augen leuchteten in koboldhaftem Humor auf.

»Also hat er Sie wieder gekniffen?«, sagte er. »Es ist komisch, aber Frauen scheinen immer von den falschen Männern gekniffen zu werden, was?«

Sie errötete und ging in ihr Büro zurück. Callaghan las den Brief. 

 

 

Selby, Raukes & White, Anwälte 478 Lincoln's Inn Fields, W. C. 

 

Sehr geehrter Mr. Callaghan,

Oberst Riverton, der zu unserem Bedauern jetzt ernsthaft erkrankt ist, hat uns beauftragt, Ihnen wiederum in der Angelegenheit seines Sohnes, Mr. Wilfred Eustace Riverton, zu schreiben.

Es sind jetzt acht Wochen vergangen, seit Sie gebeten wurden, unserem Klienten ausführliche Auskünfte über den Aufenthalt seines Sohnes, dessen Lebensweise, die Namen seiner unmittelbaren Umgebung und, wenn möglich, bestimmte Angaben darüber zu verschaffen, wohin die großen Geldbeträge gegangen sind, die Mr. Wilfred Riverton ausgegeben oder verloren hat.

Wir hoffen, dass Sie imstande sein werden, uns innerhalb weniger Tage zu berichten, und wir möchten Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass Ihr Honorar von £ 100 in der Woche unserer Ansicht nach großzügig ist und es Ihnen ermöglichen sollte, in dieser Angelegenheit schneller vorwärtszukommen, als es bis zu dem Augenblick, da dieser Brief geschrieben wird, den Anschein hatte.

Hochachtungsvoll

ppa. Selby, Raukes & White

T. J. Selby

 

Callaghan fluchte leise. Er klingelte. Effie Thompson kam mit aufgeschlagenem Stenogrammblock herein.

»Schreiben Sie diesen Leuten. Bestätigen Sie ihnen den Empfang dieses Briefes, und sagen Sie ihnen, wenn ihnen die Art nicht gefällt, in der ich meine Fälle bearbeite, dann können sie zu jemand anders gehen. Unterschreiben Sie für mich.«

Er warf ihr den Brief über den Schreibtisch zu. Sie hob ihn auf.

»Sie sollten heute Abend mit Juanita speisen«, sagte sie steif. »Tun Sie's, oder muss ich wie gewöhnlich abtelefonieren?«

»Sie schreiben den Brief und gehen nach Hause«, sagte er. »Das Telefonieren besorge ich selbst.«

»Mrs. Riverton hat um sechs Uhr angerufen«, sagte sie. »Sie scheint zu glauben, dass wir alle schlafen. Sie ist in der Stadt. Sie wohnt im Hotel Chartres. Um elf Uhr wird sie wieder dort sein. Sie will, dass Sie sie um elf Uhr fünfzehn anrufen.»

»Gute Nacht, Effie«, sagte er.

Er stand auf, drehte das Licht ab, ging durch das mittlere und äußere Büro, in denen noch die Lichter brannten und versperrte die Eingangstür. Der Fahrstuhl brachte ihn ins Erdgeschoss. Er wartete, bis ein Taxi vom Standplatz auf dem Berkeley Square erschien. Er hielt es an.

»Fahren Sie zu Martinella«, sagte er dem Fahrer, »und geben Sie ordentlich Gas!«

 

Callaghan stand am Ende des langen, geweißten Ganges, der vom Eingang wegführte, und sah sich in Joe Martineilas Lokal um. Eine Wolke Zigarettenrauch hing über dem Ring in der Luft. Die Sitzreihen, die auf Stufen hinter den sechs Reihen der Ringsitze emporstiegen, waren gedrängt voll.

Callaghan ging durch den engen Zwischengang. Er legte seinen schwarzen Filzhut auf einen Ringsitz in der zweiten Reihe. Dann ging er um den Ring herum zu Joe Martineilas Privatbüro.

Der Raum war klein. Er roch nach schalem Tabakrauch, Massageöl und Schweiß. An der Bar lehnte Gill Charleston und sprach mit Joe, ein paar Buchmachern und Berufsspielern.

Charleston blickte auf und sah Callaghan. Er lächelte, und seine Augen blitzten auf. Callaghan blinzelte ihm auffällig zu. Dann ging er hinaus und wartete hinter der Tür im Gang. Charleston kam heraus.

»Na, Sie alter Pferdedieb«, sagte er freundlich. »Hinter wem sind Sie diesmal her?«

»Gill«, sagte Callaghan, »ich stecke in einer Zwickmühle, und ich will meine Karten auf den Tisch legen. Vielleicht können Sie mir helfen. Es geht um Wilfred Riverton - den Gimpel.«

Charleston nickte. »Schießen Sie los, Slim«, sagte er.               

»Die Familie ist hinter mir her«, sagte Callaghan. »Der alte Mann - der Oberst - ist ziemlich krank und macht sich Sorgen. Ich bekomme einen Hunderter in der Woche, um herauszufinden, wohin sein Kleiner das Familienvermögen wirft, wer die Frauen sind oder - wenn keine Frauen im Spiel sind - wer den Roulettetisch oder was sonst hat, der den Gimpel vom Riverton-Geld trennt. Bis jetzt habe ich nicht gerade viel geleistet.«

Charleston nickte wieder. »Wie haben Sie daran gearbeitet?«

»Wir haben uns in den üblichen Saftläden rumgetrieben«, sagte Callaghan. »Ich glaube, wir sind in jeder vornehmen, mittelfeinen und schäbigen Spielhölle von London gewesen. Wir haben noch immer keine Spur. Wer den kleinen Wilfred an der Angel hält, der macht keinen großen Qualm.«

Charleston zündete sich eine Zigarette an. »Hören Sie mal, Slim«, sagte er leise. »Sie kennen mich. Ich spiele gern ein bisschen, und ich verdiene ein bisschen Geld. Aber ich möchte wirklich nicht in einen Schlamassel reinkommen, mit dem ich nicht fertig werde. Verstehen Sie?«    

Callaghan grinste. »Ich verstehe«, sagte er.

Charleston blickte sich um, sprach noch leiser.

»Raffano ist der Hauptmacher«, sagte er. »Er ist der Drahtzieher. Er ist ein Gauner, wie er im Buch steht, aber ihm geschieht nichts. Er hat irgendwo ein Boot, und ich habe gehört, dass dort ganz hübsch was an Geld liegenbleibt. Er ist halb Amerikaner und halb Italiener, und er ist ein ganz ausgekochter Bursche.«

»Danke schön, Gill«, sagte Callaghan. »Eines Tages werde ich Ihnen auch einen Gefallen tun.« Einen Augenblick lang schwieg er. Dann fragte er: »Wussten Sie, dass ich mich für den Gimpel interessiere?«

Charleston lachte. »Das weiß doch jeder«, sagte er. »Jedenfalls all die schlauen Kerle. Aber ich glaube, die haben alle was von dem Riverton-Gimpel gehabt, darum wollen sie Ihnen nichts verraten.« Er verstummte und sah auf das glühende Ende seiner Zigarette. »Sehen Sie, Slim«, sagte er dann, »Sie sagten, Sie wollten mir einen Gefallen tun...«

Callaghan sah ihn an und lächelte. »Ich werde alles für Sie tun, Gill«, sagte er freundlich. »Was gibt's denn?«

»Es handelt sich um Juanita«, sagte Charleston. »Ich bin ganz vernarrt in das Mädel. Ich würde viel für Juanita geben.«

Callaghan grinste. »Nun, und warum nicht, Gill?«, fragte er liebenswürdig.

»Warum nicht!«, wiederholte Charleston. »Das gefällt mir. Sie haben sie so fest am Haken, dass sie andere Leute überhaupt nicht ansieht. Ich habe alles versucht, was mir eingefallen ist, aber sie bleibt so kalt wie ein Eiszapfen. Der ist es lieber, auf Sie zu warten als sich von mir verwöhnen zu lassen.«    

»Glauben Sie das doch nicht«, sagte Callaghan. »Juanita ist ein gescheites Mädchen. Sie ist nicht wirklich in mich verliebt, sie bildet sich das bloß ein. Ich glaube, ein Bursche wie Sie wäre gerade das, was ihr gefällt. Ich werde mal mit ihr sprechen, Gill. Und vielen Dank für den Tip wegen Raffano.«

»Das ist der Mann, den Sie suchen«, sagte Charleston.

Callaghan nickte. »Er arbeitet auf die scharfe Tour?«, fragte er.

»Sehr scharf«, sagte Charleston. »Sehen Sie mal den großen Kampf heute Abend. Versuchen Sie mal, eine Wette auf den Neger zu legen, versuchen Sie's bloß mal. - Sie können's nicht. Niemand denkt dran, sie anzunehmen. Die haben schon vor drei Tagen alles Geld bei jedem Gimpel untergebracht, der es nehmen wollte - bevor Raffano den Kampf geschoben hat.«

Callaghan blickte auf. In seinen Augen lag ein seltsamer Glanz. »Es ist also eine Schiebung, Gill?«, sagte er.

Charleston nickte. »Lonney - der weiße Bursche - könnte den Neger abschlachten, wenn er wollte«, sagte er. »Aber man hat ihm gesagt, dass er sich in der dritten Runde hinlegen soll, und er wird's tun. Er wird's tun, weil er auf diese Weise einen Hunderter bekommt und noch mehr leichtverdientes Geld in der Zukunft. Das wissen auch alle schlauen Burschen.«

»Und ich vermute, dass der Gimpel auf Lonney gesetzt hat«, sagte Callaghan. »Und ich vermute, dass Raffano ihm einen wunderbaren Wettkurs geboten hat und dass der Gimpel glaubt, er hätte auf was Feines gesetzt.« Er lehnte sich gegen die Mauer. »Wo verkehrt dieser Raffano, Gill?«, fragte er.

Charleston zuckte die Achseln. »Der taucht nur selten auf«, sagte er. »Heute Abend ist er auch nicht hier. Ich glaube, er wohnt irgendwo auf dem Lande.«

Callaghan fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Aha...«, sagte er ruhig. »Er taucht nur auf, wenn was schiefgeht.« Er richtete sich auf. »Danke für die Auskunft.« Er grinste. »Das wegen Juanita werde ich nicht vergessen«, sagte er. »Ich werde sehen, ob ich sie für Sie interessieren kann. Wiedersehen, Gill.«

Callaghan ging ruhig zu der Tür am Ende des Korridors. Er öffnete sie so weit, dass er den Kopf durchstecken konnte. Auf der anderen Seite des Zimmers saß auf der Massagepritsche Lonney, der Boxer. Seine Hände waren schon bandagiert. Er blickte zu Boden. Callaghan ging in den Raum und schloss die Tür hinter sich.

»Hallo, Lonney«, sagte er. »Sie sehen nicht sehr glücklich aus.« Lonney blickte auf. »Mir fehlt nichts, Mr. Callaghan«, sagte er. »Wie geht's Ihnen?«

»Recht gut«, sagte Callaghan. Er beobachtete den Boxer. »Ich habe eine Zehnpfundnote in meiner Hüfttasche, die sagt, dass Sie diesen Nigger umbringen werden«, sagte er dann sanft.

Einen Augenblick lang herrschte Schweigen.

»Ich weiß nich', Mr. Callaghan. Mir is' gar nich' so wohl. Vielleicht bin ich ein bisschen übertrainiert.«

Callaghan grinste. »Quatsch!«, sagte er. Dann stellte er sich neben Lonney. Er sprach leise.

»Hören Sie mir mal zu, Lonney. Ich weiß alles von diesem Kampf. Er ist 'ne Schiebung. Sie bekommen hundert Pfund, damit Sie sich in der dritten Runde hinlegen. Sie bekommen sie, damit dieses kümmerliche Stinktier Raffano an diesem Kampf reich werden kann. Ich weiß, was ich sage. Sie können draußen keine drei Pence auf diesen Nigger setzen, weil jeder weiß, dass er gewinnt.« Callaghan setzte sich neben Lonney auf die Pritsche.

»Lonney«, sagte er. »Ich schlage Ihnen was vor. Sie steigen in den Ring und machen aus dem Neger Hackfleisch. Sie wissen, dass Sie's können. Sie kassieren den Siegeranteil der Börse. Das sind fünfzig Pfund. Und morgen sendet Ihnen mein Büro noch mal hundert Pfund. So kriegen Sie hundertfünfzig Pfund statt der hundert, die Raffano Ihnen geben wollte, und Sie gewinnen wieder einen Kampf. Sie steigen eine weitere Sprosse auf der Leiter zur Meisterschaft hinauf.«

Lonney blickte nach der Tür. Seine Augen verrieten seine Angst. »Das ist nicht so leicht«, sagte er. »Wenn das leicht war', dann war's schön und gut. Aber wenn ich ihn beschummel und gewinne - und ich kann diesen Kampf gewinnen -, was wird Raffano dann mit mir machen? Eines Nachts wird jemand mit einem Rasiermesser auf mich warten. Und ich hab' mein Gesicht lieber in einem Stück.«

Callaghan lächelte. »Darüber würde ich mir keine Sorgen machen, Lonney«, sagte er. »Ich bin hinter Raffano her. Sie können machen, was Sie wollen. Sie können rausgehen und sich in der dritten Runde hinlegen und die hundert Pfund bekommen, die er Ihnen versprochen hat. In diesem Falle haben Sie mich für den Rest Ihres Lebens auf dem Halse. Oder Sie können rausgehen und den Neger umbringen. In diesem Falle wird niemand mit einem Rasiermesser auf Sie losgehen, weder jetzt noch später. Und das ist ein Versprechen.«

Callaghan stand auf. »Nun?«, fragte er.

Der Boxer hob seine bandagierten Hände und legte sie hinter dem Kopf zusammen. Seine Schultern und seine Brustmuskeln traten hervor.

»Gut, Mr. Callaghan«, sagte er. »Ich gewinn' diesen Kampf. Ich verlass mich auf Sie, aber ich will keine Schwierigkeiten.«

Callaghan lächelte. »Das ist fein, Lonney«, sagte er. »Ihnen wird nichts geschehen.«

Callaghan kam rechtzeitig zu seinem Sitz zurück, um das Ende der Vorkämpfe zu sehen. Vor ihm saßen drei Männer im Smoking rauchten Zigaretten und erzählten einander schmutzige Witze. Callaghan klopfte einem davon auf die Schulter.

»Ist was mit einer Wette auf den großen Kampf zu machen?«, fragte er.

Sie sahen einander an. Der eine, dessen aufgeweichter Kragen ihn zu erwürgen schien, sah die beiden anderen grinsend an, bevor er sich umdrehte.

»Wer will auf diesen Kampf wetten?«, fragte er. »Der schwarze Junge wird Lonney fertigmachen. Lonney ist nicht in der gleichen Klasse.«

»Was Sie nicht sagen«, sagte Callaghan. »Nun, ich bin anderer Meinung.«

Die drei sahen einander wieder an. Einer von ihnen sagte: »Wollen Sie auf Lonney setzen, Callaghan?«

Callaghan dachte einen Augenblick lang nach. »Nun, warum nicht?«, sagte er schließlich. »Wenn der Kurs gut ist.«

Er bemerkte ein fast unsichtbares Zwinkern zwischen den dreien. »Der Kurs ist schon gut«, sagte der Mann. »Ich leg' Ihnen drei zu eins, sooft Sie wollen.«

Callaghan grinste. »Schön«, sagte er. »Ich nehme von Ihnen dreihundert Pfund gegen hundert, und wenn ich gewinne, will ich mein Geld gleich nach dem Kampf.«

Callaghan griff nach seiner Hüfttasche. Er zog ein Portefeuille hervor und nahm zehn Zehnpfundscheine heraus.

 

Fünf Minuten, nachdem Lonney den Neger in der zweiten Runde niedergeschlagen hatte, stand Callaghan im Gang, der zur Garderobe führte. Er zündete eine Zigarette an, lehnte sich an die Mauer und wartete. Als der Mann, mit dem er gewettet hatte, in den Korridor kam, richtete er sich auf. Er stellte sich in die Mitte des Korridors. »Ich bekomme vierhundert Pfund von Ihnen«, sagte er. Der Mann griff in die Tasche. Er zog die dicke Brieftasche hervor und gab Callaghan das Geld. Callaghan stand immer noch mitten im Durchgang.

Der Mann lächelte. »Sie haben recht schön gewonnen, Callaghan«, sagte er. »Ich hoffe, Sie haben was von dem Geld. Und Sie könnten mir jetzt aus dem Weg gehen. Ich möchte ein paar Worte mit Lonney sprechen.«

Callaghan bewegte sich nicht. »Hören Sie«, sagte er. »Sie scheinen mir ein intelligenter Bursche zu sein. Ich will Ihnen einen Rat geben. Gehen Sie nach Hause. Sie wollen gar nicht mit Lonney sprechen. Sie bilden sich das bloß ein.«

Der Mann sagte nichts. Hinter ihm kamen die beiden anderen die Treppe herunter. Callaghan sprach ein wenig lauter. »Jemand sollte Raffano erzählen, dass manche Leute ihm langsam auf seine Schliche kommen. Wirklich Pech für ihn, dass Lonney beschlossen hat, den Kampf zu gewinnen. Es sieht so aus, als müsste Raffano dem Riverton-Gimpel ausnahmsweise Geld bezahlen. Das wird für ihn ein hübsches Erlebnis sein.«

»Sie haben 'ne hohe Meinung von sich, nicht wahr, Callaghan?«, sagte der Mann. »Na schön, Sie haben einen netten Gewinn eingesteckt. Aber warten Sie bloß, bis wir mit Ihnen fertig sind.«- Callaghan grinste. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit hob er die rechte Hand und schlug sie wie einen Vorschlaghammer ins Gesicht des Mannes. Dieser fiel um wie ein Klotz. Callaghan grinste immer noch.

»Jetzt fangt bloß was an«, sagte er zu den beiden anderen, »und in etwa einer halben Stunde habe ich eure ganze verdammte Bande dort, wo ich euch haben will. Noch etwas. Vielleicht möchte dieser aufgeblasene Raffano sich ein bisschen mit mir unterhalten. Ich glaube, er bevorzugt den Parlour-Club. Ich gehe jetzt hin. Gute Nacht, Jungs!«

 

 

 

 

  2. Zu Damen muss man nett sein

 

 

Es war zehn Uhr vierzig.

Callaghan verließ sein Taxi in der Regent Street und ging zu Fuß zum Parlour-Club.

Raffano saß an einem kleinen Tisch in einer Nische am Ende des Raumes. Er war allein.

Callaghan bestellte einen doppelten Whisky, bezahlte ihn, nahm das Glas und ging zu der Nische. Er setzte sich.

Raffano lachte leise. Er war ein kleiner, untersetzter Mann mit pechschwarzem Haar, buschigen Augenbrauen und einem freundlichen Gesicht. Sein Anzug war tadellos, aber er trug zu viel Schmuck. Er war sehr intelligent.

»Callaghan«, sagte er, »ich glaube, ich mag Sie. Als die Jungs mir erzählten, wie Sie mich bei dem Kampf bei Martinella reingelegt haben, da hab' ich die komische Seite gesehen. Ich finde, Sie sind wirklich gerissen.«

Callaghan trank seinen Whisky.« Hören Sie, Raffano«, sagte er. »Täuschen Sie sich nicht in mir. Ich will keinen Krach, und ich werde keinen Krach bekommen.«

Raffano zog eine Augenbraue hoch. »Nein?«, sagte er freundlich. »Nein«, sagte Callaghan. Er beugte sich über den Tisch, und sein Gesicht zeigte jenen besonders aufrichtigen Ausdruck, den er unweigerlich auf setzte, wenn er log. »Ich gebe Ihnen einen guten Rat, Jake«, sagte er, »und wenn Sie der Bursche sind, für den ich Sie halte, dann nehmen Sie ihn an.«

»Schon gut«, sagte Raffano. »Ich höre.«

Callaghan sagte: »Sie wissen so gut wie ich, dass Privatdetektive sich in England keinen Krach erlauben können. In Amerika ist ein Privatdetektiv jemand, aber hier bei uns ist er eine Null. Darum lege ich meine Karten auf den Tisch.«

Raffano schwieg.

»Vielleicht wissen Sie, dass ich an dieser Riverton-Geschichte arbeite«, fuhr Callaghan fort. »Oberst Riverton bezahlt mir hundert Pfund wöchentlich, um etwas über Klein Wilfred zu hören. Nun, er will einen Bericht haben, und bis jetzt hatten wir nichts zu berichten. Der Bursche hat seine Spuren unglaublich gut verwischt. Ich habe alles versucht, was ich konnte. Vor zwei oder drei Wochen kam mir der Gedanke, dass derjenige, der dem Jungen all das Geld abknöpft, recht schlau sein muss - jemand mit genug Geld und Einfluss, um allen den Mund zu stopfen. Nun, heute Abend habe ich einen Wink bekommen, dass Sie es sind.«

Raffano zog an seiner Zigarre. »Wo haben Sie den bekommen?« Ach, irgendwo«, sagte Callaghan. »Jetzt wissen Sie, warum ich mit Lonney abgemacht habe, dass er den Kampf gewinnt. Ich hab' mir überlegt: Wenn Ihnen einer bei dem Kampf in die Quere käme, würden Sie mit ihm sprechen wollen. Nun, Sie sind recht schnell hierhergekommen, und Sie sind hergekommen, weil Sie mit mir sprechen wollten, also nehmen Sie es ernst, und ich weiß auch, warum.«

Raffano kaute an seiner Zigarre. »Und was ist der Grund?«

»Sie haben Angst«, sagte Callaghan. »Wir sind nicht in Amerika. Ich wette, Sie denken, dass es allmählich Zeit für Sie wird, hier wegzufahren. Sie wissen, dass wir eine verdammt tüchtige Polizei haben und dass Sie sie nicht bestechen können, Jake.«

Jake lächelte melancholisch. »Da sagen Sie mir nichts Neues«, sagte er.