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JB ist Informatikstudent an der Christian Albrechts Uni in Kiel. Hochtalentiert am PC und wie man so schön sagt: „der nette Junge von nebenan“. Eigentlich … Denn es gibt da noch eine andere … düstere Seite von ihm. Mit seinem Kumpel Chicks hackt er sich durchs Internet und finanziert sich eine annehmbare Studentenbude und ein ausschweifendes Nachtleben. Was er nicht ahnt ist, dass sein Frauen verschlingender Kommilitone ein noch viel dunkleres Geheimnis wahrt. Die gemeinsame Studentenzeit ist keineswegs ein Zufall … Dann ist da noch die 15-jährige Elisa. JB´s kleine Schwester stolpert völlig ahnungslos in sein neues zwielichtiges Leben und gerät an „Bad Boy“ Chicks. Dieser lässt es sich nicht nehmen und beginnt das Spiel mit ihr auf seine ganz persönliche Weise …
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Seitenzahl: 374
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Ein sympathischer Computerfreak…
Ein waiver Vuschuldsengel…
… und…
… ein waschechter Bad Boy…
Nichts ist so,
wie es scheint…!
Für Sandra
Den Sprung von einer Kurzgeschichte in ein Buch hätten Chicks, JB und Lies ohne Dich niemals geschafft.
Danke!
Freitag, 20.02.2009; Kiel/Damperhof, Bergstraße, 01.20 Uhr
Freitag, 20.02.2009; Kiel/Gaarden-Ost, Elisabethstraße, 11.30 Uhr
Freitag, 20.02.2009; Sachsberg/Dithmarschen, Hafenstraße 13.45 Uhr
Freitag, 20.02.2009; Kiel/Hamptbahnhof, 17.45 Uhr
Freitag, 20.02.2009; Kiel/Gaarden-Ost, Elisabethstraße, 18.15 Uhr
Freitag, 20.02.2009; Kiel/Gaarden-Ost, 18.38 Uhr
Freitag, 20.02.2009; Kiel/Gaarden-Ost, Elisabethstraße, 18.39 Uhr
Freitag, 20.02.2009; Kiel/Gaarden-Ost, Karlstal, 18.45 Uhr
Freitag, 20.02.2009; Kiel/Düsternbrook Sporthafen, 19.39 Uhr
Freitag, 20.02.2009; Kiel/Gaarden-Ost, Elisabethstraße, 19.50 Uhr
Freitag, 20.02.2009; Kiel/Gaarden-Ost, Elisabethstraße, 20.25 Uhr
Freitag, 20.02.2009; Kiel/Düsternbrook Sporthafen, 20.45 Uhr
Freitag, 20.02.2009; Kiel/Gaarden-Ost, Elisabethstraße, 20.48 Uhr
Freitag, 20.02.2009; Kiel/Gaarden-Ost, Elisabethstraße, 21.01 Uhr
Freitag, 20.02.2009; Kiel/Gaarden-Ost, Elisabethstraße, 21.02 Uhr
Samstag, 21.02.2009; Kiel/Gaarden-Ost, Elisabethstraße, 00.15 Uhr
Samstag, 21.02.2009; Kiel/Sophienblatt, Sophienhof, 11.38 Uhr
Samstag, 21.02.2009; Kiel/Gaarden-Ost, Elisabethstraße, 15.59 Uhr
Samstag, 21.02.2009; Ehnshorn/Bahnhof, 17.58 Uhr
Samstag, 21.02.2009; Kiel/Pharmazentisches lustitut Uui Kiel, 17.40 Uhr
Sonntag, 22.02.2009; Kiel/Damperhof, Bergstraße, 00.56 Uhr
Sonntag, 22.02.2009; Kiel/Damperhof, Bergstraße, 03.25 Uhr
Sonntag, 22.02.2009; Kiel/Damperhof, Bergstraße, 04.15 Uhr
Sonntag, 22.02.2009; Kiel Gaarden-Ost, Elisabethstraße, 04.45 Uhr
Sonntag, 22.02.2009; Kiel/Damperhof, Bergstraße, ebenfalls 04.45 Uhr
Sonntag, 22.02.2009; Großteichen/Dithmarschen, Hanptstraße, ebenfalls 04.45 Uhr
Sonntag, 22.02.2009; Großteichen/Dithmarschen, Hamptstraße, 14.56 Uhr
Sonntag, 22.02.2009; Großteichen/Dithmarschen, Hamptstraße, 17.45 Uhr
Montag, 23.02.2009; Kiel Gaarden-Ost, Elisabethstraße, 17.55 Uhr
Montag, 23.02.2009; Kiel/Gaarden-Ost, Kirchstraße, 18.15 Uhr
Donnerstag, 26.02.2009; Kiel/Damperhof Bergstraße, 23.36 Uhr
Freitag, 27.02.2009; Kiel/Gaarden-Ost, Elisabethstraße, 0.43 Uhr
Samstag, 28.02.2009; Kiel/Damperhof, Nähe Bergstraße, 05.20 Uhr
Samstag 28.02.2009; Sachsberg/Dithmarschen, Hafenstraße, 23.25 Uhr
Sonntag, 01.03.2009; Sachberg/Dithmarschen, Hafenstraße, 2.45 Uhr
Sonntag, 01.03.2009; Sachberg/Dithmarschen, Hafenstraße, 10.31 Uhr
Sonntag, 01.03.2009; Jan Baches Golf 11/irgendwo zwischen Schenfeld und Nenmünster, 13.45 Uhr
Danke an alle, die an meine Arbeit glanben!
„Ey, Alter, hörst du mir zu?“ Jan beugte sich über den Tresen zu seinem Kumpel herüber.
Dieser zog geistesabwesend an dem Rest seiner Zigarette und inhalierte den Rauch in einem tiefen Atemzug, während sein Blick an den wiegenden Hüften der Kellnerin klebte.
„Chicks?“
Der so angesprochene reagierte immer noch nicht. Und das lag wohl kaum an dem harten Metal, der aus den Boxen dröhnte. Die Augen des Mannes folgten dem Arsch der jungen Frau, bis er durch die Schwingtür zur Küche verschwunden war. Im Anschluss drückte er seufzend seinen Glimmstängel im Aschenbecher aus. „Gott, ich steh auf Rothaarige.“ Dann angelte er nach seinem bauchigen Glas und nahm einen kräftigen Schluck der goldfarbenen Flüssigkeit.
„Und auf Blonde, Brünette und Schwarzhaarige…“ ergänzte Jan zynisch und verdrehte seine Augen. Chicks einen Weiberheld zu nennen, wäre wohl die Untertreibung des Jahrhunderts.
Wie fast jeden Abend waren sie im Mikeys. Einer gemütlichen Kellerbar, zu der ihn sein Kommilitone bereits in seinem ersten Studienjahr mitgeschleppt hatte. Der echte Geheimtipp gehörte einem Russen, der Gregor „wie auch immer“ hieß. Jan konnte sich beim besten Willen den Nachnamen dieses bulligen Typen nicht merken. Es war irgendetwas mit „M“ und hatte entfernte Ähnlichkeit mit der amerikanisierten Version des Kneipennamens. Die Bar selbst jedenfalls war ein echter Knaller. Eine gut versteckte Spelunke, dunkel und verrufen. Erwünscht waren nur geladene Gäste und wenn man sich erst einmal zum Kundenstamm zählen durfte, bekam man so ziemlich alles, was das Herz begehrte. Legal oder illegal.
In der ersten Zeit hatte er leichte Skrupel gehabt, sich hier herumzutreiben. Eigentlich war er immer einer von den „guten“ Jungs gewesen, die brav zur Uni gingen und ihr Studium durchzogen. Selten Alkohol, keine Drogen, kaum Partys.
Naja, eigentlich…
Eine blendend weiße Weste konnte er dann doch nicht vorweisen. Schon als Jugendlicher hatte er einen Heidenspaß daran gehabt, sich in diverse Computersysteme hineinzuhacken. So hatte er zum Beispiel einmal den Fahrkartenautomaten im Bahnhof seines Heimatortes geknackt oder war in den Rechner seines Schulrektors eingedrungen und hatte ein paar Daten verändert. Einfach um zu beweisen, dass er es konnte. Und Chicks? Nun ja, der hatte es recht gut verstanden, ihn gehörig vom Weg abzubringen. Jedenfalls hatte dieser es sich nicht nehmen lassen, nachdem er Jans spezielle „Schwäche“ erkannt hatte, ihm über zumeist recht düstere Gesellen kleine Jobs zu besorgen, die seine Hackerfähigkeiten forderten. Schneller als er es für möglich gehalten hatte war er, wie sein Kumpel, in den zwielichtigen Kreisen akzeptiert und integriert. Und nach den ersten, ziemlich üppig ausfallenden Entlohnungen hatte er auch nicht mehr allzu starke Bedenken gehabt. Tatsächlich empfand Jan sich selbst noch immer als ehrliche Haut, auch wenn seine neuesten Aktivitäten nicht mehr unbedingt mit den deutschen Gesetzestexten zu vereinbaren waren. Wirklich kriminell waren andere. Kurz gesagt, sein Studentenleben war durch seinen Kommilitonen richtig spannend geworden und das bezog sich nicht nur auf seine neuerdings extrem gut aufpolierte Studentenkasse. Er schüttelte den Kopf und schaute in die übermütig blitzenden Augen seines Kumpels. Oh, nein, da gab es noch ganz andere Sachen. Und so wie es aussah, würde es auch an diesem Abend nicht langweilig werden…
„Ehrlich, man! Ist das ´ne geile Alte, oder was?“ Chicks fixierte Jan über den Rand des Glases, welches er gerade schwungvoll geleert hatte. Er stellte es auf den langen Tresen und gab dem Russen ein Zeichen. Der Glatzkopf auf der anderen Seite zapfte gerade Bier und nickte kurz. Er hatte verstanden. Mit ausdruckslosem Gesicht brachte er eine angefangene Flasche von Mr. Daniels herüber und schenkte nach. Jan schnaubte resigniert und wartete ab, bis Gregor einen Strich auf einem Bierdeckel gemalt hatte und sich wieder auf den Weg zu seiner Zapfanlage machte. Dann gab er seinem Freund leise zu bedenken: „Chicks. Du lernst es nicht, oder?“
Die Musik war laut genug, um seine Worte mit Leichtigkeit zu übertönen. Trotz dieser Tatsache drehte sich der Barkeeper noch einmal zu ihm um und kniff misstrauisch die Augen zusammen.
Jan schluckte leicht nervös.
Der Typ muss so etwas wie einen siebten Sinn haben…
Freundlich zeigte er dem Mann seine Zähne und prostete ihm zu. Das Letzte, was man in dieser Kneipe tun sollte war, es sich mit diesem Kerl zu verscherzen. Chicks tat es seinem Freund gleich und bemerkte mit Unschuldsmiene: „Ich weiß nicht, was du meinst JB.“ Er sprach die einzelnen Buchstaben englisch, wie „Dschäy Bie“ aus. Für Jan Bacher.
„Herrgott!“ Jan hasste es, wenn sich sein Kumpel absichtlich dumm stellte. „Sieh dich hier einmal um!“
Endlich hatte sich der Russe wieder seiner Arbeit zugewandt und er wagte es nun lauter zu sprechen. Mit einer allumfassenden Geste, verwies er auf die Kneipengäste. „So ziemlich jede Braut, die sich je ins Mikeys verirrt hat, wollte oder will mit dir in die Kiste…“
Der Sonnyboy neben ihm unterbrach ihn grinsend: „Und ich hab sie so ziemlich alle probiert…“
Jan grunzte ungehalten zu diesem Kommentar, sprach dann aber weiter: „Und warum, in drei Teufels Namen, musst du dich dann ausgerechnet an Niki halten? Sie ist die Einzige, die hier für dich Tabu ist! Und das weißt du!“
Niki hieß in Wirklichkeit Nikita und war besagte Rothaarige mit dem süßen Knackarsch, die nun einmal mehr am Tresen vorbeieilte. Das Mädchen hatte verdammt viel zu tun. Die Bar platzte mal wieder aus allen Nähten.
Wie nicht anders zu erwarten war, starrte Chicks ihr abermals wie hypnotisiert hinterher. „Mmh?“
Und nebenbei bemerkt, war sie Gregors Tochter. Soweit Jans Informationen reichten, war der Russe mit dem Stiernacken einmal ein Preisboxer gewesen. Ein offenes Geheimnis, dass jeder kannte, der in diesem Etablissement verkehrte.
Jan steckte sich eine Lucky Strike zwischen die Lippen und ließ sein Zippo aufschnappen. Großzügig überging er die Unaufmerksamkeit seines Freundes und beendete seine angefangene Standpauke: „Und außerdem ist sie nicht interessiert an dir.“ Die Spitze seiner Zigarette glühte rot auf und er sog den Rauch tief in seine Lunge.
Seltsamerweise war das nicht einmal gelogen. Im Gegensatz zu den anderen Frauen, die er hier erlebt hatte, wies diese Eine seinen Kommilitonen regelmäßig zurück, wenn er ihr Avancen machte. Sie schien die Einzige zu sein, die sich von seinem wirklich guten Aussehen nicht beeindrucken ließ. Und Chicks sah gut aus. Eine verstörende Wahrheit, die er sich irgendwann einmal hatte eingestehen müssen. Obwohl er es als waschechter hetero Mann, natürlich niemand anderem gegenüber jemals zugegeben hätte.
Wie aufs Stichwort neigte der Sonnyboy den Kopf, fuhr sich mit den Fingern ins halblange Haar und kämmte es sich aus dem Gesicht.
Jan runzelte die Stirn und zog an seiner Kippe. Manchmal lieferten sich Gedanken und Realität schon ein ziemlich seltsames Zusammenspiel.
„Das siehst du falsch, J…“ begann Chicks und schenkte ihm ein schlitzohriges Lächeln. Doch dann verstummte er mitten im Erklärungsansatz und verfolgte mit leuchtend blauen Augen das Objekt seiner Begierde, das unvermittelt ein weiteres Mal mit einigen leeren Gläsern auf ihrem Tablett an ihnen vorbeirauschte.
Eher unbewusst tat Jan es seinem Kumpel gleich.
Ein leicht süßlicher Duft wehte hinter Nikita her und verwandelte die Alkohol- und Rauch verpestete Luft für einen winzigen Moment in etwas Exotisches. Das hautenge, schwarze Shirt mit dem roten Mikeys Logo unterstrich ihre Kurven und ihr Hintern saß absolut super in ihrer knackigen Jeans.
Als er beobachtete, wie der wippende, rote Pferdeschwanz hinter dem Tresen verschwand, seufzte er leise. Nicht zum ersten Mal musste er sich eingestehen, dass Chicks Interesse nicht völlig aus der Luft gegriffen war. Auch in seinen Fingern juckte es. Ziemlich heftig sogar!
Eine kleine Kostprobe von ihr… Das wäre schon was…
Völlig vertieft nahm er einen langen Zug und ließ den Rauch langsam aus seinen Nasenlöchern quellen. Sein Mitstudent knuffte ihn und lenkte auf diese Weise seine Aufmerksamkeit wieder auf ihn.
Jan seufzte abermals und versuchte sich daran zu erinnern, worüber sie gerade gesprochen hatten.
Achja… „Okay. Also, was sehe ich falsch?“
Chicks bedachte ihn mit einem schiefen, wissenden Grinsen und hob sein bereits wieder halb geleertes Glas. „Natürlich ist Niki auch interessiert an mir…“ Er stieß gegen den dickwandigen Bierkrug seines Kumpels und nahm einen genießerischen Schluck. „… Sie weiß es nur noch nicht.“
„Chicks!“
Oh, man! Der Kerl ist eine echte Landplage!
Jan war etwa 20, als er den Sonnyboy in der Uni kennengelernt hatte. Und der Typ war von Anfang an eine Nummer für sich gewesen. Aber die Sache mit den Frauen verdiente wirklich noch eine Extraerwähnung…
… oder vielleicht sogar eine Spezialauszeichnung für besondere Hartnäckigkeit!
In den nunmehr vier Jahren, die sie bereits miteinander abhingen, hatte Chicks nicht einmal seine Flossen von dem schönen Geschlecht lassen können. Du meine Güte, wie oft war der Kerl schon haarscharf daran vorbeigeschlittert, eine ordentliche Tracht Prügel zu kriegen?! Und wie oft hatte Jan schon seine eigene Gesundheit aufs Spiel gesetzt, um ihm aus echt ziemlich delikaten Situationen herauszuhelfen?
Er schnaubte.
Dass sein bester Freund noch nie eine Anzeige wegen sexueller Nötigung an den Hals gekriegt hatte, war wohl nur dessen enormer Überredungskunst zuzuschreiben. Was nicht zwingend hieß, dass er die Mädels nur mit Worten überzeugte. Und immer, immer wieder suchte er sich ausgerechnet die aus, die am schwierigsten zu kriegen waren. Entweder waren sie schon verheiratet, verlobt, sonst wie vergeben oder sie wollten sich partout nicht auf ihn einlassen. Ein eher seltenes Szenario, das auf den Spinner eine Wirkung zeigte, wie ins Feuer gegossenes Öl.
Ernsthaft! Jan konnte sich nicht daran erinnern, jemals mit einem Kumpel mehr Spaß gehabt zu haben. Trotzdem schwor er sich für dieses Mal: Sollte Chicks es tatsächlich schaffen sich Niki zu angeln, würde er grinsend daneben stehen und zusehen, wie Gregor ihn als Sandsack missbrauchte. Diese Lehre hätte der verdammte Windhund in jedem Fall einmal verdient!
„Du wiederholst dich.“ meinte der blonde Mann trocken und klimperte mit den Eiswürfeln in seinem Glas. „Also, wie sieht´s nun aus. Willst du nun wissen, was der Araber für uns hat?“
Jan atmete tief durch. Endlich konnten sie über das Geschäftliche reden. Nach Eddies Aussage war dieser Job ein wenig anders geartet als üblich und er war froh, dass Chicks nun endlich gewillt war, ein wenig ins Detail zu gehen. Er trank seinen Krug leer und knallte ihn auf den Tresen. „Gehen wir nach hinten?“
„Hinten“ bezeichnete einfach nur die privaten Räume neben der Bar, in der alles „Geschäftliche“ besprochen und bei Bedarf auch ausgeführt wurde.
Chicks trank seinen Whiskey aus und gab Gregor mit einem Handzeichen zu verstehen, wohin sie sich verziehen würden. „Ich schmeiß ´ne Line…“ bot er an, während sie sich durch die gut gefüllte Bar bewegten.
Überall standen oder saßen kleine Grüppchen zusammen und amüsierten sich. Es wurde geredet, geküsst, gefummelt, getrunken. In einer der dunkelsten Ecken saß ein Dealer. Natürlich von Gregor geduldet. Und einige sehr leicht bekleidete Frauen stellten sich freundlicherweise selbst zur freien Verfügung.
Wie üblich hatte Chicks keinen Blick für diese Damen und lief einfach an ihnen vorbei. Stattdessen nahm er beiläufig die Hand einer recht kurvigen Clubbesucherin, welche zufällig seinen Weg kreuzte „… Und vielleicht noch ein bisschen mehr…“ Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu. „Nicht wahr, Süße?“ Die junge Frau lächelte den gut aussehenden Mann an und ging bereitwillig mit.
Und wie immer konnte Jan es nicht fassen!
Wie, zur Hölle, macht er das nur immer wieder?!
Er selbst war ganz sicher nicht hässlich und das weibliche Geschlecht war auch ihm durchaus zugetan… Aber nur ein einziger Blick?!
Als hätte die Blondine seinen leicht frustrierten Gedankengang verfolgt, schaute sie kurz über die Schulter zu ihm zurück und schenkte ihm einen sagenhaften Augenaufschlag. Das Kinn gesenkt und somit ihren Blick von unten zu ihm hinauf gerichtet, ließ sie ihre Zunge vielsagend über ihre vollen Lippen gleiten.
Uh…das ist natürlich…
Es war ihm fast unmöglich nicht zu grinsen, als er den beiden folgte.
Irgendwie mag ich Chicks. Ehrlich.
„War das geil oder was?“ lallte Chicks und kicherte obszön. „So eine Sahneschnitte hast du wohl noch nicht gehabt, oder?“
Doch, hatte Jan. Sogar mehrmals. Aber sein überdrehter Kumpel wäre wohl der Letzte, dem er von seiner verflossenen Liebe erzählen würde. Nicht einmal in seinem jetzigen Zustand. Gefühle? So etwas kannte der doch nicht! Für ausgelassene Stimmung konnte er allerdings sorgen, das musste man ihm neidlos lassen! Gerade fuhr er so chaotisch mit seinem alten Granada durch die Kieler Straßen, dass es einem Wunder gleichkam, dass sie noch nicht mit irgendetwas kollidiert waren. Ein Bus, ein Baum oder auch nur ne alte Oma. Letzteres hätte fast geklappt.
„Nee, hatte ich nicht!“ log Jan also fröhlich glucksend und gab sich redliche Mühe, seine Worte klar und deutlich herauszubringen. Eine Sache, die sich mit seinem Promillepegel als gar nicht so einfach herausstellte. „Echt coole Braut, diese Connie!“
Yeah! Fürs Bett!
Grinsend leckte er sich über die Lippen.
Sein Studienkollege feixte: „Du hast dir ihren Namen gemerkt?“ Er trat voll auf die Bremse. „Is' ja süß!“ Das klapprige Ungeheuer kam quietschend zum Stehen. Sie hatten den vierstöckigen Altbau erreicht, in dem sich Jans Wohnung befand. Heil angekommen!
„Danke, Mann!“
Chicks schlug ein, als er ihm seine Hand hinhielt. „Bleib cool, Alter!“ meinte er gönnerhaft. „Du erledigst den Rest?“
„Geht klar.“ Jan stieg schwankend aus.
Ups, das letzte Bier war schlecht!
„So halb neun?“ Sein blonder Kumpel lehnte sich zur Beifahrerseite rüber und sah ihn an.
„Yeah.“ Grüßend hob er die Hand.
Chicks tippte sich ebenfalls grüßend an die Stirn, legte mit viel Lärm einen Gang ein…
Schönen Gruß ans Getriebe…
… und brauste mit durchdrehenden Reifen davon.
Was für eine Nacht!
Geräuschvoll ließ Jan die Luft aus seiner Lunge entweichen. Das neue Semester war gerade erst angefangen und er hatte bestimmt schon… Stirnrunzelnd starrte er auf seine abgespreizten Finger und machte einen halbherzigen Zählversuch. Die wievielte Lesung war es, die er gerade versäumte?
Lieber nicht darüber nachdenken…
Er war wirklich gut. Genau genommen sogar einer von den Besten. Aber wenn er so weitermachte, würde er wohl sang und klanglos durch die Prüfung rasseln. Seufzend kramte er seinen Haustürschlüssel aus der Lederjacke und visierte eines der beiden Schlüssellöcher an.
Zwei?
Er schüttelte seinen Kopf und fuhr sich mit den Fingern durch sein kurzgeschnittenes Haar. Nur gut, dass ihn hier nicht einmal seine Nachbarn kannten.
„Mmhpf!“ machte er seinem Unmut Luft, als es ihm einfach nicht gelingen wollte, den Schlüssel in die dafür vorgesehene Öffnung zu schieben.
Wieso sind diese blöden Dinger auch immer so winzig?! Wer erfindet nur so eine Scheiße?
Mit grimmigem Gesicht musterte er den Schlüssel in seiner Hand und dann die Tür.
Vielleicht, wenn ich es direkt in der Mitte versuche?
Er stützte sich mit dem linken Unterarm an der Hauswand ab und kniff beim Zielen ein Auge zu.
„Ha!“ triumphierte er, als er es endlich erwischt hatte. Polternd stolperte er durch den Hausflur und die Treppen hinauf. Irgendjemand blaffte ihn aus seiner Haustür an, er solle leise sein. Aber er zeigte ihm nur seinen Stinkefinger.
Was will der denn? Ist Mittag! Pennt doch keiner mehr!
Endlich war er in seiner Wohnung. Auf dem Weg ins Schlafzimmer schaffte er es gerade noch, seine Jacke abzustreifen und die Sneakers von seinen Füßen zu treten. Dann ließ er sich, so wie er war, einfach der Länge nach auf sein Bett fallen.
Alter! Bin ich im Arsch!
Mit einem Auge überprüfte er die Uhrzeit auf seinem Radiowecker. 11.47 Uhr. Das hieß, er konnte noch gute 6 Stunden schlafen, wenn er sich um 19.00 Uhr mit Eddie treffen wollte. Und das sollte er. Der Mann verstand beim Geschäftlichen keinen Spaß. Kurz erwog Jan, sich einen Wecker zu stellen. Schlief dann aber über den Gedanken völlig erschöpft ein.
„Man, Mama!“ maulte Elisa. „Nun mach dir doch nicht solche Sorgen. Ich will doch nur meinen Bruder besuchen. Was soll da denn schon groß passieren?“
Ihre rotblonde Mutter stand im „Kinderzimmer“ und sah zu, wie sie geschäftig ihre Tasche packte. Die Frau seufzte und fuhr sich durch die schulterlangen Locken. „Ich weiß, ich sollte mich nicht so anstellen, aber ich hab kein gutes Gefühl dabei. Hast du ihn denn wenigstens noch einmal angerufen? Soll ich nicht vielleicht doch noch mal…?“
„Mama! Natürlich habe ich das.“ stöhnte sie übertrieben laut und faltete eines ihrer Sweatshirts so heftig zusammen, dass sie es genauso gut einfach hätte zusammenknüllen können. „Gestern Abend haben wir noch miteinander gesprochen. Ich bin kein Baby mehr, okay?! Papa fährt mich gleich zum Bahnhof.“ Elisa drehte sich zu Silvia Bacher um und leierte demonstrativ genervt herunter, was sie sich gerade erst vor ein paar Stunden ergoogelt hatte: „Ich werde einmal in Itzehoe und einmal in Elmshorn umsteigen und in Kiel wird Jan mich vom Hauptbahnhof abholen. Okay?“
Tatsächlich würde ihr Zug um 14.51 Uhr von Gleis 1 hier in Sachsberg abfahren. Das zumindest stand bombenfest. Und dass sie ihren Bruder in Wirklichkeit nicht noch einmal angerufen hatte, sah sie nicht unbedingt als Problem an. Jan war erst vor drei Wochen bei ihnen zu Besuch gewesen und da hatte sie alles mit ihm abgemacht. So ein kurzes Gedächtnis traute sie nicht einmal ihrem Bruder zu. Noch nie hatte sie ohne ihre Eltern zu ihm fahren dürfen und das, obwohl sie schon in knapp einer Woche 16 Jahre alt werden würde!
Hallo?!
Darum freute sie sich umso mehr darauf, ihnen allen zu beweisen, dass sie kein kleines Mädchen mehr war!
Außerdem kann er mich gar nicht vergessen haben! Er hat es sich sogar in sein Handy einprogrammiert!
Sie zuckte die Schultern.
Und falls doch, werde ich ihn eben überraschen…
Fröhlich vor sich hin summend legte sie eine CD von Blind Guardian und eine von Iced Earth zu ihrem Gepäck. Elisa hatte sie extra besorgt, weil sie wusste, wie sehr ihr Bruder auf Melodic Metal stand. Sie war ja so stolz auf ihn.
Während sie es nur in die Realschule geschafft hatte, studierte er Informatik an der Christian-Albrechts-Uni in Kiel. Natürlich hätte er mit seinen 24 Jahren sein Studium schon fertig haben können. Aber das lag kaum an mangelnder Intelligenz. Er hatte sich erst nach dem Abbruch einer Lehre als Mechatroniker für diesen Weg entschieden. Nur noch zwei Semester, dann ging es ans große Geldverdienen. Elisa hatte im Internet recherchiert. Informatiker waren gefragte Leute in der Wirtschaft.
Völlig in Gedanken versunken schaute sie überrascht auf, als ihre Mutter sie in die Arme nahm. Liebevoll drückte sie Elisa an sich. „Soll ich dir noch deine Haare flechten?“
Wohl wissend, dass sie ihren kleinen Schlagabtausch gewonnen hatte, grinste sie die Ältere an. Elisas lange und dicke rote Mähne zu bändigen war nichts anderes als ein Friedensangebot. „Danke, Mama. Machst du den Zopf zur Seite?“
„Natürlich.“ Ihre Mutter schob den bereits ziemlich vollen Rucksack zur Seite und setzte sich gemeinsam mit ihr auf das Bett. Während sie Elisas Haar mit den Fingern zu einem dicken Zopf zusammenkämmte, um es anschließend zu dritteln und sorgfältig Strähne für Strähne übereinander zu legen, schwiegen beide und genossen den Moment des Einverständnisses zwischen Mutter und Tochter.
Als Silvia Bacher fertig war, gab sie ihr einen Kuss auf die Stirn und bat sie, noch einmal zu prüfen, ob sie auch alles dabei hatte. „Hast du auch etwas zu lesen? Du weißt, es wird eine lange Reise werden.“
„Ach, Mama. Es sind nur zwei Stunden. Und natürlich habe ich etwas zum Lesen eingepackt.“ Elisa hielt den ersten Band der amerikanischen Twilight-Saga „Biss zum Morgengrauen“ hoch. Ein dicker Wälzer von etwa 500 Seiten „Siehst du? Du solltest mich wirklich langsam kennen.“
Mit gerunzelter Stirn fragte Silvia: „Hast du das nicht schon gelesen?“
Der Teenager verdrehte die Augen und stöhnte genervt. Da erhellte sich das Gesicht ihrer Mutter. „Ach, jaaa.“ Sie sprang auf, hüpfte mit nach oben gereckten Fingern durchs Zimmer und rief mit piepsigem, gespielt aufgeregtem Stimmchen: „Edward, Edward!“
Glühende Hitze stieg in Elisas Wangen. „Mama!“ schimpfte sie peinlich berührt und stopfte das Buch hastig in ihren Rucksack zurück.
Die kleine Frau lachte verschmitzt und knuffte ihre Tochter. „Ach, Lies. Als wenn ich nicht wüsste, was dir an diesem Buch am Besten gefällt.“
Und als wäre es nicht schon schlimm genug, von ihrer Mutter quasi auf frischer Tat ertappt zu werden, stand plötzlich Thomas Bacher, das Oberhaupt der Familie in ihrem Zimmer. „Was gibt’s denn hier zu lachen?“ Neugierig forschte er in ihren Gesichtern. „Hab ich etwas verpasst?“
Wenn es denn möglich war, so wurden Elisas Wangen noch eine Spur roter.
Glücklicherweise winkte ihre Mutter ab, setzte sich wieder zu ihrer Tochter und legte den Arm um sie. „Nichts Besonderes, Tom.“ Sie zwinkerte Elisa zu und strahlte ihren Mann mit ihrem speziellen Ich-weiß-zwar-was-du-meinst-verrat-dir-aber-nichts-Lächeln an.
„Das ist so ein Mutter-Tochter-Ding.“
Man konnte die Enttäuschung in seiner Miene sehen. Aus Erfahrung wusste er, dass nach einem solchen Lächeln höchstens unter Androhung der Todesstrafe oder einer Woche Lakritzverbot etwas aus seiner Frau herauszubekommen war. „Ach sooo.“ murrte er und lehnte sich mit vor dem Brustkorb verschränkten Armen in den Türrahmen Dann hatte er sich aber schon wieder gefangen. „Also, was ist, mein Stummel?“ wandte er sich an seine Tochter. „Soll ich dich denn nun auf die große Reise schicken?“
Elisa hielt sich ihre kühlen Finger an die Wangen und nickte. Sie hoffte, dass die grässliche Farbe bis spätestens Kiel verschwunden war.
Rot werden ist ja so was von ätzend!!!
Elisa mummelte sich in ihre Benchjacke und schulterte ihren Rucksack. Sie nahm die Tasche auf und ging langsam zum Ausgang. Ein Blick auf das Display ihres Nokias sagte ihr, dass sie schon eine dreiviertel Stunde gewartet hatte. Jan war nicht gekommen und an sein blödes Handy war er auch nicht gegangen.
Na toll!
Natürlich hatte sie kurz nach ihrer Ankunft in Kiel ihre Eltern angerufen und behauptet, dass ihr Bruder sie auf dem Bahnsteig in Empfang genommen hätte und dass sie bereits unterwegs zu seiner Wohnung wären. Ihre Lüge schien glaubhaft genug gewesen zu sein. Immerhin hatte ihre Mutter nicht darauf bestanden, Jan zu sprechen. Aus ihrer anfänglichen Erleichterung über den gut verlaufenen Anruf war dann aber schnell Besorgnis geworden. Sie saß ganz schön in der Patsche.
Von ihren früheren Besuchen wusste das Mädchen nur, dass er irgendwo in Gaarden-Ost wohnte. In einem roten Altbau. Möglicherweise würde sie das Haus erkennen, wenn sie davor stünde, aber Straßenname und Hausnummer wären durchaus hilfreich gewesen. Wie sollte sie ihn nur finden? Sie konnte ja schlecht einen Taxifahrer nach seiner Adresse fragen. Eine wirklich brauchbare Antwort wäre wohl eher unwahrscheinlich.
Leicht gefrustet beschloss sie, es noch einmal auf seinem Handy zu versuchen. Es war nasskalt, höchstens vier Grad und sie rieb sich fröstelnd über die Arme, ehe sie ihr Nokia erneut aus ihrer Jackentasche zu Tage beförderte. Mit eisigen Fingern löste sie die Tastensperre und tippte zum gefühlt tausendsten Mal die Wahlwiederholung seiner Nummer ein. Dann hielt sie es ans Ohr und lauschte.
Überall um sie herum herrschte geschäftiges Treiben und kaum einer der Menschen, die an ihr vorübereilten nahm Notiz von ihr. Und damit es auch so blieb, tat sie so, als hätte sie ein festes Ziel vor Augen. Gerade wenn man allein in einer Stadt unterwegs war, so hatte ihre Mutter ihr eingeschärft, vermied man auf diese Weise die unerwünschte Aufmerk samkeit von Leuten, mit denen man lieber nichts zu tun haben wollte. Den Blick stur geradeaus hörte sie, wie eine freundliche Frauenstimme in ihrem Handy verkündete: „The person you have called is temporary not available. Der Teilnehmer ist zur Zeit nicht zu erreichen, wird aber über ihren Anruf per SMS informiert. Danke für ihren Anruf.“
„Jan, du Arschloch! Geh endlich ran!“ knurrte sie leise und beendete den sinnlosen Anruf mit einem energischen Tastendruck
Verdammte Scheiße! Was mach ich denn jetzt bloß?
Ihr Blick fiel auf die roten Busse der Kieler Verkehrsgesellschaft. Und wenn sie einfach mal nachsah, welche Linie nach Gaarden fuhr? Vielleicht erinnerte sie sich ja unterwegs an den Straßennamen und dann würde sie auch ganz sicher das Haus finden.
„Elisa!!!“ Jan schoss aus den zerknautschten Kissen und setzte sich auf. Schwindel packte ihn. Stöhnend griff er sich an den Kopf.
Oh, Scheiße, tut das weh!
Die verschwommenen roten Zeichen auf seinem Radiowecker ordneten sich langsam zu Zahlen.
Oh… Scheiße! Scheiße! Scheiße!!!
Nicht nur, dass er seinen Arsch schon längst unter die Dusche hätte schwingen müssen. Er hatte auch noch vergessen, dass seine kleine Schwester ihn dieses Wochenende besuchen kommen wollte. Das passte noch weniger als gar nicht. Nein, das ging überhaupt nicht!
Fuck!
Vielleicht hatte sie es ja auch vergessen. Sie hätte doch sicher angerufen, um ihn an sein Versprechen, ihr Kiel zu zeigen zu erinnern, oder? Er schwang die Beine aus dem Bett und fluchte. Gab es wirklich Leute, denen es nach einer Sauftour gut ging? Jan selbst zählte jedenfalls nicht zu dieser seltenen Spezies, das war schon einmal klar! Seinen Brechreiz möglichst ignorierend, angelte er nach seiner schwarzen Lederjacke und fischte sein iPhone heraus. Tot.
Na, super!
Wie lange der Akku wohl schon leer war? Ächzend stolperte er in den Flur und durchwühlte sein Sideboard. Irgendwo musste doch dieses verfluchte Ladekabel sein! Endlich hatte er es gefunden. Natürlich war es ganz hinten in der untersten Schublade. Es schien ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass sich die Dinge immer da versteckt hielten, wo man als Letztes nachsah. Ungeschickt stöpselte er das Kabel ein und steckte den Stecker in die Steckdose. Frustriert starrte er auf das blöde Ding, als ihm klar wurde, dass er ihm wenigstens ein paar Minuten geben musste, ehe er es wieder aktivieren konnte. Die kleinen Wunderwerke der Technik hatten es nicht gern, völlig entleert benutzt zu werden. Bei seinem Glück würde es nur sofort wieder abstürzen.
Pffft…
Jan kratzte sich am Kopf und erhaschte dabei einen Blick in den Spiegel, der über dem Sideboard hing. „Uhmmh!“ machte er und wandte sich angewidert ab. Er sah aus wie ausgekotzt und das war fast noch geschmeichelt. Nicht einmal eine ordentliche Dusche würde das wieder geradebiegen können. Ein Blick auf die Küchenuhr, die er von seinem Standpunkt aus gut sehen konnte, verriet ihm, dass ihm noch etwa eine halbe Stunde blieb, um den Treffpunkt in Düsternbrook zu erreichen. Wenigstens war er noch angezogen und musste damit keine weitere unnötige Zeit verschwenden. Er konnte es noch schaffen. Natürlich immer vorausgesetzt, es kam ihm nichts mehr dazwischen. Ächzend tapste er in das Badezimmer, erledigte seine Notdurft und steckte anschließend seinen Kopf unter den Wasserhahn. Eiskaltes Wasser half doch fast in jeder Lebenslage.
Aaaah!
Nach dem Kälteschock fühlte er sich tatsächlich ein bisschen besser. Naja, vielleicht bildete er es sich auch nur ein. Zur Sicherheit nahm er sich ein Glas aus dem Spiegelschränkchen über dem Waschbecken und füllte es mit Wasser, um es mit gleich zwei Brausetabletten Aspirin+ C anzureichern. Nach kurzem Zögern, griff er noch einmal in den Schrank und beförderte aus Supermarktplastikröhrchen noch jeweils zwei Brausetabletten Magnesium und zwei Calcium in seinen Spezialcocktail. Als er sie gekauft hatte, war ihm so durch den Kopf gegangen, dass ein paar Vitamine sicher nie verkehrt waren.
Während sich die Tabletten sprudelnd auflösten, kehrte er zurück in den Flur, nahm sein iPhone und versuchte sein Glück.
Sobald es sein Netz gefunden hatte, ertönte mehrmals hintereinander ein melodischer Türgong. Ein ziemlich untrügliches Zeichen dafür, dass schon mehrere Leute versucht hatten ihn zu erreichen. Doch ehe er auch nur einen Blick auf das Display werfen konnte, erklangen schon die ersten Klänge von Helloweens „Futureworld“, seinem Klingelton. In der Anzeige leuchtete fast bedrohlich: „Mama und Papa“.
Oh, shit!
Der junge Mann atmete einmal ganz tief durch und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen, um seiner Stimme einen besseren Klang zu verleihen. „Hi, Mama!“ begrüßte er den Teilnehmer auf der anderen Seite betont fröhlich.
„Hallo, Janni-Maus!“ hörte er aus dem kleinen Lautsprecher.
Er schloss kurz seine Augen.
Gott, wie ich diesen Namen hasse!
„Ich wollte nur noch mal bei dir persönlich nachfragen, ob wirklich alles geklappt hat?“
„Was meinst du genau?“ fragte er vorsichtig und hoffte, dass ihm seine Mutter die richtige Antwort in den Mund legen würde.
„Na, ob Elisas Zug wirklich pünktlich um kurz nach fünf in Kiel war“ erklärte sie hörbar erstaunt.
Heilige Scheiße! Um fünf?
Jan starrte auf die Uhr, die mittlerweile halb sieben anzeigte. Sein Herz machte einen Satz.
Wo ist sie???!!!
„Sie hat uns angerufen und behauptet, es wäre so gewesen. Aber du kennst sie ja. Manchmal biegt sie sich die Wahrheit ein bisschen zurecht.“ plauderte Silvia Bacher munter weiter. „Hoffentlich musstest du nicht auf sie warten?“
„Äh, ja…“brachte Jan hervor und verbesserte sich schnell. „Ich meine natürlich, nein. Ich hab nicht gewartet. Es hat alles geklappt, so wie sie gesagt hat. Aber ich muss jetzt auflegen.“
Die Stimme seiner Mutter klang verwundert: „Warum?“
Ja, genau…Warum?
Er spielte nervös mit dem Ladekabel und sah noch einmal auf die Küchenuhr. Da hatte er den rettenden Einfall: „Kino!“
„Mmh?“
„Ich hab Lies versprochen, mit ihr ins Kino zu gehen. Und die Vorstellung beginnt heute schon um sieben.“ Der Dunkelhaarige hielt die Luft an.
„Ach so…“ Er hörte das Lächeln in ihrer Stimme.
„Dann wünsch ich euch viel Spaß. Grüß mir meine Kleine.“
Sie hat´s geschluckt!
„Danke, mach ich und grüß du Papa schön! Tschüß!“
„Tschüß!“
Schnell berührte Jan das Touchscreen, um den Anruf zu beenden, dann machte er dicke Backen und ließ ganz langsam und geräuschvoll seinen Atem entweichen.
So und jetzt…
Mit seinem Zeigefinger durchforstete er die Telefonbucheinträge, bis er die Nummer seiner Schwester gefunden hatte.
Elisa hatte die richtige Buslinie gefunden. Das wusste sie spätestens seit der letzten Ansage des Busfahrers. Aber wo sollte sie aussteigen?
Sie kauerte in den hinteren Sitzen des Busses direkt am Fenster und starrte in den bereits völlig dunklen Himmel. Was hatte sie sich nur bei dieser Aktion gedacht? So langsam beschlich sie die Angst. Vor allen Dingen, wenn sie darüber nachdachte, was für Gestalten gemeinsam mit ihr in die Linie gestiegen waren.
Es waren überwiegend Ausländer. Möglicherweise aus der Türkei oder so. Jedenfalls hatten zwei Frauen diese einzigartig gewundenen Kopftücher getragen, wie sie bei Muslimen so üblich waren. Ein Schwarzer…
… darf man das überhaupt noch sagen?
… ein Afroamerikaner war auch dabei gewesen und sie alle hatten keine besonders glücklichen Gesichter zur Schau getragen. Vielleicht waren sie ja nur gestresst von ihrem Arbeitstag oder vom Einkaufen. Mehrere gut gefüllte Taschen zeugten jedenfalls davon, dass einige von ihnen deswegen in der Stadt gewesen waren. Oder sie waren einfach frustriert, weil es ihnen, wenn man ihre Kleidung etwas genauer betrachtete, finanziell wohl nicht all zu gut ging.
Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe herum.
Wahrscheinlich tat keiner der hier Anwesenden auch nur einer Fliege etwas zu leide, aber sie waren ihr furchtbar fremd und sie fühlte sich schrecklich allein.
Plötzlich erklangen aus ihrer Jackentasche die vertrauten Töne „I gotta feeling“ von den Black Eyed Peas. Erschrocken kramte sie ihr Nokia hervor, als sie sah, wie sich einige der Mitreisenden zu ihr umdrehten. Sie machte sich nicht erst die Mühe nachzusehen, wer sie anrief, sondern drückte gleich auf „annehmen“.
„Ja?“ Sie hörte selbst, dass ihre Stimme zitterte.
„Wo bist du?!“
Jan! Oh, Gott, es ist Jan!
Die verhaltende Wut, die in dem Ton ihres Bruders mitschwang überhörte sie einfach. „Bin ich froh!“ seufzte sie und warf einen Blick auf die Anzeigetafel, die etwa in der Mitte des Busses hing und in gelb leuchtenden Buchstaben anzeigte, welche Haltestelle sie gleich anfahren würden. „In Kiel. Im Bus. Werftstraße.“
„Hättest du mich nicht anrufen können?! Du blöde Kuh!!!“ schimpfte ihr Bruder „Was hast du dir dabei gedacht?!“
Jetzt wurde Elisa auch sauer. „Ich hab ja versucht dich anzurufen! Warum hast du mich nicht abgeholt?“
„Man, Elisa! Karlstal steigst du aus! Ich hol dich da ab!“
Es klickte an ihrem Ohr. Sie starrte ihr Handy an. Er hatte einfach aufgelegt!
Na, das würde ja ein tolles Wochenende werden. Ihr Bruder war so richtig geladen…
Aber es ist ja nicht nur meine Schuld, oder?
Dieses gottverdammte Gör!
Jan liebte seine Schwester ehrlich und aufrichtig! Aber sie hatte immer irgendwelche Scheiße im Kopf. Fuhr sie doch tatsächlich einfach nach Kiel, ohne noch einmal mit ihm telefoniert zu haben!
Dreck!
Ihm fielen schon fast keine passenden Schimpfwörter mehr ein, so aufgebracht war er. Am Samstag hatte er einen verdammt wichtigen Auftrag zu erledigen. Einen, der ihm schon jetzt vor Nervosität das Herz aus der Brust springen ließ! Aber wie zur Hölle sollte er das tun, wenn Elisa da war???!!!
Wütend raufte er sich die Haare. Doch es nützte nichts. Jetzt musste er erst einmal sehen, dass er sie heil zu sich nach Hause holte.
Keinen Verstand, diese blöde Kuh! Wie kann sie sich nur im Dunkeln in den Bus setzen und nach Gaarden-Ost fahren?! Sieht sie niemals Nachrichten???!!!
In einem Zug leerte er den milchigen Aspirin-Spezialshake…
Wääh! Pfui, Teufel!
… schlüpfte in seine Schuhe und warf sich seine Lederjacke über. Nach kurzer Überlegung nahm er noch die Reserveschlüssel für seine Wohnung aus einer Schublade und verschwand eilig ins Treppenhaus.
Elisa war gerade aus dem Bus gestiegen, da sah sie auch schon ein paar Scheinwerfer auf die Haltestelle zurasen. Ein schwarzer Golf II hielt mit quietschenden Reifen hinter der bereits wieder anfahrenden Linie am Kantstein. Der Wagen stand noch nicht ganz, da wurde schon die Fahrertür aufgestoßen. Ein schlanker, junger Mann mit kurz geschnittenen, dunklen Haaren sprang aus dem Wagen und lief zielstrebig auf das Mädchen zu. Er sah so grimmig aus, dass sie unbewusst einen Schritt zurückwich.
„Jan…“ brachte sie hervor und hob beschwichtigend eine Hand.
Wortlos ergriff er ihre Tasche und packte sie am Arm.
„Aua! Spinnst du?!“ rief sie entrüstet. „Lass mich gefälligst los!“ Sie schüttelte seine Hand ab.
„Ich bin sauer! Okay?“ Seine Augen blitzten in der Dunkelheit. Elisa wusste, dass sie beinahe ebenso grün waren, wie ihre eigenen. Nun, vielleicht waren sie ein oder sogar zwei Nuancen dunkler. Doch in diesem Moment wirkten sie eher pechschwarz. „Jetzt komm einfach mit, ich hab keine Zeit!“
„Wieso das nicht?“ fragte sie beleidigt und setzte sich auf den Beifahrersitz, während er ihre Tasche auf die Rückbank warf. „Du wusstest doch, dass ich kommen würde.“
Jan warf sich in das Polster der Fahrerseite und knallte seine Tür zu. Der Motor lief noch und so trat er nur die Kupplung, rammte den ersten Gang rein und trat das Gaspedal voll durch. In kurzer Folge schaltete er die Gänge hoch und warf ihr einen genervten Blick zu. „Ja, natürlich wusste ich, dass du kommen würdest! Aber ich hatte vergessen an welchem Wochenende! Okay?“
Elisa hielt sich am Griff über der Tür fest. Ihr Bruder fuhr wie eine besengte Sau!
„Wäre es denn zu viel verlangt gewesen, einfach noch mal anzurufen?“ Er trat voll in die Eisen. Anscheinend hatten sie ihr Ziel schon erreicht.
Das rothaarige Mädchen senkte den Kopf und verschränkte bockig die Arme vor ihrer Brust. „Fahr mich wieder zum Bahnhof!“
„Was?!“ Jan drehte sich so, dass er sie direkt ansehen konnte.
Neuerdings trug er einen Bart rund um den Mund. Wangen und Halsbereich waren glatt rasiert. Das passte sehr gut zu seinem anrasierten, stylischen Kurzhaarschnitt und ließ ihn irgendwie stärker und männlicher, ja, attraktiv wirken. Allerdings hätte sie ihre Entdeckung in diesem Moment für kein Geld der Welt preisgegeben.
Sie funkelte ihn an: „Fahr mich wieder zum Bahnhof, du Arschloch! Ich will nicht bei dir bleiben, wenn du so doof zu mir bist!“
Der junge Mann schlug knurrend mit der linken Faust auf sein Lenkrad und gab ein ungeduldiges Geräusch von sich. Dann machte er zwei oder drei bewusste Atemzüge, ehe er sich mit einem Lächeln versuchte. „Hör zu, Lies! Es tut mir leid. Aber ich muss jetzt was ganz Dringendes erledigen. Ich gebe dir meine Haustürschlüssel. Wir reden nachher und wenn du dann noch immer nach Hause willst, fahre ich dich. In Ordnung?“ Umständlich fummelte er einen Ring aus dünnem Draht mit zwei einzelnen Schlüsseln aus seiner Jackentasche und legte ihn in ihre Hand.
Elisa sah ihn an und erwiderte sein Friedensangebot, in dem sie sich zu ihm herüberbeugte und ihm einen Kuss auf die Wange gab. Sie hatte ihm noch nie richtig böse sein können. „Ist, okay, Bruderherz. Ich freu mich auch dich zu sehen.“ Dann stieg sie aus und zog den Rucksack, der zwischen ihren Beinen gestanden hatte hinter sich her.
Das Lächeln ihres Bruders war nun echt und voller Wärme, als er sich zur Beifahrerseite lehnte und ihr zurief: „Ich beeile mich. Versprochen!“
Sie schlug die Tür zu und winkte ihm hinterher, als er davonbrauste. Dann fiel ihr ein, dass sie die Tasche mit ihren Klamotten auf seinem Rücksitz liegen gelassen hatte. Naja, sie würde sich eben später häuslich einrichten.
Mit gezücktem Schlüssel ging sie auf die Haustür des roten Blocks mit der Nummer 22 zu. Er war hässlich und ärmlich, wie die meisten Wohngebäude in dieser Gegend. Aber ihr Bruder konnte sich als Student halt noch nicht all zu viel leisten und er weigerte sich standhaft Unterstützung von seinen Eltern anzunehmen. Immerhin lag die Uni ganz in der Nähe. Das war doch schon mal sehr positiv.
Sie drehte den Schlüssel im Schloss und betrat den Hausflur. Sofort schaltete sich das Licht über einen Bewegungsmelder ein. Neben der schäbigen Treppe standen ein Kinderwagen und ein Fahrrad und die Briefkästen, die darüber hingen quollen teilweise über. An den Wänden blätterte alte, gelbe Farbe ab und es roch nach kaltem Rauch.
Das junge Mädchen verzog ihr Gesicht. Besuch war eine Sache. Aber Wohnen?
Sie schüttelte sich.
Nein, wohnen wollte sie hier ganz bestimmt nicht. Auf ihrem Weg in den vierten Stock begleiteten sie der Hall ihrer eigenen Schritte und die nicht gerade gedämpfte Geräuschkulisse hinter den verschlossenen Türen. Irgendwo stritten sich lautstark ein Mann und eine Frau. Ein Baby schrie. Ein Hund bellte. Und in irgendeiner Wohnung plärrte ein Fernseher so unüberhörbar vor sich hin, dass der Besitzer nur taub sein konnte.
Sie gab ein missbilligendes Geräusch von sich und betrat endlich Jans Wohnung.
Fast ehrfürchtig blieb sie einen Moment auf der Schwelle stehen.
Wow!
Seit ihrem letzten Besuch mit ihren Eltern hatte sich hier aber eine ganze Menge getan! Schnell trat sie ein und schloss die Tür hinter sich. Dann schlüpfte sie aus ihrer Jacke und ihren Sketchers, legte die Schlüssel auf ein unübersehbar neues Sideboard und sah sich neugierig um. Ihr erster Griff galt dem iPhone, das ihr Bruder offensichtlich zum Laden angestöpselt gelassen hatte. Nun, das erklärte immerhin, warum sie ihn die ganze Zeit nicht hatte erreichen können. Sein Akku war wohl abgestürzt, ohne dass er es bemerkt hatte. Andächtig ließ sie ihre Finger über Apples kleine Meisterleistung gleiten.
Cool…So eins hätte ich auch gern.
Der Briefumschlag leuchtete einladend auf der Anzeige, aber sie konnte sich gerade noch beherrschen. Wenn sie die SMS öffnete, müsste sie sie im Anschluss löschen, sonst würde er merken, dass sie sie gelesen hatte. Und es konnte ja sein, dass es etwas Wichtiges war.
Nee, lieber nicht!
Fast bedauernd legte sie das Handy zurück und sah sich weiter um. Sie ging von Raum zu Raum und staunte über einige neue Errungenschaften, wie zum Beispiel das MacBook, das auf seinem Schreibtisch in der Stube neben einer gemütlich aussehenden Ledercouchgarnitur stand, die sie ebenfalls noch nicht kannte.
Der Penner hat sogar einen Laptop von Apple! Nicht zu fassen!
Ehrfürchtig strich sie mit den Fingern über den geschlossenen Rechner und wunderte sich darüber, dass Jans selbstkreierter Tower inklusive Bildschirm nach einer solchen Errungenschaft nicht schon längst den Weg in den Müll gefunden hatten. Tatsächlich stand das alte Ding Seite an Seite mit dem wesentlich moderneren Gerät und wurde zu allem Überfluss noch von einer mittlerweile kaum lesbaren Tastatur und einer Maus bedient, mit der er wahrscheinlich auch schon an dem fast antiken C64 ihres Vaters gearbeitet hatte. Naja, vielleicht auch nicht. Verständnislos schüttelte sie ihren Kopf und sah sich weiter um.
Sockenschuss, bleibt halt Sockenschuss!
Die Wände waren teilweise dunkel gestrichen worden und dazu passende, cremefarbene Vorhänge gaben dem Ganzen Stil. Elisa war beeindruckt und ging weiter. Es sah fast so aus, als hätte sich Tine Wittler von der RTL-Sendung „Einsatz in 4 Wänden“ hier mal so richtig ausgetobt. Na gut, die für sie typischen Dekosachen fehlten selbstverständlich und die Ordnung ihres Bruders ließ auch ganz schön zu wünschen übrig.
Aber trotzdem! Was man so alles aus einer schäbigen zweieinhalb Zimmer Wohnung machen konnte, wenn man Geld hatte.
Moment mal… wenn man welches hatte…
Sie runzelte die Stirn.
Woher hat Jan die Kohle für all diese schönen Sachen?
Gespannt öffnete sie das kleine Zimmer, in dem er sie sicher einquartieren würde. Es war gerade groß genug für ein ausklappbares Zweiersofa mit einem Tischchen davor, einem kleinen Fernseher…
Wie cool! Ein Flatscreen!
… und einer Kiefernkommode, die vorher im Flur gestanden hatte. Zufrieden stellte sie ihren Rucksack hinein. Hier konnte man sich wohl fühlen.
Ihr Magen knurrte. Also machte sie sich auf den Weg in die Küche. Doch im Kühlschrank fand sie außer ein paar Dosen Hopihalido (Holsten Pilsener halb Liter Dosen) nur ein paar Chicken Nuggets auf einem Kuchenteller, die ihre essbare Zeit wohl schon lange hinter sich gelassen hatten und eine Eierpappe ohne Inhalt.
Echt! Ohne Worte!
Elisa seufzte und durchsuchte die Pinnwand über dem Küchentisch nach einem netten Lieferservice.
Ihr Vater hatte ihr auf dem Bahnhof noch ein paar Euros zugesteckt, von denen ihre Mutter nichts wusste und so sah sie kein Problem darin, sich das Wochenende von Fast Food zu ernähren. Einer kleinen Shoppingtour durch den Sophienhof stand dann trotzdem nichts im Wege.
Sie fand eine Speisekarte vom „Prego Grill“. Der Anbieter war relativ günstig und sie konnte sich sogar etwas Mexikanisches bestellen. So etwas hatte sie noch nie gegessen.
Die Rothaarige zückte ihr Nokia und wählte gut gelaunt die angegebene Nummer. Chicken Wings mit Pommes, Mexiko Salat und Mexiko Sauce hörte sich doch richtig gut an, oder? Dazu bestellte sie noch jeweils eine Literflasche Selter und Coca Cola light. Wenn die Getränkeausstattung ihres Bruders ebenso mau aussah wie das Innenleben des Kühlschrankes, war das ihrer Meinung nach eine ziemlich gute Idee.
Ein Blick auf die Küchenuhr informierte sie darüber, dass es mittlerweile viertel nach sieben war. Der Lieferservice wollte ihr Essen in etwa einer halben Stunde vorbeibringen. Also hatte sie noch genügend Zeit ein bisschen herumzuschnüffeln. Sie zuckte die Schultern und grinste. Wie konnte Jan auch nur so blöd sein und sie allein in seine Wohnung gehen lassen. Hey, sie war seine kleine Schwester und die hatten ja quasi eine Lizenz zum Spionieren, oder?
Jan beugte sich über die Pläne des pharmazeutischen Forschungsinstitutes und versuchte sich darauf zu konzentrieren, was Eddie ihm dazu erzählte.
Dieser Job unterschied sich in einem winzigen, aber entscheidenden Detail von all den Vorhergehenden und ihm brach schon jetzt der Schweiß aus, wenn er nur daran dachte, was ihm bevorstand. Wenn allerdings alles zur Zufriedenheit des Arabers und vor allen Dingen im zeitlichen Limit ausgeführt werden würde, winkten Chicks und ihm richtig ein paar Scheinchen.
Eddie traf sich mit ihnen meist auf seiner kleinen Segelyacht, so wie auch heute. Sie lag fast ganzjährig im Sporthafen vor Anker. Denn der Mann vertrat die Ansicht, dass die leichte Bewegung des Schiffes seinen Denkapparat anregte und seine Seele beruhigte.