Gefangen in der Unterwelt - Rolf Michael - E-Book

Gefangen in der Unterwelt E-Book

Rolf Michael

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Beschreibung

Seit undenklichen Zeiten sind die Götter, der über den Wolken liegenden Kristallwelt von Jhardischtan und den Höhlen unter den Vulkanfeldern von Jhinnischtan zerstritten. Doch wissen beide Göttergemeinschaften, dass ihre Machtkristalle ihnen gleiche Stärke verleihen, und haben deshalb noch keine gewaltsame Konfrontation herausgefordert. Doch nun hat Wokat, der Gott des Verrats, einen schlauen Plan. Es gelingt ihm, mit seiner List Dhaytor, den Vater aller Drachen, unter seinen tückischen Einfluss zu bekommen. Durch ihn, der allen Drachen Befehle erteilen kann, werden die Herren der Lüfte zu Gefangenen der dunklen Götter und müssen in den schaurigen Gelassen als Sklaven dienen. Nur Samy, dem kleinen Drachen, gelingt es, mit einem Trick aus der Unterwelt des Jhardischtan zu entkommen. In Salassar sind Samys Freunde Sina, die Katze von Salassar, Ferrol, der Abenteurer und Prinz von Mohairedsch und Churasis mit seinem Schrat Wulo sofort zu dem Wagnis bereit, in die geheime Festung der dunklen Götter unter den Vulkanfeldern einzudringen und die Drachen zu befreien. Doch zur gleichen Zeit fliegt Rasako, der Drachenlord, an der Spitze der Armada seiner Drachen einen offenen Angriff auf den Jahrdischtan. Dadurch kommt es zu einer Tragödie, die das Schicksal der Welt Chrysalitas völlig verändern kann. Der dritte Band, der aus Träumen des Weltenvaters geborenen Adamanten-Welt Chrysalitas besteht, führt zum Kernpunkt dieser Fantasy-Saga – dem Krieg der Götter von Jhardischtan und Jhinnischtan um die alleinige Macht.

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Drei Schwerter für Salassar

Gefangen in der Unterwelt

Band 3

von

Rolf Michael

Fantasy

Mondschein Corona – Verlag

Bei uns fühlen sich alle Genres zu Hause.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

1. Auflage

Neuauflage August 2016

© 2016 für die Ausgabe Mondschein Corona

Verlag, Plochingen

Alle Rechte vorbehalten

Autor: Rolf Michael

Lektorat/Korrektorat: Mia Koch und Jasmin Kreuz

Grafikdesigner: Finisia Moschiano

Buchgestaltung: Finisia Moschiano

Umschlaggestaltung: Finisia Moschiano

ISBN: 978-3-96068-043-7

© Die Rechte des Textes liegen beim

Autor und Verlag

Mondschein Corona Verlag

Finisia Moschiano und Michael Kruschina GbR

Teckstraße 26

73207 Plochingen

www.mondschein-corona.de

Ein mächtiger Schatten zog über die Welt und verdunkelte unter sich die Erde. Alles, was unter diesen Schatten fiel, wurde für den Augenblick eines Herzschlages in graue Düsternis gehüllt.

Menschen, die den Himmelsschatten am Firmament erblickten, wurden bleich und begannen zu frösteln. Lippen bebten, Augen wurden glasig, und zitternde Hände streckten sich empor nach dem ungeheuren Wesen, das dort oben zwischen Erde und Wolken seine Bahn zog.

Der Himmelsgigant mit den gewaltigen, ledrigen Flügeln flog höher, als selbst der erste Bogenschütze des Mardonios von Cabachas seinen Pfeil hinauf zur Sonne schießen konnte. Von unten her schien es, als wollte die mächtige Erscheinung geradewegs in den glühenden Feuerball hineinfliegen.

Obwohl das Wesen sich mit mächtigen Flügelschlägen mit der Geschwindigkeit eines sirrenden Pfeils bewegte, schien es den ehrfürchtig zum Himmel starrenden Menschen von Cabachas doch so, als zöge dieses gigantische Flügelwesen in majestätischer Anmut langsam seine Bahn.

»Ich hörte in Legenden singen, dass es sie gibt!«, hauchte einer der Männer, die am Fluss Cu-Longa ihren kärglichen Lebensunterhalt mit etwas Landwirtschaft und gelegentlichem Fischfang bestritten. »Immer wieder erzählten die Sänger in Liedern von ihnen. Doch nie hätte ich geglaubt, dass es meinen Augen jemals vergönnt sein sollte, ein Wesen vom Volk der Lüfte zu erblicken!«

»Sag, Ohm Crago«, fragte neben ihm im Boot der noch knabenhafte Jüngling, während sich seine Finger um das halb herausgezogene Fischernetz krallten. »Was ist das für ein Wesen, das dort oben fliegt? Einen Vogel in dieser Größe habe ich noch nie gesehen!«

»Es ist kein Vogel!«, sagte der Angesprochene und strich sich den langen, mit grauen Strähnen durchfurchten Bart. »Nein, bei Dhasor, dem Weltenvater, das ist kein Vogel!«

»Doch was ist es dann?«, fragte der Junge wissbegierig. »Ich habe Märchen gehört von jenem Wald im Norden, wo seltsame Wesen hausen sollen, die auch fliegen können. Greifen soll es da geben und den gewaltigen Vogel Rock!«

»Nördlich des Wunderwaldes, an der Grenze des Eismeeres, ragt auf steilem Felsen eine vieltürmige Burg auf!«, sagte Ohm Crago mit feierlicher Stimme. »Nur wenige Menschen können sich rühmen, dass sie die hochragende Burg auch nur aus der Ferne im Licht der Sonne schimmern sahen.

Hast du denn niemals von Coriella, dem hochgetürmten Drachenschloss gehört?«

»Doch, Ohm Crago. Aber ich hielt das alles für ein Märchen«, stieß der Junge aufgeregt hervor. »Ist das, was dort oben fliegt - ist das etwa ...?«

Er stockte im Satz und blickte fasziniert dem mächtigen Wesen nach, das mit gleichmäßigen Flügelschlägen in Richtung Nordwesten seine Bahn zog.

»Ja, Sano!«, nickte der alte Mann. »Sieh ihn dir noch einmal gut an. Ich bin alt und sah einen seiner Art zum ersten Mal. Du bist jung und wirst vielleicht nie wieder einen seiner Rasse sehen. Das ist einer der legendären Drachen.«

»Ein Drache. Ein richtiger Drache«, flüsterte Sano ehrfürchtig.

»In früheren Jahren, als diese Welt noch jung war, beherrschten sie die Erde«, erzählte der alte Crago. »Doch als Dhasor die Menschen erdachte und seine Gedanken sich auf unserer Welt ausbreiteten, zogen sich die Drachen zurück nach Coriella. Der Vater meines Vaters erzählte mir, dass dort oben ein machtvolles Wesen regiert, das über die Drachen gebietet und ihnen verwehrt, die Welt mit ihrem Feueratem zu versengen oder mit ihren gewaltigen Leibern und mächtigen Pranken die Städte und Siedlungen der Menschen zu zerstören!

Den Drachenlord nennt man dieses Wesen, dessen Gesicht noch kein Mensch gesehen hat, weil nur Drachen den Anblick ertragen. Ja, und jetzt erinnere ich mich.

Rasako ist sein Name! Rasako, der hohe Drachenlord!«

»Und das ist alles wahr?«, wollte Sano wissen.

»Es wird so erzählt seit den Tagen der Alten«, nickte der Fischer.

»Was weißt du noch, Ohm Crago?«, wollte Sano fasziniert wissen.

»Nichts weiter weiß ich, als was in alten Liedern geraunt wird!«, sagte der alte Mann. »Es heißt, dass dieses Machtwesen in eine herrliche Rüstung aus purem Gold gehüllt ist und niemand, der lebt, sein Gesicht gesehen hat. Nur seinen Namen trug ein Hauch über die Mauern von Coriella. Denn nie darf ein Mensch, der die Mauern der Burg überstiegen oder die Schwelle des Tores übertreten hat, wieder zurück in die Welt, aus der er gekommen ist. Jedenfalls nicht mit einem Körper, in dem Leben ist.

Wer Coriellas Herrlichkeit mit eigenen Augen erblickt, der ist dazu verdammt, den Rest seines Lebens in der Burg zu verbringen.

Zwar ist es den Menschen nicht verboten, das Drachenschloss zu betreten. Doch niemand, der die Schätze und Herrlichkeiten im Inneren bestaunt hat, darf zurück in die Welt, um davon Kunde zu geben und sich des Anblicks zu rühmen. Niemand verlässt Coriella lebendig - es sei denn, er ist ein Drache!«

»Und wer hat einen solchen grausamen Befehl gegeben?«, wollte Sano wissen. »Der Herrscher von Coriella. Rasako, der hohe Drachenlord. Er ist ...!«

Weiter kam der alte Mann nicht. Von irgendwo rauschte es heran, umfing sie und zerrte sie mit sich. Es war, als würde eine unheimliche Riesenfaust das Boot ergreifen, auf dem sich der Ohm und Sano verzweifelt festklammerten. Ihre Angstschreie gingen in einem ohrenbetäubenden Sausen unter. Die Weidenbäume an den Ufern des Cu-Longa bogen sich mit ihren Wipfeln fast zur Erde, die Wasser wurden aufgewühlt und auf ihren gischtigen Schaumkronen wurde das kleine Fischerboot von der Gewalt des heranrasenden Sturmes aufs Ufer zu geschleudert.

Durch sprühende Wassernebel sah der alte Crago, wie der schon weit am Horizont entfernte Drache in den Lüften taumelte und wild mit den Flügeln schlug. Unheimliche Kräfte schienen das gewaltige Wesen vorwärts zu reißen. Obwohl zu erkennen war, dass sich der Drache gegen den heranfauchenden Wind stemmte, wurde er von den entfesselten Elementen mit sich gerissen.

Ein Wind, der selbst hier auf der Erde eine verheerende Wirkung hatte. Wie stark mussten die Naturgewalten erst dort oben zuschlagen, wo der gewaltige Drache in der Luft mit der Macht der Elemente kämpfte?

Krachend splitterten die Planken und Spanten des kleinen Fischerbootes, als es von der Wucht des Windes auf die groben Steine am Ufer geschleudert wurde. Während der alte Mann durch den Aufprall zurück ins Wasser fiel, landete Sano im hochgewachsenen Klee der Uferböschung.

Als sich Crago schnaufend und prustend an die Wasseroberfläche emporgearbeitet hatte, sah er, wie in der Ferne die Gestalt des Drachen in der Sonne zu verglühen schien.

Schlagartig hörte der Sturmwind auf. Die Weidenbäume wuchsen ächzend wieder empor und die Wasser des Flusses glätteten sich.

Keuchend zog sich Crago die Uferböschung empor. Das Boot war ein Gewirr von zerborstenen Planken, die man nur noch als Brennholz verwenden konnte. Das Fischernetz mit dem Fang des Tages war auf den Grund des Cu-Longa gesunken. Sicherlich befreiten sich die Fische bereits wieder aus den dünnen Maschen, die ihren kleinen, aber scharfen Zähnen auf die Dauer nichts entgegenzusetzen hatten.

Auf Sano gestützt, erreichte der alte Mann die Fischersiedlung.

Er erblickte ein Bild der Verwüstung. Die kleinen Katen der Menschen waren vom plötzlich heranrasenden Sturmwind in arge Mitleidenschaft gezogen worden. Keines der Schilfdächer war mehr ganz. Manche der älteren Häuser waren unter der Wucht des Sturms völlig in sich zusammengesunken.

»Es war der Drache! Das Unglück! Der Drache hat das Unglück heraufbeschworen!«, hörte Crago wehklagende Stimmen. »Fluch über die Drachen. Wann wird uns Dhasor von dieser Plage endlich erlösen?«

Crago kümmerte sich nicht um das Heulen der Frauen und die zornigen Stimmen der Männer. Er war der Grebe des Dorfes und durfte sich nicht gehen lassen. Mit einem kurzen Rundblick stellte er fest, dass es zwar viele leichte Verwundungen und Prellungen gegeben hatte, dass jedoch niemand in der Siedlung durch die Einwirkung des Unwetters ernsthaft verletzt oder gar getötet worden war. Mochte Medon, der Gott der Heilkunst, den Verletzten die Gesundheit wiedergeben. Es galt, die allgemeine Panik zu beruhigen.

»Es war nicht der Drache, der dies alles bewirkt hat!«, rief er mit lauter Stimme. »Ich habe es genau gesehen. Der Sturmwind, der uns nur gestreift hat, trug diesen Drachen wie einen Gefangenen davon.«

Ein Drache ein Gefangener? Die Menschen des Dorfes sahen sich an. Langsam erstarben die Rufe und das Geheul.

»Wenn der Drache unsere Vernichtung gewollt hätte, dann hätte das Schlagen seiner Flügel genügt, um unsere Hütten und alles andere zu feinem Pulver werden zu lassen. Was wisst ihr von den unheimlichen Kräften, über die ein Drache verfügt?«

»Nicht nur die Kräfte des Körpers - auch Zauberkräfte!«, kreischte eine Weiberstimme. »Ich habe vom Drachenzauber gehört ...!«

»Für unsere kleine Siedlung mit den erbärmlichen Hütten benötigt ein Drache keinen Zauber, wenn er sie zerstören will!«, grollte die Stimme Cragos. »Wenn sein Feueratem einmal darüber hinweg gefegt ist, wird hier nie wieder eine Pflanze grünen. Doch ich selbst habe gesehen, dass der Drache auch in den Strudel der Elemente geriet. Vielleicht waren es Mächte, die es auf den Drachen abgesehen hatten!«

»Und wer hat solche Macht? Wer kann einen solchen Sturm heraufbeschwören?«, krähte eine Stimme aus der Menge.

»Und wer kann es wagen, einen Drachen anzugreifen?«, setzte Sano hinzu.

»Nur eine Macht kenne ich, die dies vermag und dazu in der Lage ist!«, sagte der alte Mann mit grabestiefer Stimme. »Es sind die dunklen Mächte, die in den Tiefen von Cabachas ihre Wohnung haben. Die finsteren Götter des Jhardischtan ...!«

»Du kannst uns nicht entkommen, Vater der Drachen!«, hörte Dhaytor eck Akaro die Stimme in seinem Inneren. »Du kennst mich und meine Macht. Ich vermag es, dich in einem leichten Lüftchen sanft schweben zu lassen. Doch es ist mir auch gegeben, die Winde zu erregen, dass sie dich zu mir treiben!«

»Ich weiß, wer du bist, Herr der Winde und Stürme!«, rief Dhaytor in seinen Gedanken. Der mächtige Drachenvater, den Crago und Hano auf seinem Flug über das Land Cabachas gesehen hatten, spürte, dass er nicht gegen das unsichtbare Element ankämpfen konnte. Die gewaltig rasenden Sturmwinde waren zu stark.

»Dann weißt du auch, dass du nicht entkommen kannst! Niemand ist so kräftig und so schnell wie Zardoz, der Herr der Stürme!«, jaulte es aus dem Nichts. »Doch heute habe ich mich zudem mit Cromos verbunden!«

»Daher also war aller Widerstand vergebens!«, fauchte Dhaytor.

»Cromos, der Gott, der unüberwindliche Stärke verleiht. Da kämpft auch ein Drache vergebens. Doch was treibt die Herren von Jhardischtan in ein solches Bündnis?«

»Der Narr erkennt unsere Macht und wagt es Fragen zu stellen!«, heulte der unsichtbare Sturmgott. Das Lachen des Cromos klang wie grollender Donner. »Doch da du in Kürze zu uns gehören wirst, wollen wir dir unser kleines Geheimnis offenbaren, Vater des Drachengeschlechts.«

»Redet! Ich höre!«, fauchte der alte Drache und Feuerlanzen schossen vor Erregung aus seinen Nüstern.

»Kräfte, von denen weder du noch sonst ein Wesen in Chrysalitas etwas ahnen, haben einen Teil der Götter des Jhardischtan zu einem Zweckbündnis geeinigt«, pfiff der Sturmgott mit hohlem Heulen. »Denn die Zeiten sind im Wandel. Eine neue Seite des Buches ist aufgeschlagen. Der große Krieg dämmert herauf. Ein Krieg gegen unsere Brüder und Schwestern in der Kristallwelt von Jhinnischtan.«

»Der Götterkrieg, von dem der halb wahnsinnige Prophet Arcibaras geredet hat«, stieß der Drachenvater schnaufend hervor. »Der Tag, an dem die Sternsteine verglühen werden.«

»Nur jene Sternsteine, welche unterliegen«, mischte sich Cromos ein. »Was besiegt wird, das muss sterben.«

»Ihr werdet Dhasors Schöpfung vernichten, wenn Jhardischtan und Jhinnischtan die Khoralia-Kristalle der Hochgrade gegeneinander einsetzen«, fauchte Dhaytor.

»Nicht nur die Steine, die wir Götter jeder einzeln beherrschen.« Die Stimme des Zardoz klang jetzt fast wie das sanfte Säuseln des Frühlingswindes. »In der Gemeinschaft sind wir mächtig genug, selbst einen der Kristalle zu regieren, die nicht mehr berührt wurden, seit sich Mamertus und Alessandra aus den Sphären von Chrysalitas zurückgezogen haben.«

»Den Machtstein!«, krächzte der gewaltige Drache. »Ihr wollt es wagen, den Machtkristall des Jhardischtan für eure Ziele zu benutzen? Den Khoralia der dreizehnten Ordnung?«

»Es ist an der Zeit, die großen Khoralias erneut zu erproben«, erklärte Cromos in einem Tonfall, als wäre er selbst Manns genug, einen solchen Kristall zu regieren.

»Ihr Narren! Ihr göttlichen Narren!«, heulte Dhaytor. »In der Welt der Menschen brennt ein Khoralia dem, der ihn nicht zu beherrschen vermag und seine Zauberkraft nicht zu bändigen versteht, das Gehirn aus und lässt einen lallenden Idioten zurück.

Nur Zauberer, Magier und Adepten mit einer starken Seele vermögen es, einen Sternstein zu beherrschen. Und auch nur je nach innerer Festigkeit bis zu einem gewissen Grad, den der Stein einnimmt. Wagt ein Verwegener, einen Khoralia höheren Grades zu benutzen und hat noch nicht das Wissen und die geistige Macht, wird der Stein sein Innerstes zerstören und seinen Geist töten.«

»Du erzählst uns Dinge, die wir längst wissen, Drache.« Die Stimme des Sturmgottes klang gelangweilt.

»Seit den alten Tagen geht die Kunde von der Macht der großen Kristalle, die seit den Tagen der Schöpfung verborgen sind«, brüllte der Drachenvater. »Sie lassen sich selbst von der ganzen Götterversammlung nicht benutzen, geschweige denn beherrschen. Nur Dhasor, der Weltenvater, und Thuolla, die Herrin der Tiefe, vermochten durch diese Kristalle ihren Träumen Gestalt und Leben zu geben!«

»Was du alles so weißt«, kicherte der Sturmgott.

»Ich habe von den hohen Khoralias singen gehört!«, fuhr Dhaytor langsam fort, während er seinen Widerstand gegen die Kräfte aufgab, die ihn in westliche Richtung zogen. Dorthin, wo der Eingang in das unterirdische Reich des Jhardischtan war. »Man sagt, dass alles, was ist, aus diesen Kristallen geschaffen wurde!«

»Auch die Zerstörung ist eine Schöpfung. Wenn auch in negativem Sinne!«, klang die Stimme des Cromos auf.

»Man benötigt keinen Götterstein, um eine Welt zu zerstören!«, gab der weise Drachenvater bissig zu bedenken. »Jene Wesen, die sich Menschen nennen und behaupten, dass sie das größte und edelste Werk des Weltenvaters sind, die schaffen das auch ohne Götterkrieg oder Machtkristalle. Ihr rastloser Sinn wird immer neue Dinge ersinnen, mit denen sie die Kräfte der Zerstörung entfesseln können.

Derzeit sind es noch Zauberer, welche zu ihren dunklen Künsten auch die Gesetze der Natur erkannt haben und wissen, wie man sie im Frieden und im Krieg nutzbar macht. Und selbst die Schwarzmagier, die ihre Werke den Kräften des Chaos geweiht haben, wagen es nicht, den Menschen zu erklären, dass viele ihrer geheimen Kriegswaffen oder Zauberfeuer auf der Beachtung der natürlichen Gesetze beruhen.

Wehe aber, wenn die Kriegsherren des Mardonios von Cabachas oder die Heerführer des Basileios von Decumania jemals erfahren, dass man nur wenige, einfach zu beschaffende Dinge im richtigen Verhältnis zu mischen braucht, um ein nie zu löschendes Feuer entstehen oder durch Entzündung eines bestimmten Pulvers, das sehr einfach herzustellen ist, eine Stadtmauer zusammensinken lassen kann.

Noch werfen die Menschen Speere, schießen Pfeile ab oder zücken die Schwerter. Noch schleudern sie Steine auf die belagerten Städte oder benutzen Ballisten und greifen mit Rammböcken die Tore an! Aber es wird der Tag kommen, dass ganze Städte im Feuer dieses Pulvers bis auf die Grundmauern verbrennen!«

»Vielen Dank für diesen Vortrag!«, unterbrach ihn der Gott der Stärke mit rauem Lachen. »Ich wusste nicht, dass ein kaltblütiges Drachenwesen solch feinsinnige Philosophie entfalten kann.

Doch was kümmern uns die Menschen? Im Krieg der Götter sind sie kleine Figuren, die unseren Willen ausführen!«

»Sie sind lebendige Wesen. Und für einen Drachen ist es das höchste Gebot, Leben zu achten!«, brüllte Dhaytor. »Wenn wir es wollten, würde diese Welt bereits den Herren der Lüfte gehören. Wenn die Heere der Drachen über die Adamanten-Welt ziehen, werden ihnen nur der Jhardischtan und der Jhinnischtan wirksamen Widerstand leisten können!«

»Vermutlich wird dieser Tag kommen! Und zwar sehr bald!«, lachte Zardoz, der Sturmgott, grell. »Darum haben wir dich ja eingefangen, Drachenvater. Auch wir wissen, dass die Drachen auf deine Worte hören. Wenn du unser Diener, nein, besser unser Sklave bist, werden die Drachen bald auf Seiten des Jhardischtan stehen!«

»Nein!«, grollte Dhaytor. In seinen gelben Augen leuchtete es auf. Aus seinen Nüstern lohte es rot hervor. Die gespaltene Zunge schoss aus dem mit dolchlangen Zähnen bewehrten Rachen. Mit aller Kraft versuchte der Drachenvater noch einmal, dem Griff der beiden dunklen Götter zu entfliehen.

»Es wird euch nicht gelingen, mich zu unterjochen!«, brüllte Dhaytor. »Niemals! - Niemals!«

»Das werden wir ja sehen!« Das Lachen des Cromos erschütterte die Lüfte ...

In Salassar hatte der Nachtwächter gerade die elfte Stunde aus gesungen. Und der dröhnende Säuferbass des dicken Wisdarand war bis in die hintersten Gassen zu vernehmen.

Kaum einer in der mächtigen Stadt am südlichen Ende der Chrysalischen See nahm jedoch Notiz von dem schwer beleibten Mann mit dem Achtung gebietenden Bauch, vor den er sich noch zur besonderen Zierde einen Brustpanzer gebunden hatte.

Der mächtige Spieß, den er mehr als Stütze denn als Waffe benutzte und der gewaltige Krummsäbel gab Wisdarand ein kriegerisches Aussehen. Doch wer sein wohlgenährtes Gesicht mit den rosigen Backen und den kleinen Augen sah, der wurde eher an eines jener Schweine erinnert, das sich ein Metzger mit Wohlgefallen betrachtet. Dazu kamen einige vereinzelte Haare aus dem Kinn und oberhalb der Lippenpartien, die man mit einiger Kühnheit als Bart bezeichnen konnte.

Wisdarand sang zu jeder vollen Stunde sein kurzes Lied in allen fünf Himmelsrichtungen, um dann schnell wieder in der Taverne »Zu den gekreuzten Schwertern« zu verschwinden, wo man seine Schale bereits wieder mit dunkelrotem Wein aus Caldaro gefüllt hatte. Immerhin war der Nachtwächter eine Amtsperson. Und mit der stellte man sich als Wirt gut, wenn man nicht später einmal irgendwelche Schwierigkeiten haben wollte. Zumal wenn die Stunde vorbei war, nach der den Geboten des Oberherrn zufolge eigentlich alle Schenken in Salassar geschlossen sein mussten.

Die Menschen in ihren Häusern atmeten auf, als zum fünften Mal das Lied verklungen war. Die einen, weil Wisdarands Gesang eine Mischung zwischen dem Liebeswerben eines brünstigem Ochsen und dem Angstkreischen eines Hahnes vor dem Hackklotz glich, die anderen, weil sie Diebe waren, die ihrer Tätigkeit nachgingen und befürchten mussten, dass ihre Opfer durch das Geheul des Nachtwächters aus dem ersten Schlummer gerissen wurden.

Auch Jurac, der Dieb, atmete einige Male flach, als er spürte, wie sich der Schläfer bewegte. Dieser Mann, den er bestehlen wollte, war immerhin ein Zauberer. Und obwohl man von Churasis wusste, dass er meist nicht viel Erfolg mit seinen Zaubereien hatte, konnte es dennoch gefährlich werden, hier etwas wegzunehmen.

Oder, besser gesagt, ihm das Kleinod zu stehlen, wonach Jurac gerade die Hand ausstreckte. Vorher vergewisserte er sich noch einmal, dass der Handschuh aus einer geheimen Metalllegierung keine Lücke aufwies.

Der Dieb hatte mit einem Trick in Erfahrung gebracht, dass Churasis einen jener legendären Khoralia-Kristalle besaß. Steine, auf denen jegliche Magie in dieser Welt basierte, wenn sie Kräfte nicht den Gesetzen der Natur folgten.

Churasis gehörte nicht gerade zu den verschwiegenen Menschen. Und bei einer Kanne schweren Weins aus Caldaro hatte Jurac nicht nur von dem Stein erfahren, sondern auch, wo er aufbewahrt wurde. Lachend hatte ihm Churasis gesagt, dass selbst der Hohepriester aus Dhasors Tempel nur einen Kristall zweiten Grades regieren konnte.

Doch der Khoralia des Churasis war ein Stein vierten Grades.

Viele Künste der dunklen und der hellen Magie musste man beherrschen, wenn man einen solchen Kristall benutzen wollte.

Jurac wusste nur zu gut, dass die Steine für Menschen, die sie nicht zu beherrschen vermochten, tödlich waren. Sie griffen nach dem Gehirn des Frevlers, der die Hand nach ihnen ausstreckte und es wagte, ihnen seinen Willen aufzuzwingen. War der Wille des Menschen zu schwach, dann sog der Kristall das Bewusstsein des Menschen in sich auf und ließ einen Irrsinnigen zurück.

Daher ging Churasis offensichtlich so sorglos mit seinem Sternstein um. Er konnte es sich leisten. Oder er glaubte es zumindest.

Jurac aber war einer jener Diebe, die nach der Würde des Patriarchen in der Diebesgilde der »fließenden Finger« schielten. Seit in Salassar bekannt geworden war, dass Oreander und Nallorge, die ehemaligen Diebeskönige von Salassar, für immer und ewig im Labyrinth des Diebesgottes gefangen waren, gab es viele wagemutige Männer, die nach dieser zweifelhaften Würde schielten.

In den Diebesgilden von Salassar war es üblich, dass man seine Fähigkeiten durch besonders wagemutige Taten beweisen musste. Als Schiedsrichter hatte sich Pholymates, der Oberherr, selbst angeboten.

Jurac war sicher, dass ihn ein Khoralia-Kristall vierten Grades in die erste Reihe der Bewerber bringen würde.

Deshalb ging Jurac das Risiko ein, die Rache eines Zauberers auf sich herab zu beschwören. Wenn Churasis jetzt vom Gesang des Nachtwächters wach wurde, dann musste sich Jurac eine ganze Menge einfallen lassen, was er dem Zauberer als Ausrede erzählen konnte, um seine Anwesenheit hier zu begründen.

»In Ugraphur hat man mal einen gesteinigt, der keine richtige Ausrede hatte«, lautete ein Sprichwort in Salassar.

Jurac stand mitten in dem mittelgroßen, hochgewölbten Zimmer, das für Churasis Wohnung und Zauberrefugium zugleich war. Wie üblich sah es darin aus, als hätten neunhundertfünfundneunzig grünschwänzige Dämonen dort eine kleine Feier abgehalten. Jurac dankte in seinem Inneren schon Mano, dem Gott aller Diebe, dass er bis hierher vorgedrungen war, ohne ein Geräusch zu verursachen.

Nur noch drei Schritte - dann war er am Ziel. Die Umhängetasche, ohne die Churasis nie anzutreffen war, hing achtlos über einem Stuhl neben einem Tisch, wo alchimistische Geräte und die Reste des kärglichen Abendbrots in sonderbarem Stillleben nebeneinander angeordnet waren.

Jurac hörte Churasis im Schlaf schmatzen. Gewiss hatte sich der Zauberer einen Traum herbeigewünscht, in dem er die köstlichsten Gerichte verspeisen konnte, die er sich sonst niemals zu leisten vermochte.

Doch ansonsten lag Churasis in tiefem Schlaf. Mit angehaltenem Atem machte Jurac den nächsten Schritt. Es gelang ihm, das Gleichgewicht auszubalancieren, als er unversehens auf einer Milchpfütze ausglitt und fast einige Glasgeräte mit einer grünlich dampfenden Flüssigkeit umgestoßen hätte, die Churasis aus unerfindlichen Gründen nicht auf den Tisch gestellt hatte.

Noch einen Schritt ... Noch einen ... Dann genügte die Distanz.

Jurac holte noch einmal tief Luft. Dann griff er vorsichtig in die Umhängetasche des Zauberers.

Und dann krallte eine eisige Hand nach seinem Herzen.

Im Inneren der Tasche erwachte etwas zum Leben ...

Dhaytor, der Drachenvater, war am Ende seiner Kräfte angelangt. Die geballte Macht der Götter war zu stark für ihn. Die unsichtbaren Fesseln, die um ihn geschlungen waren, vermochte er nicht zu zerreißen. Widerstandslos ließ er sich von den Sturmwinden des Zardoz vorantragen.

Tief unter ihm lag die grüne Ebene des Landes Cabachas wie ein grüner Teppich, in dem farbige Punkte die Städte, Dörfer oder Ansiedlungen markierten. Wie ein Silberband tauchte der Fluss Thlay auf, hinter dem sich eine ungeheure Gebirgskette von den Gestaden des Eismeers bis nach Paro, einer großen Stadt im Süden, zog.

Schon schwebte er über das zackige Felsengebirge hinweg. Und Dhaytor wusste genau, was ihn inmitten der Berge erwartete.

Das dunkle Tor des Jhardischtan.

Hier war der Eingang in jenes Reich, das unter den Füßen der Sterblichen schlummerte. In dieser Grottenwelt unter der Erde wurden die Schrecknisse geschaffen, mit welcher die Götter die Menschen plagten.

Hier unten hausten die gestaltlosen Schatten der Abgeschiedenen im ewigen Schlummer. Schlaf, den Thuolla, die Herrin der Tiefe, über die Augen der Sterblichen legt, wenn der »Schatten« über sie fällt. Der »Schatten« - der Gott des Todes, dessen wahren Namen niemand in Chrysalias auszusprechen wagte.

Doch auch die dunklen Götter hausten hier in einer Welt jenseits der Sonne in ewiger Dunkelheit. Die Erben der Thuolla. Die Kinder von Mamertus, dem schrecklichen Herrn des Krieges.

Die alten Lieder besingen, wie einst Dhasor, der Weltenvater und Thuolla, die Herrin der Tiefe, zueinanderfanden und dieser Verbindung Alessandra, die Göttin der Liebe und Mamertus, der Herr des Krieges, entsprangen. Von diesen beiden Göttern wiederum, so heißt es, stammen die Herren von Jhardischtan und von Jhinnischtan ab.

Dhaytor sah, dass einer der Felsen in bläulichem Schimmer zu glühen begann. Obwohl er dieses seltsame Schauspiel noch nie erlebt hatte, wusste er genau, was es zu bedeuten hatte.