Gefangen in der Venusfalle. Zwischen Liebe und Verbrechen - Jürgen Schonarth - E-Book

Gefangen in der Venusfalle. Zwischen Liebe und Verbrechen E-Book

Jürgen Schonarth

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Beschreibung

Ein erfolgreiches Model, eine gescheiterte Ehe, das Pariser Luxusleben – vor diesem Hintergrund entspinnt sich eine Liebesgeschichte, die auf vielfache Weise auf die Probe gestellt wird. Schnell stellt sich die Frage, ob die schicksalhafte Begegnung zwischen Jonas und Adaya wirklich Zufall war oder ob es nicht mehr Verbindungen zwischen ihnen gibt, als sie zunächst glauben. Nach und nach werden Verstrickungen von Geheimdiensten und Familientragödien sichtbar. Es ist die Liebe der Protagonisten, die den Leser bis zur letzten Zeile gefangen hält. 

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2023 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99130-330-5

ISBN e-book: 978-3-99130-331-2

Lektorat: CB

Umschlagfoto: Ori

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Vorwort

Kein Aspekt des Lebens wurde so oft besungen, über nichts wurde so viel philosophiert und nichts fasziniert die Menschen so sehr wie die Liebe. Sie kann einem das Leben versüßen, einen beflügeln und verzaubern, doch gleichzeitig kann sie einem auch den Boden unter den Füßen wegziehen. Sie kann Neid, Eifersucht und Zwietracht zwischen den Menschen säen und damit unüberwindbare Mauern ziehen.

Gleichzeitig bedarf es aber der Liebe, um derlei Mauern einzureißen. Die Menschheit hat es nie geschafft, sie vollends zu begreifen. Sie entzieht sich jeder Logik und Berechenbarkeit.

Kapitel 1: Der Modeltraum

Die meisten Frauen halten gutes Aussehen für das A und O eines glücklichen Lebens. Manche von ihnen würden sich am liebsten sofort unters Messer legen, nur um dem Traum vom perfekten Körper näherzukommen. Der Spruch „Wer schön sein will, muss leiden“ mochte zwar auf viele Altersgenossinnen zutreffen, nicht aber auf Adaya. Eine natürliche Schönheit, ein perfekter Körper und eine faszinierende Ausstrahlung – Adaya hatte das alles. Selbst kleinere Mängel brauchte sie nicht zu kaschieren, dafür hatte sie hervorragende Stylisten. Ihre Größe und ihr schlanker, graziler Körper hatten ihr den Einstieg in das Modelbusiness erleichtert. Die „Späher“ der Branche wurden früh auf sie aufmerksam. Um unliebsame Überraschungen zu vermeiden, hatte ihre langjährige französische Freundin Marie-Claire geholfen, die Seriösen von den Unseriösen zu unterscheiden.

Adaya wusste schon immer, dass sie Model werden wollte. Bereits als junges Mädchen posierte sie gerne vor der Kamera, wippte mit den Hüften hin und her und versuchte, den professionellen Gang der Models auf dem Catwalk nachzuahmen.

Adaya brauchte keine Diäten, sie hatte auch noch nie ein Fitnessstudio von innen gesehen. Sie war ein Naturtalent und das meiste in ihrem Job war sowieso Routine. Bei einem Schönheitswettbewerb wurde sie von einer Agentur entdeckt, gefördert und schließlich unter Vertrag genommen. Anfangs waren es nur Testaufnahmen im Studio, später bekam sie feste Aufträge für die verschiedensten Werbekampagnen.

Ganz Paris war hektisch in jenen Tagen. Adaya war auf dem besten Weg, ein Starmodel zu werden. Die Agentur hatte mit ihr einen Goldfisch an der Angel und Adaya hatte das, worauf Modemacher abfuhren. Eine gute „Bookerin“, die die Auftritte von Künstlern organisiert, sieht so etwas sofort. Topdesigner suchten Mädchen mit Topmaßen und Persönlichkeit.

Mit der Set-Card, ihrem „Buch“, ging Adaya von Casting zu Casting. Der Klient suchte schließlich aus, ob er das Mädchen haben möchte oder nicht, ob es sein Typ für diesen Job ist oder nicht. Die Agentur koordiniert die Termine und zeigt, dass Menschen scheinbar nur aus Maßen bestehen. Die Ansprüche an gute Models sind sehr hoch und die Regeln äußerst streng. Alles, ausnahmslos alles, wird gezählt, gemessen und gewogen. Adaya bekam letzte Instruktionen, wie sie sich bei einem Casting zu verhalten habe. Sie musste auch mit ihrem Terminmarathon zurechtkommen. Hinzu kam, dass die Franzosen in der Branche offensichtlich nur Französisch sprechen und Englisch meiden wie die Pest. Das Prozedere bei den Castings ist immer das Gleiche. Nett lächeln, ihr „Buch“ zeigen und darauf hoffen, dass sich das Gegenüber einmal dazu herablässt, einen länger als zehn Sekunden anzuschauen. Adaya gewöhnte sich daran, hatte sie doch frühzeitig herausgefunden:

„Der Anfang einer Modelkarriere ist sehr hart. Wichtig ist, Geduld zu haben und dass man einen guten Job macht. Das ist in jedem anderen Beruf auch nicht anders.“

Schon bald wurde Adaya von den renommiertesten Häusern der Haute Couture, Modezeitschriften sowie einigen ausländischen Hochglanzmagazinen gebucht. Ihr natürlicher Charme hatte ihr geholfen, die verschlossenen Türen des Modebusiness aufzustoßen. Ihre liebenswerte, strahlende Art machte sie bald zum „Sweetheart“ der Branche.

Designer Julien Devin suchte gerade Mädchen für seine nächste Show und Adaya suchte Julien Devin. Ihre Agentur hatte sie kurzfristig zum Casting gebucht. Dass die Kleider gut sitzen müssen, versteht sich von alleine, ob ein Model auch gebucht wird, hängt allerdings von ganz anderen Faktoren ab wie Gang und Ausstrahlung. Mit Worten konnte Julien Devin seine Auswahlkriterien nur schwer auf den Punkt bringen. Viele Details zählen, vor allen Dingen muss das Model in das Konzept der Show passen. Julien Devin blieb vorerst zurückhaltend:

„Adaya sieht gut aus, sie bewegt sich auch gut, aber – nun ja, ich bin mir noch nicht sicher“, äußerte er sich gegenüber einer Reporterin der Branche. Nachdem Adaya „Probe“ gelaufen war, sagte sie: „Ich habe ein gutes Gefühl.“ Eine mündliche Zusage bekam sie allerdings nicht. Sie verabschiedete sich mit „Ciao, ciao“ und „Bye, bye“.

Bei Ives Saint-Laurent gingen noch zwanzig weitere Mädchen ins Rennen, doch von Adaya waren alle begeistert. Oft genug legten die Designer selbst Hand an, um den perfekten Sitz, die grandiose Wirkung ihrer Haute Couture zu erreichen.

Sie behandeln ihre Kreationen wie lieb gewonnene Kinder. Jedes kleinste Detail muss stimmen, nichts, aber auch rein gar nichts wird dem Zufall überlassen.

Adaya empfand es wie einen Ritterschlag, als der Stardesigner zu ihr sagte: „Mädchen, du bist wunderbar, ich will dich für meine nächste Kampagne haben!“

„Das ist perfekt!“, freute sich Adaya, weil es bei den Haute-Couture-Jobs das Beste ist, was ein Model erreichen kann. Doch wer für die Besten „laufen“ darf, läuft privat lieber bequem und lässig.

Adaya zeigte einer Reporterin ihre braunen Stiefel mit sehr hohem Absatz und sagte: „Schauen Sie, das sind meine schönsten High Heels. Sie machen allerdings die Beine sehr müde, deswegen: Bingo! Turnschuhe sind im Privatleben immer besser.“

Adaya lebte jetzt seit über einem Jahr in Paris und hatte die Spielregeln der Branche verinnerlicht. Die meisten Models nehmen in Paris die Metro. Limousinen können sich nur die wenigsten leisten. Planlos in Paris – undenkbar! Einen Stadt- und Metroplan hat jedes Mädchen in der Tasche.

„Models müssen wissen, was sie wollen. Sei professionell, egal, um welche Uhrzeit und ganz gleich, wie du drauf bist. Sei drei Stunden vor der Show fürs Styling zur Stelle, gewöhne dich ans Warten und daran, dass du einsam bist.“ Sie lächelte geheimnisvoll auf die Frage nach ihrem Privatleben: „Ob ich einen Freund habe, das bleibt mein Geheimnis. Vielleicht ja – vielleicht nein. Mit Freundschaften, das muss man sich so vorstellen: Man lebt zwei oder drei Monate in einem Appartement mit mehreren Mädchen zusammen und dann geht eines der Mädchen in dieses oder jenes Land. Man sieht sich immer wieder, auch wenn man nicht genau weiß, wann, irgendwann begegnet man sich erneut.“

Paris im Januar: Fashion Week. Das Wetter in der Stadt nervt Modemacher und Models gleichermaßen, aber Paris lässt seine besten Kunden nicht im Regen stehen. Fünf Tage lang werden die teuersten Kleider der berühmtesten Designer ihrem erwartungsvollen Publikum vorgeführt, ja, regelrecht zelebriert. Das Event des Jahres für die gesamte Branche. Die hohe Schneiderkunst, die Haute Couture, gibt es nur als Einzelstück, das der Kundin passgenau auf den Leib geschneidert wird. Bei etwa 40.000 Euro pro Kleid fängt es an. Nicht mehr als 15.000 Frauen weltweit wollen sich das leisten. Die Kundschaft fühlt sich geehrt, bei solch einem Anlass dabei zu sein. Die ersten Reihen sind nur für die allerbesten Stammkunden, Modejournalisten, hochkarätige Promis und Freunde wie Verwandte der Designer reserviert. Man gibt sich gerne geheimnisvoll, ist äußerst diskret und über Geld schweigt man sich aus. Die Modezaren zeigen sich gerne am Set mit ihren besten Stammkunden und umgekehrt. Die Branche ist sehr sensibel, aber auch sehr eitel – eine äußerst exklusive, fast geschlossene Gesellschaft.

Mode ist ein absolut nüchternes Geschäft. Einmal Catwalk und zurück bringt dem Model um die 600 Euro, nur Topmodels kassieren schon mal sechsstellig oder sogar noch mehr. Im ersten Jahr muss man als Newcomerin mit Sicherheit etwas investieren, im zweiten Jahr kriegt man mit Glück etwas raus, nicht so viel, aber man kann davon leben. Aber auch die Kosten summieren sich, vieles hat man zu bezahlen: die Set-Cards, die Copys, die Buchversendungen und vor allen Dingen das Appartement. In Paris, in guter Lage, liegt die monatliche Miete bei mindestens 2.000 Euro, das ist schon ein Brocken. Adaya teilte sich ein Appartement mit drei weiteren Mädchen in Montmartre, dem originellsten Einkaufsviertel der Stadt. Die Models kommen aus aller Welt, ziehen ein und aus in stetem Wechsel. Miteinander reden sie Englisch. Wenn sie ankommen, schlafen sie kaum. Viel zu aufregend ist das Leben in Paris, groß auch die Sorge, etwas zu verpassen. Im Kühlschrank lagern vor allem Obst und Gemüse, Joghurt und Wasser – viel Wasser.

Adaya war müde, aus dem Vorsatz, früh zu Bett zu gehen, war allerdings wieder einmal nichts geworden. Es lockte das Nachtleben auf den Champs-Élysées. Dort blieben die Models unter sich – das war der Alltag. Man fand sich damit ab, irgendwie machte es den Mädchen auch Spaß. Die Schickeria fand Adaya langweilig, sie bevorzugte lieber „normale“ Menschen. „Der Stoff, aus dem die Träume sind“, bedeuten für jeden etwas anderes. Für Adaya war es das absolute Highlight, als sie vor drei Monaten in der Italien-Ausgabe der Zeitschrift Vogue in Millionenauflage als Cover-Girl zu sehen war.

„Ein Traumjob, der absolute Wahnsinn!“, sagte sie voller Stolz zu sich selbst und nickte ihrem Spiegelbild anerkennend zu. Und der Wahnsinn nahm Gestalt an. Carlos, der unbestrittene Modezar hatte Adaya für seine Haute-Couture-Show im Palais de Chaillot am Place du Trocadéro gebucht. Adaya nahm am Vorabend ein Taxi, fuhr aufgeregt nach Hause, führte einige Telefongespräche, unter anderem auch nach Hause mit ihren Eltern, und gönnte sich anschließend ein beruhigendes Lavendelbad. Sechs Stunden Schlaf vor dem großen Auftritt mussten reichen. Am nächsten Tag fühlte sich Adaya ausgeschlafen, frisch und hoch motiviert. „Wahnsinn“, dachte sie auf dem Weg zur letzten Anprobe vor der großen Show immer wieder.

„Dies ist meine große Chance.“ In ein paar Stunden würde es losgehen und sie würde nur ein Kleid vorführen, ein einziges und das musste sitzen.

Die Hochsteckfrisur ihrer schwarzen, lockigen Haare wurde gerichtet, das Make-up in Knallrot noch einmal kontrolliert. Ready for Take-off.

Der Catwalk hatte drei Stopps, die Models gingen in eine Richtung. Fast 80 Meter lang war der Laufsteg. Das war sehr viel. Für Adaya waren es 80 Meter bis in die oberste Riege der Topmodels – die absolute Champions League der Branche. Nicht nur Mode wurde hier vorgeführt, auch die Models wurden von den „Scouts“ ganz genau beobachtet. Wer sich hier bewährte, der konnte seinen Marktwert enorm steigern. Bis auf die Fingernägel war alles echt bei Adaya und alles schlank, extrem schlank sogar – viele würden sogar sagen mager. Doch so sahen fast alle Models aus, die Haute Couture vorführten.

Ein letzter Blick in den Spiegel. „Wunderbar, das ist der Hammer! Das ist der schönste Tag in meinem Leben! Ich bin so aufgeregt, dass ich fast nicht mehr sprechen kann“, stotterte sie vor ihrem wichtigsten Auftritt in einer von Männern dominierten Branche.

Eingängige rhythmische Musik, das Defilee begann, ein feierlicher Augenblick. Wie ein strahlender Engel auf Wolken schwebte Adaya mit anmutig laszivem Gang über den Catwalk. Ein feines, ebenmäßiges Gesicht, ein sinnlicher Mund, ein graziler, geschmeidiger Körper, eine herbe Schönheit mit einer erotischen Ausstrahlung, an der nicht nur die Herren der Schöpfung Gefallen fanden. Laut brandete Applaus auf, der nur ihr gegolten hatte. Adaya stieß die Arme in die Höhe und rief lauthals:

„Wahnsinn, ich bin Chanel gelaufen!“

Bei der anschließenden After-Show-Party im Hotel Le Meurice, dieser feinen Adresse für abgedankte Könige, Künstler und neureiche Prominente, floss der Champagner in Strömen. Luxus ist hier selbstverständlich und dass man darüber spricht – inklusive der persönlichen Begrüßung durch den Hoteldirektor. Adaya versteckte ihre Aufregung hinter einer vornehmen Zurückhaltung. Dabei ahnte sie nicht im Entferntesten, was ihr Auftritt in der internationalen Modelbranche ausgelöst hatte, sonst hätte es ihr womöglich den Atem verschlagen, denn eine Woche später feierte Italiens größtes Gesellschaftsmagazin sie unter der Headline: „Ein Topmodel fällt vom Himmel“.

Bald lächelte die herbe Schönheit von unzähligen Titelseiten internationaler Hochglanzmagazine. Adaya war auf einen Schlag gefragter denn je. Sie präsentierte Haut Couture vom Feinsten. Mit üppigen Gagen im Gepäck tingelte sie von einer Fashion Week zur nächsten. „89 – 64 – 91“, diese Zahlen waren immer noch das Maß aller Dinge, wenn es um Schönheit ging. Immer, wenn ein Fotograf seine schussbereite Kamera in Stellung brachte, nickte Adaya freundlich zustimmend und warf mit einer einstudierten Kopfbewegung ihr schulterlanges Haar nach hinten und lächelte direkt in sein Objektiv.

Dabei dachte sie: „Die Jungs machen auch nur ihren Job. Man darf ihnen immer nur ein kleines Stückchen von sich geben, dann verehren sie einen.“

In diesem Geschäft braucht man sich gegenseitig. Der Fotograf lächelte dankbar zurück und schwärmte:

„Wahnsinn, diese Frau ist so schön wie Evita Perón und Grace Kelly zusammen.“

5 Jahre später

Adaya hatte dem turbulenten Modebusiness Lebewohl gesagt. Auf ausdrücklichen Wunsch der Familie war sie nach Hause in ihre Heimat Israel zurückgekehrt. Dort wollte sie sich einem medizinisch gebotenen Schwangerschaftsabbruch unterziehen, aber auch ein anderer wichtiger Grund war für Adaya ausschlaggebend geworden. Ihr Vater war in eine schwierige Situation geraten, bei der nur Adaya für die notwendige Abhilfe sorgen konnte. Nach fünf Jahren Aufenthalt in Israel war sie wieder nach Paris zurückgekehrt. Sie studierte Jura an der Sorbonne, jobbte nur noch gelegentlich als Model und führte ein recht unauffälliges Leben. Bis zu jenem Tag, an dem sie Jonas Théret begegnete.

Kapitel 2: Ehe in Scherben

Komödien und Liebesgeschichten enden in der Regel mit einem Happy End, bei dem die Protagonisten zueinanderfinden und glücklich bis ans Ende ihrer Tage zusammenbleiben. Diese romantische Vorstellung hält der Realität jedoch nur selten stand – Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten tauchen in jeder Beziehung irgendwann auf, mal im kleineren, mal im größeren Rahmen. Natürlich gibt es Ehen, die auch zu Bruch gehen.

An jenem Morgen war Jonas bewusst geworden, vor welch wichtiger Entscheidung er stand. Er befürchtete, dass ihm keine andere Wahl blieb, und schaute seine Frau Catherine kritisch von der Seite an.

Das liebevoll gehauchte „Guten Morgen“ war schon seit Längerem ausgeblieben. Eine große Zuneigung war zwischen beiden auch nicht mehr zu spüren. Das Krebsgeschwür der Langweile hatte längst bei ihnen Einzug gehalten und Metastasen gebildet. „Zerrüttet“ wäre die offizielle Beschreibung. Beide registrierten, wie zerbrechlich die Realität doch sein kann.

„Es wird schon werden“, sagte Catherine, um ein wenig Optimismus zu vertreiben.

„Jonas, bleib einfach locker und du wirst sehen, wie sich unser Leben auf einen Schlag verbessern wird. Glaube mir, wenn dir Vater einen Posten in der Firma anbietet, meint er es nur gut mit uns. Er möchte dir ein paar Türen öffnen. Papa sagt, das ist eine Chance, das Business, sein Business, besser zu verstehen und kennenzulernen. Deine Referenzen und Zeugnisse sind ausgezeichnet, deshalb kann deine Zusage einen positiven Effekt auf unsere gesamte Lebenssituation nehmen.“

„Ich kann mein Glück kaum fassen. Catherine, höre bitte auf damit, ich kenne deinen Vater mittlerweile zur Genüge. Es ist kein Akt von Großzügigkeit, wenn er mir ein Angebot unterbreitet. Er trifft die Entscheidungen und andere müssen die Folgen tragen. So war es bisher. Seine wahren Absichten habe ich noch nicht durchschaut, auch wenn er behauptet, sich zurückziehen zu wollen. Wie mir scheint, wird er versuchen, seine Interessen auf eine andere Art und Weise durchzusetzen. Ich kenne auch seine Vorliebe, mit Menschen zu spielen wie mit Figuren auf dem Schachbrett. Nach derzeitigem Stand der Dinge bin ich der einzige externe Bewerber, nach dem der Aufsichtsrat bereits die übrigen Kandidaten als ,nicht ausreichend‘ abqualifiziert hat. Dafür wird es Gründe geben, die mir allerdings nicht bekannt sind – noch nicht. Am liebsten würde ich deinem Vater sowieso alles vor die Füße werfen.“

„Jonas, ich kann die nur raten, rede mit ihm!“

„Da kannst du warten bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Und ich möchte dir noch eins sagen, Catherine: Ich habe vor jedem Menschen Respekt, mag er Maurer oder Tischler sein, aber was deinen Vater angeht, es tut mir leid, wenn ich das sagen muss, bei deinem Vater ist der Evolution ein fataler Fehler unterlaufen, denn wer sich ein Leben lang auf Kosten anderer bereichert – und das entspricht genau seiner eigentlichen Kernkompetenz –, dem kann ich weder Respekt noch Achtung entgegenbringen.“

„Was willst du damit sagen? Hast du dafür Beweise, wenn du schon solche Behauptungen aufstellst?“

„Noch nicht, aber bald wird es unwiderlegbare Beweise geben.“

Catherine war dabei, Jonas ins Wort zu fallen: „Jonas, bist du dir im Klaren …“

„Unterbrich mich nicht und lass mich ausreden! Du hast wohl Angst um deinen Vater, wenn die Luft für ihn dünn wird? Ein ehrlicher Mensch hat in diesem zivilisierten Land nichts zu befürchten. Denk einfach mal darüber nach!“

Die massiven Vorbehalte und die abgrundtiefe Abneigung gegen seinen Schwiegervater Antoine Dessalier hatten berechtigte Gründe. Jonas hüllte sich in Schweigen, er legte sein Buch zur Seite, grübelte eine Weile vor sich hin und starrte dabei an die Decke.

„Jonas, woran denkst du?“, fragte Catherine nach einer Weile. Noch von dem vorausgegangenen Disput genervt, rollte Jonas mit den Augen und antwortete gedankenverloren:

„Ach, die kennst du nicht!“

Ein Zank unter Liebenden heilt schnell. Die beiden Eheleute stritten in letzter Zeit immer häufiger. Die Antwort von Jonas war aber eine einzige Katastrophe, die das Fass zum Überlaufen brachte. Catherine war entsetzt. Sie empfand seine Worte wie eine Kriegserklärung. Damit hatte sie nie und nimmer gerechnet. Und schon gar nicht aus dem Munde ihres Mannes Jonas. Wutentbrannt sprang sie auf und schlug ihm heftig die umherliegenden Kissen um die Ohren.

„Ja, so kenne ich dich, du legst dir die Welt zurecht, wie du sie gerade brauchst. Und am liebsten machst du alles mit dir selbst aus. Du magst es nicht, wenn jemand versucht, dir in den Kopf zu gucken. Vielleicht liegt es daran, dass du ein Einzelkind bist!“, schrie sie ihn mit hochrotem Kopf an. Ihre Stimme überschlug sich fast, wirkten Jonas Worte doch fast wie ein Peitschenhieb.

Jonas wiegelte ab: „Ich bin es gewohnt, selbstständig zu denken und allein zu entscheiden. Aber wenn es um unsere Ehe geht, habe ich schon lange nicht mehr den Eindruck, dass du auf meiner Seite stehst. Ich wollte jemanden haben, auf den ich mich hundertprozentig verlassen kann. Dieses Gefühl habe ich bei dir schon lange nicht mehr.“

„Das bildest du dir bloß ein, Jonas. Es macht mir Angst, wie wir miteinander umgehen. Ich fühle mich von dir alleingelassen.“

Catherine war rasend vor Wut, aber sie war gewillt, mit moderaten Tönen die Wogen wieder zu glätten.

„Jonas, wenn dich etwas quält, dann sage es mir doch, auch wenn es dir schwerfällt, darüber zu reden. Und wenn ich etwas für dich tun kann, brauchst du es doch nur zu sagen. Ich kann es einfach nicht ertragen, dich unglücklich zu sehen. Ich möchte auch nicht diesen gequälten Ausdruck in deinem Gesicht sehen. Was ist dir denn an unserem Leben wirklich so zuwider? Verdammt noch mal, rede endlich und sage mir, was ich tun kann, damit dieser unerträgliche Zustand beendet wird.“

Jonas schüttelte den Kopf, es fiel ihm schwer, sein aufbrausendes Temperament zu zügeln und seinen aufgestauten Frust zurückzuhalten.

„Du nervst mich, deine Fragen machen mich sprachlos, sie sind so unnötig wie ein Karzinom. Meine Arbeit ist das Einzige, was mir Spaß macht. Ich komme nicht klar damit, wie dein Vater sich ständig in unsere Angelegenheiten einmischt. Ich bin es auch leid, mich fortwährend vor ihm rechtfertigen zu müssen. Ich fühle mich ausgebrannt und leer. Ich habe auf weitere Diskussionen mit dir keine Lust.“

„Kein Wunder, wenn man ständig auf der Überholspur lebt“, spottete Catherine in einem Anflug von Resignation.

Jonas war mit seinen Gedanken schon längst woanders. Er hegte die Absicht, das ständige eheliche Hickhack ein für alle Mal zu beenden. Nach dem Streit konnte und wollte er kein Auge mehr zu tun. Kurz entschlossen zog er seinen Jogginganzug an, ging zum Kühlschrank und trank einen Schluck eiskalte Milch aus der Flasche.

Catherine, die ihm gefolgt war, fragte ihn:

„Jonas, was ist mit dir? Wo gehst du hin um diese Zeit, es ist ja noch dunkel draußen?“

„Die Sonne geht gleich auf, ich brauche frische Luft, ich ersticke hier, ich fühle mich wie einbetoniert. Als wir uns kennenlernten, gab es nur uns, seit wir in das Haus deines Vaters gezogen sind, ist unser Glück vorbei. Ich gehe auf den ,Champs‘ joggen, bin in einer Stunde zurück.“

Jonas wollte Catherine an diesem Morgen weder in den Arm nehmen, geschweige denn ihr einen noch so flüchtigen Kuss geben.

Kapitel 3: Schicksalhafte Begegnung

Der Zufall ist Gottes Art, anonym zu bleiben.

Es gibt im Leben Augenblicke, in denen einem klar wird, dass sich etwas ändern muss. Bereits in der Frühe des Nationalfeiertages hatte Jonas das Haus verlassen. Nach dem Streit mit Ehefrau Catherine bemühte er sich, seine innere Balance wiederzufinden; er wollte den Kopf frei haben und mit sich ins Reine kommen.

In leichtem Trab kam Jonas aus der Rue Saint Honoré und joggte in Richtung Rue de Rivoli. Als er diese erreicht hatte, bemerkte er eine junge Frau, die ebenfalls in Richtung „Champs-Élysées“ sportlich unterwegs war. Ihre Topfigur und das faszinierende Erscheinungsbild nahmen seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Bei der nächsten Ampel überquerte Jonas eine belebte Straße, ohne auf den fließenden Verkehr zu achten. Als Bürger von Paris wusste er genau, wie man sich beim Überqueren einer vielbefahrenen Straße zu verhalten hatte, ohne dafür sein Leben zu riskieren. Beide joggten in einem Abstand von etwa zehn Metern die „Champs-Élysées“ hinauf. Die langsam ansteigende zwei Kilometer lange Prachtstraße zwischen Place de la Concorde und Arc de Triomphe hatte sich für diesen besonderen Tag, den französischen Nationalfeiertag, glanzvoll herausgeputzt.

Dieser Weg war Jonas Lieblingsstrecke, die regelmäßig an Sonn- und Feiertagen zu seinem Pflichtprogramm gehörte. Er tat sich deutlich schwerer beim Laufen als die ihm vorauslaufende junge Frau. Er warf nur einen flüchtigen Blick in die exklusiven Schaufenster, auf den Schmuck, die sündhaft teuren Uhren und Accessoires von Cartier, Louis Vuitton und Ives Saint-Laurent zu seiner Rechten.

Die Joggerin hatte jedenfalls sein Interesse geweckt, wenn er auch nur ihre Rückenpartie vor Augen hatte. Nichts und niemand hätte ihn davon abbringen können, ihr weiterhin auf den Fersen zu bleiben. Vor der nächsten Ampel gingen beide im Schritt, nur kurz begegneten sich ihre Blicke. Jonas schaute in ihre dunklen Augen und bemerkte ein zaghaftes Lächeln. Er sah sich in seiner Hartnäckigkeit bestätigt. Seine Neugierde und sein Mut, diese junge Frau anzusprechen, wuchsen von Minute zu Minute. Er überlegte, wie er mit ihr ins Gespräch kommen könnte. Beim nächsten Stopp war es allerdings die junge Frau, die ihm zuvorkam und ihn unvermittelt ansprach.

„Sie sind aber ganz schön hartnäckig, sind Sie vielleicht ein Stalker?“

„Schauen Sie mir in die Augen! Was sehen Sie? Ich bin doch kein verrückter Stalker. Ich bin an einem so herrlichen Sonnentag voller Übermut und habe nur auf jemanden gewartet, der meine Ausgelassenheit mit mir teilen möchte. Nach Ihrem Aussehen und Ihrem Akzent zu urteilen, sind Sie keine Französin. Was machen Sie hier in aller Frühe auf dem Boulevard, ausgerechnet an unserem Nationalfeiertag?“

„Darf ich das vielleicht nicht, auch nicht am 14. Juli? Ich dachte immer, Frankreich ist ein freies Land. Und im Übrigen, was ich wirklich in Paris mache, ist allein meine Sache. Das ist allein meine Geschichte.“

„Schade, dass Sie es so eilig haben, ich habe Zeit, ich habe heute Morgen nichts vor“, beteuerte Jonas.

„Aber ich habe keine Zeit, mein Lieber, ich habe heute Morgen einen wichtigen Termin.“

Jonas fühlte sich geschmeichelt, weil die junge Frau ihn cool und sympathisch fand, sie machte sogar den nächsten Schritt:

„Kommen Sie doch einfach heute Abend um 20 Uhr in die Bar bei ,Au Père Georges‘, in der Nähe der Metro-Station Boulevard Hausmann. Dann können wir ja gerne unsere Unterhaltung fortsetzen“, schlug sie vor und stieg in eines der bereitstehenden Taxen.

„Ja, ok, ich kenne die Bar vom Hörensagen. Bis heute Abend!“, rief Jonas ihr freudestrahlend hinterher.