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GegenStandpunkt 1-25 E-Book

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Beschreibung

Deutschland und seine Migration Wenn es etwas gibt, worin Deutschland sich zu Beginn des Jahres 2025 einig ist, dann ist es das: Deutschland hat ein Migrationsproblem. In verschiedener Weise definiert, reden die Parteien, die Öffentlichkeit, das Internet davon, dass Deutschland „die Kontrolle über die Migration zurückgewinnen muss“, „die Kommunen überlastet sind“, eine „Einwanderung in die Sozialsysteme“ beendet werden müsse, das deutsche Volk „vor ausländischen Gewalttätern zu schützen“ sei usw. In jeder Beschwerde über die „unkontrollierte Masseneinwanderung“, in jeder Bekräftigung, Deutschland müsse die „irreguläre Migration in den Griff kriegen“, ist der Normalfall einer Migration unterstellt, die Deutschland als Subjekt betreibt, kontrolliert und fest im Griff hat: die reguläre, mit der sich die Bundesrepublik seit Adenauer zum Einwanderungsland gemacht hat. Trumps perfekter Einstand Eine „Common Sense Revolution“: Gleichschaltung der Macht, Freisetzung von Wille und Fähigkeit der Nation zum Siegen „America first!“ heißt nicht nur „Amerika zuerst“, sondern „Amerika über alles“. Das Recht der Nation dazu ist absolut, so will es die Vorsehung. Es muss nur endlich eingelöst werden: „Unsere Freiheiten und das ruhmreiche Schicksal unserer Nation werden nicht länger verleugnet.“ Genau deswegen ist auch das Recht eines amerikanischen Präsidenten absolut, der dem heiligen Recht seiner Nation immerhin sein Leben verdankt: „Ich wurde von Gott gerettet, um Amerika wieder groß zu machen.“ Damit macht sich Trump – wie immer, wenn ein irdischer Machthaber sich als Dienstleister überirdischer Instanzen klein macht – ganz groß, eben unwidersprechlich. Mit diesem Ethos verkünden und unternehmen Trump und seine Mannschaft in ihrem ersten Amtsmonat nicht nur sehr viel, sondern einen innen- und außenpolitischen Regimewechsel. Und zwar ganz ohne sich mit der Frage aufzuhalten, ob Trump nun Demokrat oder Diktator, Präsident oder König sein will. Die Konkurrenz der Kapitalisten Kapitel V. Die letzte Wachstumsgarantie: Imperialistische Erfolge der Nation Selbst im Krieg hört der Staat nicht auf, seine Gesellschaft gemäß den Erfordernissen des kapitalistischen Privateigentums, i.e. seiner Akkumulation und der darauf aufbauenden Finanzindustrie zu bewirtschaften: mit Kredit, für den er seinen Gläubigern Zinsen verspricht. Bis zum äußersten Gewaltakt nimmt er für die Durchsetzung seiner Souveränität seinen grenzüberschreitend aktiven nationalen Kapitalismus in Anspruch. Er belastet ihn nicht nur mit den alltäglichen faux frais seiner Gewalt; er opfert nationalen Reichtum, verschleißt Quellen seines Wachstums, zerstört nutzbringende Außenbeziehungen; er ruiniert, was er schützt, wenn, soweit, also weil es ihm in letzter Instanz um sich als die unangefochten herrschende Schutzmacht seiner Basis geht. Doch auch dann geht er nicht zu einer anderen Wirtschaftsweise über. Er will und er kennt selbst im Extremfall Krieg keine andere ökonomische Quelle seiner Macht als den kapitalistischen Gebrauch der Privatmacht des Geldes. Für alles, was er aus seinem Volk herausholt, um das wehrhafte Kräftemessen mit seinesgleichen zu bestehen, nutzt er seine Verfügungsmacht über den Kredit der Nation, in dem sich Leistung und Leistungsfähigkeit des Akkumulationsprozesses realisieren, der unter seiner Regie zustande kommt.

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Seitenzahl: 169

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis
Editorial
Deutschland und seine Migration
1. Deutschland greift auf die Bevölkerung der Welt gemäß seinem ökonomischen Bedarf zu
a)
b)
2. An die staatlich initiierte Immigration heftet sich eine Zuwanderung, die Deutschland sich nicht bestellt hat
a)
b)
c)
d)
3. Migrationspolitik: eine politisch sehr produktive Zumutung
Bidens gelungener AbschiedEine Liebeserklärung an die Weltmacht der demokratischen Herzen
Trumps perfekter EinstandEine „Common Sense Revolution“: Gleichschaltung der Macht, Freisetzung von Wille und Fähigkeit der Nation zum Siegen
El Salvadors Präsident Bukele bietet Trump einen Deal zur kostengünstigen Entsorgung von „kriminellen Ausländern“Jemand hat’s verstanden!
Die Konkurrenz der KapitalistenKapitel V. Die letzte Wachstumsgarantie: Imperialistische Erfolge der Nation
§ 28 Kredit und Gewalt, supranational
Geld ökonomischer Ausdruck des Status der Nation
Der Geldausdruck des Status der Nation: kontrollierter Normalfall und politisches Diktat
Wahrnehmung des Imperialismus als Diebstahl an Staat und Volk
Mangelnder nationaler Erfolg ist Ergebnis nicht befolgter Rezepte
§ 29 Imperialismus heute
Im Innern: Staatsräson und Patriotismus, imperialistisch revidiert
Das Geld entzweit Staat und Volk
Eine teilmobilisierte Weltbevölkerung stört den „inneren Frieden“ mehr als jeder Klassenkampf
Verwegene Wege zur Harmonie, der nützlichen
Nach außen: Gewaltmonopol und Anarchie der Konkurrenz weltweit
Die Nationen und ihre antiimperialistischen Kurse
Historische Entgleisungen und ihre Zurückweisung
Friedensbedingung: Weltkrieg
§ 30 Der kapitalistische Traum – eine Dystopie aus Geld, Gewalt und gutem Willen
Gute Geschäfte, Freiheit überall, und Politik, die Frieden macht

Editorial

Im vorgezogenen Wahlkampf 2025 waren Migration und die Migranten nicht bloß das beherrschende Thema: Praktisch war Deutschlands demokratischer Diskurs von dem Konsens bestimmt, dass nichts für die Nation wichtiger sei als die Verminderung der Zahl der Zuwanderer, am besten auf Null oder wenigstens so weit, wie Europas allzu menschenfreundliche Rechtslage es hergibt. Von der Sache selbst, der organisierten und der nicht bestellten Vergrößerung der andernfalls tendenziell schrumpfenden Bevölkerung, war dabei am wenigsten die Rede. Deswegen gibt es in dieser Nummer einen sachlichen Bericht über die Sache und Anmerkungen zum Grund dafür, dass die Migration die ewige Nr. 1 unter den Lieblingsaufregern des staatstragenden Politisierens ist. An den Migranten liegt das nämlich nicht, schon gar nicht an den anderswo geborenen Einzelexemplaren der beträchtlichen Anzahl Mörder und Attentäter, die in Deutschland zu Hause sind. Grund für die konkurrenzlos vorrangige Problematisierung des Zuwanderungswesens ist vielmehr das politische Gewissen, das regierende Volksvertreter sich daraus machen, dass sie aus Sorge um den Personalbestand des nationalen Kapitalstandorts und die menschliche Massenbasis ihrer Macht die demographischen Lücken ihres Volkskörpers mit Volksfremden auffüllen und sogar noch unbestellten Zuwachs zulassen. Im Bewusstsein und vom Standpunkt ihrer Verantwortung vor Volk und Geschichte befassen sie sich und ihr wahlberechtigtes Publikum ganz furchtbar gern mit der politmoralischen Grundsatzfrage der Überfremdung, wenn sie aus besten imperialistischen Gründen die Weltbevölkerung so mobil machen, dass auch Deutschlands Urbevölkerung sich in den Status eines Stücks Weltbevölkerung versetzt findet.

Die Einschwörung der Wählerschaft auf das richtige Problembewusstsein in dieser weltbewegenden Moralfrage ist noch kaum in das gerechte Wahlergebnis eingemündet – mehr als die Hälfte für rigorose Zuwanderungsbeschränkung –, da sind die zum Koalieren verurteilten Wahlsieger von der Union und Hauptverlierer von der SPD mit einer imperialistischen Notlage ihrer Nation von ganz anderer Größenordnung und Dringlichkeit konfrontiert: Der neue Chef der unverzichtbaren transatlantischen Schutzmacht ihres kriegerisch aktiven Staatswesens will von einer gemeinsamen gesamtwestlichen Welt- und Werteordnung nichts mehr wissen – dabei war deren tatsächlicher strategischer Inhalt doch die Basis dafür, dass Deutschland jahrzehntelang weltpolitisch über seine Verhältnisse leben konnte und sogar gegen Russland imperialistisch auftrumpfen kann. Die neue US-Administration kündigt nicht bloß die einschlägige Heuchelei inniger politmoralischer Vertrautheit, sondern die als „regelbasierte Ordnung“ idealisierte Sache: die etablierte Kriegsbündnispartnerschaft der „freien Welt“. Intern baut sie die politische Verfassung ihrer Weltmacht radikal um: Sie zerstört alles, was für eine – bei allem „Change“, den noch jede neue US-Regierung ihrem Volk beschert – irgendwie doch kontinuierliche Fortschreibung der politischen Räson des Staates steht. Allen ambitionierten Weltverbesserern führt der MAGA-Präsident handfest und kompromisslos vor, wie die Grundbedingung aller Verbesserungen der Welt von Geschäft und Gewalt, nämlich die Eroberung zwecks Monopolisierung aller staatlichen Machtpositionen, die Herstellung von Alleinherrschaft, die demokratisch legitimierte Diktatur des Durchregierens wirklich – und wie sie nur geht. Dazu gibt es in dieser Nummer ebenfalls einen sachlichen Bericht.

Die gründliche Revision der bisherigen Verfassung der Staatenwelt im MAGA-Sinn, also vom Standpunkt einer Weltmacht, die ihre auswärtigen Interessen in unbedingter Freiheit, weil mit überlegener Gewalt, bedarfsweise immer neu definiert, beendet die „regelbasierte Weltordnung“, an der ihre bisherigen Verbündeten so hängen. „Der neue Sheriff in der Stadt“ – so der Vize über seinen Chef – macht sich frei von den etablierten Mitteln und Methoden amerikanischer Weltherrschaft, weil sie für ihn erst einmal nichts als selbst auferlegte Beschränkungen und Fesseln der Macht und Freiheit seiner auserwählten Nation sind. Das vermag er, weil er über die systematisch durchkonstruierte Weltmacht verfügt, die seine Vorgänger mit dem so unendlich produktiven Widerspruch eines quasi kollektiven „westlichen“ Imperialismus hingekriegt und über jedes Verfallsdatum hinweg aufrechterhalten haben. Trump arbeitet daran, ihn ins MAGA-mäßig Eindeutige aufzulösen.

Was dabei zustande kommt, wird den GegenStandpunkt noch reichlich beschäftigen. In dieser Nummer schließen wir erst einmal mit den letzten drei Paragraphen die Abhandlung über die Konkurrenz der Kapitalisten ab, die bis zum Begriff der westlichen Weltkriegsmacht führt, die Trump im Sinne der wahren alten Großartigkeit der „Nation unter Gott“ zu vollenden sich vorgenommen hat.

© 2025 GegenStandpunkt Verlag

Deutschland und seine Migration

Wenn es etwas gibt, worin Deutschland sich zu Beginn des Jahres 2025 einig ist, dann ist es das: Deutschland hat ein Migrationsproblem. In verschiedener Weise definiert, reden die Parteien, die Öffentlichkeit, das Internet davon, dass Deutschland „die Kontrolle über die Migration zurückgewinnen muss“, „die Kommunen überlastet sind“, eine „Einwanderung in die Sozialsysteme“ beendet werden müsse, das deutsche Volk „vor ausländischen Gewalttätern zu schützen“ sei usw.

1. Deutschland greift auf die Bevölkerung der Welt gemäß seinem ökonomischen Bedarf zu

a)

In jeder Beschwerde über die „unkontrollierte Masseneinwanderung“, in jeder Bekräftigung, Deutschland müsse die „irreguläre Migration in den Griff kriegen“, ist der Normalfall einer Migration unterstellt, die Deutschland als Subjekt betreibt, kontrolliert und fest im Griff hat: die reguläre, mit der sich die Bundesrepublik seit Adenauer zum Einwanderungsland gemacht hat. Gemessen an ihrem Anspruch an den nationalen Kapitalismus befinden die deutschen Regierungen ihr Volk nämlich regelmäßig für zu klein. Als das deutsche Kapital schon wenige Jahre nach der Neugründung dieser Republik die einheimische Bevölkerung so erfolgreich für seine Akkumulation einspannte, dass diese Zeit als „Wirtschaftswunder“ gilt, sollte für dessen Fortsetzung das Kapital in der verfügbaren ansässigen Mannschaft auf keinen Fall eine Schranke seines Wachstums vorfinden. Dementsprechend hat sich die Politik vorausschauend darum gekümmert, dass für jedweden kapitalistischen Arbeitskräftebedarf nicht nur ausreichend Anwärter vorhanden sind, damit jede potentielle Geschäftsgelegenheit realisiert werden und einen Beitrag zum nationalen Reichtum liefern kann, sondern das auch gleich in einer Anzahl, die sicherstellen sollte, dass eine steigende Beschäftigungsrate nicht für steigende Löhne sorgt, die wiederum das Wachstum bremsen könnten – schließlich beruht dieses auf für das Kapital lohnender Beschäftigung. Die Lösung für diese beiden Seiten des Arbeitskräftebedarfs lag in der – zum Teil wunderbar jungen und armen – Bevölkerung anderer Staaten als Angebot zum Zugreifen bereit. Und Deutschland griff zu: Es verständigte sich in Anwerbeabkommen mit Italien, Griechenland, der Türkei, Marokko ... bis hin zu Jugoslawien darüber, dass diese Länder ihm Teile ihres Volks zur Benutzung überließen. 1) Die ‚ausländischen Arbeitnehmer‘ hießen zwar in Abgrenzung zum Dritten Reich nicht mehr ‚Fremdarbeiter‘. Sie wurden aber zunächst als genau das behandelt, untergebracht und von der Restgesellschaft ferngehalten. Das hatte den schönen Nebeneffekt, dass sie besonders erpressbar waren, also auch besonders billig und für jede Belastung einsetzbar, was zu ihrer Stellenbeschreibung gut passte.

An der ändert sich im Prinzip auch dann nichts, wenn heutzutage qualifizierte ‚Fachkräfte‘ mit nachweisbaren Deutschkenntnissen selbst eine Wohnung suchen müssen, statt in der Sammelunterkunft verstaut zu werden. Wenn der Arbeitsminister herumreist und Abkommen zur ‚fairen Einwanderung‘ abschließt, kümmert er sich ganz in der Tradition seiner Vorgänger prophylaktisch darum, dass deutschen Arbeitgebern stets überreichlich Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, damit sich jedenfalls die „demografische Lücke am Arbeitsmarkt“ nicht als Delle in der deutschen Konjunktur geltend macht. Auch an der aktuellen Definition eines ‚Mangelberufs‘, für den erleichterte Einreisebedingungen gelten, lässt sich ablesen, wofür Leute nach wie vor aus dem Ausland geholt werden: Wenn es gemäß der angestellten ‚Engpassanalyse‘ etwa zu wenig Arbeitslose pro offener Stelle gibt oder die Löhne im Berufsfeld zu stark ansteigen, wird es nach staatlicher Rechnung nötig, die Anzahl der Arbeitswilligen um Dazugekommene zu erweitern, damit für eine wohltuende Anpassung des Lohnniveaus der geschätzten Fachberufe gesorgt ist. 2)

Der Bedarf an ausländischen Kräften betrifft indes nicht nur die Jobs am unteren Ende der Berufshierarchie, auch wenn unqualifizierte Tätigkeiten in der Gebäudereinigung, dem Bau-, Gast- und Hotelgewerbe usw. nach wie vor einen bedeutenden Anteil des ‚Fachkräftemangels‘ ausmachen. Den entdeckt die Politik auch in ganz anderen Sphären: Handwerker, Lehrer, Hochschullehrer, Ärzte, Physiotherapeuten, Pflegekräfte, Wissenschaftler, Führungskräfte... Wenn das deutsche Volk mal wieder zu klein ist für das, was der Staat von ihm will: die Bestückung eines nach seinen Maßstäben funktionierenden Bildungs- und Gesundheitswesens sowie deutscher Unternehmen, die sich in der globalen Konkurrenz um Innovation und Besetzung von Märkten durchsetzen, – dann kümmert er sich darum, die entsprechend qualifizierten Massen wie die Spitzenkräfte mit der Superqualifikation, bereits internationalen Erfolg zu verkörpern, aus dem Ausland zu besorgen. Unternehmen, die sich weltweit nach Managern und Experten umschauen, kriegen es da ziemlich leicht gemacht: Für Führungskräfte gibt es ohnehin einen eigenen Paragraphen bezüglich einer Arbeitserlaubnis; die Arbeitnehmerelite eine Etage darunter liegt in aller Regel auch über dem Mindestgehalt, das der Staat zur Bedingung für eine unkomplizierte Herholung und Anstellung erhebt, weil er bei einer Garantie der eigenständigen ‚Sicherung des Lebensunterhalts‘ davon ausgeht, dass diese Ausländer nur aus den richtigen Gründen ihren Weg hierher finden. Für den Durchblick bei den fachkräftehungrigen Unternehmen und gegen den schlechten Ruf, den Deutschland wegen seiner Bürokratie und einer mangelnden Willkommenskultur für solche Expats genießt, schafft die Politik Homepages, Kontaktstellen usw., auf dass die deutschen Unternehmen in der weltweiten Konkurrenz um die Spitzenkräfte besser dastehen mögen.

Stammen die Bewerber aus der EU, fallen sie wie alle EU-Bürger sowieso unter deren Personenfreizügigkeit – dank der in Deutschland seit Jahrzehnten kein Unternehmer bei der Befriedigung seines Arbeitskräftebedarfs eine Grenze an der Grenze hat. Deutschland hat es nämlich nicht nur geschafft, seine Marktbasis auf fast einen ganzen Kontinent auszudehnen, sondern eben auch seinen Zugriff auf das Arbeitskräftepotential vom Ingenieur bis zum Erntehelfer. Dessen Nutzen für Deutschland sichert die Politik stetig durch begleitende Maßnahmen, damit z.B. dank der ‚Entsenderichtlinie‘ die erwünschte, wachstumsförderliche Wirkung des Lohndrückens nicht in ein ‚Lohndumping‘ umschlägt, welches dann vorliegt, wenn einheimische Betriebe die Benutzung ihrer Arbeitskräfte zu den ortsüblichen Bedingungen nicht mehr lohnend finden, weil auswärtige Konkurrenten sie unterbieten. Den Besitzstand eines europäischen Arbeitsmarktes halten die deutschen Machthaber inzwischen für so selbstverständlich, dass sie ihn in einem Atemzug mit dem innerdeutschen Arbeitsmarkt nennen. In diesem Sinne gilt er ihnen allerdings gleichermaßen als zu beschränkt, als ungenügend für die Deckung ihres Bedarfs nach gesicherter Verfügung über ein wachstumsdienliches Arbeitskräftereservoir. Mit dem 2023 verabschiedeten ‚Fachkräfteeinwanderungsgesetz‘ richtet sich der Blick auf die ganze Welt: Die Einreise von mit einem Berufs- oder Hochschulabschluss qualifizierten Bürgern aus Drittstaaten außerhalb der EU in deutsche Arbeitsverhältnisse wurde erleichtert, diverse Überprüfungspflichten abgeschafft und Fristen verkürzt, insbesondere für Mangelberufe, aber auch für alle anderen. Eine ‚Chancenkarte‘, die nach dem Vorbild großer Einwanderungsländer für eine Mindestpunktzahl – Punkte gibt es u.a. für berufliche Qualifikation, Sprachkenntnisse, junges Alter – vergeben wird und zur Arbeitsplatzsuche in Deutschland berechtigt, bietet den deutschen Bedarf als Gunst an, sich um den Dienst an ihm zu bewerben. Die ‚Westbalkanregelung‘ erlaubt ein jährliches Kontingent an Arbeitserlaubnissen ohne Qualifikationsprüfung für Bürger Albaniens und der Nicht-EU-Staaten des ehemaligen Jugoslawien, die im modernen Gastarbeitertum eine ihrer wenigen Perspektiven sehen, – und sollte zugleich die massenhaften Asylanträge ohne Erfolgsaussichten aus diesen Ländern beenden, indem den Reisewilligen das Angebot gemacht wird, sich auf Zeit für Deutschland nützlich zu machen. Usw.

b)

Die Anwerbeabkommen der Fünfziger und Sechziger waren einerseits gleich so gestrickt, dass die Ausländer als pure Arbeitskraft hergeholt wurden und aus ihnen auch nichts anderes werden sollte. Dazu sahen die Abkommen explizit eine ‚Rotation‘ vor: Deutschlands ‚Gäste‘ sollten nach maximal zwei Jahren zurückgeschickt und durch frische ausländische Kräfte ersetzt werden, damit sie hier gar nicht erst Fuß fassten. Sprachkenntnisse waren weder verlangt noch war ihre Vermittlung vorgesehen, und den doch arg fremden Türken wurde anfangs nicht erlaubt, ihre Familie mitzunehmen oder nachzuholen. Auch wenn die Rotation Geschichte ist – den Anspruch, an den Ausländern möglichst alles abzutrennen, was nicht unmittelbar zum verlangten Dienst an ihrem jeweiligen Arbeitgeber gehört, also auch auszuschließen, dass sie zu einer ökonomischen bzw. sozialen Belastung werden können, praktiziert die Politik auch heute: Für einen Großteil der Aufenthaltsstatus ist der Nachweis eines Mindestgehalts und ggf. der Nachweis einer Altersvorsorge verlangt; Visumstypen wie die ‚Chancenkarte‘ oder die ‚Einreise zur Anerkennung der Berufsqualifikation‘ erfordern ein Sperrkonto, auf dem der Migrant im Voraus einen Mindestbetrag für die Absicherung seines Lebensunterhalts in Deutschland hinterlegen muss, auf welchen er dann nur nach und nach Zugriff erhält; die ‚Westbalkanregelung‘ schließt aus, was sonst gilt: dass nach zwei Jahren durchgehender sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in Deutschland jede Arbeit ohne Zustimmung einer Behörde angenommen werden darf; viele Arbeitserlaubnisse verlangen eine Vorrangprüfung, die verhindern soll, dass Stellen mit Ausländern statt vorhandenen deutschen bzw. EU-Bewerbern besetzt werden usw. 3)

Zugleich war schon in den ersten Anwerbeabkommen festgelegt, dass die ausländischen Arbeitskräfte zumindest formell den deutschen Lohnarbeitern gleichgestellt sein sollten, was Lohn und Arbeitsbedingungen anging. Sie erhielten einen ordentlichen Arbeitsvertrag in zwei Sprachen und vom Betriebsrat meistens gleich ein Beitrittsformular der Gewerkschaft danebengelegt. Wenn sie in Deutschland waren, sorgten zwar die befristete Beschäftigungserlaubnis, die Massenunterbringung, die Sprachhürde und ihre Absicht, ganz viel Geld zu sparen, um es im Heimatland in ein Haus oder eine selbstständige Einkommensquelle zu stecken, für eine ziemlich weitgehende Isolation vom Rest der Gesellschaft, aber sie zahlten Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge, durften prinzipiell auch eine Wohnung mieten usw. Und weil die Arbeitgeber es unzumutbar fanden, alle zwei Jahre neue Arbeiter anlernen lassen zu müssen, wurde das Rotationsprinzip bald aufgegeben und dann sogar den Türken der Familiennachzug erlaubt. Damit standen lauter weitere Regelungen mit den Herkunftsländern darüber an, welche Sozialversicherungsansprüche wo geltend gemacht, welche Rechtsvorschrift jeweils angewandt, welche Zuständigkeit jeweils festgelegt werden sollte.

Dass Deutschland die Ausländer nicht bloß als Ergänzung seines Proletariats ins Land holt, sondern sie nach und nach auch in dieses integriert, zeigt sich schlagend, wenn Migranten den Job verlieren, dessentwegen sie hier sind. 4) Ihre Arbeitslosigkeit inkl. Bezug von Arbeitslosen- oder Bürgergeld macht der Staat für manche von ihnen zwar zum Grund, ihren Aufenthalt nicht zu verlängern; den größten Teil der Betroffenen definiert er jedoch, abhängig u.a. von der Dauer der vorhergegangenen Beschäftigung und der Art der Aufenthaltserlaubnis, ganz praktisch als Teil seinerarbeitenden Klasse, die er insgesamt als den permanenten hoheitlichen Betreuungsfall kennt und behandelt, der er ist: Er muss mittels Zwangskassen dafür sorgen, dass der Lohn, der einzeln die Wechselfälle einer Lohnarbeiterkarriere – Krankheit, Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit und das Ende des Erwerbslebens, das über das Erwerbsende hinausreicht – überhaupt nicht abdeckt, durch seine Umverteilung als alternativloses Lebensmittel der gesamten Klasse dauerhaft funktionieren kann. Wenn die ausländischen Arbeitskräfte in diese Errungenschaft auf Dauer eingemeindet sind, sind sie schon lange keine ‚Gäste‘ mehr. In ihrer Behandlung als umfassend sozialversicherte Arbeitskräfte, denen die gleichen Rechte und Pflichten zukommen wie dem restlichen deutschen Proletariat, erschöpft sich ihre Integration allerdings längst nicht. Dem gesamten Umfeld nicht nur der Arbeit, sondern des Lebens von Erwerbsbürgernaturen insgesamt trägt der Staat – nach und nach – entsprechend Rechnung, wenn er sich um den familiären Umkreis, 5) die Bildung, die kulturelle Einbindung usw. kümmert. In der Weisheit „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen“ ging die Moral dem Recht in dieser Frage noch voraus; sie drückte als Gebot des Humanismus aus, was die Politik an ihren ausländischen Objekten qua Recht anerkannt und nachvollzogen hat. 6)

Je mehr der deutsche Staat die ausländischen Bürger als Arbeitskräfte rechtlich integriert, umso mehr behandelt er sie also als insgesamt anzuerkennenden Teil seiner Bevölkerung. Wer sich über längere Zeit nicht nur auf dem Arbeitsmarkt bewährt, sondern sich auch abseits davon nichts zuschulden kommen lässt, erhält nach den Aufenthaltserlaubnissen schließlich eine unbefristete Niederlassungserlaubnis. Sollte er sich dann nicht nur als stets gesetzestreu erweisen, sondern auch noch den staatlichen Loyalitätsanforderungen genügen, erhält er sogar die Perspektive einer deutschen Staatsbürgerschaft. Mit der kommt er auf der höchsten Stufe der Integration an, auf der ihn rechtlich nichts mehr vom eingeborenen deutschen Volk unterscheidet.

2. An die staatlich initiierte Immigration heftet sich eine Zuwanderung, die Deutschland sich nicht bestellt hat

Die Erfolgsgeschichte hat für die BRD eine kleine Nebenwirkung. Gerade als das Zentrum kapitalistischen Wachstums, zu dem es Deutschland nicht zuletzt mit und durch seinen ausgreifenden Zugriff auf die human resources der Welt gebracht hat, zieht es das Interesse auch anderer migrationswilliger Massen auf sich. Solcher nämlich, die ihrerseits ihre Gründe dafür haben, aus der Heimat abzuhauen und ihr Glück anderswo zu versuchen, dazu allerdings nicht durch eine offizielle Einladung im Rahmen irgendeiner Verschickung oder Anwerbung ermuntert werden. Auch sie wissen um die Gelegenheiten des Geldverdienens, die sich hierzulande auch für fremdländische Zeitgenossen auftun, 7) sodass einige von ihnen beschließen, die Gefahren in Kauf zu nehmen, die eine eigenmächtige Zuwanderung über zumeist irreguläre ‚Routen‘ für sie bedeutet; und einmal angekommen berufen sie sich auf Rechtstitel, von denen sie sich gewisse Bleibeperspektiven versprechen können, auch wenn die für derartige Berechnungen überhaupt nicht gedacht waren.

a)

Das Grundrecht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), welche die juristische Basis für die eigenmächtige Zuwanderung nach Deutschland bilden, stammen aus Zeiten, in denen von einer massenhaft mobil gemachten Weltbevölkerung noch nicht die Rede sein konnte. Die 1951 verabschiedete GFK leistete ihren Beitrag zur Neuordnung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg, indem Millionen Kriegsflüchtlinge, die inmitten neu gezogener Staatsgrenzen für ein Ordnungsproblem sorgten, in geordnete Aufenthaltsstatus überführt wurden. 8) Und das 1949 im Grundgesetz verankerte Grundrecht auf Asyl hatte eine eindeutige politische Schlagrichtung gegen den realsozialistischen Systemfeind – es erstreckte sich in seiner praktischen Anwendung lange auf die sehr überschaubare Anzahl von „politisch Verfolgten“ aus dem Ostblock, die es vermochten, hierzulande einen entsprechenden Antrag gem. Art. 16 GG zu stellen.

Beide Rechtstitel beschwören eine allgemeine Zuständigkeit Deutschlands in der Staatenwelt, und diese imperialistische Dimension dieser Rechte war und ist ihr politischer Sinn und Zweck: Deutschland behält sich vor, darüber zu richten, ob eine andere Herrschaft ihre Bürger korrekt behandelt oder politisch verfolgt, sich also als zu respektierende Schutzmacht, wie Deutschland eine ist, diskreditiert. Ebenso erklärt es sich für prinzipiell (mit)zuständig für die humanitären Nebenfragen der Weltordnung in Sachen Umgang mit Kriegsflüchtlingen und sozial, ethnisch bzw. religiös Verfolgten. Diese grundsätzlichen Vorbehalte und Einspruchstitel gegen andere Mächte in ihrem Umgang mit ihren eigenen wie mit fremden Völkern haben die praktische Nebenwirkung einer Relativierung des prinzipiellen Ausschlusses fremder Menschen vom hiesigen Territorium; sie durchlöchern die rechtliche Unüberwindbarkeit des grundlegenden Ein- und Auschlusskriteriums, nach welchem hierzulande nur derjenige anwesend sein darf, den Deutschland aus seinen Kalkulationen ins Land lässt. Denn mit dem Asylrecht nimmt der gepflegte Vorbehalt gegenüber anderen Mächten die Form eines allen auf deutschen Boden gelangten ausländischen Staatsbürgern zu gewährenden individuellen Grundrechts an. Sie können die Prüfung ihrer Schutzwürdigkeit in Anspruch nehmen, was ein juristisches Verfahren anstößt, das damit einhergeht, dass dem Antragsteller – mindestens – der zeitlich befristete Verbleib bis zur Klärung seines Schutzbedarfs bzw. seiner Schutzwürdigkeit ermöglicht wird.

Auch wenn keineswegs „die ganze Welt“ danach strebt, nach Deutschland zu ziehen: Schon der sehr geringe Prozentsatz unter den mobilisierten Armen und Elenden, die nicht nur bis ins jeweilige Nachbarland ziehen oder gleich die UN-Statistik der Binnenflüchtlinge bereichern, sondern die tatsächlich den Beschluss fassen und erfolgreich durchziehen können, bis ins Herz von Europa zu kommen, bewirkt, dass mittlerweile viel mehr und ganz andere Figuren das deutsche Asylverfahren durchlaufen als jene, für die es ursprünglich geschaffen wurde. Aus der sich daraus ergebenden Konsequenz, dass eine nicht bestellte Masseneinwanderung mit rechtlichen Einzelfallprüfungen auf individuelle Schutzansprüche abgewickelt wird, ziehen deutsche Politiker nicht erst seit ein paar Jahren den Schluss, dass ein derartiger Gebrauch des Asylrechts dessen massenhafter Missbrauch ist. Die Anwärter verletzten mit ihrer unerhörten Inanspruchnahme dieses ihnen von der edlen Hoheit verliehenen Rechts den herrschaftlichen Anspruch, dass der deutsche Staat das alleinig entscheidende Subjekt über Zuwanderung in sein Staatsgebiet zu sein hat. Das wird ihnen als ihre Eigenschaft vorgeworfen: Sie sind ‚irregulär‘.