GegenStandpunkt 2-25 -  - E-Book

GegenStandpunkt 2-25 E-Book

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Beschreibung

Trumps Zolloffensive Eine „Common Sense Revolution“ auf dem Weltmarkt Das größte Opfer der amerikanischen Weltordnung sind laut Donald Trump die USA selbst. Kann das wirklich sein? Natürlich nicht. Die USA sind und bleiben die reichste und mächtigste Nation der Welt, der größte Profiteur der nach ihnen getauften Weltordnung. Das versichern jedenfalls glaubwürdige Zeugen: Wirtschaftskapitäne und die Fachleute, denen erfolgreiche Kapitalakkumulation als Maßstab aller ökonomischen Vernunft am Herzen liegt; Militärführungen und die Experten, die überwältigende Zerstörungskraft in Ehren halten, weil sie nicht oft genug sagen können, dass der friedensstiftende Welthandel zwischen kapitalistischen Nationen ohne überzeugende Machtprojektion keinen Frieden zwischen ihnen stiftet; Staatsmänner und -frauen in der ganzen Welt und erst recht in Amerika selbst, für die die Anwendung staatlicher Macht Beruf und Berufung zugleich ist. Alle bescheinigen Amerika eine beeindruckende Erfolgsbilanz an allen entscheidenden Fronten. Doch Trump macht sich darüber nichts vor: Wer die Lage der Nation derart schönredet, entlarvt sich selbst als Globalist, der an das Schicksal des – echten – amerikanischen Volks im ‚rust belt‘ und darüber hinaus jedenfalls nicht denkt. Trump tut es aber – und zwar entschieden anders als alle anderen amerikanischen Politiker, die schon seit Jahrzehnten den Abstieg eines Menschenschlags demonstrativ bedauern, dessen harte Arbeit sie nicht genug loben können. Trump sagt den Ukraine-Krieg ab – Europa hält an seinem Unvereinbarkeitsbeschluss mit Russland fest Weit oben auf der außenpolitischen Agenda von Donald Trump steht die Beendigung des Ukraine-Kriegs. Schon im Wahlkampf war seine Ansage: Er wird ihn sofort, an einem Tag beenden, und mit ihm an der Macht wäre er gar nicht erst losgegangen. Das Interessante an der ersten Ankündigung ist das politische Urteil über den Krieg. Trump meint nicht, dass der Job, den Amerika unter seinem Vorgänger da auf sich genommen hat, hinreichend erledigt wäre und man deswegen damit Schluss machen kann. Er hält Amerikas Engagement dort über die letzten drei Jahre überhaupt für verkehrt. Trumps Vorgänger hat sein Land in einen Krieg hineinmanövriert, der von Anfang an nicht Amerikas Sache war. Das Vorhaben eines Friedensdeals, den im Wesentlichen Putin und Trump unter sich abmachen, ihre Degradierung als bisher unter der Oberhoheit der USA über Europas Friedensordnung mitentscheidende Ordnungsmächte lehnen die Europäer entschieden ab. Mit aller gebotenen Polemik gegen Russland und schulterklopfenden Solidaritätsbekundungen für den Präsidenten der Ukraine beharren sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit diplomatisch darauf, dass Russland der unmenschliche, brutale Aggressor ist, der die Ukraine überfallen hat, um sie sich einzuverleiben. Dabei legen sie größten Wert auf die Radikalisierung ihres Feindbilds: Vor den Machtgelüsten und dem Eroberungswillen dieses Feindes ist niemand sicher, am allerwenigsten die lieben und guten Heimatländer Europas. Das beschwören sie unermüdlich im Vorfeld möglicher Friedensverhandlungen gegenüber ihrem amerikanischen Ex-Verbündeten: Trump, Wittkoff, Rubio etc. sollen begreifen: „Russland will keinen Frieden“, weder in der Ukraine noch in Europa.

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Seitenzahl: 218

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis
Trumps ZolloffensiveEine „Common Sense Revolution“ auf dem Weltmarkt
I. Die Diagnose: eine amerikanisch gegründete Handelsordnung, die Amerika nicht mehr dient
1. Eine Lerneinheit über den Zusammenhang zwischen Wohlstand und Sicherheit der Nation: Ohne echt einheimische, flächendeckende, profitträchtige Ausbeutung geht es nicht
2. „Fair Trade“ – das amerikanische Vorrecht auf Erfolg
Vielstimmige Klagen einer beleidigten Weltmacht
Der historische Grund des beleidigten US-Rechtsbewusstseins und seine Folgen
Der „globale Dollar“: ein „exorbitanter Nachteil“ für die Supermacht
II. Die Therapie: ein „Reset amerikanischer Macht“ durch eine weltweite Zolloffensive
1. Die wunderschöne Vielseitigkeit von Zöllen
2. „Liberation Day“: Trump fordert die Kapitulation aller Handelspartner
3. Die Hauptadressaten der amerikanischen Befreiungsoffensive
China
Europa
Trump sagt den Ukraine-Krieg ab – Europa hält an seinem Unvereinbarkeitsbeschluss mit Russland fest
I. MAGA zerlegt den Westen
1. Die US-Regierung rechnet mit dem Ukraine-Krieg ab
2. Die US-Regierung kündigt den Europäern ihre Allianz-Versicherung
3. Die US-Regierung beendet die alte, verkündigt und programmiert eine neue Weltordnung
II. Europas Antwort: Europa hält an seinem Unvereinbarkeitsbeschluss mit Russland fest – mit lauter Angeboten an den Friedenswillen der USA
1. Europa setzt den Ukraine-Krieg fort: ein Rückzugsgefecht eigener Art für die Ukraine als Bollwerk europäischer Sicherheitsinteressen
2. Europas Waffenstillstands-Diplomatie mit Trump
3. Aufrüstung gegen Russland muss sein – für die weltpolitische Rolle Europas als Ordnungsmacht
4. Die heiße Frage einer europäischen Atombewaffnung
Trump reist nach Arabien und verkündet seine Vision:Ich werde meinen Frieden über euch bringen – „Let’s make a deal!“
1. Trumps Stellung zu Israel und seinem Netanjahu: ein einzigartiger Alliierter, von dem sich das neue Amerika zu nichts mehr verpflichten lässt
Trump dringt auf die baldige Übergabe der Hamas-bereinigten Gaza-Immobilie durch Israel
Und die Palästinenser?
Trump dringt auf die baldige Unterzeichnung des Kapitulations-Deals durch Iran
2. Trumps Stellung zum saudischen Königreich und seinem Prinzregenten: ein verlässlicher Partner, der weiß, will und hat, worauf es Amerika ankommt
3. Trumps Stellung zu Syrien und seinem Interims-CEO: Ein williger Helfer dabei, 14 Jahre Regime-Change-Gemetzel für Amerika ex post lohnend zu machen
Der US-Außenminister auf Besuch in Mittelamerika„America first!“ im Hinterhof
1. Außenminister Rubio über die Prinzipien der US-Politik gegenüber „unserer Hemisphäre“
2. Rubios Reise in die Staatenwelt „unserer eigenen Nachbarschaft“
Panama
Guatemala
Dominikanische Republik
Die erklärten Feindstaaten in der Region
Merz’ Weg zum Kanzler
1. Merz macht – nämlich Wahlkampf um Handlungsfähigkeit
2. Der Wahlkampfschlager ‚Migration‘ und sein unbefriedigendes Resultat
3. Die Herstellung der Freiheit des Regierens – mit Hilfe einer Grundgesetzänderung für Deutschlands Großvorhaben
4. Der Koalitionsvertrag – schnell, einig, entschlossen, also gut
5. Führungsstärke verlangt Durchsetzung – Merz bildet sein Kabinett
6. Eine vergeigte Kanzlerwahl als krönender Abschluss
Koalitionsstreit um den gesetzlichen Mindestlohn
Ein halbes Jahr Tarifstreit im Land der ZeitenwendeArbeitgeber sagen harte Zeiten für die Beschäftigten an, die Gewerkschaften gestalten sie mit
VW und IG Metall: Ein umfassender Lohnverzicht im Namen der Beschäftigungssicherung
Bahn, Merz und EVG: Planungssicherheit durch einen überpünktlichen Abschluss
Thyssenkrupp und IG Metall: Kampf um ‚Sozialtarifverträge‘ – Mit Sicherheit entlassen
Bund, Kommunen und ver.di: Den Weg für mehr Mehrarbeit freimachen
Post und ver.di: Ein zusätzlicher Urlaubstag für alle und Endlosurlaub für 8000 Briefträger

Trumps Zolloffensive

Eine „Common Sense Revolution“ auf dem Weltmarkt

Das größte Opfer der amerikanischen Weltordnung sind laut Donald Trump die USA selbst:

„Jahrzehntelang wurde unser Land geplündert, gebrandschatzt, vergewaltigt und ausgeraubt, von nahen und fernen Nationen, von Freunden und Feinden gleichermaßen.“ (Trump, 2.4.25)

Kann das wirklich sein?

Natürlich nicht. Die USA sind und bleiben die reichste und mächtigste Nation der Welt, der größte Profiteur der nach ihnen getauften Weltordnung. Das versichern jedenfalls glaubwürdige Zeugen: Wirtschaftskapitäne und die Fachleute, denen erfolgreiche Kapitalakkumulation als Maßstab aller ökonomischen Vernunft am Herzen liegt; Militärführungen und die Experten, die überwältigende Zerstörungskraft in Ehren halten, weil sie nicht oft genug sagen können, dass der friedensstiftende Welthandel zwischen kapitalistischen Nationen ohne überzeugende Machtprojektion keinen Frieden zwischen ihnen stiftet; Staatsmänner und -frauen in der ganzen Welt und erst recht in Amerika selbst, für die die Anwendung staatlicher Macht Beruf und Berufung zugleich ist. Alle bescheinigen Amerika eine beeindruckende Erfolgsbilanz an allen entscheidenden Fronten: Es ist die Heimat von Menschen, die zu einem erstaunlich hohen Prozentsatz mit Jobs gesegnet sind, durch die sie ihre hart arbeitende Natur zeigen. Das können sie, weil Amerika auch sehr viele erfolgreiche Unternehmen beheimatet, sogar die Mehrheit der weltgrößten; die verdienen daheim und in aller Welt unheimlich viel Geld, konzentrieren unheimlich viel Kapital auf sich, auch noch in den fortschrittlichsten Industrien. Es beherbergt außerdem den weltgrößten Markt mit einer Masse an Kaufkraft, die ihresgleichen sucht; daher suchen sich amerikanische und nicht-amerikanische Unternehmen arbeitshungrige Massen auf dem ganzen Globus zusammen, um amerikanischen Firmen und Endkonsumenten wunderbar preiswerte Vor- und Endprodukte zu liefern. Speziell an Apple-Geräten und Nike-Schuhwerk aus den Sweatshops des globalen Dorfs wird das Privileg besungen, das gerade der Durchschnittsamerikaner wegen der Wirtschaftskraft seiner Nation genießt. Wer in dieser gerade für amerikanisches Kapital weit aufgesperrten Welt ordentlich Geld besitzt und es ordentlich vermehren will, tut das in Boom- wie in Krisenzeiten am liebsten an der Wall Street und im Dollar; das macht amerikanische Geldhäuser und -hüter außerordentlich stark. Auch und gerade das ist für die Amerikaner von der Main Street ein Segen; das wird gerne mit ihrem beeindruckenden Verschuldungsgrad illustriert: In ihre schuldenfinanzierten Privathaushalte passen nicht nur allerlei Billiggüter aus dem Ausland, sondern auch noch Eigenheime und Autos hinein, die sie sich bei noch so viel harter Arbeit sonst nie leisten könnten – als lebenslange Schuldner der weltbesten Finanzdienstleister geht das aber ziemlich oft. Der amerikanische Staat kann sich aus demselben Grund einen Haushalt leisten, der weit mehr unterbringt als einen – in seinen Dimensionen parteiübergreifend bedauerten – Sozialstaat und die fristgerechte Bedienung eines – parteiübergreifend akkumulierten – staatlichen Schuldenbergs, dessen absolute und prozentuale Höhe für jedes andere Land den Ruin, für die Kreditwürdigkeit des US-Staats aber überhaupt keine akute Gefahr bedeutet. Er kann sich nämlich auch einen militärisch-industriellen Komplex leisten, bei dem Trumps notorischer Hang zu übertriebenen Superlativen ausnahmsweise für angemessen befunden wird. Und die ohnehin welthistorische Schlagkraft des amerikanischen Militärs wird durch eine US-geführte NATO-Allianz und weitere weltweite Bündnispartner noch potenziert. Diese einzigartige ökonomische und politische Mächtigkeit der USA macht sie schließlich zu einem Magnet für das weltweit verstreute und mobile Humankapital, das sich auf allen Ebenen der amerikanischen Wohlstandsgesellschaft einfindet: Es erledigt Drecksarbeiten, von denen es auch im reichen Amerika mehr als genug gibt, besiedelt Führungsetagen und belebt Innovationszentren, in denen es zum amerikanischen Konkurrenzvorsprung beiträgt.

Die maßgebliche Kritik an „America first!“ lautet also: Amerika kommt doch längst zuerst! Die Offenheit seiner Ökonomie für einen Weltmarkt, den es sich wie kein anderes Land zunutze macht, und die globale Reichweite seiner Macht machen die zentralen Eigenschaften einer Weltordnung aus, die sich allenfalls dann als Imperialismus beschimpfen lassen muss, wenn Amerika sich nicht an seine eigenen Regeln hält. Wenn, dann ist es Trump, der doch mit seiner engstirnig nationalistischen Rachsucht Amerika ärmer und schwächer macht, das gute Empire womöglich auch zu Fall bringt, dessen Ertrag den aller bisherigen Imperien in den Schatten stellt.

Das alles ist lieb gemeint, auf jeden Fall extrem affirmativ, was Macht und Reichtum dieser Nation betrifft. Doch Trump macht sich darüber nichts vor: Wer die Lage der Nation derart schönredet, entlarvt sich selbst als Globalist, der an das Schicksal des – echten – amerikanischen Volks im ‚rust belt‘ und darüber hinaus jedenfalls nicht denkt. Trump tut es aber – und zwar entschieden anders als alle anderen amerikanischen Politiker, die schon seit Jahrzehnten den Abstieg eines Menschenschlags demonstrativ bedauern, dessen harte Arbeit sie nicht genug loben können: echt vorbildlich, was diese Leute für Amerika alles gegeben haben! Leere Worte sind das nie gewesen. Mit ihrem Bedauern haben amerikanische Politiker stets Ernst gemacht, indem sie umso beherzter ihren Job gemacht haben: Sie haben sich nämlich um die Mehrung der Macht und des Reichtums der Weltmacht gekümmert, für die die Bedauerten dankenswerterweise so viel gegeben haben; für etwas anderes als die Notwendigkeit, diesen Erfolg umso entschiedener voranzutreiben, stand ihr Mitleid sowieso nie, genau deswegen haben sie es so tief verspürt. Was aber weder der hart arbeitenden und bemitleideten Berufungsinstanz noch Trump je entgangen ist, das ist die eintönige Konsequenz, mit der solche Politiker ihre „Ich spüre euren Schmerz!“-Bekundungen in ein dickes Selbstlob überführt haben: Das Schicksal dieser Menschen ist bei einer regierenden Mannschaft in besten Händen, die weiß, dass es keine Alternative gibt – weder zu der wunderbar offenen globalen Weltwirtschaft noch zu der amerikanischen, weltmächtigen Zuständigkeit dafür, noch zu dem Preis, den manche Amerikaner mit einem Abschied von ihrem bisherigen Besitzstandsdenken eben zahlen müssen.

Mit dieser Lüge räumt Trump nun auf – diesmal erst recht. Gemäß dem Diktum „Euer Hass ist mein Ansporn“ entschließt er sich in seiner zweiten Amtszeit zu einer umso entschiedeneren Fortsetzung seines Kampfs gegen das amerikanische Establishment. In dem so ehrlich geteilten wie berechnend geschürten Hass seiner Anhänger sieht Trump die Notwendigkeit einer „Common Sense Revolution“, die den einzigen Bedarf befriedigt, zu dem hart arbeitende, konkurrenzfreudige Amerikaner als einiges Volk fähig sind: nach einer nicht nur starken, sondern allmächtigen Führung mit der Bestimmung, den Volksverrat zu beenden. Das läuft im Innern auf die Beseitigung von allem hinaus, was von dem einzig beglaubigten, also durch Trump selbst verkörperten Volkswillen abweicht. Nach außen bedeutet das einen Kampf um die Wiederherstellung der einzig logischen Bedeutung von „amerikanischer Weltordnung“. Das isteine, die Amerika nützt und seinen Konkurrenten schadet, weil „Weltordnung“ schließlich nichts als eine Konkurrenz der Nationen um den Reichtum der Welt ist.

Was Letzteres betrifft – auch darin geben Trump ganz vertrauenswürdige Quellen recht, nämlich die mächtigeren unter Amerikas auswärtigen Konkurrenten. Sie verkünden neue, machtvolle Aufbrüche zu mehr Konkurrenzwillen und mehr Konkurrenzfähigkeit, die sie bisweilen selbst „längst überfällig!“ nennen; gegen und mit Trump gründen sie eine neue Ära der globalen Konkurrenz. Daher: Anstelle unsachlicher Beschwerden über Trumps angebliche Ignoranz gegen die Funktionsweise einer globalisierten Welt hier ein Blick auf die Diagnose und die Therapie, mit denen Trump diese Ära von ganz weit oben eröffnet.

I. Die Diagnose: eine amerikanisch gegründete Handelsordnung, die Amerika nicht mehr dient

Die ärmlichen Bewohner der abgestiegenen Industrieregionen der USA sind für Trump auf keinen Fall Loser. Ihre jahrelange Inanspruchnahme durch erfolgreiche US-Industrieunternehmen hat zweifelsfrei bewiesen, dass sie echte Amerikaner sind. Auch wenn sie gar nicht mehr danach aussehen, so wie sie in Regionen hausen, die ebenfalls nicht mehr an den amerikanischen Traum erinnern, sind sie keine „vulnerable Bevölkerungsgruppe“ wie die anderen, die bloß die Verachtung des Präsidenten verdienen; sie verdienen vielmehr die Ehre, für die Vulnerabilität der Nation selbst zu stehen: Sie sind Opfer wie Zeugen eines Weltmarkts, der die amerikanische Weltmacht selbst arm und schwach, eigentlich zum größten Loser der Welt gemacht hat. Ein nationaler Notstand also.

1. Eine Lerneinheit über den Zusammenhang zwischen Wohlstand und Sicherheit der Nation: Ohne echt einheimische, flächendeckende, profitträchtige Ausbeutung geht es nicht

Wenn ausgerechnet Amerika arm und schwach sein soll, was macht für die Trump-Regierung eine Nation denn eigentlich reich und stark?

Die erste und elementare Antwort der Trump-Regierung ist eine, die in der modernen Staatenwelt definitiv keine abweichende ist – eher eine vorbildliche: Gerade in einem Land, das sich als Heimat hart arbeitender Menschen versteht, die die Segnungen des freien Unternehmertums genießen, gibt es kein Vertun: Ein reiches Land ist nicht eines, in dem bloß viel verbraucht wird, sondern eines, in dem nicht nur viele, sondern möglichst alle menschlichen und sachlichen Ressourcen für wachsenden Geldreichtum gebraucht werden. Von diesem Grundsatz marktwirtschaftlicher Nationen sind Trump und seine Mannschaft Extremisten – aber eben so extremistisch, wie es sich für die reichste Marktwirtschaft unter den reichen gehört: Amerika braucht eine entsprechend überlegene Masse und Produktivität von Kapital in der gesamten industriellen Bandbreite – von den ökonomischen und strategischen Zukunftsindustrien bis hin zur Textilproduktion. Es ist insofern für die Trump-Regierung überhaupt kein Trost, dass der wachsende Geldreichtum, in dem die Arbeit eines marktwirtschaftlichen Musterlands allemal ihren Wert beweist, überhaupt keinen Schaden nimmt, wenn US-Industrielle weniger Amerikaner brauchen, weil sie deren Arbeit weitaus produktiver für sich gemacht haben, oder wenn sie auf dem US-Standort so gut gewachsen sind, dass sie für ihre Gewinne auf Land und Leute in der ganzen Welt zugreifen und von dort aus amerikanische Verbraucher mit billigen Produkten versorgen. Es hilft auch nichts, dass das notleidende „middle America“ an der Westküste von einem Silicon Valley und an der Ostküste von einer Wall Street eingerahmt wird, von wo aus das Geld und die Geldquellen der ganzen Welt in Anspruch genommen werden. Solche Erfolgszentren unterstreichen nur, wie unnötig die Vergeudung von Ressourcen ist, die im Rest des Landes ungenutzt bleiben, und wie skandalös die Verarmung der Bevölkerung ist, die sich für diesen Reichtum allenfalls als Kaufkraft und Kreditkunde statt als industriell angewandte Arbeitskraft nützlich machen kann. Und das ist nicht nur für die betroffenen Leute ein Problem, sondern auch und gerade für die Unternehmen selbst: Der erfinderische amerikanische Unternehmergeist droht auf lange Sicht abzustumpfen, wenn er sich für seine Bereicherung an billige, ausländische Arbeit gewöhnt. 1) Beruhigt sieht sich die Regierung auch nicht durch die Erfolgsmeldung von ökonomischen Experten und sonstigen Freunden einer ausgiebig ausgenutzten Arbeiterklasse, dass dort, wo früher z.B. wunderschöne Kohleminen und Fabriken standen – sowie eine Bevölkerung, deren industrielle Nützlichkeit ihr anzusehen war –, nun überall Walmarts, Amazon-Lager, Fast-Food-Ketten und überhaupt das weltgrößte Heer an „Dienstleistungsunternehmen“ stehen, die die nicht mehr industriell gebrauchten Amerikaner gleich doppelt und dreifach beschäftigen. Das bleibt offenbar ein unzureichender Ersatz für den Verlust von dem, was Trump und seine Mannschaft gelegentlich humorvoll als „good paying manufacturing jobs“ etikettieren. Nach deren Rückkehr sehnen sich regierende Parteigänger der amerikanischen Arbeiterklasse wohl mehr als diese selbst, tun sie mit ihrer demonstrativen Entkrustung der nationalen Arbeitsgesetzgebung doch genug für die Klarstellung, dass mit „guter Bezahlung“ eine gemeint ist, die überhaupt in einem reindustrialisierten Amerika stattfindet. Was auch immer die Beschäftigten von dieserReindustrialisierunghätten – vor allem in solchen Industriejobs kommt alles zusammen, was Amerika unbedingt braucht: nicht nur der maximale Gebrauch von Land und Leuten für nationale Bereicherung, sondern auch die gesicherte Produktion eines noch höheren Guts. Zu letzterem liefert der Handelsminister eine Klarstellung in der gebotenen Polemik gegen die begriffsstutzigen kosmopolitischen Medien des Landes:

„Sie müssen begreifen, dass dies eine Frage der nationalen Sicherheit ist, OK? Ich meine, wir stellen in diesem Land keine Medikamente mehr her. Wir stellen keine Schiffe her. Wir haben nicht genug Stahl und Aluminium, um in den Krieg zu ziehen, OK? Alle unsere Halbleiter werden im Ausland hergestellt. Jeder Knopf, den wir drücken, wenn wir versuchen, unser Auto zu starten oder unsere Mikrowelle zu benutzen, das sind alles Halbleiter. Sie werden alle anderswo hergestellt. Wir müssen endlich anfangen, uns zu schützen.“ (Handelsminister Howard Lutnick im Interview mit CBS, 6.4.25)

Das ist also die zweite Antwort der Trump-Regierung auf die Frage, was ein Land reich und stark macht: eine Ökonomie, die es frei und unabhängig von einer Welt voller Konkurrenten macht. Eine nationale Industrie muss wieder her, die der Nation die autonome Verfügung über alles sichert, was sie für ihren Reichtum und ihre Macht braucht, sie also von der Notwendigkeit befreit, das alles aus dem Ausland zu beziehen – und zwar nicht nur die paar strategischen Güter, die der Handelsminister auflistet. Eine Politik, die sich damit zufriedengibt, dass Amerika mit seinem Dollar das Benötigte auf dem Weltmarkt kauft, macht das eigene Land nicht nur ärmer, sondern auch den Welthandel zu einer unerträglichen Gefahr für die „nationale Sicherheit“.

Dass es Trump dabei um Sicherheit mit dem Inhalt geht, dass der Welthandel die Nation garantiert stärkt, statt sie abhängig von Konkurrenten zu machen, wird durch die prominente Rolle klar, die die Trump-Regierung der Handelsbilanz zumisst.

2. „Fair Trade“ – das amerikanische Vorrecht auf Erfolg

In der jahrzehntelangen negativen Handelsbilanz der Nation hat Trump es schwarz auf weiß, was Amerikas Haupt- und Generalproblem ist. In einer Welt, die die Trump-Regierung im Unterschied zum Common Sense der beruflichen Apologeten des freien Welthandels als die internationale Konkurrenzveranstaltung kennt, die er ist, zieht Amerika dauernd den Kürzeren. Und das heißt, dass die Nation nicht nur Reichtum verliert, sondern ihren Reichtum zum Mittel anderer gegen Amerika werden lässt; deren Stärke nährt Amerika durch seine Schwäche.

Vielstimmige Klagen einer beleidigten Weltmacht

Womit auch bewiesen ist, dass der Welthandel unfair ist – sonst hätte Amerika ja kein Defizit. Bisweilen leisten sich Regierungsmitglieder den Scherz, sich dabei auf den Ausgleichsmechanismus zu berufen, den zwar nicht die Weltwirtschaft selbst, aber die offizielle volkswirtschaftliche Apologetik für solche Fälle vorsieht. Demnach müsste die aus dem Handelsdefizit resultierende Schwächung der Währung des Landes seine Exportpreise senken, also seine Exportmenge steigern, also bald sein Defizit wieder ausgleichen. Wenn der Ausgleich aber jahrzehntelang ausbleibt, dann ist das internationale Handelssystem offensichtlich „kaputt“, definitiv „korrumpiert“ (Handelsbeauftragter Peter Navarro). Die Beweisführung geht aber auch ohne solche vulgärwissenschaftlichen Verrenkungen:

„Wir haben ein Handelsdefizit von 1,2 Billionen Dollar, und der Rest der Welt hat einen Überschuss gegenüber uns... Der Rest der Welt hat uns all die vielen Jahre lang abgezockt... Warum hat Europa einen Handelsüberschuss? Was ist denn an Europa so besonders? Mal im Ernst, sind sie in einer anderen Welt als wir? Warum verkaufen sie uns jedes Jahr 200 Milliarden mehr? Weil es nicht fair zugeht. Die Regeln sind nicht fair.“ (Handelsminister Lutnick, a.a.O.)

Überhaupt bieten Trumps diverse Verantwortliche fürs Handelsdossier eine Reihe von Variationen dieser einen Systemkritik, die Trump seit jeher pflegt: Amerika ist dem Missbrauch seiner eigenen Weltordnung zum Opfer gefallen.

„In den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs versammelten die westlichen Staats- und Regierungschefs die größten Wirtschaftsexperten ihrer Generation. In einem ruhigen Ferienort hoch oben in den Bergen von New Hampshire legten sie den Grundstein für die Pax Americana. Die Architekten von Bretton Woods erkannten, dass eine globale Wirtschaft eine globale Koordination erfordert. Um diese Koordination zu fördern, schufen sie den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank. Ihr Zweck bestand darin, die Interessen der einzelnen Nationen besser mit der internationalen Ordnung in Einklang zu bringen und so Stabilität in eine instabile Welt zu bringen. Kurz gesagt, sie sollten das Gleichgewicht wiederherstellen und bewahren. Dies ist auch heute noch der Zweck der Bretton-Woods-Institutionen. Doch im internationalen Wirtschaftssystem sehen wir überall Ungleichgewichte... Nirgendwo ist das so offensichtlich wie in der Welt des Handels. Jahrzehntelang haben sich amerikanische Regierungen fälschlicherweise darauf verlassen, dass unsere Handelspartner eine ausgeglichene Weltwirtschaft fördern würden. Stattdessen sind wir mit der harten Realität großer und anhaltender US-Defizite konfrontiert, die das Ergebnis eines unfairen Handelssystems sind. Die vorsätzlichen politischen Entscheidungen anderer Länder haben den amerikanischen Industriestandort ausgehöhlt, die Sicherheit unserer kritischen Lieferketten untergraben und dadurch unsere nationale und wirtschaftliche Sicherheit gefährdet.“ (Finanzminister Scott Bessent beim Institute of International Finance, 23.4.25)

Zu den angedeuteten unfairen Handelsmanövern gehört laut dem Handelsbeauftragten der Regierung auch und gerade

„das Arsenal an nichttarifären Instrumenten, die ausländische Staaten einsetzen, um amerikanische Exporte zu ersticken, ihre Lieferungen in die USA auf unfaire Weise zu steigern und ihre eigenen Märkte abzuschotten. Zu diesen Instrumenten gehören Währungsmanipulationen, Mehrwertsteuerverzerrungen, Dumping, Exportsubventionen, staatseigene Unternehmen, Diebstahl von geistigem Eigentum, diskriminierende Produktstandards, Quoten, Verbote, undurchsichtige Lizenzregelungen, aufwändige Zollverfahren, Local-Content-Auflagen und der Versuch z.B. von der EU, Amerikas größte Technologieunternehmen ins Visier zu nehmen. Hinzu kommt, dass viele ausländische Konkurrenten in Sweatshops und Umweltverschmutzungsparadiesen arbeiten, die die globale Landschaft von Asien und Afrika bis Lateinamerika moralisch und ökologisch ruinieren.“ (Handelsbeauftragter Peter Navarro in der Financial Times, 7.4.25)

Das Problem liegt freilich nicht bloß an den Regelverstößen der Partner, sondern am multilateralen, gleichmacherischen Kernprinzip der weltwirtschaftlichen Nachkriegsordnung selbst. Das verhindert die bilaterale Aushandlung der positiven Diskriminierung, die Amerika verdient:

„Ein zentraler Faktor für diesen einseitigen Handel [d.h. amerikanische Handelsdefizite, d.V.] ist die WTO-Regel der ‚Meistbegünstigung‘ (MFN), die die Mitgliedsländer dazu verpflichtet, das niedrigste Zollniveau, das sie einem Land anbieten, auf alle WTO-Mitglieder anzuwenden. Amerikas Handelspartner können also hohe, einheitliche Zölle aufrechterhalten, ohne dass sie einen Anreiz haben, mit den USA fairere Bedingungen auszuhandeln.“ (Ebd.)

Diese Diagnose einer systematischen Ungerechtigkeit gegen den amerikanischen Gründer des wunderbaren Weltmarkts und den stärksten Konkurrenten treibt der Vorsitzende von Trumps wirtschaftspolitischem Beratergremium Stephen Miran ins Grundsätzliche. Ihm zufolge hat Amerika der Welt seine Gewalt und sein Geld geschenkt, die Kosten werden ihm aber nicht erstattet:

„Heute möchte ich über das sprechen, was Ökonomen die Bereitstellung von ‚globalen öffentlichen Gütern‘ bezeichnen. Erstens bieten die USA einen Sicherheitsschirm, der für die großartigste Ära von Frieden gesorgt hat, die die Menschheit je erlebt hat. Zweitens stellen die USA den Dollar und ihre Staatsanleihen zur Verfügung, die das globale Handels- und Finanzsystem ermöglichen, das wiederum die größte Ära des Wohlstands ermöglicht hat, die die Menschheit je erlebt hat. Beides ist für uns mit hohen Kosten verbunden. Was die Verteidigung betrifft, so gehen unsere Männer und Frauen in Uniform heldenhafte Risiken ein, um unser Land und die Welt sicherer zu machen und unsere Freiheiten für unsere Kinder und Kindeskinder zu bewahren. Und wir besteuern hart arbeitende Amerikaner kräftig, um die globale Sicherheit zu finanzieren. Was unsere Finanzen betrifft, so hat die Reservefunktion des Dollars zu anhaltenden Verzerrungen der Wechselkurse geführt und – zusammen mit den unfairen Handelshemmnissen, die andere Länder schaffen – zu unhaltbaren Handelsdefiziten beigetragen. Diese Handelsdefizite haben unser verarbeitendes Gewerbe und viele Arbeiterfamilien und ihre Gemeinden dezimiert, bloß um den Handel zwischen Nicht-Amerikanern zu erleichtern.“ (Stephen Miran beim Hudson Institute, 7.4.25)

So viel ist bei alledem überdeutlich: Die amerikanische Seele ist unter Trump II immer noch intakt. Amerika hat das Selbstvertrauen nicht verloren, dass seine Konkurrenten unter fairen Konkurrenzbedingungen keine Chance haben. Es hat immer noch genug kosmopolitisches Verantwortungsbewusstsein, seine Konkurrenzprobleme zum Problem für die ganze Weltgemeinschaft zu erklären – und dafür auch praktisch zu sorgen. Es hat erst recht nicht die Kunst verlernt, sein Bestehen auf monopolistischer Kontrolle über den Gewalthaushalt der Welt – dem von Miran erwähnten „Sicherheitsschirm“, dessen globale Reichweite den USA zur Not auch einen atomaren Weltkrieg wert gewesen wäre – als Gunst für die schutzbedürftigen Konkurrenten und als Bürde für Amerika selbst zu präsentieren, die ihm nicht gedankt wird. Gleiches gilt für die überwältigende Dominanz des Dollars: eine gute Tat, für die Amerika bestraft wird. Kurz: Das einzig nachhaltige und faire Gleichgewicht im Handelsuniversum ist eines, bei dem der Erfolg und die Sicherheit der USA auf der einen Seite, die Nützlichkeit und Dienstbarkeit aller anderen dafür auf der anderen Seite stehen.

Der historische Grund des beleidigten US-Rechtsbewusstseins und seine Folgen2)

Mit dem durchsichtigen Gejammer eines schlechten Verlierers haben solche Beschwerden also ersichtlich nichts zu tun. Das ist eher die unerschütterliche Gewissheit einer Regierung, die das Welthandelssystem als amerikanisches Werk kennt. Ihre selbstherrliche Forderung nach einer Konkurrenz, die den Vorteil des einen Konkurrenten garantiert und alle anderen Konkurrenten dafür in Haftung nimmt, verrät die prinzipienfeste Sehnsucht amerikanischer Nationalisten nach dem historisch verbürgten Ausgangspunkt des herrschenden Welthandelssystems. Der war für amerikanische Liebhaber übersichtlicher Kräfteverhältnisse in der Tat wunderschön: Der konkurrenzlos überlegenen amerikanischen Wirtschaftsmacht steht eine kriegerisch beschädigte bis ruinierte Staatenwelt gegenüber, hungrig nicht nur nach amerikanischen Gütern, sondern vor allem nach dem Geldkapital, das nur Amerika in der benötigten Größenordnung zu bieten hat. Da findet Welthandel insofern nur aufgrund dessen und nur so statt, dass Amerika die Welt für die Expansion seines Reichtums und die Stärkung seiner Macht aus eigener Freiheit und fragloser Überlegenheit heraus erschließt – die einzig sichere Grundlage für einen wirklich amerikanischen Frieden. Doch schon dieser wunderschöne Gründungsmoment enthält einen Widerspruch, mit dem die professionellen Vertreter des angeborenen Rechts der USA auf Erfolg nicht immer klarkommen.

Denn Amerika macht sich die kriegerisch ruinierte Welt durch die Inszenierung eines Weltmarkts zurecht – durch die Verpflichtung der anderen Staaten nicht auf quasi-koloniale Dienste, sondern auf gleichberechtigte Teilhabe an einer freien kapitalistischen Konkurrenz mit Amerika als eigenen nationalen Erfolgsweg. Von Anfang an wollte Amerika es nämlich nicht darunter tun und hat im Rahmen seiner selbst erklärten Zuständigkeit für den Weltfrieden und die Herrschaft des Rechts gewaltsam durchgesetzt, dass die ganze Staatenwelt der Akkumulation von Kapital hinterher ist und die einzelnen Nationen es genau so weit bringen, wie ihnen ebendas in der Konkurrenz der Nationen gelingt. Alle Staaten sollten sich zu Unterabteilungen eines Weltmarkts herrichten; dort sollten sie alles kaufen und verkaufen, was sich für Kapitalakkumulation nutzen lässt: von Rohstoffen und Maschinen über Arbeitskräfte bis hin zu Wertpapieren. Damit das ordentlich in Gang kommt und in Schwung bleibt, greift Amerika zu exakt den (in Bretton Woods entwickelten) Instrumenten, in denen Trumps Mitarbeiter nun einen amerikanischen Nachteil sehen – einen Schwachpunkt amerikanischer Weltherrschaft, der auf allgemeine Funktionsstörungen des Weltsystems schließen lässt. Es beglückt die Konkurrenten erstens mit massenhaftem Dollarkredit, der sie zum tüchtigen Verdienen von den Dollars befähigen soll, die Amerika – damals aufgrund seines Quasimonopols auf das Gold der Welt – als das Weltgeld schlicht gesetzt hat. Zweitens schreibt es der freien Staatenwelt mit der von Navarro verunglimpften „Meistbegünstigungsklausel“ – zunächst im GATT-Vertrag und ein halbes Jahrhundert später als Kernprinzip der Welthandelsorganisation (WTO) – die Gleichbehandlung aller Konkurrenten vor, sorgt so für die Beseitigung handelsmäßiger Reservate und für die Verallgemeinerung jeder bilateralen Handelsbeziehung. Drittens hat Amerika der Gefahr Rechnung getragen, die aus den Verlierern der freien und gleichen Konkurrenz – mit denen wurde von vornherein fest gerechnet – für den Weltmarkt selbst erwächst, und zwar durch genau die von Bessent erwähnte, institutionalisierte „globale Koordination“: Amerika stellt sein Geld und seinen Kredit hinter einen Internationalen Währungsfonds, eine kollektive Kreditinstanz, um tatsächlich „die Interessen der einzelnen Nationen besser mit der internationalen Ordnung in Einklang und so Stabilität in eine instabile Welt zu bringen“. Multilateraler Kredit für die Verlierer soll dafür sorgen, dass die für die Gewinner so nützliche Freiheit der Weltmarktkonkurrenz nicht durch staatliche Zahlungsunfähigkeit oder unilateral errichtete Schutzwälle ausgebremst wird... So stellt sich Amerika, um sich alle Nationen dauerhaft für die Benutzung durch amerikanisches Kapital zu öffnen, auf den Standpunkt des Welthandels. Seinen Erfolg verfolgt es nicht nur als Konkurrent auf dem Weltmarkt, sondern als dessen Macher und Garant.