Gehirn gut, alles gut. Wie du Krankheiten vorbeugst, deine Psyche stärkst und dein kognitives Potenzial entfaltest - Catherine de Lange - E-Book

Gehirn gut, alles gut. Wie du Krankheiten vorbeugst, deine Psyche stärkst und dein kognitives Potenzial entfaltest E-Book

Catherine de Lange

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Beschreibung

Das Gehirn ist unser wichtigstes Organ. Damit es bis ins hohe Alter bestmöglich für uns arbeitet, müssen wir uns gut darum kümmern! Denn inzwischen ist klar: Dass unser Gehirn richtig arbeitet, ist entscheidend für unsere körperliche und psychische Gesundheit. Und die Basis für ein gesundes Gehirn schaffen wir mit unserem Verhalten tagtäglich selbst. Auf der Grundlage aktueller Forschungsergebnisse geht die renommierte Wissenschaftsjournalistin Catherine de Lange der Frage nach, welche Faktoren unsere Gehirnfunktion besonders beeinflussen und was wir in den Bereichen Ernährung, Schlaf, Sport, Gehirntraining und soziale Beziehungen ganz konkret tun können, damit es unserem Gehirn und somit Körper und Psyche gut geht.

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Seitenzahl: 364

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Catherine de LangeGehirn gut, alles gut!

Catherine de Lange

Gehirn gut, alles gut!

Wie du Krankheiten vorbeugst, deine Psyche stärkst und dein kognitives Potenzial entfaltest

Aus dem Englischen von Svenja Tengs

Anaconda

Für Alok

Titel der englischen Originalausgabe:Brain Power. Everything You Need to Know for a Healthy, Happy BrainFirst published in Great Britain in 2022 byMichael O’Mara Books Limited, LondonCopyright © Catherine de Lange 2022

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung© 2023 by Anaconda Verlag, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 MünchenAlle Rechte vorbehalten.Umschlagmotiv: Shutterstock / Nadia Grapes (Figuren). – Shutterstock / graficriver_icons_logo (Hintergrund)Umschlaggestaltung: www.katjaholst.deSatz und Layout: InterMedia – Lemke e. K., Heiligenhaus

ISBN 978-3-641-30396-9V001www.anacondaverlag.de

Inhalt

Einleitung

Teil1Ernährung

Kapitel1Essen als Stimmungsaufheller

Kapitel2Hunger könnte dein Gehirn jung halten

Kapitel3Das Versprechen von Gehirnnahrung

Kapitel4Alzheimer könnte der Diabetes des Gehirns sein

Teil2Schlaf

Kapitel5Schlaf verbessert Lernen und Gedächtnis

Kapitel6Die Wahrheit über Schlaf und Alzheimer

Kapitel7Müdigkeit zerstört deine kognitiven Fähigkeiten

Kapitel8Schlaf ist eine Art Über-Nacht-Therapie

Kapitel9Wie viel Schlaf brauchst du wirklich?

Kapitel10Müdigkeit kann reine Kopfsache sein

Teil3Bewegung

Kapitel11Bewegung eignet sich ideal zur Vorbeugung von Demenz

Kapitel12Bewegung pusht deine Gehirnleistung

Kapitel13Bewegung kann dein geistiges Wohlbefinden verbessern

Kapitel14Yoga kann das Gehirn verändern und den Geist beruhigen

Kapitel15Achte auf Achtsamkeit 147

Teil4Mentaltraining

Kapitel16Du kannst neue Gehirnzellen ausbilden

Kapitel17Bildung schützt dein Gehirn

Kapitel18Der bilinguale Brain-Boost

Kapitel19Musik sollte zum Alltag gehören

Teil5Sozialleben

Kapitel20Die Ehe kann dich vor Demenz schützen

Kapitel21Wie Einsamkeit dein Gehirn verändert

Kapitel22Die heilende Wirkung von Haustieren

Kapitel23Die stimmungshebende Wirkung von Licht und Dunkel

Kapitel24Natur ist gut für die geistige Gesundheit

Teil6Gesunder Körper, Gesunder Geist

Kapitel25Entzündungen können deinen Geist verwirren

Kapitel26Pfleg deine Zähne zur Vorbeugung von Alzheimer

Kapitel27Gehörverlust hängt mit Demenz zusammen

Teil7Dein eigener Einfluss

Kapitel28Deine Persönlichkeit beeinflusst deine mentale Gesundheit

Kapitel29Stress muss nichts Schlimmes sein

Kapitel30Wie man gesunde Gewohnheiten entwickelt

Fazit

Anmerkungen

Danksagung

Register

Einleitung

Als ich dieses Buch gerade zu Ende schrieb, hatte ich zufällig meinen allerersten Termin beim Neurologen. Ich hatte schon immer unter gelegentlichen Migräneanfällen gelitten, doch in letzter Zeit waren sie regelmäßiger aufgetreten und ich wollte der Sache auf den Grund gehen. Der Neurologe saß hinter einem mächtigen Schreibtisch und stellte mir Fragen zu meinem Lebensstil, meiner Familiengeschichte und meinen Kopfschmerzen. Als ich gestand, dass ich nicht wisse, was genau die Migräneanfälle auslöse, antwortete er, ich solle mir keine Sorgen machen: Selbst er – ein auf Migräne und Kopfschmerzen spezialisierter Neurologe – wisse nicht, was die Ursache seiner Migräne sei.

Am Ende des Beratungsgesprächs war der Arzt zuversichtlich, dass es wahrscheinlich nichts allzu Schlimmes war, und zog ein Blatt Papier hervor, worauf er den Namen eines Mittels schrieb, das ich einnehmen sollte und das sich in Studien als hilfreich für Menschen mit Migräne erwiesen hatte. Es war weder ein schickes, neues Medikament noch ein starkes Schmerzmittel. Auf dem Zettel stand lediglich: »Vitamin B2 (Riboflavin) 400 mg«.

Vitamin B2 ist in Lebensmitteln wie Mandeln, Brokkoli und Eiern enthalten, wovon ich viel esse, und ist bekanntermaßen von vielfachem Nutzen für den Körper, z. B. unterstützt es die Umwandlung von Essen in Energie und das einwandfreie Funktionieren des Nervensystems. Wir brauchen pro Tag nur einen Bruchteil der 400 mg, die mein Neurologe mir verschrieb, doch mehrere Studien haben ergeben, dass man weniger zu Migräneanfällen neigt und diese kürzer andauern, wenn man größere Mengen davon einnimmt. Bei einer Studie stellte sich sogar heraus, dass die Einnahme des Vitamins die Anzahl von Migräneanfällen halbierte. Als Wissenschaftsjournalistin habe ich mir diese Studien zuerst einmal selbst angesehen und die Ergebnisse ausgewertet. Ich bin immer noch etwas skeptisch, doch da es keine Nebenwirkungen geben soll (außer dass mein Urin sehr gelb wird), bin ich bereit, es auszuprobieren. Mein Termin beim Neurologen hat mir nicht nur ein besseres Gefühl gegeben, was meine Migräne angeht, sondern mir auch viele wichtige Fakten über das Gehirn in Erinnerung gerufen, die ich für dieses Buch recherchiert hatte – Informationen, von denen wir alle profitieren können.

Beginnend mit der Tatsache, dass mein Arzt – einer der Top-Kopfschmerzexperten in der Gegend – sich nicht ganz sicher war, was genau die Ursache vieler Migräneanfälle ist. Es klingt etwas abgedroschen, zu sagen, dass das menschliche Gehirn das komplexeste Objekt im uns bekannten Universum ist, aber es ist tatsächlich unglaublich komplex und trotz jahrzehntelanger Forschung beginnen wir gerade erst zu verstehen, wie es funktioniert. Wir kennen noch nicht alle Zellen, aus denen das Gehirn besteht, und wissen auch nicht, wie sie miteinander kommunizieren und unsere komplexen Gedanken, Gefühle, Verhaltensweisen, Empfindungen und – das Beste von allem – unser Bewusstsein hervorbringen. Ich werde es meinem Neurologen also nachsehen, dass er nicht alle Details kennt.

Vielleicht denkst du jetzt, dass man die Sache gar nicht weiter zu verfolgen braucht, weil das Gehirn viel zu kompliziert ist, als dass wir es verstehen könnten. So ist es jedoch auch wieder nicht. Wir entdecken unaufhörlich neue Informationen über die Funktionsweisen des Gehirns, insbesondere mithilfe von Technologien wie MRT-Scans, bei denen wir die Aktivitäten des Gehirns in Echtzeit verfolgen können. Die Neurowissenschaft erlebt gerade unglaublich aufregende Zeiten und mit diesem neuen Wissen können wir viel anfangen. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass Wissenschaft ein fortlaufender Prozess ist. In manchen Bereichen, die in diesem Buch vorgestellt werden, können wir unsere Gehirnleistung auf jeden Fall durch eigenes Zutun steigern, insbesondere was die überaus positiven Auswirkungen von Bewegung, Schlaf, geistigen Beschäftigungen und starken sozialen Bindungen angeht. In anderen Bereichen sind die Beweise nicht so eindeutig. Diese sich in der Entwicklung befindlichen Forschungsgebiete sind jedoch faszinierend; es lohnt sich auf jeden Fall, sie im Blick zu behalten.

Schauen wir uns diese B-Vitamine noch einmal genauer an, denn jetzt wird es wirklich spannend. Inzwischen haben wir verstanden, dass das Gehirn nicht unabhängig vom Körper funktioniert und dass psychische Probleme untrennbar mit der körperlichen Gesundheit verknüpft sind. Ich weiß nicht, wie du darüber denkst, aber ich für meinen Teil nehme lieber zusätzliche Vitamine ein, um meinen Kopfschmerzen vorzubeugen, als Schmerztabletten gegen die Migränesymptome zu schlucken (auch wenn ich diese Medikamente im Bedarfsfall immer nehmen würde). Darüber hinaus sind jüngste Studien zu spannenden Ergebnissen gekommen: Nicht das Erbgut hat den größten Einfluss darauf, wie sich das Gehirn mit fortschreitendem Alter verändert und ein möglicher kognitiver Verfall aussieht, sondern die Umwelt1. Es besteht also kein Zweifel daran, dass die Aktivitäten, denen wir im Alltag nachgehen, maßgeblich zur Gesundheit unseres Gehirns beitragen.

Diese Denkweise ist revolutionär, denn sie bietet unzählige Möglichkeiten, darunter Hobbies und Gewohnheiten, mit denen wir sowohl den Körper als auch den Geist fit halten können. Und genau darum geht es in diesem Buch.

Das bedeutet auch, dass wir unsere Gehirngesundheit nicht auf die lange Bank schieben und uns erst darum kümmern sollten, wenn etwas schiefgeht und wir vor jenem mächtigen Neurologenschreibtisch sitzen. Wenn dieses Buch etwas ist, dann die Aufforderung, dass wir unsere Gehirngesundheit jetzt in die Hand nehmen. Je eher du damit beginnst, desto besser.

Es ist höchste Zeit für diese Revolution. Bis 2030 wird die Zahl der Menschen, die 60 Jahre oder älter sind, voraussichtlich um 56 Prozent auf 1,4 Milliarden ansteigen.2 Zusammen mit der alternden Bevölkerung wird sich die Wahrscheinlichkeit, an neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer und vaskulärer Demenz zu erkranken, dramatisch erhöhen. Dennoch ist die Hälfte von uns nicht imstande, die Risikofaktoren für Demenz zu benennen.3 Leider ist unser Wissen über die Ursachen von Alzheimer immer noch lückenhaft und auch in Sachen Behandlungsmethoden sind wir nicht weitergekommen, d. h. Lebensstilfaktoren, die diese Krankheit verhindern und verlangsamen können, sind wichtiger denn je.

In diesem Buch geht es darum, was wir tun und was wir lassen können, um unsere Gehirngesundheit zu verbessern. Aber was ist das eigentlich: ein gesundes, glückliches Gehirn? Unter einem »gesunden Gehirn« verstehe ich im Folgenden ein Gehirn, das erwartungsgemäß funktioniert, ausgehend von Faktoren wie der Gehirnstruktur und der Funktionsweise bei Gehirnscans. Wir werden uns viel damit beschäftigen, wie sich das Gehirn im Alter verändert und was wir tun können, um negative Veränderungen auf ein Minimum zu beschränken – insbesondere jene, die eine Entwicklung in Richtung Demenz begünstigen. Bei einem »glücklichen Gehirn« geht es im Grunde um die Stimmung. Darunter fallen Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit, die auf die Stimmung schlagen, z. B. Depression und Angst, ebenso wie andere Zustände, die uns ein schlechtes Gefühl geben, z. B. Stress. Darüber hinaus schauen wir uns Methoden an, mit denen wir unsere Stimmung – unabhängig von affektiven Störungen – schlagartig aufhellen können. Innerhalb dieser beiden Kategorien werden wir auch die Gedächtnisleistung näher betrachten, also die Möglichkeit, unseren Verstand geschärft zu halten, sei es durch kurzfristige Steigerung der Aufmerksamkeit, Konzentration oder Kreativität oder durch den langfristigen Erhalt unserer geistigen Klarheit.

Auch wenn sich dieses Buch fast ausschließlich auf das Gehirn konzentriert, können die meisten der behandelten Themen auch für den Körper sehr nützlich sein. Und das Beste: Die meisten der vorgestellten Aktivitäten sind kostenfrei, nehmen wenig Zeit in Anspruch und können richtig Spaß machen. Wenn du dich also für diesen Weg entscheidest und deine Gehirngesundheit verbessern möchtest, wird sich dein Leben wahrscheinlich auch in anderen Bereichen zum Besseren verändern.

Letztlich geht es bei einem gesunden Gehirn um ein gutes Lebensgefühl. Ich hoffe, dass dich dieses Buch zu großen oder kleinen Veränderungen inspiriert, die du in dein Leben integrieren möchtest – sowohl jetzt als auch im Laufe des Älterwerdens – und die sich nicht wie eine lästige Pflicht oder Strafe anfühlen. Ich möchte dich dazu ermutigen, neue Dinge auszuprobieren und dann zu entscheiden, ob sie dir guttun. Falls sie dir zur Last fallen, gib sie lieber wieder auf und such dir etwas anderes.

Bevor es losgeht, wollen wir noch einmal auf den Neurologen und seinen Rat zurückkommen, B-Vitamine einzunehmen. In jener überzeugenden klinischen Studie konnte die Häufigkeit von Migräne halbiert werden … aber nur bei manchen Proband∗innen. Bei anderen hatten die Vitamine keinerlei Wirkung. Ob ich zu der Personengruppe gehöre, bei der es funktioniert, bleibt abzuwarten, denn wir dürfen nicht vergessen, dass jedes Gehirn einzigartig ist. Jeder Mensch ist anders und es gibt keine Einheitslösung für alle. Es wäre daher nachlässig, nicht darauf hinzuweisen, dass viele Menschen unabhängig von ihren Lifestyle-Entscheidungen von psychischen Problemen und neurologischen Krankheiten betroffen sind und sein werden. Mit anderen Worten: Durch unser Handeln können wir zwar großen Einfluss auf unsere Gehirngesundheit nehmen, doch wir kennen noch lange nicht alle Antworten.

Es gibt kein Patentrezept. Am besten kannst du dein Gehirn schützen, indem du mit verschiedenen nützlichen Gewohnheiten beginnst, sodass diese ihre Wirkung entfalten können. Es geht dabei nicht um eine Sofortlösung, sondern um eine nachhaltige Veränderung deines Lebensstils.

Vielleicht wird die Wissenschaft eines Tages eine Pille erfinden, die die Wirkung jener Gewohnheiten nachahmt, die gut für die Gehirngesundheit sind – eine Pille also, die genauso nützlich ist wie Bewegung, ein Glas Rotwein mit guten Freunden, eine solide Beziehung, ein Spaziergang in der Natur, eine erholsame Nachtruhe, wärmende Sonnenstrahlen auf dem Gesicht und gehaltvolle Ernährung. Natürlich könntest du diese Pille dann einnehmen, um sofort von all den gesundheitlichen Vorteilen zu profitieren und deine Zeit mit anderen Dingen zu verbringen. Oder – und das ist zumindest meine Hoffnung – du findest solche Freude an eben jenen Dingen, die dein Gehirn gesund und glücklich halten, dass du bis zum Ende deines langen, gesunden Lebens nie mehr damit aufhören möchtest.

Teil 1

Ernährung

Das Gehirn ist ein gefräßiges Organ, das etwa 20 Prozent der Körperenergie verschlingt. Dennoch denken wir bei der Wahl unseres Essens eher an die Wirkung auf die körperliche Gesundheit. Ist dieses Essen gut fürs Herz? Werde ich davon zunehmen? Kann es Krebs oder Diabetes auslösen? Nicht nur Einzelpersonen denken so; auch Mediziner∗innen haben im Großen und Ganzen die Bedeutung unterschätzt, die Ernährung auf unser mentales Wohlbefinden ausübt. Und das obwohl wir schon lange wissen, dass der Darm kein unabhängiges Organ ist, sondern in permanentem Austausch mit dem Gehirn steht. Die Wissenschaft beginnt gerade erst umzudenken und die Ergebnisse sind ziemlich verblüffend.

Die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn erfolgt u. a. über das Mikrobiom, zu dem die Forschungen in den letzten Jahren explosionsartig zugenommen haben. In Kapitel 1 erfahren wir mehr über die Billionen von Mikroben, die in uns leben, und über die unglaubliche Art und Weise, wie sie unser Wohlbefinden beeinflussen. Wichtig ist auch: Wir werden lernen, sie richtig zu füttern, damit sie – und somit auch wir – glücklich bleiben.

In Kapitel 2 beschäftigen wir uns mit der Idee, dass es für einen scharfen Verstand nicht nur wichtig ist, was wir essen, sondern auch wann. Fastenkuren gibt’s wie Sand am Meer und sie werden immer beliebter, aber können sie auch halten, was sie versprechen? Kann Hunger unser Gehirn wirklich zu Hochleistungen antreiben?

Ungesunde Ernährung ist in den meisten Ländern der Welt die größte Todesursache und fordert mehr Menschenleben als Rauchen.4 Was machen wir falsch? In Kapitel 3 reisen wir in die Regionen der Welt mit den gesündesten Ernährungsgewohnheiten. Von den Menschen dort und den jüngsten Forschungsergebnissen können wir lernen, was wir tatsächlich essen sollten, um unser Gehirn so gesund wie möglich zu halten und ein langes, gesundes Leben zu führen.

Falls du dann immer noch nicht davon überzeugt bist, wie wichtig Ernährung für das Gehirn ist, gehen wir in Kapitel 4 der Frage nach, was passiert, wenn unser Körper Nahrung nicht mehr richtig verarbeiten kann, und was es mit der verblüffenden Idee auf sich hat, dass die Alzheimerkrankheit eine Art Diabetes des Gehirns sein könnte.

In diesem Teil des Buches erforschen wir auch den Gegenentwurf zu unzähligen Diäten und Modetrends, die eine schnelle Lösung versprechen. Stattdessen erfahren wir, welche nachhaltigen und geschmackvollen Ernährungsveränderungen wir vornehmen können, um unser Gehirn auf Dauer fit zu halten.

Kapitel 1

Essen als Stimmungsaufheller

Schmetterlinge im Bauch beim ersten Date, das Bauchgefühl, dass jemand nicht ehrlich ist, oder ein flaues Gefühl im Magen vor einer wichtigen Arbeitspräsentation: Auf die eine oder andere Weise haben wir alle schon einmal die Verbindung zwischen Darm und Gehirn erlebt. Aber wusstest du, dass der Darm über ein eigenes Nervensystem verfügt? Oder dass er unaufhörlich im Austausch mit dem Gehirn steht und unsere Gedanken und Stimmungen beeinflusst, selbst wenn wir gerade nicht essen? Diese Verbindung ist so stark, dass Wissenschaftler∗innen den Darm mittlerweile als unser »zweites Gehirn« bezeichnen. Sie wissen nun besser denn je, wie wir diese Verbindung stärken können, um unser Wohlbefinden und Denken zu verbessern.

Die wechselseitige Kommunikation zwischen Darm und Gehirn bezeichnet man als »Darm-Hirn-Achse«; darauf können Informationen auf verschiedene Art und Weise hin- und hergeschickt werden. Der direkteste Weg ist der Nervus vagus, eine Datenautobahn, die Signale vom Darm zum zentralen Nervensystem schickt und eine Schlüsselrolle bei der Ruhe- und Verdauungsphase (Parasympathikus) spielt. Der Nervus vagus gilt als der sechste Sinn des Körpers5, da er Aktivität in unseren Organen feststellen und diese wichtige Information ans Gehirn weiterleiten kann. Abgesehen vom Vagus kann der Darm auch auf andere Weise mit dem Gehirn kommunizieren, z. B. über Hormone, das Immunsystem und Darmmikroben.

Erst vor Kurzem haben wir die Wirkung der Darm-Hirn-Achse auf unsere mentale Gesundheit verstanden, insbesondere die Bedeutung der im Darm lebenden Mikroben. Dennoch ist es ein unglaublich aufregendes Forschungsgebiet und es gibt überzeugende Beweise dafür, dass unsere Umgangsweise mit diesen Darmbewohnern sehr große Auswirkungen haben kann.

Lerne dein Mikrobiom kennen

In unserem Verdauungstrakt leben schätzungsweise 40 Billionen Mikroorganismen. Zum Vergleich: Dies entspricht in etwa der Anzahl von Zellen, aus denen der menschliche Körper besteht. In deinem Darm existieren hunderttausendmal mehr Mikroben, als es Menschen auf der Erde gibt.6

Am wohlsten fühlen sie sich im Dickdarm, dem letzten Abschnitt des Verdauungstraktes und dem langsamsten Teil des Verdauungssystems. Er braucht ungefähr 12 bis 30 Stunden, um die Reste zu verarbeiten, die durch ihn hindurchkommen. Unseren Darmmikroben bleibt also jede Menge Zeit, ihren Zauber zu entfalten. Die Gesamtheit dieser Billionen von Mikroben, darunter Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten, wird »Mikrobiota« genannt. Zusammen enthalten sie hundertmal mehr Gene als dein Genom, das gesamte Erbgut in deinem Körper. Diese Ansammlung mikrobieller Gene wird »Mikrobiom« genannt.

Allerdings waren uns bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts 80 Prozent unserer Darmmikroben vollkommen unbekannt. Dieser Umstand ändert sich gerade dank der DNA-Sequenzierungstechnologie. Im Jahr 2007 wurde das Human Microbiome Project ins Leben gerufen, mit dem unser »zweites Genom« sequenziert wird. Wir treten momentan in eine aufregende neue Phase ein, in der sich der Fokus der Fragestellung verschiebt von »Wer sind diese Bewohner?« hin zu »Was stellen sie da drinnen an?« und »Wie können wir sie optimal nutzen, um unsere körperliche und geistige Gesundheit zu verbessern?«7

Oft ist die Rede von »guten Bakterien«, was ein Schlüsselkonzept in Bezug auf unsere Darmmikrobiota ist. Unser Verdauungstrakt ist eine der häufigsten Eintrittsstellen für schädliche Organismen in unseren Körper. Wenn wir dort über genügend »gute« Bakterien verfügen, sind unerwünschte Krankheitserreger in der Unterzahl, was uns vor Infektionen schützt. Dies ist einer der Gründe, warum ein möglichst vielfältiges Mikrobiom so wichtig für die Gesundheit ist. Je breiter es aufgestellt ist, desto besser kann es unsere Gesundheit erhalten.

Allerdings tun unsere Darmbewohner viel mehr, als nur schädliche Mikroben auszuschalten. Sie bauen auch unverdauliche Lebensmittel ab und produzieren dabei eine ganze Reihe nützlicher Verbindungen, die sogenannten »Metaboliten«. Zudem stellen sie Vitamine her, darunter alle acht B-Vitamine. Bemerkenswert ist auch, dass unsere Darmmikroben Neurotransmitter produzieren können, jene Botenstoffe, über die unsere Gehirnzellen kommunizieren, darunter Serotonin (ein Mangel davon wird mit Depressionen in Verbindung gebracht), Noradrenalin (das den Körper zum Handeln anregt) und Dopamin (das sich maßgeblich auf die Stimmung, das Lernen und das Planungsvermögen auswirkt). Tatsächlich werden 50 Prozent unseres Dopamins im Darm hergestellt.8

Mächtige Einflussfaktoren

All diese Erkenntnisse zeigen, dass unsere Darmmikroben nicht einfach nur Trittbrettfahrer in unserem Körper sind. Ihre Gesundheit ist eng mit unserer eigenen verknüpft und sie können einen großen Einfluss auf unser Gehirn ausüben.

Wie groß dieser Einfluss tatsächlich ist, hat die Forschung im Laufe des letzten Jahrzehnts herausgefunden. Den Anfang machten Studien mit keimfreien Mäusen – also mit Mäusen, die vollkommen mikrobenfrei gezüchtet und in einer sterilen Umgebung aufgezogen wurden. So konnten Wissenschaftler∗innen nachvollziehen, welche Wirkungen mit den verschiedenen Mikroben einhergehen. Im Jahr 2004 fanden japanische Forschende im Rahmen einer wegweisenden Studie heraus, dass diese mikrobiomfreien Mäuse ein unterentwickeltes Gehirn, eine übermäßige Stressreaktion und ein depressionsähnliches Verhalten aufwiesen.9 Das Interessante: Die Stressreaktion der Mäuse normalisierte sich schnell, nachdem man sie mit einer Bakterienmischung gefüttert hatte.

Weitere stichhaltige Beweise lieferten Studien, in denen Stuhltransplantationen durchgeführt wurden. Dabei überträgt man den Stuhl eines Individuums in den Darm eines anderen, häufig mithilfe eines Einlaufs oder auch oral, z. B. in Tablettenform. Über diese Technik erschien 2020 ein Review (eine Übersichtsarbeit) von Studien, bei denen der Stuhl von Menschen mit speziellen Erkrankungen in Mäuse transplantiert wurde. Nachdem die Mäuse das Transplantat erhalten hatten, entwickelten sie ähnliche Symptome wie die Menschen, darunter Depression, Angst, Magersucht und Alkoholismus. Natürlich zeigen sich diese Symptome nicht genauso wie beim Menschen, sondern im übertragenen Sinn, z. B. verbringen Mäuse mit Angstverhalten weniger Zeit in der Mitte einer offenen Fläche, sondern halten sich lieber am Rand auf. Nagetiere mit zwanghaften Verhaltensweisen vergraben beispielsweise fieberhaft Murmeln in der Erde, wenn sie Gelegenheit dazu haben. Durch die bloße Transplantation des Mikrobioms kranker Menschen in die Mäuse, schienen sich auch die Gesundheitsprobleme zu übertragen.

Was geschieht, wenn wir genau umgekehrt vorgehen und das Mikrobiom gesunder Menschen in Personen mit bereits bestehenden gesundheitlichen Problemen transplantieren – in dem Versuch, kranke Menschen zu heilen? Eine verlockende Idee! Es gibt zwar nicht viele Studien, die an Menschen durchgeführt wurden, aber immerhin eine Handvoll. Beispielsweise werden in dem Review sechs Studien genannt, in denen der Stuhl gesunder Proband∗innen in Menschen mit Depressionen transplantiert wurde. Alle diese Studien ergaben, dass es bei den Empfänger∗innen des Transplantats zu kurzfristigen Verbesserungen der depressiven Symptome kam. Im Allgemeinen verschlechterten sich die Symptome jedoch wieder und waren nach mehreren Monaten auf dem alten Niveau.

ANTIBIOTIKA UND DAS MIKROBIOM

Insgesamt scheinen sich Antibiotika ungünstig auf das Mikrobiom auszuwirken, da sie das Gleichgewicht der Darmmikroben durcheinanderbringen (natürlich sind sie zugleich eine unglaublich wichtige Behandlungsmethode gegen bakterielle Infektionen, weshalb man sich im Bedarfsfall dennoch an die ärztlichen Anordnungen halten sollte). Die Lage ist jedoch kompliziert, denn es gibt auch Hinweise darauf, dass die Wirkung von Antibiotika auf das Mikrobiom Menschen helfen könnte, die unter anhaltenden Symptomen von Schizophrenie oder Depression leiden und immun gegen herkömmliche Behandlungen sind. Es deutet also alles darauf hin, dass die Wirkung von Antibiotika auf das Mikrobiom – sowohl was die Behandlung als auch die Vorbeugung von Krankheiten betrifft – in den nächsten Jahren ein heiß diskutiertes Thema sein wird.

Diese Wirkungen sind vermutlich auf einen der zahlreichen Kommunikationswege zwischen Darm und Gehirn zurückzuführen. Sowohl Neurotransmitter als auch kurzkettige Fettsäuren – die entstehen, wenn Darmmikroben unverdauliche Ballaststoffe aus der Nahrung zersetzen – können den Nervus vagus anregen und Signale an das Gehirn senden. Wenn man bei Mäusen den Vagus durchtrennt, verschwindet auch die positive Wirkung der Darmmikroben.

Kurzkettige Fettsäuren sind entzündungshemmend und können das Immunsystem noch auf andere Weise beeinflussen. Auch weil viele psychiatrische Krankheiten von Entzündungen beeinflusst werden (für mehr Informationen siehe Kapitel 25), ist die entzündungshemmende Wirkung des Darmmikrobioms von besonderem Interesse.

Die psychobiotische Revolution

Stuhltransplantationen sind immer noch eine extreme Vorgehensweise. Im Jahr 2020 warnte die U.S. Food and Drug Administration (FDA) im Rahmen dieser Praxis vor dem Risiko schwerer Infektionen.10 Ein alternativer Ansatz besteht darin, psychische Gesundheitsprobleme mit Probiotika zu behandeln – Bakterien, die nachweislich gesundheitsfördernd für den Darm sind. Für diese Idee prägten die Forschungsleiter John Cryan und Ted Dinan vom irischen University College Cork zusammen mit ihren Kolleg∗innen den Begriff »Psychobiotika«.

Wie sicher können wir jedoch sein, dass sich die bei Tieren beobachtete Wirkung auf das Mikrobiom auf den Menschen übertragen lässt? Einen ersten Beweis dafür lieferte im Jahr 2000 ein tragisches Ereignis im kanadischen Walkerton in Ontario, als die Wasserversorgung der Stadt durch schwere Regenfälle mit E. coli und Campylobacter aus Rinderkot verseucht wurde. Die Folge war eine Epidemie bakterieller Durchfallerkrankungen, bei der die Hälfte der Bevölkerung infiziert wurde und sieben Menschen ums Leben kamen. Viele der Überlebenden entwickelten danach ein postinfektiöses Reizdarmsyndrom. Laut Dinan litt zugleich ein erheblicher Teil der Patient∗innen bis zum Ende des ersten Jahres an einer schweren Depression, die vermuten ließ, dass es dem Krankheitserreger irgendwie gelungen war, ihr Gehirn zu beeinträchtigen.11 Forschungen haben auch gezeigt, dass die Mikrobiome von Menschen mit Depressionen, Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und Schizophrenie auffällige Ähnlichkeiten aufweisen, die bei den jeweiligen Kontrollgruppen nicht vorkommen.

Die Theorie, dass unsere Darmmikroben unsere Emotionen beeinflussen, wurde auch durch Gehirnscan-Untersuchungen mit gesunden Frauen bestätigt. Dabei stellte man fest, dass sich die Werte bestimmter Darmbakterien darauf auswirkten, wie die Frauen auf emotionale Bilder reagierten – und zwar so sehr, dass die Forschenden mithilfe der Gehirnscans vorhersagen konnten, welche Arten von Darmbakterien bei den einzelnen Frauen zu finden wären. Insgesamt lieferte die Studie einen ziemlich überzeugenden Beweis dafür, dass diese Darmbewohner unsere emotionalen Reaktionen beeinflussen.12

Das Team der University of California in Los Angeles, das zu diesen Erkenntnissen gelangt war, führte eine Anschlussstudie mit Frauen durch. Dabei kam heraus, dass die Gehirne der Frauen Emotionen besser verarbeiten konnten, wenn die Teilnehmerinnen über einen Zeitraum von vier Wochen zweimal täglich einen probiotischen Joghurt mit Bakterien aßen. Auch klinischen Populationen – d. h. Personengruppen, die bereits psychisch erkrankt sind – könnten Probiotika helfen. In manchen Studien konnten durch diesen Ansatz Depressions- und Angstsymptome gemindert werden.13

Dennoch bringt es nichts, sofort zum nächsten Supermarkt zu rennen und sich mit probiotischem Joghurt einzudecken. Im Handel gibt es viele Produkte, die mit allen möglichen Gesundheitsversprechen werben, doch auch laut Dinan übten die meisten der von seiner Gruppe im Labor getesteten Probiotika keinerlei Wirkung auf den Geist aus. Außerdem gibt es keine Garantie dafür, dass die eingenommenen Bakterien von der Magensäure bis in den Dickdarm gelangen. Erschwerend kommt hinzu, dass wir nicht wissen, welche Bakterien unsere Stimmung tatsächlich aufhellen können, und dass die Darmmikrobiota bei jedem Menschen unterschiedlich ist. Was bei einer Person funktioniert, muss deshalb noch lange nicht bei allen anderen funktionieren. Solange wir nicht mehr Licht ins Dunkel gebracht haben, bleibt das Versprechen der Psychobiotika vorerst nur das: ein Versprechen.

Kümmere dich um deine Mikroben

Es scheint offensichtlich, dass eine Möglichkeit, unsere geistige Gesundheit zu erhalten, darin besteht, die Billionen nützlicher Mikroben, die in unserem Darm leben, zu schützen und gesund zu halten.

Doch wie kann uns das am besten gelingen? Das Wichtigste ist laut der Darmspezialistin Megan Rossi vom King’s College London, dass wir viele verschiedene pflanzliche Lebensmittel essen, um ein vielfältiges Mikrobiom aufzubauen. Ihrer Ansicht nach hat sich die Anzahl der pflanzlichen Nahrungsquellen stark reduziert: 75 Prozent der weltweiten Nahrungsmittel werden aus lediglich zwölf Pflanzenarten gewonnen.14 Die Herausforderung besteht also darin, so viele verschiedene Pflanzen wie möglich zu essen; Rossi empfiehlt mindestens dreißig verschiedene pflanzliche Lebensmittel pro Woche. Das klingt vielleicht abschreckend, aber mit ein paar Tricks (siehe Kasten gegenüber) kommt ganz schön was zusammen. Und wenn du schon mal dabei bist, solltest du auch auf eine ballaststoffreiche Ernährung achten. Ballaststoffe können von unserem Verdauungssystem nicht zersetzt werden, füttern jedoch das Mikrobiom und werden in jene überaus bedeutenden kurzkettigen Fettsäuren aufgespalten, die so gut für uns sind. Darüber hinaus scheinen sie auch bei der Regulierung von Stress und Angstzuständen zu helfen.15

Abgesehen von der Ernährung können wir noch mehr für unsere Mikrobiota tun. Dazu gehört auch genügend Schlaf. Dein Darmmikrobiom hat seinen eigenen zirkadianen Rhythmus, d. h. es folgt seinem eigenen 24-Stunden-Zyklus und kann daher von Schlafstörungen durcheinandergebracht werden. Wer mehr schläft, kann auch gesündere Ernährungsentscheidungen treffen – eine Win-win-Situation für das Mikrobiom (für Tipps, um besser zu schlafen, siehe Teil 2 dieses Buchs).

Durch Stress kann der Darm durchlässiger werden, sodass Bakterien in die Blutlaufbahn gelangen. Dies kann Entzündungen hervorrufen, die – wenn zu viele davon auftreten – schlecht für die körperliche und geistige Gesundheit sind. Wie Cryan und seine Kolleg∗innen durch Forschungen an Mäusen belegt haben, können diese Schäden von den kurzkettigen Fettsäuren behoben werden, die unsere Darmmikroben aus Ballaststoffen bilden. Noch ein Grund dafür, Obst und Gemüse in die Ernährung zu integrieren.

EINFACHE ERNÄHRUNGSTIPPS, UM DAS MIKROBIOM FIT ZU HALTEN

Ernähre dich hauptsächlich von Pflanzen und versuche, mindestens 30 verschiedene Arten pflanzlicher Lebensmittel pro Woche zu essen, darunter Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen. Besonders gut sind Ballaststoffe, insbesondere Vollkorn.Vermeide zu viele raffinierte und stark verarbeitete Lebensmittel, ebenso wie zuckerhaltige Speisen und Getränke.Kräuter und Gewürze bringen nicht nur Abwechslung in deine Küche, sondern runden deine Speisen auch noch geschmacklich ab.Falls du dir einmal pro Woche eine Obst- und Gemüsebox liefern lassen kannst, vergrößerst du auf unterhaltsame Weise die Auswahl der Lebensmittel, die du normalerweise isst.Streu gemischte Nüsse und Samen auf dein Müsli, deinen Joghurt oder deine Suppe – jede Sorte bringt dich der Dreißig pro Woche näher.Dasselbe gilt für gemischte Salatblätter – ein leichter Trick, um mit minimalem Aufwand mehr Abwechslung in deinen Speiseplan zu bringen.Friere übrig gebliebenes Obst und Gemüse ein, um einen Großteil der Nährstoffe zu erhalten, und gib es in Smoothies oder andere Gerichte.

Im Großen und Ganzen sprechen immer mehr Beweise dafür, dass der Darm unsere Stimmung beeinflusst und umgekehrt. Wenn wir essen, um uns gut zu fühlen, sollten wir auch daran denken, was unseren Darmmikroben schmecken könnte. Denn es wird wahrscheinlich immer wichtiger werden, sie glücklich zu machen, um unsere körperliche und geistige Gesundheit zu verbessern.

Kapitel 2

Hunger könnte dein Gehirn jung halten

Wenn du ein eingefleischter Frühstücksfan bist, könnte dieses Kapitel schwer zu verdauen sein. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass uns Frühstück deshalb so gut schmeckt, weil wir in den zehn Stunden davor in der Regel nichts gegessen haben. Aber was würde geschehen, wenn du es etwas weiter nach hinten verschiebst? Die Auswirkungen auf dein Gehirn könnten die Mühe wert sein.

Die Neurogenese, die Bildung neuer Gehirnzellen, wird mit einer erhöhten Kognition (Gesamtheit aller Prozesse, die mit dem Wahrnehmen und Erkennen zusammenhängen) und einer besseren Stimmung in Verbindung gebracht, doch leider nimmt sie mit dem Alter auf natürliche Weise ab. Tatsächlich ging man bis vor Kurzem davon aus, dass nur junge Menschen neue Gehirnzellen ausbilden könnten und Erwachsene sich mit den Gehirnzellen begnügen müssten, die sich in Kindheit und Jugend bilden. Zum Glück sprechen nun immer mehr Belege dafür, dass auch Erwachsene bis ins hohe Alter in manchen Arealen wie dem Hippocampus Gehirnzellen bilden können. Aus diesem Grund ist jede Methode von großem Interesse, die das Wachstum dieser neuen Zellen fördert (siehe Kapitel 16 für mehr Informationen über Neurogenese). Ein viel beachteter Ansatz ist die Kalorienrestriktion bzw. das Fasten.

Hungrige Würmer

Seit Langem ist die Praxis des Fastens Bestandteil religiöser und kultureller Traditionen und auch die Wissenschaft hat nun das Fasten für sich entdeckt. Alle möglichen Organismen – von Hefe über Würmer bis zu Mäusen – leben länger (Ratten sogar um 80 Prozent), wenn sie eine stark kalorienreduzierte Diät einhalten, die in der Regel etwa 40 Prozent weniger Tageskalorien umfasst.

Diese Fastenmethode scheint sich besonders vorteilhaft auf das Gehirn auszuwirken, zumindest bei Tieren. Zum Beispiel stellte sich bei Mäusen, die mit einer Nagetierversion der Alzheimerkrankheit infiziert wurden und dann vier Monate lang 30 Prozent weniger Kalorien zu sich nahmen, eine Verbesserung der Krankheitsindikatoren im Gehirn ein. Solange die Mäuse im Rahmen der kalorienreduzierten Diät Vitamine, Mineralien und andere essenzielle Nährstoffe erhielten, wiesen sie nachweislich eine erhöhte Neuroplastizität (die Fähigkeit des Gehirns, seine Struktur und Organisation anzupassen) und eine bessere Vernetzung der Synapsen auf – jener Verbindungen zwischen den Gehirnzellen, die für das Lernen und das Gedächtnis wichtig sind.16 Außerdem zeigten Mäuse, die eine langfristig kalorienreduzierte Diät einhielten, Verbesserungen ihres Arbeitsgedächtnisses, d. h. sie konnten Informationen besser speichern, während sie mit etwas anderem beschäftigt waren – eine Fähigkeit, die mit zunehmendem Alter des Gehirns deutlich abnimmt.

Warum könnte es gut für uns sein, weniger zu essen? Wenn unsere Zellen die aufgenommene Nahrung zersetzen, schütten sie schädliche Verbindungen aus, die sogenannten »freien Radikale«, die unseren Zellen und unserem Gewebe schaden und den Alterungsprozess beschleunigen können. Eine Theorie zu den Vorteilen des Fastens besagt, dass unser Stoffwechsel durch die reduzierte Nahrungsaufnahme pausieren kann, sodass sich unser Körper von diesem Prozess erholt.

Eine elende Art zu leben

Die Möglichkeit, durch Kalorienrestriktion ein längeres, gesünderes Lebens zu führen, hat so manche Festentschlossene dazu veranlasst, es auszuprobieren und die täglich verzehrte Nahrungsmenge zu reduzieren. Die meisten Menschen würden sich jedoch elend und hungrig fühlen, wenn sie ihr Leben lang nur wenige Kalorien zu sich nehmen dürften, und in dieser Gemütsverfassung wohl den Reiz eines längeren Lebens infrage stellen.

Vor Kurzem sind Wissenschaftler∗innen jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass es eine einfachere Methode gibt, um von den Vorteilen des Fastens zu profitieren, ohne ständig hungern zu müssen. Ihnen war Folgendes aufgefallen: Wenn Tiere in Experimenten auf eine kalorienreduzierte Diät gesetzt werden, erhalten sie das Futter in der Regel in einem kleineren Zeitfenster und essen die restliche Zeit überhaupt nichts, statt kleinere Mengen über den Tag verteilt zu erhalten. In der Wissenschaft ist man sich mittlerweile zunehmend einig, dass kalorienkontrollierte Diäten gerade wegen des Wechsels zwischen Fasten und normalem Essen so gut für Körper und Geist sind. In Studien, die speziell zu intermittierendem Fasten durchgeführt wurden und in denen die Tiere in einem kleinen Zeitfenster fressen durften, kam man tatsächlich zu vielversprechenden Ergebnissen, auch in Bezug auf Fettleibigkeit, Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs und neurodegenerative Erkrankungen.

Die Grundidee ist wie folgt: Statt die bei der Verdauung entstandenen freien Radikale auf passive Weise zu reduzieren, versetzt Intervallfasten den Körper in eine Art Wartungsmodus, in dem er Abfallstoffe teilweise besser abbauen und sich aktiv gegen freie Radikale schützen kann. Eine Fastenkur versetzt nicht nur Körper- und Gehirnzellen in die Lage, besser mit Stress umzugehen, sondern verbessert auch nachweislich Immunsystem, Gedächtnis, Lernen, kognitive Fähigkeiten und Aufmerksamkeit.17 Zudem kehrt Intervallfasten bei Mäusen kognitive Beeinträchtigungen um, die mit Fettleibigkeit und Diabetes zusammenhängen. Mit anderen Worten: Der geringe körperliche Stress, der durch die relativ kurze Fastenzeit ausgelöst wird, scheint die Leistungsfähigkeit von Körper und Geist enorm zu erhöhen. Bei der anschließenden Nahrungsaufnahme kommt es zu einem Wachstumsschub und zur Bildung neuer Verbindungen im Gehirn. Es ist ein bisschen, als würdest du in deinem Garten Unkraut jäten und die Pflanzen zurückschneiden, damit neue Triebe und stärkere Zweige wachsen können.

FASTEN UND HIRNLEISTUNGSSTÖRUNGEN

In den kommenden Jahren wird sich herausstellen, ob Fasten Symptome von Hirnleistungsstörungen wie Alzheimer, Parkinson oder Schlaganfällen mindern kann. Die Ergebnisse von Studien mit Tieren scheinen überaus vielversprechend, nicht zuletzt weil Ketone, die beim Fasten produziert und vom Körper als Energielieferant genutzt werden, erwiesenermaßen die Produktion eines Moleküls namens BDNF anregen. Letzteres ist nicht nur für das Lernen und das Gedächtnis wichtig, sondern auch für die Fähigkeit des Gehirns, sich an Stress anzupassen und sich vor Krankheiten zu schützen. Darüber hinaus schneiden fastende Nagetiere mit Alzheimer-ähnlichen Gehirnen besser bei Lern- und Gedächtnisaufgaben ab. Es wurde sogar bewiesen, dass Fastenkuren Gehirnschäden bei Tieren mindern können, die eine Art Schlaganfall erlitten hatten. Es könnte auch deshalb spannend sein, Ketone in Verbindung mit der Alzheimerkrankheit zu erforschen, da das Gehirn von Betroffenen nur vermindert Glukose verwerten kann, womöglich weil der Glukosetransport durch amyloide Plaques behindert wird, die sich im Gehirn von Menschen mit Alzheimer ansammeln. Die Umstellung auf eine andere Energiequelle könnte also nützlich sein, um die Gehirnfunktion aufrechtzuerhalten.

Ketose-Boost

Doch das ist noch nicht alles. Wenn der Körper eine Zeit lang keine Nahrung erhält, beginnt er die gesamte, im Blut zirkulierende Glukose und das in der Leber gespeicherte Glykogen zu verbrennen. Danach geht ihm der Zucker aus, der ihm als Energielieferant dient, weshalb er sich eine neue Energiequelle suchen muss. So beginnt er gespeichertes Fett in Ketonkörper umzuwandeln, eine andere Art Treibstoff, aus dem Körper und Gehirn anstelle von Zucker Energie gewinnen können. Auf diesen Prozess, »Ketose« genannt, sollen viele der positiven Auswirkungen des Fastens zurückzuführen sein. Er ist auch das Konzept hinter der beliebten Keto-Diät, bei der man weitestgehend auf Zucker und andere Kohlenhydrate verzichtet, damit der Körper stattdessen Fettreserven verbrennt. Tierversuche haben ergeben, dass Ketone viele gesundheitsfördernde Prozesse auslösen, darunter die Produktion von BDNF (einem für das Lernen und das Gedächtnis wichtigen Molekül) – was erklären könnte, warum Fastende immer wieder von einer gesteigerten geistigen Leistungsfähigkeit berichten –, und erste Studien gehen bereits der Frage nach, ob dasselbe auch beim Menschen der Fall ist.

Hilfreicher Hunger

Die Idee, Hunger auszuhalten, damit der Geist besser funktioniert, kann sich kontraintuitiv anfühlen. Essen ist Energie und es kann anstrengend sein, auf leeren Magen produktiv zu sein. Die Vorteile des Fastens werden jedoch offensichtlich, wenn man an wild lebende Tiere denkt, die nicht ständig Nahrung zur Verfügung haben, sondern eher über längere Zeiträume hinweg fasten und hungern müssen. Es würde ihnen nichts nützen, deshalb Trübsal zu blasen und in Selbstmitleid zu zergehen. Im Gegenteil, falls sich die Nahrung verknappen sollte, müssten sie eher besonders scharfsinnig sein, um ihre nächste Mahlzeit zu erbeuten oder sich an eine frühere Nahrungsquelle zu erinnern.

Die Eine-Million-Dollar-Frage lautet also, ob dasselbe für Menschen gilt. Aus evolutionärer Sicht gibt es keinen Grund, der dagegen spricht. Auch wenn viele von uns moderne Annehmlichkeiten wie rund um die Uhr geöffnete Lebensmittelgeschäfte, Online-Shopping und Fast-Food-Lieferungen nutzen, haben unsere Vorfahren noch lange Phasen der Nahrungsmittelknappheit erlebt. Dieser Zyklus des Fastens und Hungerns könnte sogar zur Komplexität unseres Gehirns beigetragen haben, da der Druck der Nahrungsmittelknappheit das menschliche Gehirns dazu zwang, sich weiterzuentwickeln, so Mark Mattson, der an der Johns Hopkins University zu Fasten forscht. Bezeichnenderweise haben domestizierte Hunde, die immer Zugang zu reichlich Nahrung haben, kleinere Gehirne als wild lebende Hunde, was darauf hindeutet, dass reichlich Nahrung ihr Gehirn schrumpfen lässt.18

Aufgrund all dieser Erkenntnisse erfreuen sich die unterschiedlichsten Fastenmethoden einer immer größeren Beliebtheit, wobei jede eine Phase beinhaltet, in der gar keine oder nur sehr wenig Nahrung aufgenommen wird, gefolgt von einer Zeit, in der normal gegessen wird. Vielleicht hast du von der einen oder anderen schon einmal gehört: Bei der 5:2-Diät isst man an fünf Tagen pro Woche ganz normal und schränkt die Kalorienzufuhr an den anderen beiden Tagen stark ein; bei der 8:16-Diät isst man in einem Zeitfenster von acht Stunden; bei der OMADDiät (One Meal a Day, dt. »Eine Mahlzeit pro Tag«) wird die Nahrungsaufnahme auf eine Stunde pro Tag begrenzt und bei der 1:1-Methode bzw. dem Alternate Day Fasting isst man einen Tag lang normal, um am nächsten zu fasten.

Allerdings sind Studien über die Wirkung des Fastens auf das menschliche Gehirn schwieriger zu finden als jene, die mit Tieren durchgeführt wurden. Zudem haben wir Menschen uns noch nicht lange genug auf diese Weise ernährt, als dass wir die langfristigen Auswirkungen abschätzen könnten. Es gibt jedoch mehrere vielversprechende Erkenntnisse: Eine Studie mit über Siebzigjährigen ergab, dass sich das verbale Gedächtnis (die Fähigkeit, sich an Gelesenes oder Gehörtes zu erinnern) nach drei Monaten des Intervallfastens drastisch verbesserte.19 In einer anderen Studie mit Menschen mit Fettleibigkeit und leichten kognitiven Beeinträchtigungen – einem Risikofaktor für Alzheimer – verbesserten sich nach einer zwölfmonatigen Kalorienrestriktion das Gedächtnis, die Kognition und die exekutiven Funktionen (die geistigen Fähigkeiten, die das menschliche Denken und Handeln steuern). Dr. Sandrine Thuret vom King’s College London und ihre Kolleg∗innen fanden heraus, dass durch die Kalorienrestriktion eine bestimmte Gedächtnisleistung verbessert wird, die mit dem Wachstum neuer Gehirnzellen im Hippocampus zusammenhängt.20

TIPPS FÜR DEN EINSTIEG INS FASTEN

Fasten löst bei vielen Menschen Ärger, Hunger und Konzentrationsschwierigkeiten aus, aber diese Nebenwirkungen klingen in der Regel nach etwa einem Monat ab. Also gib nicht zu schnell auf.Beschleunige den Prozess mit Sport. Viele Vorteile des Fastens sollen darauf zurückgehen, dass man abwechselnd Kohlenhydrate und Fette verbrennt. Es dauert mindestens zehn Stunden, bis man die Kohlenhydratspeicher in Leber und Blut verbrannt hat, doch durch Sport kann man den Prozess ankurbeln. Zum Beispiel schaltet der Körper bei einem einstündigen Lauf vor dem Frühstück in den Fettverbrennungsmodus.Geh’s langsam an. Versuch, deine erste Mahlzeit des Tages eine Stunde später und deine letzte Mahlzeit eine Stunde früher zu dir zu nehmen. Verkürze dieses Zeitfenster, sobald du dich daran gewöhnt hast.Sei nicht zu streng mit dir. Fastenkuren sollen Körper und Gehirn guttun, weil auf eine Phase des Verzichts eine Zeit folgt, in der normal gegessen wird und die für den Körper Wachstum bedeutet. Lass dich also nicht dazu hinreißen, zu lange zu fasten und die Zeit des normalen Essens wegzulassen.

Fastende Wissenschaftler∗innen

Die Würfel sind noch nicht gefallen, aber man kann davon ausgehen, dass Wissenschaftler∗innen, die zum Thema Fasten forschen, auch selbst Fastenkuren ausprobieren und überzeugt sind, dass am Fasten etwas dran ist. Thuret hat mir einmal gesagt, dass sie einer bestimmten Fastenmethode folge, bei der man jeden zweiten Tag essen dürfe (an Fastentagen nimmt sie auch etwas zu sich, jedoch eher Obst, Müsliriegel und Latte). Mattson wiederum tritt für die 6:18-Diät ein, bei der er nur innerhalb eines Sechs-Stunden-Fensters isst und meist zum Ende der Fastenkur ziemlich viel Sport treibt, um die Ketose zu beschleunigen.21

Es gilt jedoch zu bedenken, dass viele der Untersuchungen – sowohl an Tieren als auch an Menschen – an Individuen mit Übergewicht oder anderen Gesundheitsproblemen durchgeführt wurden. Wenn du noch jung und gesund bist, zeigt das Fasten vielleicht weniger Wirkung. So verlockend die Beweise auch sind, wir wissen nicht genau, ob sich die bei Tieren beobachteten Vorteile tatsächlich auf den Menschen übertragen lassen. Wenn du Fasten ausprobieren möchtest, denk daran, dass es für manche nicht geeignet ist, z. B. für Schwangere oder Menschen mit Essstörungen. Sprich also am besten mit deinem Arzt oder deiner Ärztin, bevor du eine neue Diät beginnst. Beim Thema Bewegung werden wir später im Buch noch sehen, dass auch die Gene Einfluss darauf nehmen können, wie der Körper auf bestimmte Lifestyle-Praktiken reagiert, die die Gehirngesundheit fördern sollen. Es ist möglich, dass sich Fasten für Personen mit einer bestimmten Genetik lohnt, wohingegen es bei anderen Menschen mit anderen genetischen Varianten gar nichts bringt oder sogar schädlich ist.

Allerdings können manche Gewohnheiten, die mit dem Fasten einhergehen – zum Beispiel bewussteres Essen und der Verzicht auf Snacks am späten Abend – ganz allgemein von Nutzen sein, nicht zuletzt weil unser Verdauungssystem seinem eigenen zirkadianen Rhythmus folgt und morgens besser funktioniert. Abgesehen davon kann das Frühstück, wenn man es ein paar Stunden nach hinten verschiebt, noch leckerer werden.

Kapitel 3

Das Versprechen von Gehirnnahrung

Blaubeeren, um das Gedächtnis anzuregen. Eier, damit das Gehirn nicht schrumpft. Salbei für eine bessere Konzentration. Das Internet steckt voller Informationen über die sogenannte »Gehirnnahrung«, ganz zu schweigen von den Gängen in Naturkostläden. Aber was ist dran?

Vorab sei gesagt, dass diese Frage sehr schwer zu beantworten ist. Es ist alles andere als leicht, Qualitätsstudien über die Wirkung von Lebensmitteln auf unsere Gesundheit durchzuführen, was auch darauf zurückzuführen ist, dass wir nicht nur einzelne Nährstoffe, sondern eine Kombination aus verschiedenen Lebensmitteln essen, die konserviert, gekocht und auf verschiedene Weise verzehrt werden. Zum Beispiel ist es angesichts all der Lebensmittel, die wir zu uns nehmen, nahezu unmöglich, die exakte Wirkung von Blaubeeren zu bestimmen. Darüber hinaus müsste man berücksichtigen, ob die Blaubeeren in einem Smoothie oder einem Stück Kuchen mit Eis verzehrt werden, ob sie frisch oder gefroren sind und ob man sie ausschließlich isst, wenn gerade Saison ist. Lebensmittel interagieren auf verschiedene Weise miteinander. Ein gutes Beispiel ist Vitamin C, das die Aufnahme von Eisen fördert. Angenommen, Blaubeeren würden Müdigkeit vertreiben. Womöglich würde dieser Effekt jedoch nicht auf die Blaubeeren selbst zurückgehen, sondern auf die erhöhte Eisenaufnahme. Vielleicht würde also ein anderes Obst mit hohem Vitamin-C-Gehalt genau dieselben Vorteile bringen.

Die Sache mit dem Ernährungstagebuch

Hinzu kommt, dass wir unsere Ernährung nicht immer von anderen Lebensstilfaktoren trennen können. Blaubeeren sind teuer. Vielleicht haben Menschen, die mehr davon essen, auch mehr Geld und mehr Zeit, um Klavierunterricht zu nehmen oder einen Pilateskurs zu besuchen, was ebenfalls gut für ihr Gehirn wäre. Wir können auch nicht einfach, wenn wir mehr über die langfristige Wirkung von Ernährung auf unsere Gesundheit herausfinden wollen, eine große Personengruppe bitten, ab einem Alter von sechs Monaten einmal pro Woche Blaubeeren zu essen, und ihre Gehirne miteinander vergleichen, wenn sie das 60. Lebensjahr erreicht haben. Stattdessen gehen viele Studien der Frage nach, was in der Vergangenheit gegessen wurde, doch leider sind wir Menschen grottenschlecht darin, diese Frage genau zu beantworten – sei es, weil wir die Wahrheit bewusst verbiegen oder weil wir bestimmte Informationen versehentlich auslassen. Im Großen und Ganzen ist die Literatur zu diesem Thema also mit Vorsicht zu genießen.

Nachdem wir das geklärt haben, können wir uns dem zuwenden, was wir tatsächlich wissen. Wenn wir aus erster Hand erfahren möchten, was wir für ein langes, gesundes Leben brauchen, sollten wir uns zuerst die fünf Regionen ansehen, in denen es weltweit die höchste Dichte von über Hundertjährigen gibt. Diese sogenannten Blue Zones