Geister in der Nacht. Nationalpark Bayerischer Wald - Lothar Streblow - E-Book

Geister in der Nacht. Nationalpark Bayerischer Wald E-Book

Lothar Streblow

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Beschreibung

Lothar Streblow unternahm viele Reisen im In- und Ausland, auf denen er sich mit Studien über Tiere, Verhaltensforschung und Ökologie befasste. Von diesen Erkenntnissen inspiriert, entstanden zahlreiche Radiosendungen, Hörspiele und Essays, sowie Umwelt-, Reise- und Tiererzählungen. Dabei versuchte er stets dem sachkundlichen Anspruch gerecht zu werden. In "Geister in der Nacht – Nationalpark Bayerischer Wald" begibt er sich auf die Spuren der Tier- und Pflanzenwelt im Bayerischen Wald. Durch seine bildhafte und lebendige Sprache gelingt es ihm die besondere Stimmung bei Nacht einzufangen und den Zuhörer in diese magische Welt eintauchen zu lassen.-

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Lothar Streblow

Geister in der Nacht

Nationalpark Bayerischer Wald

SAGA Egmont

Geister in der Nacht. Nationalpark Bayerischer Wald

Copyright © 1979, 2018 Lothar Streblow und Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

All rights reserved

ISBN: 9788726032192

1. Ebook-Auflage, 2018

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach

Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

Meinen aufrichtigen Dank für liebenswürdige Unterstützungund Hilfsbereitschaft:

Herrn Ministerialdirektor Otto Bauer

Herrn Ltd. Forstdirektor Dr. Hans-Heinrich Vangerow

Herrn Forstdirektor Dr. Hans Bibelriether

Herrn Forstoberrat Maximilian Waldherrdem Leitenden Zoologen Herrn Dr. Wolfgang Scherzingerdem Betriebsmeister Herrn Hermann Buchingerdem Ordnungsdienstmann Herrn Willy Burkhardtdem Tierpfleger Herrn Leopold Grünzingersowie allen Mitarbeitern der NationalparkverwaltungBayerischer Wald in Grafenau.

Was immer den Tieren geschieht –

geschieht bald auch den Menschen.

Chief Seattle,

Häuptling der Duwamish-Indianer (um 1850)

Die Bürger müssen ein anderes Verhältnis

zur Natur finden.

Walter Scheel,

Bundespräsident (1978)

Großer Geist auf kleinen Füßen

Es war eine strapaziöse Fahrt gewesen vom Remstal in den Bayerischen Wald: auf überfüllten Straßen und bei grauverhangen-schwülem Himmel. Aber wir hatten es geschafft. Nun standen wir alle drei auf der breiten Holzveranda und genossen den Abend. Es roch nach Wald, nein: Es duftete nach Wald. Durch dichte Wolkenbänke brach ein schmaler Sonnenstrahl. Und von der schimmernden Wasserfläche der alten Triftklause neben der Hütte schwebte eine langsam zerfasernde Nebelfahne herüber und verfing sich in den Wipfeln der drei riesigen Fichten vor der Haustür.

»Es ist schön hier«, sagte Nole, meine Frau. »Und diese Stille. Ich hatte schon fast vergessen, wie so etwas ist.«

Nico, mein Sohn, nickte sachverständig.

»Kein Wunder«, meinte er. »Im Umkreis von wer weiß wie vielen Kilometern ist das hier das einzige Haus. Oder vielmehr die einzige Hütte, einsam und mitten im Wald. Und beinahe tausend Meter hoch.«

Es waren zwar nur knapp neunhundert Meter, aber sonst hatte er recht. Die Nationalparkverwaltung hatte uns die Racheldiensthütte für die Dauer meines Studienaufenthalts als Domizil zur Verfügung gestellt: Ich sollte möglichst ungestört inmitten der Natur an meinem neuen Buch arbeiten können. Das war eine ebenso unerwartete wie liebenswürdige Geste. Und der freundliche Mensch dort unten in Grafenau hatte uns einen anderen freundlichen Menschen mitgegeben, der uns hier heraufgebracht und alles für unseren Aufenthalt vorbereitet hatte. Nach einem zünftigen Bärwurz hatte er sich wieder verabschiedet. Und auch der sympathisch-urwüchsige Hüttenwirt, der tagsüber die kleine Gastwirtschaft in den unteren Räumen betrieb, war inzwischen nach Hause gefahren. Wir waren allein, allein mitten im Wald.

»Ein merkwürdiges Gefühl«, sagte Nole und lächelte. »Aber jetzt wollen wir endlich Abendbrot essen. Mir wird kalt.«

Dieses Abendbrot wurde ein denkwürdiges Ereignis. Elektrizität gab es hier oben nicht, auch kein Telefon. Und da uns das zischende Gaslicht aus der Flasche störte, zündeten wir zwei Kerzen an. Dazu prasselte das Holzfeuer im Ofen, um die höchstens sieben bis acht Grad Außentemperatur wenigstens hier drinnen auf etwas erträglichere Höhen klettern zu lassen. Es duftete aromatisch nach Fichtenharz. Und bei flackerndem Kerzenlicht verspeisten wir unsere erste Diensthüttenmahlzeit. Dann verkrochen wir uns todmüde in die Betten.

Aber mit dem Schlafen gab es hier offenbar einige Schwierigkeiten. Die nächtliche Stille, in der man nur von fern den Abflußbach der Triftklause leise rauschen hörte, wurde mit einemmal empfindlich gestört. Von irgendwo oben ertönte ein merkwürdiges Geräusch. Oder kam es von nebenan aus den hölzernen Dachsparren? Kein Zweifel: irgend etwas rumorte da herum. Ich war sofort hellwach. Bei nächtlichem Herumrumoren bekomme ich immer ziemlich sonderbare Gefühle: Das kam von den Bären, die damals während unserer Expedition in die rumänischen Karpaten nachts um unser Zelt auf der Waldlichtung herumrumorten und mich veranlaßten, im Schlafanzug mit Gummihammer über die nächtliche Wiese zu sausen. Das war nicht sehr angenehm gewesen und außerdem reichlich albern. Aber hier waren wir nicht im Zelt. Und Bären gab es hier auch nicht, zumindest nicht auf freier Wildbahn. Und schon gar nicht auf dem Dach. Was aber war es dann?

Plötzlich ertönte ein lautes Poltern. Ich erstarrte unter meiner Decke. Da polterte es wieder, lauter noch als zuvor.

In diesem Augenblick sagte Nole:

»Ich vermute, da spukt der Große Geist!«

Nico kicherte entzückt. Er hatte von jeher eine Schwäche für Geister, nur bedauerte er, noch nie einem begegnet zu sein.

»Na endlich«, brummte er befriedigt. »Und da wir hier in einer Diensthütte sind, ist das vermutlich der diensthabende Geist.«

»Vermutlich«, knurrte ich. »Trotzdem wäre ich jetzt mehr für Schlafen.«

»Ich auch«, meinte Nole.

Doch der Große Geist war offenbar anderer Meinung. Nach einigen Minuten absoluter Stille machte er sich wieder bemerkbar. Allerdings polterte er jetzt nicht, er tappte. Dann Ruhe, und wieder das Tappen, das sich äußerst füßig anhörte. Merkwürdig: ein Geist mit Füßen?

Wir lauschten.

»Hört ihr das?« sagte Nole plötzlich. »Der Geist hat Füße! Und offenbar mehr als zwei Füße. Und ganz eindeutig ziemlich kleine. Was mag das sein?«

Für Nico war das kein Problem.

»Ist doch klar!« verkündete er. »Großer Geist auf kleinen Füßen.«

Ich sagte nichts darauf. Geister dieser Art gehörten meines Wissens weder in die Anthropologie noch in die Zoologie. Und wir wollten hier Tiere studieren, Geister eigentlich weniger. Schließlich waren wir in einem Nationalpark; dem ersten hierzulande. Und eben deshalb war ich hierher gefahren. Ich hatte die Absicht, im Nationalpark Bayerischer Wald, der Teil des größten zusammenhängenden Waldgebiets in Mitteleuropa ist, die hier noch vorhandenen ursprünglichen und streng geschützten Wälder und das Zusammenleben von Pflanzen und Tieren in ihrer natürlichen Umwelt eingehend zu beobachten, um Material für ein Buch zu sammeln. Und ich hoffte, hier selten gewordenen und vom Aussterben bedrohten Tierarten zu begegnen, die ich sonst nirgendwo in ihrer natürlichen Umgebung zu sehen bekam. Was sollte ich dabei mit Geistern, die obendrein auch noch meine wohlverdiente Nachtruhe störten? Doch was auch immer da oben herumrumoren mochte – es hatte seinen Namen weg: Das war der Große Geist. Ob mir das nun paßte oder nicht. Und mit diesen mehr oder weniger freundlichen Gedanken schlief ich endlich ein.

Ich weiß nicht mehr genau, welche Art Träume mich dabei plagten. Wenn ich mich recht erinnere, hatten sie sehr lebhaft mit irgendwelchen wüst herumrumorenden Poltergeistern zu tun. Und als ich nach geraumer Zeit aus unruhigem Schlaf durch ein ungewohntes Geräusch erwachte, dachte ich natürlich zunächst an diese Poltergeister. Doch diesmal war es kein Poltern, sondern eine höchst merkwürdige Mischung aus Knarren und Tappen, also irgendwie anders. Und zwar in unmittelbarer Nähe. Ächzend richtete ich mich auf.

»Was ist denn nun schon wieder?« fragte ich unwirsch.

Und da kam auch schon Antwort aus dem Dunkel. Der Geist war gar kein Geist – es war mein Sohn, der mit nackten Füßen über die knarrenden Holzdielen tappte und offenbar seine Hausschuhe suchte.

»Nur keine Aufregung, Paps. Ich bin es. Du kannst ruhig weiterschlafen. Ich muß nur mal eben nach unten.«

»Okay«, brummte ich. »Und warum nimmst du nicht die Taschenlampe?«

»Die suche ich ja gerade.«

Aha, deshalb also das nacktfüßige Herumgetappe. In diesem Augenblick rief Nole dumpf verschlafen unter ihrer Bettdecke hervor:

»Die liegt bei mir auf dem Tisch!«

»Entschuldigung«, murmelte Nico höflich. »Ich wollte euch beide wirklich nicht wecken. Aber hier ist alles noch so ungewohnt.«

Mit diesen Worten verschwand er durch die ebenfalls laut knarrende Holztür. Ich wälzte mich auf die andere Seite und machte mich darauf gefaßt, bei seiner Rückkehr wieder aus dem Schlaf geknarrt zu werden. Diese nächtliche Zeremonie ließ sich wohl kaum vermeiden. Wen auch immer nachts ein menschliches Bedürfnis plagte, mußte eine Treppe tiefer nach unten, wo sich die Toiletten der Gastwirtschaft befanden. Diensthütten waren schließlich keine Luxushotels. Und da es hier, wie gesagt, kein elektrisches Licht gab, mußte man eben mit der Taschenlampe durchs Dunkel wandeln, falls man sie gerade fand. Denn leider besaßen wir nur einen einzigen dieser hier höchst nützlichen Gegenstände.

Es kam jedoch wieder einmal alles völlig anders als gedacht. Statt eines äußerst behutsam mit knarrendem Gehölz umgehenden Sohnes, riß ein ziemlich aufgeregter Knabe die Tür auf und zischelte nervös:

»Schnell! Kommt mal raus! Hier draußen sitzt eine riesige Maus!«

Allmählich reichte es mir. Erst wurde man nächtens von größeren Geistern bepoltert, dann von nacktfüßig tapsenden Söhnen wachgeknarrt, und jetzt sollte man auch noch irgendwelche monströsen Mäuse besichtigen. Das war entschieden zu viel. Und wieso eigentlich Riesenmäuse? So was gab es meines Wissens nicht: weder hier noch anderswo. Schließlich war mein Herr Sohn als Gymnasiast in Biologie nicht ganz unbewandert. Oder sollte es sich hierbei vielleicht um eine bisher noch unentdeckte Mutation handeln? Hatte da möglicherweise jemand mit Mäusen herumlaboriert, wie das heutzutage ja üblich ist, und ein paar seiner Prachtexemplare in den Bayerischen Wald ausbüxen lassen? Möglich war auf diesem, von unseren lieben Mitmenschen schon reichlich durcheinandergebrachten Planeten ja eigentlich alles.

Also wälzte ich mich, im Dunkeln nach meinen Hüttenschuhen angelnd, aus dem Bett. Dabei fiel mir ein, daß das im Grunde alles Blödsinn war. Sicher hatte sich das reizende Tierchen längst ins nächste Mauseloch verkrochen.

Nole, deren Bett der Tür etwas näher stand, geisterte bereits mit flatterndem Nachthemd herum und zischte:

»Nun komm endlich! Du wolltest doch hier schließlich Tiere studieren!«

Damit hatte sie zweifellos recht. Nur hatte ich mir mein Studienprogramm eigentlich etwas anders vorgestellt: Mäuse bei Nacht waren dabei nicht eingeplant. Aber wie pflegte doch mein Sohn zu sagen: ›Du mußt das nicht so eng sehen, Paps.‹ Allerdings sah ich im Moment nicht eng, sondern gar nichts. Denn die beiden hatten inzwischen die Taschenlampe mit hinausgenommen. Und so tappte ich im Dunkeln brav hinterher.

»Pscht, Paps!« mahnte Nico vorsorglich. »Und mach die Tür leise zu!«

Doch ich hielt es für sinnvoller, die Tür gleich offen zu lassen. Schließlich hatte ich nicht die Absicht, die ganze Nacht auf dem zugigen dunklen Korridor zuzubringen. Nole hingegen war anderer Meinung.

»Schließ bitte die Tür!« drängte sie. »Sonst flitzt das Viech womöglich noch in unser Zimmer.«

Das war immerhin möglich. Und wer hat schon gern Mäuse im Bett, zumal auch noch sogenannte Riesenmäuse. Also schloß ich die Tür, leise natürlich.

»Und wo ist nun das liebe Tierchen?« fragte ich erwartungsvoll.

»Dort auf dem Treppengeländer«, erklärte Nico und knipste die Taschenlampe an.

Tatsächlich, da saß etwas auf dem schmalen hölzernen Geländer: etwas größeres Graufelliges mit einem offensichtlich weißlichen Bauch, langem schwarzem Schnurrbart und nackten kleinen Ohren. Und dieses Etwas blickte uns aus großen runden dunklen Augen aufmerksam an, ohne sich zu rühren. Merkwürdigerweise schien es sich auch überhaupt nicht an dem Schein der Taschenlampe zu stören. Und das war gut so. Auf diese Weise konnte ich es in Ruhe betrachten. In diesem Augenblick sagte Nole:

»Es ist so groß wie eine Ratte, aber es ist keine.«

»Mäuse sind mir auch viel lieber«, kommentierte Nico.

Ich betrachtete inzwischen immer noch fasziniert das eigenartige und sehr niedlich aussehende Tier. So etwas hatte ich in der Tat noch nie gesehen. Sollte das vielleicht ein Mauswiesel sein? Aber dann entdeckte ich den langen buschigen Schwanz. Und dann dämmerte es mir.

»Es ist weder das eine noch das andere«, flüsterte ich leise.

Nico kicherte unterdrückt.

»Ich weiß, Paps. Es ist der Große Geist. Der Große Geist auf kleinen Füßen.«

»Stimmt«, bestätigte ich in bester Erinnerung an die gerade überstandenen nächtlichen Lärmveranstaltungen. »Und dieser Große Geist auf kleinen Füßen ist – ein Bilch! Und zwar seiner Größe und Farbe nach ganz eindeutig ein Siebenschläfer.«

Doch jetzt wurde es dem Großen Geist offenbar zu viel. Nächtliche Anstrahlungen mit Taschenscheinwerfern schien er gerade noch zu erdulden, längere Diskussionen über seine Gattungszugehörigkeit aber schienen das Maß seiner Duldsamkeit zu übersteigen. Plötzlich flitzte er wie aufgezogen los und verschwand höchst geräuschvoll hinter einem alten Schrank.

»Weg ist er!« murmelte Nico enttäuscht.

Nole nickte nachdenklich.

»Ein niedliches Kerlchen.« Dann wandte sie sich an mich: »Und du meinst wirklich, daß dieses kleine Tierchen vorhin diesen ungeheuren Lärm veranstaltet hat?«

»Ich werde es dir beweisen«, erklärte ich überzeugt. »Aber nicht gerade im Schlafanzug nachts auf dem Korridor. Vielleicht sollten wir uns jetzt wieder ins Bett verfügen.«

»Hmmm«, machte Nico. »Bist du sicher, daß er nicht gleich wiederkommt? Sonst könnten wir ja noch ein bißchen warten.«

»Jetzt langt es aber!« brummte ich, denn inzwischen wurde es mir reichlich kühl in meiner höchst ungeeigneten Expeditionsgarderobe. »Ich glaube kaum, daß er sein Gastspiel heute nacht nochmal wiederholen wird, nur weil wir darauf warten. Und eigentlich hattest du ja wohl etwas anderes vor.«

»Stimmt, Paps«, murmelte Nico offensichtlich überrascht. »Das hatte ich über all die Aufregung total vergessen.«

Also verschwand Nico geräuschvoll nach unten, während wir beide wieder in die Betten krochen. Aufatmend zog ich mir die Decke über die Ohren und hoffte auf Ruhe.

Doch Ruhe stand in dieser Nacht offenbar nicht auf dem Programm. Von irgendwo seitlich hinter der hölzernen Wand ertönte ein deutlich vernehmbares Gepolter. Und Nole sagte:

»Der Große Geist ist wieder am Werk. Hörst du es? Und jetzt möchte ich wirklich gern wissen, ob dieses winzige Tier einen solchen Krach machen kann.«

»Ich auch!« verkündete Nico, der gerade durch die Tür kam und die letzten Worte gehört hatte.

Ich seufzte. Mitunter hatte ich doch eine recht anstrengende Familie. Aber diese Feststellung nützte mir gar nichts. Nole funzelte bereits mit der Taschenlampe über meinem Bett herum, wo auf einem Holzbrett einige meiner wissenschaftlichen Nachschlagewerke standen. Also schlug ich wohl oder übel nach und schimpfte dabei im stillen über die reichlich verwirrende Systematik: Was ich suchte, stand in einem Werk unter Schläfer, im nächsten unter Siebenschläfer und im anderen unter Bilche. Und was ich dabei entdeckte, war noch viel verwirrender. Offenbar waren sich auch die Herren Zoologen über die Eigenarten der Bilche und speziell des Siebenschläfers durchaus nicht einig. Waren diese Tierchen nun gesellig und verspielt, wie der eine schrieb, oder waren sie ungesellige Einzelgänger, bissig und gelegentlich sogar kannibalisch? Das schien mir doch ein ziemlicher Widerspruch. Und dann entdeckte ich auch den Grund dieser gegensätzlichen Charakterisierungen: Bilche seien bis auf den heutigen Tag ›große Unbekannte‹, die auch den Zoologen noch viele Rätsel aufgäben. Das wiederum fand ich im Grunde höchst erfreulich. Per Zufall waren wir hier auf eine Tierart gestoßen, bei der auf dem Gebiet der Verhaltensforschung noch echte Entdeckungen möglich waren. Das versprach ganz unerwartet eine interessante Aufgabe.

»Hast du nun endlich etwas gefunden?« murrte Nico ungeduldig.