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P.C. Cast

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Beschreibung

Tales of Partholon: Der furiose dritte Teil!

Schon lange hat Morrigan Parker gespürt, dass sie anders ist. An ihrem achtzehnten Geburtstag erfährt sie die Wahrheit: Sie ist die Tochter einer Hohepriesterin und verfügt über magische Kräfte!

Willkommen, Lichtbringerin … In den Alabaster-Höhlen hört sie eine seltsam vertraute Stimme. Mit einem Mal fühlt Morrigan sich geborgen und ist von einer unerklärlichen Ruhe erfüllt. Instinktiv berührt sie die Felswand und sieht, dass die Kristalle unter ihrer Handfläche zu leuchten beginnen! Morrigan weiß einfach, dass ihr Weg hier beginnt - von dieser Höhle aus wird sie nach Partholon gelangen, ins Land ihrer Mutter und ihr wahres Zuhause. Doch kann sie ihre Großeltern verlassen? Außerdem muss sie sich von dem netten Typen verabschieden, bei dessen Anblick sie schon Herzklopfen bekommt. Und was wird sie erwarten, wenn es ihr gelingt, nach Partholon zu gelangen?

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Seitenzahl: 549

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Alle Rechte, einschließlich das der vollständigen oder auszugsweisen Vervielfältigung, des Ab- oder Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten und bedürfen in jedem Fall der Zustimmung des Verlages.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich

P. C. Cast

Tales of Partholon 3:

Gekrönt

Roman

Aus dem Amerikanischen von

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Divine by Blood

Copyright © 2007 by P.C. Cast

erschienen bei: LUNA Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Daniela Peter

Titelabbildung: Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Autorenfoto: © by Harlequin Enterprises S.A., Schweiz / Kim Doner

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN (eBook, PDF) 978-3-86278-135-5 ISBN (eBook, EPUB) 978-3-86278-134-8

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

Für meine Stiefmom und meinen Dad,

Mama Cast und den Old Coach,

auch bekannt als Mama Parker und Richard Parker.

In Liebe, Bugs.

PROLOG

Sie war nicht tot.

Sie war auch nicht lebendig.

Tatsächlich könnte sie ungezählte Jahre einfach in den Weiten des Bewusstseins verweilt haben. Nicht sterbend – nicht lebend. Einfach nur da. Wären nicht das Leben gewesen, das sich in ihrem Bauch rührte, und die Wut, die in ihrer Brust tobte. Bevor sie sich daran erinnerte, wer sie war, erinnerte sie sich daran, dass sie verraten worden war.

Ja, Wut ist gut …

Die Stimme in ihrem Kopf war nicht ihre, aber sie fühlte sich vertraut an. Sie griff danach in dem Versuch, sich selbst wiederzufinden. Wer war sie? Wo war sie? Wie hatte ihr das passieren können?

Sie öffnete die Augen. Schwärze umgab sie. Schwärze und Schwere, als wäre sie in einem warmen Wasserbecken untergetaucht. Einen Moment lang drohte Panik sie zu überwältigen. Wenn sie unter Wasser war, wie konnte sie dann atmen? Sie musste tot sein. Tot und eine Ewigkeit begraben für Verbrechen, die nicht begangen zu haben sie sich erinnerte.

Das Kind in ihr bewegte sich wieder.

Der Tod gebar kein Leben.

Sie befahl der Panik zu weichen – und die gehorchte. Panik war niemals hilfreich. Nüchternes, logisches Denken. Genaue Planung und präzise Ausführung. Das war der Weg zum Sieg. Auf diese Weise hatte sie immer gesiegt.

Bis jetzt.

Sie war hintergangen worden. Von wem? Ihre Wut wurde stärker, und sie gab ihr neue Nahrung, indem sie ihren ganzen Frust und ihre Angst bündelte.

Ja … erlaube der Wut, dich zu reinigen …

Ihre Selbstwahrnehmung wurde stärker. Ihr Gehirn war nicht mehr ganz so benebelt. Ihr Körper kribbelte. Ihre Wut nahm zu, bis sie die Wärme des Zorns überall um sich herum spürte. Das gab ihr neue Energie.

Ich bin verraten worden … ich bin verraten worden … ich bin verraten worden …

Die Worte kreisten in ihr und lockten Erinnerungen durch die dunklen Barrieren, hinter denen sie verborgen gewesen waren.

Ein Schloss am Meer.

Träume, die flüchtige Einblicke in die Wirklichkeit waren.

Ein marmorner Tempel, außergewöhnlich schön und widerstandsfähig.

Der Ruf einer Göttin.

Das war es! Sie war göttlich! Sie war die Auserwählte einer Großen Göttin!

Rhiannon …

Der Name stürzte in ihre Gedanken, und mit diesem Wissen brachen die Dämme, die ihre Erinnerungen blockiert hatten, und die Vergangenheit erschütterte sie.

Sie war von ihrer Göttin verraten worden!

Rhiannon erinnerte sich jetzt an alles. Die eigensinnigen Entscheidungen, die sie ihr Leben lang getroffen hatte und deretwegen die Große Göttin Epona ständig mit ihr gehadert hatte. Die Verge waltigung, zu der ihr Aufstiegsritual geworden war. Die Tatsache, dass sie Epona niemals hatte zufriedenstellen können. Die Erkenntnis, dass niemand in Partholon sie wirklich liebte – man verehrte sie nur als Vertreterin der Göttin. Die Visionen, die der Magische Schlaf ihr zeigte, in denen sie gesehen hatte, wie die Fomorianer die Wachtburg infiltrierten und die Zerstörung Partholons planten. Das Wispern der Dunkelheit, das ihr gesagt hatte, es gebe noch einen anderen Weg … eine andere Welt … eine andere Wahl. Die Bilder dieser anderen Welt, die ihr durch die Macht der dunklen Stimme gezeigt worden waren. Und die Entscheidung, ihren Platz mit Shannon Parker zu tauschen, einer einfachen Frau aus dieser Welt, einer Frau, deren äußeres Erscheinungsbild ihrem so ähnlich war, dass sie im selben Leib hätten herangewachsen sein können.

Rhiannons Körper zitterte, als sie sich an den Rest erinnerte. An Clint, den Schamanen, den sie in dieser Welt gefunden hatte, das Ebenbild von Partholons Hohem Schamanen ClanFintan. Und daran, dass Clint ihr seine Hilfe verweigert hatte, als sie die Kräfte dieser seltsamen Welt hatte nutzen wollen, in der die Technologie herrschte und Magie eine nahezu ungenutzte Quelle war. Deshalb war sie gezwungen gewesen, die Mächte der Dunkelheit einzusetzen und einen Diener herbeizurufen.

Dabei war irgendetwas fürchterlich schiefgegangen. Clint hatte Shannon aus Partholon zurückgeholt. Die beiden hatten sich zusammengetan und sie mit vereinten Kräften bezwungen.

Die Bäume hatten Shannon, nicht sie, als Eponas Auserwählte, die Geliebte der Göttin, bezeichnet.

Epona sprach ihren Namen nicht mehr aus. Die Göttin erkannte sie nicht mehr als ihre Auserwählte an. Als Rhiannon das begriffen hatte, war etwas in ihr zerbrochen. Ihr wurde schlecht bei der Erinnerung daran, wie verloren und verängstigt sie gewesen war. Aber diese Wunde schmerzte jetzt nicht mehr so sehr.

Epona hatte sie verraten und zugelassen, dass sie begraben worden war. Währenddessen war die Thronräuberin Shannon im Triumphzug nach Partholon zurückgekehrt und führte jetzt das Leben, das ihres hätte sein sollen. Und das ihres Kindes.

Du bist nicht von allen verlassen worden …

Jetzt erkannte sie die Stimme in ihrem Kopf. Sie gehörte dem Dreigesichtigen Gott. Pryderi.

Pryderi.

Der Name trieb in ihre Gedanken, aber nicht mit derselben Wucht, wie es der ihre getan hatte. Es war vielmehr ein verführerisches Flüstern.

Ich bin immer noch bei dir. Es waren doch immer Frauen, die dich verraten haben. Deine Mutter ist gestorben und hat dich zurückgelassen. Shannon hat gestohlen, was rechtmäßig dir gehört hat. Epona hat sich von dir abgewandt, weil du nicht ihre Marionette sein wolltest.

Der Dunkle Gott hatte recht. Sie war immer nur von Frauen verraten worden.

Wenn du dich und deine Tochter in meine Hände gibst, werde ich dich niemals verraten. Als Gegenleistung für deinen Gehorsam gebe ich dir Partholon zurück.

Rhiannon wollte ihren Geist vor der leisen Stimme verschließen, die sie davor warnte, sich mit der dunklen Seite zu verbünden. Sie wollte einfach nachgeben und auf Pryderis Angebot eingehen, aber sie konnte sich nicht der Trostlosigkeit erwehren, die sie beim Gedanken daran befiel, einen anderen Gott als Epona zu umarmen. Natürlich wusste sie, dass sie längst nicht mehr in Eponas Gunst stand. Die Göttin hatte sich für immer von ihr abgewandt. Aber auch wenn sie zu anderen Göttern geschaut hatte … anderen Mächten … war sie vor dem letzten Schritt immer zurückgeschreckt. Dem unwiderruflichen Schritt, Epona zurückzuweisen und sich mit Leib und Seele einem anderen Gott hinzugeben.

Wenn sie das täte, wäre sie nie wieder in der Lage, Epona unter die Augen zu treten. Was wäre, wenn die Göttin feststellte, dass sie einen Fehler begangen hatte? Bestand nicht die Chance, dass Epona sie wieder als die Auserwählte anerkannte, wenn es ihr gelänge, sich aus diesem grausamen Gefängnis zu befreien? Vor allem, wenn sie ihrer Tochter das Leben geschenkt hatte, deren Blut das reiche Erbe vieler Generationen von Priesterinnen Partholons war.

Was sagst du, Rhiannon? Wirst du dich mir versprechen?

Rhiannon spürte die Anspannung in der Stimme des Gottes. Sie hatte ihn zu lange warten lassen. Hastig sammelte sie sich und schickte ihre Gedanken zu ihm aus.

Du bist weise, Pryderi. Ich bin es wirklich leid, immer wieder verraten zu werden.Rhiannon wählte ihre Worte mit Bedacht.Aber wie kann ich mich einem Gott verpfänden, wenn ich immer noch gefangen bin? Du weißt, dass eine Priesterin frei sein muss, um das Aufstiegsritual durchzuführen, das sie als Auserwählte mit ihrem Gott verbindet.

Pryderi schwieg so lange, dass Rhiannon fürchtete, sie hätte es zu weit getrieben. Sie hätte sich ihm einfach versprechen sollen. Was, wenn er sie nun verließ? Dann war sie vielleicht für eine Ewigkeit hier gefangen.

Es ist wahr, dass eine Priesterin sich ihrem Gott frei hingeben muss. Also sollten wir dich befreien, damit du dich und deine Tochter in meine Dienste stellen kannst.

Der Baum, der ihr lebendiges Grab war, erzitterte, und Rhiannons Herz schlug schneller. Sie hatte gepokert und gewonnen! Pryderi würde sie befreien! Sie wehrte sich gegen das Gewicht, das von allen Seiten auf sie drückte … sie gefangen hielt … sie zu ersticken drohte.

Das ist nicht der Weg in die Freiheit. Du musst geduldig sein, meine Kostbare.

Rhiannon zwang sich, eine scharfe Erwiderung zu unterdrücken. Nein. Sie musste aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Einem Gott offen die Stirn zu bieten, war nicht klug …

Was soll ich tun?Sie schickte den Gedanken aus und zügelteihre Ungeduld, damit die Frage angemessen unterwürfig und eifrig klang.

Nutze deine Verbindung zur Erde. Nicht einmal Epona kann dir diese Gabe nehmen. Sie ist ein Teil deiner Seele – des Blutes, das durch deine Adern fließt. Nur wirst du dich dieses Mal nicht mit den Bäumen der Göttin abgeben. Suche die dunklen Orte. Erspüre die Schatten innerhalb der Schatten. Rufe ihre Kräfte zu dir, Kostbare. Die Zeit der Geburt deiner Tochter rückt näher. Mit diesem Ereignis wirst du auf der Erde wiedergeboren, in eine neue Ära in den Diensten eines Gottes.

Ich verstehe.Rhiannon konzentrierte sich. Sie war keine Novizin, sondern wusste, wie man als Priesterin große Macht handhabte und die Magie der Erde nutzte. Nach der Dunkelheit zu suchen war nicht anders, als sich mit den verborgenen Kräften der Bäume zu verbinden. Sie weigerte sich, an das zu denken, was Shannon gesagt hatte: dass die Bäume ihr nur zu gerne halfen und sie Eponas Auserwählte nannten. Stattdessen konzentrierte sie sich auf die Dunkelheit – auf Nacht und Schatten und die Schwärze, die einmal im Monat wie ein Mantel den Mond verhüllte.

Sie fühlte die Macht. Es war nicht der feurige Rausch, den sie aus Partholon kannte, wenn Eponas Segen sie berührt hatte. Aber die Macht war da und kam zu ihr.

Wie ein Gefäß, das sich langsam füllt, wartete Rhiannon, während das Kind in ihr heranwuchs.

I. TEIL

1. KAPITEL

Oklahoma

„Ein Sturm zieht auf.“ John Peace Eagle schaute mit zusammengekniffenen Augen in den südwestlichen Himmel.

Sein Enkel hob kaum den Blick von seiner Playstation. „Grandpa, wenn du hier draußen Kabelanschluss hättest, müsstest du nicht immer den Himmel beobachten. Du könntest stattdessen den Wetter kanal gucken oder die Nachrichten, wie jeder andere auch.“

„Dieser Sturm kann mit normalen Methoden nicht vorhergesagt werden.“ Der alte Geheimnishüter der Choctaw sprach, ohne den Blick vom Himmel zu nehmen oder sich umzudrehen. „Geh jetzt. Nimm den Truck und kehre ins Haus deiner Mutter zurück.“

Nun sah der Teenager auf. „Echt? Ich kann deinen Truck nehmen?“

Peace Eagle nickte. „Ich lasse mich irgendwann die Woche von jemandem mit in die Stadt nehmen und hole ihn wieder ab.“

„Cool!“ Der Junge schnappte sich seinen Rucksack und umarmte seinen Großvater kurz. „Bis bald, Grandpa.“

Peace Eagle wartete ab, bis der Motor aufheulte und er hörte, wie sein Enkel mit dem Wagen langsam über die Schotterstraße davonfuhr. Erst dann fing er mit den Vorbereitungen an.

Rhythmisch schlug der Geheimnishüter die Trommel. Es dauerte nicht lange, da bewegten sich die ersten Schatten zwischen den Bäumen. Sie erschienen auf der Lichtung neben der Hütte, als wären sie von der ansteigenden Wucht des Windes dorthin geweht worden. Im schwindenden Tageslicht sahen sie aus wie uralte Geister, doch John Peace Eagle wusste es besser. Er kannte den Unterschied zwischen Geist und Fleisch. Als alle sechs bei ihm waren, sprach er.

„Es ist gut, dass ihr meinen Ruf erhört habt. Der Sturm, der uns heute Nacht trifft, ist nicht von dieser Welt.“

„Ist die Auserwählte der Göttin zurückgekehrt?“, fragte einer der Älteren.

„Nein. Das hier ist ein dunkler Sturm. Das Böse rührt sich.“

„Was sollen wir tun?“

„Wir müssen zur heiligen Lichtung und in Schach halten, was auch immer sich befreien will“, erwiderte Peace Eagle.

„Wir haben das Böse dort doch vor nicht allzu langer Zeit besiegt“, sagte der Jüngste der Stammesältesten.

Peace Eagle lächelte grimmig. „Das Böse kann niemals vollständig besiegt werden. Solange die Götter den Bewohnern der Erde die freie Wahl lassen, wird es immer jemanden geben, der sich für das Böse entscheidet.

„Das große Gleichgewicht“, sagte einer der Stammesältesten nachdenklich.

Peace Eagle nickte. „Das große Gleichgewicht. Ohne Licht gäbe es keine Dunkelheit. Ohne das Böse hätte das Gute kein Gegengewicht.“

Die Ältesten nickten zustimmend.

„Lasst uns auf der Seite des Guten arbeiten.“

Rhiannon hieß den Schmerz willkommen. Er bedeutete, dass es an der Zeit für sie war, wieder zu leben. Zeit, nach Partholon zurückzukehren und sich wiederzuholen, was ihr rechtmäßig gehörte. Sie nutzte den Schmerz, um sich zu fokussieren. Sie empfand ihn als Reinigung. In Eponas Dienste aufzusteigen war auch kein schmerzloses Ritual gewesen. Sie erwartete, dass Pryderi nichts anderes für sie vorbereitet hatte.

Die Geburt dauerte lange und war schwierig. Es war ein Schock für sie, sich mit einem Mal wieder der Muskeln und Nerven bewusst zu werden und der Krämpfe, die ihren Körper in immer kürzeren Abständen schüttelten, da sie so lange von ihm getrennt gewesen war.

Rhiannon versuchte, nicht daran zu denken, wie diese Geburt hätte sein sollen. Sie sollte von ihren Mägden und Dienerinnen umgeben sein. Sie sollte gebadet, verhätschelt und verwöhnt werden. Kräutertees sollten ihren Schmerz und die Angst stillen. Ihre Frauen hätten sie niemals alleine gelassen zum Zeitpunkt der Geburt, und der Eintritt ihrer Tochter in die Welt Partholons wäre von fröhlichen Feiern begleitet worden. Epona hätte ein Zeichen gesandt, um ihr zu sagen, dass die Göttin zufrieden war mit der Geburt der Tochter ihrer Auserwählten.

Nein, sie durfte nicht bei diesen Gedanken verweilen, auch wenn sie insgeheim hoffte, dass Epona zu ihr zurückkehren und ihr ein Zeichen geben würde, wenn dieses Kind endlich geboren war. Irgendein Zeichen, selbst wenn sie nicht in Partholon war und dieses Kind nicht ihr erstes. Irgendwo in der Schwärze der anscheinend unendlichen Schmerzen hatte Rhiannon Zeit, über das andere Kind nachzudenken. Das Kind, das sie abgetrieben hatte. Bereute sie die Tat? Welchen Sinn hätte Reue jemals gehabt? Es war eine Entscheidung, die sie in ihrer Jugend getroffen hatte. Eine Entscheidung, die sie nicht rückgängig machen konnte.

Sie musste sich auf die Tochter konzentrieren, die sie jetzt zur Welt brachte. Nicht auf die Fehler der Vergangenheit.

Als die nächste Wehe einsetzte, öffnete Rhiannon den Mund zu einem Schrei, obwohl sie wusste, dass ihr Schmerz und ihre Einsam keit in diesem Grab keine Stimme erhalten würden.

Da liegst du falsch, meine Kostbare. Du bist nicht allein. Sieh nur die Kraft deines neuen Gottes!

Mit ohrenbetäubendem Krachen brach ihr Grab auf, und Rhiannon wurde aus dem Schoß des alten Baumes gespült. Nach Luft schnappend und zitternd lag sie auf dem Teppich aus Gras. Quälender Husten schüttelte ihren Körper. Sie blinzelte, versuchte verzweifelt, ihren verschwommenen Blick zu klären. Ihr erster Gedanke galt dem Mann, durch dessen Opfer sie lebendig begraben worden war. Ein Schauer überlief sie, als sie über ihre Schulter in das klaffende Loch im Baum schaute. Sie erwartete, Clints Leichnam zu sehen, und wappnete sich gegen den Anblick, doch alles, was sie sah, war ein sanfter, saphirblauer Schimmer, der langsam schwächer wurde, als würde der verwundete Baum ihn absorbieren.

Ja, ihre Erinnerung war noch intakt, genau wie ihr Verstand. Sie wusste, wo sie war – die heilige Lichtung im modernen Staat Oklahoma. Wie erwartet war sie von ihrem Gefängnis in einer der Zwillingseichen ausgestoßen worden. Die andere Eiche stand unverändert neben dem seichten Bach, der zwischen den Bäumen entlangfloss. Es war dämmrig. Der Wind heulte gereizt auf. Am wolkenverhangenen Himmel dröhnte unheilvoll Donner, der von Blitzen beantwortet wurde.

Blitze … die mussten es gewesen sein, die sie befreit hatten.

Ich habe dich befreit.

Die Stimme war nicht mehr in ihrem Kopf, hatte aber einen körperlosen, unwirklichen Klang. Sie schien unter der Zwillingseiche hervorzukommen, die ihrem Gefängnis gegenüberstand. Von dort, wo die Schatten am tiefsten waren.

„Pryderi?“ Rhiannons Stimme klang so rau und schwach, dass sie sie beinahe nicht erkannt hätte.

Natürlich, meine Kostbare, wen hattest du denn erwartet? Die Göttin, die dich verraten hat?

Sein Lachen strich über ihre Haut, und Rhiannon fragte sich, wie etwas, das sich so schön anhörte, sich so grausam anfühlen konnte.

„Ich … ich kann dich nicht sehen.“ Sie keuchte, als eine neue Wehe sie überfiel.

Der Gott wartete, bis der Schmerz verebbt war, dann rührten sich die Schatten unter den Bäumen. Ein Umriss bewegte sich leicht, damit er im schwindenden Tageslicht besser zu sehen war. Rhiannon stockte beim Anblick seiner Schönheit der Atem. Auch wenn sein Körper sich noch nicht vollständig in dieser Welt materialisierte, sondern durchsichtig war wie ein Geist, durch den sie die hinter ihm liegenden Schatten sehen konnte, vergaß sie, dass die Geburt kurz bevorstand und ihr Leib geschwollen war. Groß und muskulös war er sogar in seiner Geisterform beeindruckend. Sein volles dunkles Haar umrahmte ein Gesicht, das Poeten und Künstler inspirieren sollte und nicht die grausamen Geschichten, die in Partholon über ihn geflüstert wurden. Seine Augen lächelten, und sein Gesicht war erfüllt von Liebe und Wärme.

Ich grüße dich, meine Priesterin, meine Kostbare. Kannst du mich jetzt sehen?

„Ja“, flüsterte sie überwältigt. „Ja, ich sehe dich, aber nur als Geist.“ Rhiannon war schwindelig ob dieser offensichtlichen Zurschaustellung von göttlicher Gnade. Er war absolut überwältigend und alles, was ein Gott sein sollte. Plötzlich konnte sie kaum glauben, dass sie ihr Leben damit verbracht hatte, Epona anzubeten, wenn sie doch betend zu Füßen dieses einzigartigen Gottes hätte knien können.

Es ist schwierig für mich, meine körperliche Gestalt zu halten. Um wirklich in Fleisch und Blut zu existieren, muss ich angebetet werden. Es müssen Opfer in meinem Namen gebracht werden. Man muss mich lieben und mir gehorchen. Das werden du und deine Tochter für mich tun – ihr werdet die Menschen anführen, damit sie mich wiederfinden, und dann werde ich dich auf den dir zustehenden Platz in Partholon setzen.

„Ich verstehe“, sagte sie. Sie schämte sich, weil ihre Stimme zwischen den keuchenden Atemzügen so schwach klang. „Ich werde …“

Bevor sie den Satz beenden konnte, passierten zwei Dinge gleichzeitig, die sie sehr effektiv zum Schweigen brachten. Die Nacht war mit einem Mal erfüllt von dumpfen Trommelschlägen. Rhythmisch wie ein Herz, das Blut durch einen Körper pumpt, waberten die tiefen Vibrationen über die Lichtung. Im gleichen Moment überkam Rhiannon der unwiderstehliche Drang zu pressen.

Sie bog den Rücken durch und zog automatisch die Beine an. Dabei griff sie nach einer knorrigen Wurzel, auf der Suche nach etwas, das ihrem angespannten Körper Halt bieten konnte. Ihr wilder Blick streifte die Stelle, an der Pryderi sich materialisiert hatte. Nur schwach konnte sie seine Spektralform ausmachen.

„Hilf mir.“ Sie stöhnte.

Die Trommelschläge wurden lauter. In ihrem hallenden Klang hörte sie nun Gesang, doch sie konnte die Worte nicht verstehen. Pryderis Kontur flackerte, und mit Entsetzen, das auch den Schmerz spiegelte, der ihren Körper zu zerreißen drohte, sah sie sein schönes Gesicht sich kräuseln und sich neu formen. Sein eben noch sinnlicher Mund war nun zugenäht. Die Nase wurde zu einem grotesken Loch. Seine Augen blickten nicht länger lächelnd und freundlich. Sie glühten unmenschlich wie gelbes Licht. Bevor sie einen weiteren schluchzenden Atemzug tun konnte, veränderte sich seine Erscheinung erneut. Die Augen wurden dunkle, leere Höhlen, der Mund riss auf und zeigte blutige Reißzähne und einen geifernden Schlund.

Rhiannon schrie vor Angst und Wut und Schmerz.

Das Dröhnen der Trommeln und der Gesang wurden lauter.

Pryderis Aussehen veränderte sich erneut, und nun war er wieder der überirdisch schöne Gott, nur dass er jetzt kaum noch zu sehen war.

Ich kann nicht immer schön sein, nicht einmal für dich, meine Kostbare.

„Verlässt du mich?“, fragte sie und weinte, als der fürchterliche Drang zu pressen kurz abebbte. Auch wenn sein sich veränderndes Gesicht ihr Angst gemacht hatte, fürchtete sie sich noch mehr davor, die Geburt alleine überstehen zu müssen.

Die Herankommenden zwingen mich, zu gehen. Ich kann sie heute Nacht nicht schlagen. In dieser Welt habe ich nicht die Kraft dazu.Er schaute ihr direkt in die Augen, und sein Körper wurde für einen Moment beinahe vollständig sichtbar.Rhiannon MacCallan,ich habe dich jahrzehntelang gesucht. Ich habe gesehen, wie sich dein Elend potenzierte, als man dich an Epona gefesselt hat. Du musst jetzt deine Wahl treffen, Rhiannon! Du hast alle meine Gestalten gesehen. Wirst du der Göttin entsagen und dich mir als Priesterin hingeben, als meine Auserwählte und Inkarnation?

Rhiannon war schwindelig vor Schmerz und Angst. Ihr Blick huschte gehetzt über die Lichtung, suchte nach einem Zeichen von Epona, aber sie sah nirgendwo ihr göttliches Licht. Sie war in der Dunkelheit zurückgelassen worden, einer Dunkelheit, die sie seit Jahren verfolgte. Was hatte sie für eine Wahl? Sie konnte sich nicht vorstellen zu existieren, ohne die Auserwählte eines Gottes zu sein. Wie würde sie leben ohne die Macht, die ihr ein solcher Status verlieh? Obwohl sie ihre Entscheidung traf, brachte Rhiannon es nicht über sich, Epona öffentlich abzuschwören. Sie würde Pryderi akzeptieren. Das musste dem Gott genügen.

„Ja, ich werde mich dir geben“, sagte sie schwach.

Und deine Tochter? Gibst du mir auch deine Tochter?

Rhiannon ignorierte die Warnung, die durch ihre Seele flüsterte.

„Ich gebe …“

Ihre Worte erstarben unter dem schrillen Kampfschrei der sieben Stammesältesten, die auf die Lichtung traten und einen immer engeren Kreis um die zwei Eichen zogen. Unter Gebrüll, sodass Rhiannons Herz zitterte, löste sich Pryderis Geist in den Schatten auf.

Schmerz schüttelte erneut ihren Körper, und Rhiannon wusste, dass sie pressen musste. Starke Hände unterstützten sie. Sie schnappte nach Luft und öffnete die Augen. Der Mann vor ihr war uralt. Tiefe Falten durchzogen sein Gesicht, und sein langes Haar war schneeweiß. Eine Adlerfeder steckte in den Strähnen. Seine Augen … Rhiannon konzentrierte sich auf die Güte in seinen braunen Augen.

„Hilf mir“, flüsterte sie.

„Wir sind hier. Die Dunkelheit ist fort. Es ist jetzt sicher für dein Kind, diese Welt zu betreten.“

Rhiannon packte die Hand des Fremden. Sie presste mit aller Kraft, die ihr schmerzgequälter Körper aufbringen konnte. Zu den Schlägen auf den uralten Trommeln glitt schließlich ihre Tochter aus ihrem Leib.

Als sie geboren war, war es Epona und nicht Pryderi, zu der Rhiannon weinte.

2. KAPITEL

Der alte Mann benutzte sein Messer, um die Nabelschnur zu durchtrennen, die Mutter und Tochter miteinander verband. Dann wickelte er das Baby in eine handgewebte Decke und gab es Rhiannon. Als sie ihrer Tochter in die Augen sah, schien es ihr, als hätte die Welt sich unwiederbringlich verrückt. Tief in ihrer Seele spürte sie die Veränderung. Sie hatte noch nie so ein Wunder erblickt, hatte sich noch nie in ihrem Leben so gefühlt wie jetzt. Weder als sie das erste Mal Eponas Stimme gehört hatte noch als sie das erste Mal die Macht verspürt hatte, die ihr als Auserwählte einer Göttin zustand, und schon gar nicht beim Anblick von Pryderis ungeheuerlicher Schönheit.

Das hier, dachte Rhiannon verwundert und berührte die unglaublich weiche Wange ihrer Tochter, ist wahre Magie.

Eine weitere Runde Wehen schüttelte sie, und Rhiannon keuchte auf. Sie hielt ihr Kind an ihre Brust gedrückt und versuchte, sich auf nichts anderes zu konzentrieren, während sie die Nachgeburt ausstieß. Sie hörte den alten Mann einem anderen Befehle geben und nahm die Dringlichkeit in seiner Stimme wahr. Die Trommeln wurden weiter im alten Rhythmus geschlagen, und es fühlte sich richtig an, ihre Tochter in den Armen zu halten.

Rhiannon konnte nicht aufhören, sie anzuschauen. Das Kind erwiderte ihren Blick aus großen, dunklen Augen und berührte sie tief in ihrer Seele.

„Ich habe mich so sehr geirrt.“

„Ja“, murmelte der alte Mann. „Ja, Rhiannon, du hast dich geirrt.“

Rhiannon hob den Blick. Seltsam unbeteiligt beobachtete sie, wie er sich neben sie auf den Boden kniete und ihr ein Bündel Stoff zwischen die Beine drückte. Wie seltsam, dass sie das gar nicht gespürt hatte. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie überhaupt sehr wenig von ihrem Körper spürte. Sie war erleichtert, dass der Schmerz endlich aufgehört hatte. Dann konzentrierte sie sich auf das, was er gesagt hatte.

„Du kennst meinen Namen.“

Er nickte. „Ich war an dem Tag hier, an dem der weiße Schamane sich geopfert hat, um dich im heiligen Baum zu begraben.“

Ein Ruck durchfuhr Rhiannon, als sie in ihm den Anführer der Indianer erkannte, die den dämonischen Nuada besiegt hatten.

„Warum hilfst du mir jetzt?“

„Es ist für einen Erdenbewohner nie zu spät, seinen gewählten

Pfad zu verlassen.“ Er betrachtete sie einen Moment lang stumm, bevor er fortfuhr: „Du warst damals zerbrochen, aber ich glaube, dass dieses Kind deinen Geist geheilt hat.“ Er lächelte gütig. „Sie muss eine starke Macht des Guten sein, wenn ihre Geburt so viel heilen kann.“

Rhiannon drückte ihre Tochter noch fester an sich. „Morrigan. Sie heißt Morrigan und ist die Enkelin des MacCallan.“

„Morrigan, Enkelin des MacCallan. Ich werde ihren Namen in Erinnerung behalten und ihn mit Hochachtung aussprechen.“

Sein Blick hielt ihren fest, und noch bevor er die nächsten Worte sprach, überfiel Rhiannon ein Gefühl der Vorahnung.

„Irgendetwas in deinem Körper ist zerrissen. Es fließt zu viel Blut, und es hört einfach nicht auf. Ich habe jemanden nach meinem Truck geschickt, aber es wird Stunden dauern, bis wir einen Arzt erreichen.“

Sie schaute ihm in die Augen und sah die Wahrheit. „Ich sterbe.“

Er nickte. „Ich glaube ja. Dein Geist ist geheilt worden, aber dein Körper ist unrettbar zerbrochen.“

Rhiannon verspürte keine Angst oder Panik, und ganz sicher hatte sie keine Schmerzen. Sie fühlte nur unglaubliches Bedauern über ihren Verlust. Sie schaute ihre Tochter an, die ihren Blick so voller Vertrauen erwiderte, und strich mit einer Fingerspitze über ihr samtweiches Gesicht. Nun würde sie nicht miterleben, wie Morrigan aufwuchs. Würde nicht da sein, um über sie zu wachen und sicherzustellen, dass sie … „Oh, Göttin! Was habe ich getan?“

Der alte Mann versuchte nicht, sie zu beschwichtigen. Seine Augen blickten klar und weise. „Erzähl es mir, Rhiannon.“

„Ich habe mich Pryderi versprochen. Er wollte, dass ich auch meine Tochter in seine Dienste stelle, aber eure Gegenwart hat ihn vertrieben, bevor ich sie ihm geben konnte.“

„Pryderi ist einer der Bösen? Ein Gott der Finsternis?“, fragte er schnell.

„Ja!“

„Du musst ihm entsagen. Für dich und um Morrigans willen.“

Rhiannon schaute Morrigan an. Wenn sie sich für sie beide von Pryderi lossagte, wäre ihre Tochter vermutlich für immer in dieser Welt gefangen. Sie würde vielleicht nicht einmal in der Lage sein, die kleinen Kraftquellen anzuzapfen, die sie hier entdeckt hatte. Morrigan würde niemals nach Partholon zurückkehren.

Wenn sie sich aber nicht von Pryderi lossagte, würde es ihrer Tochter bestimmt sein, der gleichen Finsternis zu dienen, der sie ihr Leben lang gefolgt war, wie Rhiannon nun erkannte. Der Finsternis, die ihr Unzufriedenheit, Wut, Egoismus und Hass eingeflüstert hatte, und, das war das Zerstörerischste von allem, die die Liebe für sie zu etwas gemacht hatte, das sie nicht empfinden konnte.

Rhiannon konnte den Gedanken nicht ertragen, dass das Leben ihrer Tochter genauso verdorben sein würde, wie ihres es gewesen war. Wenn Morrigan in dieser Welt bleiben musste, dann war es eben so. Zumindest wäre sie dann nicht auch in den Lügen des Bösen gefangen.

„Ich kehre mich ab von Pryderi, dem Dreigesichtigen Gott, und weise seine Macht über mich und meine Tochter Morrigan MacCallan zurück“, sagte Rhiannon. Dann wartete sie. Seit frühester Kindheit war sie die Priesterin und Auserwählte einer mächtigen Göttin gewesen. Sie wusste, wie ernst es war, sich von einem Gott loszusagen. Es müsste ein Zeichen geben, innerlich oder äußerlich, weil das Schicksal verändert worden war. Götter ertrugen Zurückweisung nicht sonderlich gut, vor allem dunkle Götter nicht.

„Der Finstere weiß, dass dein Tod kurz bevorsteht und dass du in das Reich der Seelen eingehen wirst. Er hält dich weiter fest; er ist nicht gewillt, dich freizugeben.“

Der alte Mann sprach diese Worte sehr sanft, aber Rhiannon spürte sie wie ein Messer, das ihr ins Herz stieß. Obwohl sie schwächer wurde, zwang sie ihre Arme, sich fester um ihre Tochter zu schließen.

„Ich habe ihm Morrigan nicht versprochen. Pryderi hat keine Macht über sie.“

„Aber du bist noch mit ihm verbunden“, sagte der alte Mann ernst.

Es fiel ihr schwer, gegen die Erschöpfung anzukämpfen, die ihren Blick bereits zu trüben begann. Ihr war kalt. Sie wünschte sich, der alte Schamane würde sie alleine lassen, damit sie ihre Tochter ansehen konnte, bis …

„Rhiannon, du musst mir zuhören!“ Er schüttelte sie. „Wenn du an Pryderi gebunden stirbst, wird dein Geist nie wieder die Gegenwart deiner Göttin spüren. Du wirst nie wieder Licht oder Freude erfahren. Du wirst die Ewigkeit eingehüllt in die Dunkelheit des finsteren Gottes verbringen und in der Verzweiflung, die alles verdirbt, was er berührt.“

„Ich weiß“, flüsterte sie. „Aber ich kann nicht mehr kämpfen. Es scheint mir, dass ich mein Leben lang nichts anderes getan habe. Ich war zu egoistisch, habe zu viel Schmerz verursacht. Zu viel Schaden angerichtet. Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich dafür bezahle.“

„Vielleicht ist es das, aber soll deine Tochter ebenfalls für deine Fehler büßen?“

Seine Worte rüttelten sie auf. Sie blinzelte die sich vor ihren Augen ausbreitende Dunkelheit zurück. „Natürlich nicht. Was sagst du da, alter Mann?“

„Du hast sie ihm nicht versprochen, aber Pryderi wünscht sich eine Priesterin mit dem Blut von Eponas Auserwählter in den Adern. Was glaubst du, wer wird sein nächstes Opfer sein, nachdem du gestorben bist?“

„Nein!“ Sie wusste, dass er recht hatte. Pryderi hatte zugegeben, sie seit Jahrzehnten verfolgt zu haben. Mit ihrer Tochter würde er es nicht anders machen. Rhiannon schauderte. Morrigan durfte nicht von der Finsternis verfolgt werden, der sie erlaubt hatte, sie zu locken und zu verführen – und ihre Liebe zu ihrer Göttin in etwas Hässliches zu verwandeln.

„Dann musst du deine Göttin anrufen, um Pryderi zu zwingen, seine Macht über dich zu lösen.“

Verzweiflung übermannte Rhiannon. „Epona hat sich von mir abgewandt.“

„Hast du deine Verbindung zu ihr erneuert?“

„Ich habe ganz abscheuliche Dinge getan.“ Zum ersten Mal in ihrem Leben gab Rhiannon zu, dass sie es gewesen war, die das Vertrauen ihrer Göttin verraten hatte, lange bevor Epona aufhörte, mit ihr zu sprechen. „Sie hört mich nicht länger an.“

„Vielleicht wartet sie nur darauf, die richtigen Worte von dir zu hören.“

Rhiannon schaute in die Augen des Schamanen. Wenn es nur die winzigste Möglichkeit gab, dass er recht hatte, würde sie es versuchen.

Sie würde Epona anrufen. Der Tod war so nah – vielleicht hatte ihre Göttin Mitleid mit ihr. Sie konnte bereits den nebligen Schleier fühlen, der ihren Körper umhüllte und sie dieser Welt gegenüber taub machte. Sicherlich wusste Epona selbst von Partholon aus, was ihr widerfahren war. Rhiannon schloss die Augen und sammelte sich.

„Epona, Große Göttin von Partholon – Göttin meiner Jugend – Göttin meines Herzens. Bitte höre mich ein letztes Mal an. Vergib mir meine selbstsüchtigen Fehler. Vergib mir, dass ich der Finsternis erlaubt habe, dein Licht zu beschmutzen. Vergib mir für den Schmerz, den ich dir und anderen verursacht habe.“ Rhiannon hielt inne, kämpfte darum, sich zu konzentrieren und die Taubheit abzuschütteln, die durch ihren Körper strich. „Ich weiß, ich verdiene keinen Gefallen von dir, aber ich bitte dich, gebiete Pryderi Einhalt, damit er nicht weiter meine Seele und die meiner Tochter für sich in Anspruch nimmt.“

Der Wind nahm ihre Worte auf und schüttelte sie durch, bis sie klangen wie Regen, der auf Herbstlaub fällt. Rhiannon öffnete die Augen. Die Schatten unter der riesigen, heiligen Eiche, dem Zwilling des zerstörten Baumes, unter dem sie lag, bewegten sich, und ihr Herzschlag flackerte angstvoll auf. War Pryderi trotz der Gegenwart des Schamanen und der Macht der uralten Trommeln zurückgekehrt, um sie sich zu holen? Dann brach eine Kugel aus Licht in diese Welt und verdrängte die Dunkelheit. Aus der Mitte des Lichts materialisierte sich eine Gestalt. Rhiannon hielt den Atem an, und Tränen stiegen ihr in die Augen. Der alte Schamane neigte respektvoll sein Haupt.

„Willkommen, Große Göttin“, sagte er.

Epona lächelte den alten Mann an. John Peace Eagle, wisse, dass dir für deine Taten an diesem Tag meine Dankbarkeit und mein Segen gewiss sind.

„Danke, Göttin“, sagte er feierlich.

Epona ließ ihren Blick zu ihr gleiten. Mit zitternder Hand wischte Rhiannon sich die Tränen aus den Augen, damit sie die Göttin klarer sehen konnte. In ihrer Kindheit war Epona ihr ein paarmal erschienen, aber nachdem ihre rebellische Teenagerzeit begonnen hatte und sie sich zu einer egoistischen, verwöhnten Erwachsenen entwickelte, hatte die Göttin aufgehört, sie zu besuchen, aufgehört, zu ihr zu sprechen, und irgendwann auch aufgehört, sie anzuhören. Nun spürte Rhiannon, wie ihre Seele sich beim Anblick der Göttin belebte.

„Vergib mir, Epona!“ Sie weinte.

Ich vergebe dir, Rhiannon. Ich habe dir schon vergeben, bevordu mich darum gebeten hast. Ich habe ebenfalls Fehler gemacht. Ich habe deine Schwäche gesehen und wusste, dass deine Seele von der Dunkelheit umworben wird. Meine Liebe für dich hat mich blind gemacht und dich in die Selbstzerstörung getrieben.

Rhiannon schluckte die Ausreden hinunter, die ihr sonst immer so schnell über die Lippen gekommen waren. „Ich habe mich geirrt“, war alles, was sie sagte. Dann atmete sie tief ein, kämpfte gegen die Taubheit an, die sie am Sprechen hindern wollte. „Epona, ich bitte dich, die Fesseln zu brechen, in die Pryderi mich gelegt hat. Ich habe ihm abgeschworen, aber wie du weißt, bin ich dem Tode nahe. Seine Macht über meine Seele ist stark.“

Epona musterte ihre gefallene Priesterin sorgfältig, bevor sie ihre nächste Frage stellte.

Warum bittest du mich darum, Rhiannon? Ist es, weil du Angst hast vor dem, was nach deinem Tod mit deiner Seele passiert?

„Göttin, so kurz vor dem Tod sehe ich einiges in meinem Leben klarer.“ Sie schaute ihre Tochter an, die sie immer noch in ihren schwächer werdenden Armen hielt. „Oder vielleicht ist es auch die Existenz meiner Tochter, die den Schleier vor meinen Augen gelüftet hat.“ Sie hob den Blick und sah ihre Göttin an. „Die Wahrheit ist, ja, ich habe Angst, die Ewigkeit in Dunkelheit und Verzweiflung zu verbringen, aber ich hätte dich nicht gerufen, um mich vor einem Schicksal zu bewahren, das ich verdient habe.“ Rhiannon verschluckte sich, hustete und nahm mehrere keuchende Atemzüge, bevor sie weitersprechen konnte. „Ich habe dich gerufen, weil ich den Gedanken nicht ertrage, dass meine Tochter von der gleichen Finsternis vereinnahmt wird, die mein Leben vergiftet hat. Wenn du den Bann brichst, den Pryderi über meine Seele gelegt hat, bitte ich dich nicht darum, Eintritt in deine Auen zu erhalten. Ich bitte nur um die Erlaubnis, in der Anderwelt zu existieren, wo ich über meine Tochter wachen und versuchen kann, ihr Gutes ins Herz zu flüstern, wenn das Dunkle ihr Böses einflüstern will.“

Die Ewigkeit in der Anderwelt zu verbringen ist kein leichtes Los. Dort gibt es kein Ausruhen, keine Wiesen, kein Licht und Lachen, um deiner weltwunden Seele beizustehen.

„Ich wünsche nicht zu ruhen, wenn meine Tochter in Gefahr ist.

Ich will nicht, dass sie meinem Weg folgt.“

Die Jahre deiner Tochter werden nur ein kleiner Tropfen im See der Ewigkeit sein. Bittest du wirklich um ein unendliches Los für etwas, das so flüchtig ist?

Rhiannon lehnte ihre bleiche Wange an den zarten Kopf ihrer Tochter. „Ja, das tue ich, Epona.“

Die Göttin lächelte, und obwohl sie dem Tod so nahe war, erfasste Rhiannon eine unglaubliche Welle der Freude.

Endlich, Geliebte, hast du die Selbstsucht in deiner Seele überwunden und folgst deinem Herzen.Die Göttin streckte die Arme über ihren Kopf aus.Pryderi, Gott der Finsternis und der Lügen, ich gebe meine rechtmäßige Macht über diese Priesterin nicht auf! Du wirst ihre Seele nicht für dich beanspruchen, ohne vorher mich besiegt zu haben!

Lichtstrahlen schossen aus den Handflächen der Göttin und zerstörten die Schatten, die sich an den Rand der Lichtung zurückgezogen hatten. Ein gellender Schrei zerriss die Stille, und die unnatürliche Dunkelheit löste sich vollständig auf und hinterließ etwas, das Rhiannon nun als die normale und tröstende Dunkelheit erkannte, die die Nacht ankündigte.

„Meine Seele fühlt sich leicht an“, flüsterte sie ihrer Tochter zu.

Das kommt, weil dein Geist das erste Mal seit deiner Kindheit frei von Dunkelheit ist.

„Ich hätte diesen Weg vor langer Zeit einschlagen sollen“, sagte Rhiannon schwach.

Eponas Lächeln war erneut endlos gütig.

Es ist noch nicht zu spät, Geliebte.

Rhiannon schloss die Augen, als Gefühle über sie hereinbrachen, die ihr das letzte bisschen verbliebene Kraft raubten. „Epona, ich weiß, das hier ist nicht Partholon, und ich bin nicht länger deine Auserwählte, aber würdest du bitte meine Tochter begrüßen?“ Ihre Stimme war beinahe nicht zu hören.

Ja, Geliebte. Aufgrund meiner Liebe zu dir begrüße ich Morrigan, Enkelin des MacCallan, und schenke ihr meinen Segen.

Rhiannon öffnete die Augen, als sie das Surren von Flügeln hörte. Epona war verschwunden, aber die heilige Lichtung war erfüllt von Tausenden und Abertausenden Glühwürmchen, die um sie und ihr Baby herumtanzten, das in ihren Armen ruhte. In der anbrechenden Nacht verbreiteten sie ein Licht, als wären sie Sterne, die sich eine Auszeit genommen hatten, um aus Freude über die Geburt ihrer Tochter auf der Lichtung ein Ballett aufzuführen.

„Die Göttin hat deine Bitte erhört“, sagte der alte Mann ehrfürchtig. „Sie hat dich nicht vergessen. Und sie wird auch dein Kind nicht vergessen.“

Rhiannon schaute ihn an und musste blinzeln, um sein Gesicht klar erkennen zu können. „Schamane, du musst mich nach Hause bringen.“

Sein Blick traf ihren. „Ich habe nicht die Macht, dich in die Anderwelt zu bringen, Rhiannon.“

„Das weiß ich“, sagte sie schwach. „Bring mich zu dem einzigen Zuhause, das ich in dieser Welt kenne – zu Richard Parker, der in dieser Welt das Spiegelbild meines Vaters ist, des MacCallan.“ Rhiannon verzog schmerzerfüllt das Gesicht und schob den Gedanken an Shannon Parkers Worte beiseite, die ihr erzählt hatte, dass ihr Vater in Partholon tot war. „Bring meinen Körper dorthin, und überreiche ihm Morrigan als seine Enkelin. Sag ihm …“ Sie zögerte und versuchte, durch die Taubheit zu sprechen, die sie immer schneller einschloss. „Sag ihm, dass ich auf seine Liebe vertraue und weiß, dass er das Richtige tun wird.“

Der Schamane nickte ernst. „Wie finde ich Richard Parker?“

Rhiannon schaffte es, ihm keuchend und mit letzter Kraft den Weg zu Richard Parkers kleiner Ranch außerhalb von Broken Arrow zu beschreiben. Zum Glück stellte der alte Mann wenige Fragen und schien ihre geflüsterten Worte zu verstehen.

„Ich werde das für dich tun, Rhiannon. Ich werde außerdem für deine Seele in der Anderwelt beten, auf dass du über dein Kind wachen und es beschützen mögest.“

„Mein Kind … Morrigan MacCallan … gesegnet von Epona“, flüsterte Rhiannon. Sie merkte, dass sie nicht länger gegen die Taubheit ankämpfen konnte. Ihre Tochter noch immer an ihr Herz gedrückt, ließ sie den Kopf zurückfallen, sodass er auf einer knorrigen Wurzel ruhte. Während Glühwürmchen zum Klang der uralten Trommeln um sie herumschwirrten, tat Rhiannon, Priesterin der Epona, ihren letzten Atemzug und starb.

3. KAPITEL

Partholon

„Okay, hier ist die absolute Wahrheit. Würde es nicht schmerzen, hieße es nicht Wehen.“ Ich zog eine Grimasse und versuchte eine bequemere Position auf der riesigen, mit Daunen gefüllten Matratze zu finden, die ich gerne als Marshmallow bezeichnete. Ich war aber so verdammt müde und mein Körper war an so vielen intimen Stellen wund, dass ich aufgab und mir stattdessen noch einen Schluck vom warmen Wein gönnte, den eine der hilfreichen Nymphen mir reichte. „Und von wegen, in der Minute, wo es vorbei ist, hat man schon alles vergessen“, fuhr ich fort. „Wie viele Frauen habe ich schon gehört, die gesagt haben: ‚Hey, das ist eine echte Party, und hinterher hab ich mein Baby. Yippi!‘ Das ist grober Unfug, lasst es euch gesagt sein.“

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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