Geld oder Leben - Nikolaus Braun - E-Book

Geld oder Leben E-Book

Nikolaus Braun

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Beschreibung

Über Geld spricht man nicht … oder doch? Dieser und andere Glaubenssätze stehen dem entspannten Umgang mit Geld oft im Weg. Dabei ist es so wichtig – und unterhaltsam –, sich über Geldfragen und all die damit verbundenen Missverständnisse auszutauschen, wie Nikolaus Braun beweist. In 30 Geldgeschichten aus dem echten Leben öffnet der unabhängige Vermögensberater seinen wertvollen Erfahrungsschatz rund um die Themen Finanzplanung, Besitz und Reichtum. Mal komisch, mal grotesk, mal als Romanze, mal als Tragödie, laden die wahren Anekdoten dazu ein, die eigenen Haltungen und Denkmuster zu hinterfragen, und vermitteln ganz nebenbei das Einmaleins zu einem glücklichen und selbstbestimmten Umgang mit Geld. »Das Buch ist eine Revolution, das Thema Geld wird vom Kopf auf die Füße gestellt.« Dr. Andreas Beck, Finanzexperte und Portfoliomanager »Ein wahres Füllhorn guter Anregungen dafür, wie Geld unserem Leben dient und nicht umgekehrt.« Prof. Dr. Hartmut Walz, Verhaltensökonom und mehrfacher Bestsellerautor »Wie gehen andere mit Geld um? Was beschäftigt sie, welche Gefühle leiten sie, worüber stolpern sie und wie gelingt es, finanziell zufrieden zu sein? Braun erzählt in diesem Buch Geschichten aus seiner Praxis als Honorarberater – erfrischend direkt, (selbst)reflektiert, greifbar.« Dani Parthum, Finanzcoach und Journalistin »Ein erfolgreicher Umgang mit Geld erfordert vor allem eines: Rationalität. Brauns Buch erlaubt einen tiefen Blick in unser meist irrationales Verhältnis zu Geld. Es zeigt, warum so viele Menschen beim Thema Geld scheitern, und hilft so, es selbst besser zu machen.« Dr. Gerd Kommer, Vermögensverwalter und Bestsellerautor

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Cover for EPUB

Nikolaus Braun

GELD ODER LEBEN

Wie Sie aufhören, Unsinn mit Ihrem Vermögen zu treiben

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

Über Geld spricht man nicht … oder doch?Dieser und andere Glaubenssätze stehen dem entspannten Umgang mit Geld oft im Weg. Dabei ist es so wichtig – und unterhaltsam –, sich über Geldfragen und all die damit verbundenen Missverständnisse auszutauschen, wie Nikolaus Braun beweist.In 30 Geldgeschichten aus dem echten Leben öffnet der unabhängige Vermögensberater seinen wertvollen Erfahrungsschatz rund um die Themen Finanzplanung, Besitz und Reichtum. Mal komisch, mal grotesk, mal als Romanze, mal als Tragödie, laden die wahren Anekdoten dazu ein, die eigenen Haltungen und Denkmuster zu hinterfragen, und vermitteln ganz nebenbei das Einmaleins zu einem glücklichen und selbstbestimmten Umgang mit Geld.»Das Buch ist eine Revolution, das Thema Geld wird vom Kopf auf die Füße gestellt.«Dr. Andreas Beck, Finanzexperte und Portfoliomanager»Ein wahres Füllhorn guter Anregungen dafür, wie Geld unserem Leben dient und nicht umgekehrt.«Prof. Dr. Hartmut Walz, Verhaltensökonom und mehrfacher Bestsellerautor»Wie gehen andere mit Geld um? Was beschäftigt sie, welche Gefühle leiten sie, worüber stolpern sie und wie gelingt es, finanziell zufrieden zu sein? Braun erzählt in diesem Buch Geschichten aus seiner Praxis als Honorarberater – erfrischend direkt, (selbst)reflektiert, greifbar.«Dani Parthum, Finanzcoach und Journalistin»Ein erfolgreicher Umgang mit Geld erfordert vor allem eines: Rationalität. Brauns Buch erlaubt einen tiefen Blick in unser meist irrationales Verhältnis zu Geld. Es zeigt, warum so viele Menschen beim Thema Geld scheitern, und hilft so, es selbst besser zu machen.«Dr. Gerd Kommer, Vermögensverwalter und Bestsellerautor

Vita

Dr. Nikolaus Braun ist seit fast zwanzig Jahren ein Grenzgänger zwischen Geisteswissenschaften und dem Finanzsektor. Der promovierte Historiker machte eher zufällig Karriere bei einer Großbank, die er enttäuscht verließ, als er zum reinen Finanzvertriebler werden sollte. Heute ist er Seniorpartner einer Vermögensverwaltung und Ko-Gründer und -Leiter einer Münchner Honorarberatung, in der er seine Vorstellung einer unabhängigen und ganzheitlichen Vermögensberatung kompromisslos umsetzen kann.

Für meinen Vater

Übersicht

Cover

Titel

Über das Buch

Vita

Inhalt

Impressum

Inhalt

Vorwort — Ein Ratgeber ohne Ratschläge

Geld oder Leben?

Start-up I

Die Magie des Geldes

Start-up II

Geld und Leben

Erfolg

Christian in der Zombiestadt

Verde Mare

Orest

Der letzte Gentleman

Reichtum

Deus ex machina

Rebeccas Reichtum

Magdas Erbe

Eine andere Welt

Angst

Ein hoch interessantes Produkt: Edelmetall

Nostradamus — (Gastbeitrag von Stefan Heringer)

Die Liedermacherin

Wie Herr Borchert die Hälfte seines Geldes verlor

Betrug

Die Bausparkasse und der Freizeitpark

Der Kardiologe des Gebietsfilialleiters

Lehmanns Tochter

Vertriebsoffensive

Männer

Das kleinste Zimmer

Herzensangelegenheit

Das Kursblatt

Achims Weisheit

Luxus

Champions League

Energie

Lithium

Topclub

Zeit

Lorenzʼ Reise

Hase und Igel

Tod im Schnee

Das Jackett

Wie Sie Frieden mit Ihrem Geld schließen

Das Versprechen I

Die Magie des Geldes – Reprise

Das Versprechen – II

Anhang

Leseempfehlungen

Zwölf sinnvolle Bücher über Geld und Leben

Empfehlenswerte Finanzblogs

Weitere empfehlenswerte Webseiten

Literaturverzeichnis

Zugabe

Voucher

Anmerkungen

Über den Autor

»Du schreibst noch mal ein Buch über Geld?«

»Ja, wieso?«

»Fällt dir denn wirklich nichts Besseres ein?«

»Ja, was denn?«

»Liebe, Tod, Freundschaft, Verbrechen, Vertrauen, Verrat, soziale Ungleichheit, der Drang des Menschen, sich zu ernähren und fortzupflanzen, sich weiterzuentwickeln. Wer bin ich? Was kann ich? Das Streben nach Wissen, Macht, Erfolg, Glück – nach Spiritualität. Reicht das? Ist doch alles viel besser, oder?«

»Eben – und genau um all das geht es.«

»Wie?«

»Pass auf: Ich erzähle dir eine Geschichte darüber, wer man ist, was man kann, über das Streben nach Wissen und Erfolg, über Liebe, Freundschaft, Vertrauen und Betrug – eine Geschichte über Geld. Hör zu.«

Geld oder Leben?

Start-up I

32 000 000 D-Mark

Am Abend des 15. Juni 2003 stand Matthias endgültig vor den Scherben seiner beruflichen Existenz. Bis zum Ende hatten er und Andreas gekämpft. Noch vor zwölf Monaten hatten sie sich an den letzten dünnen Strohhalm geklammert, als sie die Reste ihres einst stolzen Unternehmens dem ursprünglichen Investor mit der Hilfe zweier Geschäftsfreunde wieder abgekauft hatten – für fast symbolische 200 000 Euro. Die zusammenzubringen, war schon damals fast unmöglich gewesen. Aber jetzt war die Sache endgültig an die Wand gefahren. Heute Nachmittag hatten sie mit den verbleibenden acht Mitarbeitern gesprochen. Mit dem Insolvenzantrag hatten sie sowieso schon viel zu lange gewartet. Jetzt würden sie endgültig die Grauzone zur Insolvenzverschleppung verlassen.

Noch vor vier Jahren, mit gerade mal etwas über dreißig, waren Matthias und Andreas Millionäre gewesen, ach was, Multimillionäre. Damals hatte BX Biotech ihr kleines Start-up zu einem gefühlt (und tatsächlich) wahnsinnigen Preis übernommen: 32 Millionen D-Mark! Das waren 3 Millionen in cash und sagenhafte 13 Millionen D-Mark in Aktien der BX Biotech – für jeden! Und das war noch nicht einmal alles: Innerhalb weniger Monate hatte sich der Kurs von BX Biotech verdoppelt. Bonanza! Was war seitdem nur schiefgegangen?

Andreas hatte sich zusammengerissen und eine Art letzte Ansprache gehalten – famous last words: »Kollegen, so weh es uns selbst tut, es geht nicht mehr. Wir sind pleite. Morgen gehen wir zum Amtsgericht und melden Insolvenz an. Wir haben so gern mit euch zusammengearbeitet, wir schreiben jedem von euch ein Topzeugnis, aber es geht wirklich nicht mehr. Es ist Zeit, das sinkende Schiff zu verlassen.« Matthias hatte gar nichts mehr gesagt und nur vor sich hin gegrübelt. Gut, das Unternehmen war auch Andreas‹ Baby gewesen, und auch er stand vor dem Nichts. Aber Matthias‹ Situation war noch einmal aussichtsloser. Die sich vorher schon unendlich anfühlenden Steuerschulden noch zahlen zu können, war nun völlig illusorisch. Die Zinsen erdrückten ihn jetzt schon wie ein Mühlstein. Wenn das Finanzamt nicht doch noch mit sich reden ließ, würde er die drei Finger heben müssen: Privatinsolvenz.

Ihm graute es davor, nach Hause zu kommen. Den ganzen Heimweg von seinem Büro in der Innenstadt nach Hamburg-Ohlsdorf rotierte sein Verstand oder das, was von ihm noch übriggeblieben war: Wie sollte er das seiner Frau erzählen? Dass es schlecht aussah, war auch Marina mehr als klar. Aber dass es jetzt gar keine Hoffnung mehr gab, das war noch mal etwas anderes.

Als er leise die Tür aufsperrte, um den Kleinen nicht zu wecken, hörte er entspannte Musik. Es roch nach gutem Essen. Waren das Kerzen, deren Flackern die Wand im Flur reflektierte? Oh nein, hatte er etwa mal wieder eine Einladung vergessen? Das war das Letzte, was er jetzt brauchte. Doch als er um die Ecke ins Wohnzimmer schaute, stand da nur Marina, regelrecht aufgebrezelt, vor einem prachtvoll gedeckten Tisch. Sie hatte eine Flasche Sekt in der Hand – Champagner war schon lange nicht mehr drin – und sagte strahlend: »Matthias, ich bin wieder schwanger!«

Andreas und Matthias hatten sich Anfang der Neunzigerjahre kennengelernt, als Matthias nach einer alles anderen als linearen Schullaufbahn mit Mitte zwanzig schließlich anfing zu studieren. Matthias war im ersten Semester seines Biochemie-Studiums, Andreas bereits eineinhalb Jahre weiter. Schon nach ein paar Tagen lud Andreas Matthias zum Abendessen zu sich in seine kleine Zweizimmerwohnung ein. Als Matthias um halb acht vor der Tür stand, öffnete Andreas‹ Freundin Amrei die Tür und drückte ihm unversehens ihre sechs Wochen alte Tochter in den Arm. »Halt mal kurz«, lautete ihre Begrüßung, und schon verschwand sie in der Küche. Matthias nannte das später einen »magischen Moment«: Von diesem Zeitpunkt an war er quasi ein Mitglied der Familie. Andreas half Matthias, ins Studium zu finden, sie lernten zusammen auf Prüfungen und begannen relativ bald damit, sozusagen als ausgelagerte Werkstudenten kleinere Projekte und Studien für Biotechunternehmen zu übernehmen.

Noch während des Studiums gründeten sie ihr Unternehmen, das sie BioServiX nannten. Ungefähr zu dieser Zeit kam Matthias auch wieder mit seiner Jungendliebe Marina zusammen. BioServiX entwickelte sich fantastisch. Als die beiden endlich ihr Studium abschlossen, hatten sie bereits gut ein halbes Dutzend Mitarbeiter, die sie aus ihren Kursen und Seminaren an der Uni rekrutiert hatten.

Jetzt konnten sie endlich Vollgas geben – und das taten sie auch. Die Auftragslage für unterstützende Dienstleistungen, Projekte und Studien war in der ersten Biotech-Euphorie der späten Neunzigerjahre bombastisch. Und BioServiX lieferte: Sie waren schnell, freundlich, kompetent und – da das Gros der Mitarbeiter noch zur Uni ging – konkurrenzlos günstig. Andreas hatte ein ausgesprochen gutes Gespür für Personal-Rekrutierung und Akquise, Matthias den schwarzen Gürtel für Projekt- und Prozessmanagement. Gemeinsam hatten sie eine ausgesprochene Stärke darin, neue Services zu entwickeln und anzubieten. Die beiden ergänzten sich perfekt, und wenn man heute mit ihnen redet, erklären sie nach wie vor übereinstimmend, dass es ohne den anderen nie gegangen wäre.

350 000 … 1 Million … 2,5 Millionen … 3,2 Millionen … 4,3 Millionen D-Mark – BioServiX knackte Jahr für Jahr einen Umsatzrekord nach dem anderen. Auch die Margen waren an sich ansprechend. BioServiX erzielte zwar kaum Gewinn, da die beiden fast jede Mark in neue Dienstleistungen sowie neue Mitarbeiterinnen investierten, aber anders als die meisten anderen Start-ups, die sie kannten, verbrannten sie auch kein Geld.

Mitte 1999 rief der CEO eines der wichtigsten Kunden des Unternehmens bei Matthias an, um ihn und Andreas zum Abendessen einzuladen. Es war Prof. Thomas Zeitler persönlich, der Prof. Thomas Zeitler – eine Legende, Gründer, Mehrheitseigentümer und genialer Kopf von BX Biotech, dem vielleicht hippsten Start-up in Hamburg. Start-up traf es wohl nicht mehr so ganz traf: BX Biotech war Ende 1998 an die Börse gegangen, der Kurs hatte sich seitdem verfünffacht. Entsprechend schwamm nicht nur Prof. Zeitler, sondern auch seine Firma im Geld, und genau darum ging es in dem Gespräch zwischen Prof. Zeitler und den beiden. Zeitler wollte investieren, sprich: BioServiX kaufen.

»Machen Sie sich keine Gedanken«, meinte Zeitler, als er sah, wie sich Andreas und Matthias etwas fremdelnd in dem piekfeinen und etwas konservativen Lokal umschauten. »Heute sind Sie mein Gast.« Das Essen und vor allem der großzügig nachgeschenkte Wein waren hervorragend, und so wurden Andreas und Matthias nach und nach etwas lockerer. Als Zeitler im Laufe des Gesprächs mal eine ungefähre »Hausnummer« in den Raum stellte, gelang es vor allem Matthias erstaunlich gut, sich nichts anmerken zu lassen. Nach einer kurzen Pause antwortete er scheinbar gelassen: »Ich gehe mal davon aus, dass das erst mal eine grobe Richtung ist, oder? Wichtiger wäre uns heute noch einmal mehr, zu erfahren, was Ihre Pläne mit BioServiX sind und welche Rolle wir dabei in Zukunft spielen sollen. Die Zahlen analysieren wir dann in Ruhe, aber ich denke, wenn es insgesamt sinnvoll ist, dann werden weder Sie noch wir es am Geld scheitern lassen.«

Als die beiden, nachdem Prof. Zeitler sich um zehn verabschiedet hatte, zu zweit und etwas angeschickert auf der Straße standen, brach es aus Andreas heraus: »F ü n f u n d z w a n z i g M i l l i o n e n! Nee, oder?! Wenn jetzt gleich der Wecker klingelt, sag ich zu Marina: ›Lass mich einfach noch ein bisschen weiterträumen, es lohnt sich für uns beide.‹« Andreas senkte seine Stimme und versuchte, Matthias zu imitieren: »Wenn es insgesamt sinnvoll ist, dann werden weder Sie noch wir es am Geld scheitern lassen – wo zum Teufel hast du das denn gelernt?« »Habe ich vor ein paar Jahren mal in einem Film mit Al Pacino gehört.« »Ich werde Ihnen ein Angebot machen, das Sie nicht ablehnen können«, prustete Andreas. Beide klatschten sich ab, nahmen sich in den Arm und gingen zwei Straßen weiter in eine Kneipe, in der sie sich deutlich wohler fühlten als in dem noblen Restaurant und in der sie schon zu Studienzeiten ab und zu versumpft waren. Und genau das taten sie jetzt auch.

Ende 1999 wurde der Kaufvertrag unterschrieben. BX Biotech kaufte BioServiX für 32 Millionen D-Mark – für den mehr als sechsfachen Jahresumsatz. Das war an sich eine irre Unternehmensbewertung, doch für eine Transaktionen während der Tech-Blase um die Jahrtausendwende war es fast ein Schnäppchen. Unter unterschiedlichen Optionen, wie der Kaufpreis gezahlt werden sollte, hatten sich Matthias und Andreas für die Version mit dem höchsten »Upside« entschieden: Nur ein kleiner Teil wurde in cash bezahlt, gerade mal genug, um die Steuern zu bezahlen. Der Löwenanteil floss in Aktien der BX Biotech. Der Clou: Der Preis für eine BX-Biotech-Aktie wurde heute schon auf 75 Euro4 festgelegt, obwohl die Aktie bereits jetzt bei gut 100 Euro notierte. Der einzige Pferdefuß war die sogenannte Lock-up-Frist: Andreas und Matthias durften ihre Aktien frühestens in zwei Jahren verkaufen. Das jedoch würde man abwarten können.

»Der Arctic Internetfonds war seiner Zeit weit voraus.«

Vertriebsdirektorin Anja D. (43) kommentiert rückblickend das Scheitern ihres ehemaligen Lieblingsfonds, der nach über 90 Prozent Verlust 2003 geschlossen wurde (Juni 2006).

Als Anfang 2000 bezahlt und die Aktien auf den Depots der beiden eingebucht wurden, kostete eine Aktie schon 180 Euro, wenig später stieg sie auf knapp 200 Euro, genau: 199,85 Euro. Die beiden hielten auch diese Kursgewinne für den Lohn ihres unternehmerischen Risikos. Dass die Idee, sich fast alles in Aktien bezahlen zu lassen, nur eine riesige und unglaublich dumme Wette gewesen war – davor hatte sie niemand gewarnt. Um sie herum schossen ja fast alle Kurse durch die Decke. Zeitler galt – in den Worten seines engeren Stabs – als »gottverdammtes Genie«. BX Biotech forschte an Medikamenten sowohl gegen Krebs als auch gegen HIV und stand, so Zeitler, kurz vor dem Durchbruch. Wer hätte ihnen da erklären sollen, dass sie das unternehmerische Risiko ihres Käufers nicht im Geringsten beurteilen konnten? Bei BioServiX hatten sie im Fahrersitz gesessen, kannten das Unternehmen in und auswendig, hatten selbst entscheiden können. Bei BX Biotech saßen sie in einem sehr großen Bus in der vorletzten Reihe und konnten nur aus dem Fenster blicken, um zu ahnen, wohin die Reise ging.

Dass BX Biotech im Verkaufsprozess wesentlich mehr Ressourcen für professionelle Beratung hatte als Matthias und Andreas, war offensichtlich. Deshalb war es auch kein Wunder, dass die M&A5-Berater von BX Biotech im Sinne ihres Mandanten ein lebhaftes Interesse daran hatten, dass Matthias und Andreas lieber in (virtuellen) Aktien als in harten D-Mark bezahlt wurden. Die eher mittelmäßigen Anwälte und Steuerberater von BioServiX zumindest erkannten das Problem nicht oder fühlten sich für wirtschaftliche Fragen nicht zuständig. Schlimmer noch: Christian Schneider, der Steuerberater der beiden, bot sogar an, bei der Anlage des verfügbaren Cashs zu »helfen.« Er empfahl ihnen seinen guten Studienfreund Wolfgang Beutel, einen sogenannten unabhängigen Vermögensberater aus Blankenese, der sich auf Jungunternehmer spezialisiert habe. »An sich macht der das erst ab fünf Millionen, aber wenn ich den frage, dann macht er das schon auch so. Da löse ich mal Bonuspunkte für Sie beide ein, der Beutel sieht ja auch selbst, was für ein Potenzial Sie haben …«

Andreas, der in diesen Dingen etwas phlegmatischer war, unternahm erst mal nichts – ein Umstand, der ihm am Ende den totalen finanziellen Zusammenbruch ersparen sollte. Matthias dagegen traf sich mit Beutel bereits in der folgenden Woche. Beutel war freundlich und offenbar gut informiert, was die neuesten Trends am Markt anging. Er kannte nicht nur die wesentlichen Player im Bereich Biotech, sondern fühlte sich auch im Bereich Internet und Hightech zu Hause.

Es war schon auch die Gier, die Matthias antrieb, aber nur zu einem kleineren Teil. Ebenso wie seine Frau Marina war er in einem Umfeld groß geworden, das in finanzieller Hinsicht von Bescheidenheit und Sparsamkeit geprägt war. Sein Vater hatte als Schneider, seine Mutter als Altenpflegerin in Teilzeit jede Mark zusammengespart, um in ihrer holsteinischen Heimat ein Grundstück zu erwerben, auf das sie dann ein kleines Häuschen bauten. Und das im wörtlichen Sinne: Wenn der Vater abends von der Arbeit heimkam, zog er sich kurz um, um dann die nächsten drei Stunden auf der Baustelle mitzuhelfen. Das nannte man Muskelhypothek.

Hauptsächlich wollte Matthias das lästige Thema erledigt haben, das Beste aus seinen Möglichkeiten machen und den Kopf frei haben für Wichtigeres: seinen Job und seine inzwischen hochschwangere Frau. Am Ende hatte er einfach mit einem schlechten Berater zu einem sehr schlechten Zeitpunkt eine sehr schlechte Antwort auf eine ziemlich schlechte Frage gefunden: »Wie mache ich aus dem Geld am schnellsten mehr Geld?«

Innerhalb der ersten Monate des Jahres 2000 investierte Matthias sein verfügbares Kapital. Er hielt es dabei für besonders klug, nicht nur im Bereich Biotechnologie zu investieren – obwohl er sich damit ja am besten auskannte –, sondern mit Beutels Hilfe auch »breit gestreut« in andere »Zukunftsbranchen«. Um das Risiko weiter zu senken, kaufte er keine einzelnen Aktien, sondern Fonds. So fühlte er sich gut abgesichert. Denn – so Beutel – »es ist ja durchaus möglich, dass sich ein heute sehr Erfolg versprechendes Unternehmen auch mal nicht so gut entwickelt und vielleicht sogar pleitegeht«. Was Matthias besonders überzeugte, war, dass Beutel »völlig unabhängig von einzelnen Produktanbietern« beriet und ihm nur von renommierten Ratingagenturen ausgezeichnete Manager empfahl – Manager, die in der Vergangenheit »extrem erfolgreich« gewesen waren. Und das nicht nur für den deutschen »Neuen Markt«, sondern auch für die USA und sogar für Asien. Matthias unterschrieb die nötigen Papiere, überwies 2,9 Millionen D-Mark und war erleichtert, dass sich dieses lästige Thema so schnell erledigt hatte.

Auch Beutel war zufrieden: 116 000 D-Mark Provision und jedes Jahr ein »Kickback«6 von 21 500 D-Mark von den Fondsgesellschaften hatte er mit gerade mal zwei Gesprächen à 45 Minuten verdient. Er würde Schneider dringend wieder mal für ein Männerwochenende nach Dubai einladen müssen. Da durfte er nicht rumgeizen.

Als die Tech-Bubble im März 2000 platzte, ging alles Schlag auf Schlag: Der Kurs der BX Biotech brach in sich zusammen: im April 2000 von knapp 200 Euro auf 120 Euro, bis zum Oktober 2000 auf 60 Euro. Na ja, viel war noch nicht passiert, Matthias musste halt noch ein Jahr durchhalten. Im Januar 2001 war eine BX-Biotech-Aktie noch 20 Euro wert. Was noch beunruhigender war: Die Investoren der BX Biotech wurden erst langsam ungeduldig, dann nervös. Entsprechend zögerlicher und zurückhaltender waren sie, weitere Kapitalerhöhungen mitzugehen. Und die wenigen Abteilungen der BX Biotech, die Geld verdienten und nicht nur verbrannten – wie etwa die, die einmal BioServiX gewesen war –, litten an einer sehr dürren Auftragslage. Doch nicht nur BX Biotech kam unter die Räder. Die Kursgewinne der gesamten Technologie-Euphorie lösten sich in Luft auf, was Matthias eins zu eins an seinem Depot ablesen konnte: Von seinen 2,9 Millionen D-Mark waren nach einem Jahr noch knapp 520 000 Euro vorhanden.

Hatte sein »Berater« Beutel ihm die letzten Monate abwechselnd empfohlen, durchzuhalten oder in derzeit noch aussichtsreichere Investments zu wechseln, war er seit ein paar Wochen faktisch nicht mehr zu erreichen. Sein Steuerberater Schneider, der Beutel ja empfohlen hatte, zuckte nur mit den Achseln. Er hatte mit Matthias jetzt noch ein wesentlich dringenderes Problem. Anfang 2001 flatterte nämlich auch der Steuerbescheid zum Verkauf der BioServiX bei Matthias ins Haus: rund 2,8 Millionen D-Mark respektive 1,43 Millionen Euro. Ohne einen Verkauf seiner Aktien der BX Biotech war das nicht zu bezahlen – und das war frühestens in einem Jahr möglich. Ärgerlich genug: Er würde sich von Aktien trennen müssen, die nicht mal mehr ein Drittel von dem wert waren, was einmal die Grundlage des Kaufpreises gewesen war. Aber was soll’s, es würde immer noch ein stattlicher Betrag übrigbleiben. Er musste also nur mit dem Finanzamt reden, dass die ihm noch ein bisschen Zeit gaben.

Die gute Nachricht: Das Finanzamt war einverstanden, die Steuerzahlung so lange zu stunden, bis die Lock-up-Frist abgelaufen sein würde. Die schlechte Nachricht: Der Kurs der BX Biotech verfiel immer weiter: 10 Euro, 5 Euro, 3 Euro. Als Matthias endlich verkaufen konnte, war eine BX-Biotech-Aktie weniger als einen Euro wert und sein Aktienpaket von in der Spitze 37 800 000 Euro auf 189 000 Euro zusammengeschnurrt. Es tröstete ihn wenig, dass er kein Einzelfall war, sondern dass es sehr vielen (ehemaligen) Start-up-Millionären während der Tech-Blase so erging.

Im Gegenteil, das kollektive Elend des gesamten Technologie-, Internet- und Biotech-Sektors schlug voll auf seine persönliche Situation durch. Und dieses Elend war immens: Im Juni 2003 sah sich die Deutsche Börse gezwungen, ein ganzes Marktsegment ‒ den Neuen Markt ‒ aus Imagegründen wieder zu schließen. Der entsprechende Index »Nemax 50« hatte seit seinem Höchststand zwischenzeitlich im Durchschnitt über alle enthaltenen Aktien hinweg bis zu 96 Prozent verloren – und Matthias war voll mit dabei gewesen. Seine Fonds waren keine 120 000 Euro mehr wert.

Wenn das Finanzamt wenigstens bereit gewesen wäre, auf die erdrückenden Zinszahlungen zu verzichten, dann hätte Matthias vielleicht noch eine Chance gehabt. Aber annähernd 6 000 Euro Zinsen pro Monat – das war Anfang 2002 deutlich mehr, als er überhaupt verdiente.

Der letzte Hoffnungsschimmer bestand darin, die Reste der einst stolzen BioServiX von der BX Biotech zurückzukaufen. Im Sommer 2002 gelang das Andreas und Matthias schließlich mit der Hilfe zweier Investoren. Endlich konnten sie wieder selbst entscheiden und neue Kunden suchen, ohne auf Firmenpolitik und andere Hindernisse Rücksicht zu nehmen. Das neue Unternehmen, das sie XY Bio tauften, stand von Anfang an unter Druck. Das einfache Misserfolgsrezept: zu viele Angestellte, zu wenige Kunden, zu viele von BX Biotech geerbte Verpflichtungen. Dennoch feierten Matthias und Andreas jeden kleinen neuen Auftrag. Rückblickend hatte diese Unternehmung vermutlich von Anfang an keine realistische Chance gehabt, auch wenn die beiden das lange nicht wahrhaben wollten – bis zu jenem denkwürdigen Abend, als Andreas seine Ansprache vom sinkenden Schiff hielt, Matthias keinen Ton mehr herausbekam und ihn die schwangere Marina daheim freudestrahlend mit einer Flasche Sekt empfing.

Die Magie des Geldes

Geld ist logisch, mathematisch, objektiv. Wenn irgendetwas ein harter Fakt in unserem Leben ist, dann ist es Geld. Oder?

Schon im ersten Jahr lernen die neuen Banklehrlinge die wesentlichen drei Funktionen von Geld: Geld ist erst mal ein universelles Tauschmittel, das beliebig in Waren und Dienstleistungen konvertiert werden kann. Zweitens dient es als Aufbewahrungsmittel, als Wertspeicher, um ebendiesen Tausch zu einem beliebigen Zeitpunkt in der Zukunft durchführen zu können. Und drittens hat Geld offenbar die Eigenschaft, sich (auf wunderbare Weise) selbst zu vermehren, wie es in der klassischen Bankenwerbung heißt: »für Sie zu arbeiten«, seinen Tauschwert parallel zum Vergehen von Zeit erhöhen.

Geld scheint so unemotional zu sein wie sonst nur Naturgesetze. Sein Wert wird überwacht von hochkomplexen Zentralbanken mit topausgebildeten Volkswirten und Finanzmathematikern. Geldmengen werden kalkuliert und gesteuert, Inflationsraten verfolgt, Zinssätze definiert, und auch die Kapitalmärkte sind dabei so unbarmherzig wie logisch und effizient.

Doch diese Rationalität ist nur die eine Seite der Medaille: Geld hat ein Janus-Gesicht – es hat zwei widersprüchliche, nein, sich komplementär ergänzende Seiten. Was sollte man von einer Sache, die lange Zeit nur als Münze im Umlauf war, auch anderes erwarten? Die postulierte Rationalität von Geld ist im Grunde nur ein Gegengift, ein Psychopharmakon, das verschleiern soll, wie das Thema Geld, ja Geld selbst, vermint ist mit Dutzenden irrationalen, emotionalen und sich widersprechenden (Wert-)Vorstellungen.

Das beginnt damit, dass das Geld als solches ja nichts anderes ist als eine kollektive Fiktion: ein Stück weitgehend wertloses Metall mit dem Bild eines Gottes oder eines Kaisers. Ein Blatt Papier, versehen mit der Garantie des Staates und einer Strafandrohung an etwaige Fälscher: »Wer Banknoten nachmacht oder verfälscht, oder nachgemachte oder verfälschte sich verschafft und in Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.« So stand das früher auf jedem D-Mark-Schein. Doch staatliche Sanktionen sind bei Weitem nicht alles: »In God we trust« heißt es auf der Dollarnote, was nichts anderes bedeutet, als dass das Auge von Gott selbst über den Wert des Geldes wacht. Diese Garantie wird umso brüchiger wird, je laizistischer unsere Gesellschaft wird und je mehr sich das Geld in einen virtuellen Raum von Buchgeld, von Nullen und Einsen zurückzieht.

Die religiöse Metaphorik im Umfeld von Geld ist unübersehbar. Die ersten Bankenpaläste – etwa die New York Stock Exchange in der Wall Street – sahen aus wie Tempel. Dekorierte Volkswirte und Experten, auch als »Auguren« tituliert, haben mit ihren Wirtschafts- und Börsenprognosen die Rolle der delphischen Pythia und anderer antiker Seher übernommen – inklusive einer ritualisierten, oft animistischen Rhetorik respektive Liturgie. Und nicht zu vergessen der (Priester-)Ornat – dunkelblauer Anzug mit weißem Hemd, dunkelroter Krawatte und goldenen Manschettenknöpfen –, der Wohlanständigkeit und Professionalität ausstrahlt.

Wenn die Geld- und Welterklärungsmodelle von Volkswirten und Notenbankern in der Ersatzreligion Kapitalismus an die Stelle heiliger Texte und schamanischer Rituale getreten sind, dann ist es auch kein Zufall, dass sich schamanische und volkswirtschaftliche Erzählungen und Modelle frappierend ähneln. Schamanen wie Wirtschaftsweise versuchen, anhand komplexer, weitgehend fiktionaler Gedankenkonstrukte, eine feindliche, kaum begreifbare Welt verstehbar und damit erträglich zu machen. Sollten Amulette, die Jahrtausende gegen Geister und Hexen geschützt haben, nicht wenigstens in der Lage sein, die Inflation unter Kontrolle zu halten? Teilweise mit den gleichen grafischen Mitteln? Einen Hinweis darauf sehen Sie in den beiden folgenden Abbildungen. Ich habe ihn wie so vieles Andreas Beck zu verdanken.

Abbildung 1: SFC-Modell nach Berg/Hartley und Richter

Quelle: Matthew Berg, Brian Hartley, Oliver Richters, 2015.7

Abbildung 2: Weltmodell – Sami-Mythologie

Quelle: Wikipedia8

Kein Zufall auch, dass sich das Wort »Kredit« vom lateinischen credere (deutsch: glauben) ableitet – wenn es sich auch nicht um den Glauben an das eigene Seelenheil handelt, so doch um den Glauben an die durch die EZB garantierte Stabilität des Geldes, konkreter: den Glauben daran, das eigene Geld in ferner Zukunft irgendwann wiederzubekommen. Denn Vertrauen in den Wert des Geldes ist das A und O des Funktionierens einer Währung: Solange alle fest daran glauben, dass Geld existiert und funktioniert, solange zumindest alle fest daran glauben, dass genügend andere Menschen fest daran glauben, ist alles in Ordnung. Und so wird das Funktionieren des Geldes nicht nur durch Gott, den Staat und die Hohepriester der Währung garantiert, sondern gleichsam durch das Kollektiv der Gläubigen beziehungsweise der Gläubiger. In diesem Sinne befindet sich im Psychopharmakon Geld relativ wenig konkreter Wirkstoff, seine Heilkraft ist vielmehr die eines Placebos, eines Schadenszaubers, der auf kollektiver Autosuggestionskraft beruht.

Doch die religiös informierte und strukturierte Fiktionalität von Geld selbst ist lediglich ein Aspekt der hohen emotionalen Aufladung von Geld. Die Magie des Geldes reicht weiter. Schauen wir uns daher die drei Funktionen des Geldes laut dem Textbuch für den Banklehrling an noch mal genauer: Wertspeicher, Selbstvermehrung und universelles Tauschmittel.

Als Wertspeicher ist Geld selten einfach nur Geld, ein Wintervorrat, der Konsum – potenziell bis nach unserem Tod – in die Zukunft verschiebt. Es ist stets auch eine Chiffre, ein Symbol, ein Gradmesser, erklärt durch sein Vorhandsein – ebenso wie durch seine Abwesenheit – zumindest teilweise, wer wir sind. Es definiert und konserviert unseren Status, unseren Erfolg, unsere Macht, was wir wert sind.

Dies reicht bis in die Sprache hinein: Englisch, die Muttersprache des Kapitalismus, ist da meist ein Stück deutlicher und brutaler als Deutsch: »Mr. Miller has a net worth of $ 5 million« heißt nicht nur: »Mr. Miller hat ein Nettovermögen von 5 Millionen US-Dollar«, es heißt wörtlich ebenso: »Mr. Miller ist (netto) fünf Millionen US-Dollar wert.« Das funktioniert nicht nur mit dem Geld, das bereits als Vermögen vorhanden ist, und es funktioniert beileibe nicht nur im Englischen: »I earn 5 000 Euro«, zu Deutsch: »Ich verdiene 5 000 Euro«, heißt ja nicht einfach: »Ich bekomme für meine geleistete Arbeit 5 000 Euro« – ich verdiene sie, »I earn it«, und dadurch, dass ich sie verdient habe, bewertet der Zahlungsstrom nicht nur meine Leistung, er bewertet auch mich selbst, meinen Selbstwert. Was, wenn ich 5 500 Euro verdienen würde? Wäre ich dann nicht 10 Prozent mehr wert?

So wird die komplexe Bewertung eines Menschen durch das, was er ist, erst ersetzt durch das, was er tut – was wesentlich einfacher ist –, dann durch das, was dieses Tun monetär gemessen wert ist, um schließlich den Wert eines Menschen im schlimmsten Fall auf eine mit einem Währungszeichen versehene Zahl zu reduzieren. Haben statt Tun, Tun statt Sein. Nicht zufällig heißt Vermögen ja auch die Fähigkeit, etwas zu tun.

So toxisch diese Bewertung von Menschen durch ihr Vermögen auch ist, so besitzt sie nicht nur für Vermögende mitunter eine Eigendynamik, der man schwer widerstehen kann. Während sich die Frage, was »genug« ist, kaum beantworten lässt, verengt sich die Antwort auf die Frage, wie viel Geld man haben möchte, schnell auf eine Vokabel: »Mehr.« Denn wäre Mr. Miller mit 10 Millionen US-Dollar nicht doppelt so viel wert als mit 5? Und da die unbegrenzte Geldvermehrung zumindest im Diesseits irgendwann ja keinen Sinn mehr ergibt, knüpft sich an Vermögen oftmals auch der Traum, nach dem eigenen Tod ein Vermächtnis zu hinterlassen, etwas, das bleibt, ein kleines Stück säkulare monetäre Unsterblichkeit. Wenn am Geld also nicht nur die unmittelbare Finanzierung meines Lebens hängt, sondern mein Selbstwert und ein Stück Unsterblichkeit – ist es dann verwunderlich, dass der Umgang des Menschen damit so von Ängsten geprägt ist? Braucht er auch deshalb die Amulette einer nur bedingt belastbaren Finanz- und Wirtschaftswissenschaft, damit er sich im Dunkeln nicht so sehr vor den Gespenstern seiner Existenz fürchtet?

Angst und die Kehrseite der Angst – die Gier – prägen auch die Funktion des Geldes, Werte nicht nur zu speichern, sondern auch den wundersamen Umstand, dass Geld sich (angeblich) aus sich selbst heraus vermehren kann. Eine Magie, die offenbar insbesondere die Finanz-Alchemisten der Finanzmärkte beherrschen, um aus Geld immer mehr Geld zu machen – unbegrenzt und immer schneller. Diese Logik hat ihre diversen Nebenwirkungen und Kippmomente: zum einen, weil der Versuch, sein Vermögen möglichst schnell zu maximieren, häufig in den Verlust ebendieses Vermögens mündet. Geld muss nämlich ekelhafterweise seinen Tauschwert über die Zeit gar nicht erhöhen, sondern kann ihn – nicht nur durch die Inflation – auch wieder verlieren. Zum anderen, weil sich bei der Fixierung auf Geldvermehrung auch die Besitztumsverhältnisse schnell umdrehen: Dann gehört das Vermögen nicht mehr uns, sondern wir dem Vermögen. Es nimmt im wörtlichen Sinne Besitz von uns.

Blicken wir zuletzt auf die Funktion des Geldes als universelles Tauschmittel. Auch hier setzt sich die Magie des Geldes fort. Wenn der Kapitalismus in unserer säkularen Welt in weiten Teilen an die Stelle der Religion getreten ist, dann ist das Geld darin logischerweise das Geheimnis des Glaubens: ein Medium, in dem eine immer fortwährende magische Wandlung stattfindet. Das ist für uns ebenso angsteinflößend wie bezaubernd. Und aus der Perspektive der Religion erweist sich der Generalverdacht gegenüber dem Mammon mehr als berechtigt. Was für eine lästige, mächtige und vor allem moralfreie Konkurrenz!

Geld kann in weit mehr eingetauscht werden als einfach nur in Waren und Dienstleistungen. Es tauscht sich (zumindest bedingt) in so unterschiedliche und flüchtige Dinge wie Erinnerungen, Beziehungen, Freiheit, Sicherheit, Status, Identität, Zufriedenheit, (Aus-)Bildung, ja sogar Zeit, genauso aber auch in Hass, Angst, Neid, Einsamkeit oder Macht über andere. Dabei funktioniert die Transaktion nicht nur in eine Richtung: Wenn man Geld etwa durch die Finanzierung einer Ausbildung oder eines Studiums in Bildung verwandeln kann, so knüpft sich daran ja fast immer auch die Erwartung eines monetären Return on Investment.

Ähnlich sieht es bei der Verwandlung von Geld in Beziehungen aus, sei es die Einladung eines Mandanten zum Mittagessen, die Bestechung eines Beamten in der Baubehörde oder der Besuch im Bordell. Dabei gestaltet sich auf beiden Seiten der Transaktion die Gewichtung von Beziehungs- und monetären Interessen unterschiedlich: Für den einen tauscht sich Geld in Beziehung, für den anderen Beziehung in Geld. Und wenn ich mir keine Liebe kaufen kann, dann doch zumindest die Illusion davon oder die Beschleunigung meines Bauantrags.

Am trügerischsten ist die Transaktion von Geld in Zeit. Denn während Geld zumindest theoretisch unbegrenzt und dauerhaft zur Verfügung steht, ist die menschliche Lebenszeit begrenzt und ihre Dauer ungewiss, sodass der Versuch, die zu Geld gefrorene Zeit im Alter wieder aufzutauen, immer wieder scheitert: Wir sind nicht mehr die gleichen, unser soziales Umfeld ist nicht mehr das gleiche, die Gesundheit brüchig und im schlimmsten Fall sind wir selbst schlicht nicht mehr da.

Am Ende erweist sich Geld als eine Art flüssiger Energie, als geronnene, nicht realisierte Möglichkeit. Es wirkt wie ein Brandbeschleuniger, ein großer Ermöglicher oder eben auch als großer Verhinderer. Solange Geld nicht durch eine Transaktion in einen anderen Zustand gewandelt wird, ist es als solches eigentlich erst einmal wertlos: Was ist die zu Geld gefrorene Zeit, wenn sie nicht wieder aufgetaut wird? Erst in der Transaktion entfaltet sich die enorme, oft konstruktive und ebenso häufig zerstörerische Kraft des Geldes. Geld ähnelt in diesem Aggregatszustand in gewisser Weise dem Feuer: Man kann damit ein Haus ebenso heizen wie niederbrennen. Geld ist damit im wahrsten Sinne brandgefährlich, und es ist absolut fahrlässig, wie naiv und unreflektiert die meisten Menschen damit umgehen und somit sich und andere gefährden.

Wir sollten daher dringend genauer beobachten und reflektieren, was wir mit Geld machen, vor allem aber sollten wir verhindern, dass Geld etwas mit uns macht. Dass es Besitz von uns ergreift, Macht über uns bekommt. Die meisten Menschen lassen sich zwar von der Magie des Geldes verzaubern – den wenigsten gelingt es allerdings, diese Magie für sich selbstbestimmt zu nutzen. So ist es alles andere als verwunderlich, dass wir angesichts des irrationalen, fiktionalen und emotionalen Dickichts, das Geld umgibt, angesichts der eigenen Sprech- und Denkunfähigkeit bei einem der zentralsten Themen unseres Lebens überfordert sind. Wie Sie schon in der ersten Geschichte gesehen haben: Es geht nicht in erster Linie um unser Geld, es geht um unser Leben. Schauen wir uns das weiter an.

Start-up II

Sechs Jahre

Vier Monate nach der Insolvenz der XY Bio gründeten Matthias und Andreas mit den letzten Euros, die sie noch auftreiben konnten, Metago-Bio. Sie starteten mit drei Mitarbeitern und den letzten verbleibenden treuen Kunden. Für zwei, eher drei Jahre lebten sie von der Hand in den Mund. Andreas gelang es, noch einmal einen größeren Kredit von der Bank zu bekommen, um damit die Steuerschulden zu bezahlen, für die der Cash-Anteil aus dem Unternehmensverkauf nicht mehr ausreichte. Matthias dagegen fuhr finanziell endgültig an die Wand. Nach zwei qualvollen Jahren am Ende ergebnisloser Verhandlungen mit dem Finanzamt meldete er Privatinsolvenz an. Die Folge: Bis zur gesetzlichen Pfändungsfreigrenze wurde Matthias‹ Gehalt gepfändet, und er musste sich sechs Jahre zu sogenanntem Wohlverhalten verpflichten. Jeder zusätzlich verdiente Euro ging an seine Gläubiger, und die Familie durfte buchstäblich keinen einzigen Euro neue Schulden machen.

Dass Matthias vermutlich pleitegehen würde, war ja bereits bei der Gründung von Metago-Bio absehbar gewesen. Um das Unternehmen vor diesem Fall zu schützen, hatten Andreas und Matthias deshalb schon damals vereinbart, dass in diesem Fall alle Anteile des Unternehmens allein an Andreas fallen würden. Eigentlich ein Standardverfahren bei jeder Unternehmensgründung. Was nicht Standard war, war das Gentlemen’s Agreement der beiden, das in Andreas‹ Worten vereinfacht so aussah: »Wenn alles vorbei ist, Matthias, dann kriegst du die Teile irgendwann schon irgendwie wieder.« »Irgendwann schon irgendwie« – das war nicht wirklich viel, wenn man für eine relativ ferne Zukunft ein Stück Hoffnung brauchte.

Die nächsten sechs Jahre waren für Marina und Matthias finanziell sehr hart. Jeder Euro wurde zweimal umgedreht, ihr Sohn Louis trug die Kleidung seiner großen Schwester Paula auf. Ein Ausflug ins Kino alle drei Monate fühlte sich wie purer Luxus an. Am schlimmsten jedoch war der permanente Druck, bloß nicht auch nur einen einzigen Euro auf dem Konto ins Minus zu kommen, sonst wäre das Privatinsolvenzverfahren gescheitert. Beide sind überzeugt, dass es die finanzielle Prägung aus ihrer Kindheit, die damals gelernte und gelebte Sparsamkeit war, die sie diese Belastung dauerhaft durchhalten ließ.

»Was sind wir ohne unser Unternehmen und was ist das Unternehmen ohne uns?«

Klaus H. (63) beim Gedanken daran, sein Unternehmen in Zukunft zu verkaufen (Juni 2021).

Rückblickend gibt es keinen Grund, diese Zeit zu idealisieren oder zu verkitschen. Dennoch erinnern sich Marina und Matthias nicht voller Bitterkeit an diese Zeit. Auch weil sie sich bemüht haben, es ihren Kindern, Paula, Louis und ab 2008 auch Max, trotz allem so schön wie möglich zu machen – den finanziellen Stress, soweit es ging, von ihnen fernzuhalten. »Die Urlaube, die wir damals gemacht haben, waren vielleicht die schönsten unseres Lebens. Wir haben einen uralten Bulli notdürftig immer wieder repariert und sind damit bis Korsika, durch ganz Italien und sogar bis nach Griechenland gefahren sind. Irgendwo haben wir dann meist wild gecampt, uns auf dem Gaskocher irgendwas warm gemacht oder uns im Supermarkt ein Picknick für den Strand eingekauft. Die Bilder, wie die drei mit Max‹ Gummidrachen Norbert auf Korsika im Meer planschen, gehören bis heute zu den wertvollsten Erinnerungen meines Lebens«, erzählten mir Matthias und Marina Jahre später. Das ist vermutlich Matthias‹ größte Leistung: im Moment seines völligen beruflichen Scheiterns seine Ehe nicht an die Wand gefahren zu haben und weiter ein guter Vater für seine Kinder gewesen zu sein. Eine Aussage, die er selbst so kommentiert: »Klingt schön, aber ohne meine Frau hätte ich das nicht geschafft. Es ist also unser beider Leistung.«

Am 27. Mai 2011 endete Matthias‹ Wohlverhaltenspflicht, die restlichen Schulden wurden ihm erlassen. Einen Tag später rutschte das Konto der Familie zum ersten Mal mit 38,50 Euro ins Minus. Punktlandung. Metago hatte sich in der Zwischenzeit moderat, aber insgesamt gut entwickelt: Das Unternehmen hatte inzwischen wieder zwölf Angestellte, einen Jahresumsatz von knapp 1,5 Millionen Euro und erzielte nach einem bescheidenen Geschäftsführergehalt für Andreas und Matthias rund 250 000 Euro Gewinn. Auch wenn die glorreichen Zeiten des Neuen Marktes vorbei war – 1,5 oder eher 2 Millionen Euro war das Unternehmen mittlerweile allemal wert.