Geliebter Bär - Rene Winter - E-Book

Geliebter Bär E-Book

Rene Winter

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Miranda Baker ist eine junge Frau, die sich von der Familie abgewendet hat und alleine auf ihren Füßen steht. Gerechtigkeit hat einen hohen Wert für sie und sie wird eine Geschworene in einem Mordprozess. Der Angeklagte William Hasbrook wird mit ihrer Stimme verurteilt. Als er das erste Mal aus dem Gefängnis entkommt, rächt er sich an Richter und Geschworenen. Auch Miranda wird sein Opfer. Glücklicherweise kann ihr Tod von der Polizei verhindert werden, doch das Erbe, dass ihr William hinterlässt, stößt sie in eine tiefe Isolation. Neun Jahre später gelingt dem Mörder wieder die Flucht. Besessen davon, eine unerledigte Sache abzuschließen, taucht er erneut in ihrer Nähe auf. Nur knapp entkommt sie und ihre Tochter Helen dem Tod. Dieses Mal war der Retter der Park-Ranger Brody Redcloud. Er versteckt die beiden in seinem Haus. Dort lernt Miranda, was Vertrauen schaffen kann, auch wenn seine Methoden für sie sehr ungewöhnlich und beängstigend sind. Doch sie hat den Mut, es zu versuchen. Sie lernt, ihm völlig zu vertrauen, auch weil er ihr ganz vertraut. Doch William hat nicht aufgegeben. Brody sieht nur eine Möglichkeit und holt sich sehr ungewöhnliche Hilfe für den Sow-Down. Dort wird sich zeigen, ob diese Hilfe ausreicht.   Da das Buch einige explizite Beschreibungen enthält, nur für Erwachsene.  

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Rene Winter

Geliebter Bär

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Geliebter Bär

 

Eine Gestaltwandler-Lovestory

 

 

 

 

 

 

 

 

Rene Winter

 

2022

 

[email protected]

 

Vorwort

 

Ich erzähle eine Geschichte, keinen Tatsachenbericht.

 

Wegen der expliziten Beschreibungen ist sie für Leser (m/w/d) ab 18 Jahren geeignet.

Alle hier vorkommenden Personen sind erwachsen und frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht beabsichtigt.

 

Es werden auch Aktionen aus dem Bereich BDSM beschrieben.

Bitte denken Sie immer an die Grundsätze bei BDSM:

Gegenseitiges Einverständnis, bewusste Akzeptanz und vor allem Sicherheit.

 

 

 

 

Es würde mich freuen, wenn diese Geschichte gefällt.

 

 

 

 

Inhalt

 

Vorwort

Inhalt

Verurteilt

Horror

Tiefschläge

Schock

Winternacht

Willkommen

Vertrauen

Nächte

Bomb Surprise

Besuch

Show-Down

Epilog

 

 

 

Verurteilt

 

Los Angeles City, Gerichtssaal, vor 10 Jahren:

„Bitte erheben Sie sich von ihren Sitzen.“

Die markante Stimme des Gerichtsdieners kündete das Erscheinen des Richters Jerome Wittmann an. Richter Wittmann war bereits über 60. Kurze weiße Haare und ein gebräuntes Gesicht spiegelten sein Alter und den privaten Aufenthalt in seinem Garten wieder. Er war erfahren und es war nicht sein erster Mordfall. Doch es schien ein einfaches Verfahren zu werden, denn bereits nach drei Sitzungen war es zu den Plädoyers gekommen und nun hatten die Geschworenen signalisiert, dass sie sich einig waren. Ruhigen gemessenen Schrittes trat er an seinen Platz. Fast umständlich nahm er Platz und arrangierte noch das dicke Gesetzbuch um einige Millimeter nach rechts.

„Bitte setzen sie sich.“

Das allgemeine Scharren von Stühlen und Knarren von Bankreihen erfüllte sekundenlang die Luft nach der Aufforderung durch den Gerichtsdiener.

Der Richter klopfte einmal mit dem Hammer auf.

„Sind die Geschworenen zu einem Ergebnis gekommen?“ fragte der Richter und sah zum Vorsitzenden der Geschworenen hinüber.

Marcus Osborne, ein Mitfünfzigjähriger in Nadelstreifenanzug, erhob sich erneut. Nur eine knappe Stunde hatte die Jury beraten.

„Eurer Ehren, die Geschworenen haben ein einstimmiges Urteil auf Grund der gehörten Zeugen und der vorgelegten Beweise getroffen.“

Der Sprecher machte eine kurze dramatische Pause.

„Wir befinden den Angeklagten William Hasbrook für schuldig, die fünf Morde auf dem Campingplatz begangen zu haben. Sie sind sich weiter einig über die niedrigen Beweggründe der Tat.“

Richter Wittmann hob den Kopf. Die Urteilsfindung und Begründung oblag ihm, nicht den Geschworenen. Er würde in seiner Urteilsbegründung auf die Schwere der Tat eingehen. Der Sprecher brach ab und schluckte. Gerade übergab der Mann den Zettel mit dem Beschluss der Geschworenen an den Gerichtsdiener, der ihn dem Richter weiterreichte.

„Danke, Sir.“

Mr. Osborne nickte und nahm wieder Platz. Seine Wangen waren leicht gerötet. Er hatte den dezenten Verweis verstanden. Der Blick des Richters schwenkte zu dem Angeklagten, ebenso wie die Blicke der Geschworenen und die Zuschauer.

 

William Hasbrook war 32 Jahre alt, hager mit spärlichen rötlichen Haarstoppeln. Seine teils schiefen Zähne standen wie ein Pferdegebiss nach vorne. Doch er war kräftig und flink. So überraschte er viele, die ihn vom Alter oder seinem Aussehen nach unterschätzten. Denn er trainierte sich und vor allem seinen Umgang mit verschiedenen Messern. Ansonsten war er zufrieden mit der Außenseiterrolle und pflegte sie sogar. Kaum Freunde, oft stumm und mit steinernem Gesicht lehnte er meist abseits von Gruppen an Wänden. Er drängte sich nie vor, er mochte es, wenn er normalerweise übersehen wurde. Es reichte ihm, wenn man ihn zur Kenntnis nahm, wenn er aktiv wurde. Dann die Panik im Auge der anderen zu sehen, war für ihn ein Ausgleich und Befriedigung.

Man nahm ihm ab, dass er die Gesellschaft ablehnte. Auch für die Verhandlung hatte er nur ein T-Shirt und die Jeans gewählt. Auffällig waren nur die kalten grünen Augen, mit denen er die Geschworenen scheinbar gelangweilt betrachtete.

Wie genau er sich die Gesichter und alle Informationen, die nebenbei gefallen waren, einprägte, sah ihm niemand an. Auf die Zuschauer wirkte er wie jemand, der am Bahnhof auf seinen Zug wartete: entspannt und gelangweilt. Jeder unterstellte ihm, wenn die Handschellen nicht wären, hätte er die Zeitung herausgeholt und sich beim Lesen zurückgelehnt.

Mit Gelegenheitsjobs hatte er sich über Wasser gehalten, bis er eine verbrecherische Karriere begonnen hatte. Für eine Bande war er aktuell als Überzeuger und Kassierer unterwegs. Es ging um Schutzgeld. Er verwendete keine Schusswaffen, aber mit seinem Springmesser kannte er sich aus. Er brach keine Knochen, wenn er nachdrücklich wurde, aber ein kleiner Stich oder Schnitt blieben eine längere Mahnung. Dabei gab es die ersten Verhaftungen wegen Körperverletzung. Ein anderer Grund, warum er Schusswaffen ablehnte, lag daran, dass er Lust empfand, wenn er schnitt und das Blut hervorquellen sah. Das wusste aber nur er.

Jetzt nannte ihn die Presse den ‚Butcher‘. Er hatte den Campingplatzbesitzer einschüchtern sollen, doch es lief aus dem Ruder. Der Mann weigerte sich und griff zu einer Waffe. William Hasbrook schnitt ihm deswegen die Kehle durch. Da das Ganze im kleinen Laden des Campingplatzes stattfand und die Frau und der zehnjährige Sohn Zeugen waren, brachte er sie ebenfalls um. Und dann hatte ein älteres Ehepaar das Pech, in dem Moment den Laden zu betreten. Ihnen gelang noch ein Hilferuf, dann waren auch sie tot. Doch William Hasbrook konnte nicht mehr fliehen. Eine Streife war zufällig in der Nähe gewesen und hatte ihn festgenommen.

Das Messer mit seinen Fingerabdrücken, die Aussagen von sechs Leuten, die ihn aus dem Haus hatten kommen sehen, die Blutspritzer auf seinem Hemd und nicht zuletzt die Überwachungskamera, die alles aufgezeichnet hatte, waren eindeutige Beweise.

 

William Hasbrook schwieg bei der Aussage des Sprechers der Jury. Nur kurz zuckten seine Wangenmuskel. Sein Blick glitt weiter über die zwölf Geschworenen, elf Männer und eine Frau. Eigentlich hatte er bei Verfahrensbeginn nur ein gelangweiltes „Nicht schuldig“ gesprochen. Ab da hatte er geschwiegen. Hatte ihn der Staatsanwalt verhört, hatte er den nur stumm und ohne eine Miene zu verziehen angestarrt. William protestierte nicht, machte keine Zwischenrufe, wirkte nicht einmal aufgeregt. Er war anwesend, aber ignorierte alle.

Sein Pflichtverteidiger hatte es mehr als schwer gehabt. Denn William hatte bei allen Punkten nur die Schultern gezuckt und geschwiegen. Bei der Beweislage konnte selbst der frechste Verteidiger nicht auf ‚Unschuldig‘ plädieren. Also versuchte er es mit Affekthandlung, da ein Streit eskaliert sei. Die Kameraaufzeichnung widerlegte es eindeutig. Verminderte Schuldzuweisung durch Alkohol wurde durch den Bericht der verhaftenden Beamten widerlegt. Im Prinzip stand der Verteidiger von Anfang an auf verlorenem Posten, denn das aufgezeichnete, fast methodische Vorgehen bei den Taten sprach für sich. Es blieb kaltblütiger Mord allein übrig.

Richter Wittmann ließ ebenfalls seinen Blick über die Geschworenen gleiten. Bei ihm war es Routine, denn er wollte den entschlossenen Gesichtsausdruck bei allen erkennen. Es hatte schon den Fall gegeben, da war die Entscheidung zwar einstimmig genannt worden, doch hatte er das zweifelnde Gesicht bei einem Geschworenen genutzt und insgeheim nachgehakt. Der hatte damals zugegeben, dass er gezweifelt und sich nur der Mehrheit angeschlossen hatte. Deswegen suchte der Richter nun, ob wieder jemand zweifelte. Immerhin ging es um mehrfachen Mord.

Die Geschworenen waren aus allen Altersgruppen, von verschiedenen ethnischen Herkünften und auch eine Frau war vertreten. Eine recht junge Frau, wie der Richter fand. Vielleicht Anfang 20 hatte sie dunkelbraune schulterlange Haare, braune Augen, eine schlanke Gestalt und ein schmales Gesicht. Normalerweise hätte der Richter die Augen als seelenvolle Rehaugen bezeichnet, aber jetzt blickten sie angewidert und hart. Auch die Lippen waren zusammengepresst.

Miranda Baker war tatsächlich angewidert. Vor knapp zwei Jahren war sie in die Stadt gezogen, gerade volljährig. Sie hatte Steuerrecht gelernt und arbeitete in einer Firma, die für Klienten die Steuer erledigte. Nebenbei hatte sie sich sozial engagiert und sich bei Gericht als Geschworene angeboten. Und jetzt hatte sie gleich so einen Fall bekommen. Auch wenn sie lieber für einen Schuldigen nach Pluspunkten suchte, hier war es so eindeutig und die Tat so brutal, selbst in ihren Augen, dass der Angeklagte keinerlei Nachsicht verdiente.

 

Der Richter räusperte sich und blickte auf seinen Zettel. Auch für ihn kam das Ergebnis der Geschworenen keineswegs unvermutet. Im Gegenteil. Er hatte selten einen derart eindeutigen Prozess erlebt.

„Mr. Hasbrook. Sie als Angeklagter haben das letzte Wort.“

Der schüttelte nur schweigend den Kopf. Ein kurzes Nicken vom Richter ging zum Gerichtsdiener. Der kannte den nächsten Schritt des Ablaufes.

„Bitte erheben Sie sich für die Urteilsverkündung.“

Wieder war sekundenlanges Scharren und Rascheln zu hören. Auch der Angeklagte hatte sich mit provozierend langsamen Bewegungen von seinem Sitz erhoben und sah mit einem gelangweilten Gesichtsausdruck zum Richter.

„Die Geschworenen des Gerichts von Los Angeles haben den Angeklagten, William Hasbrook, für schuldig befunden, fünf Morde auf dem Campingplatz der Stadt ausgeführt zu haben.“

Richter Wittmann wiederholte die Details und Beweise.

„Hiermit verurteile ich den Angeklagten, William Hasbrook, auf Grund der erwiesenen Kaltblütigkeit der Tat, zu fünfmal Lebenslänglich. Eine vorzeitige Haftentlassung wird ausgeschlossen.

Die Begründung im Detail. …“

Wieder erfolgten detaillierte Erklärungen, abgeschlossen durch Rechtbelehrungen, Einspruchsfristen und anderer Formalismen mehr.

Dann fiel der Hammer des Richters mit einem harten Schlag und besiegelte das Urteil.

Minuten später wurde der immer noch wortlose, jetzt verurteilte William Hasbrook von zwei Beamten zur Seitentür hinausgeführt. Von dort ging es direkt in dem wartenden Transporter und mit einem begleitenden Streifenwagen ins Gefängnis. Innerhalb der nächsten Tage würde er in ein anderes Gefängnis für Schwerverbrecher mit höherem Sicherheitsstandard verlegt.

Staatsanwalt und Richter räumten ihre Unterlagen zusammen. Hier würden noch die offiziellen Dokumente erstellt und der Verteidiger konnte mit seinem Mandanten Widerspruch einlegen oder in Revision gehen. Doch beides passierte nicht, denn der Verurteilte schwieg seinen Verteidiger nur an. Der war fast froh, als er damit sein Mandat beenden konnte. Er hätte sich in beiden Fällen sowieso nicht die geringsten Chancen ausgerechnet. Alles war zu eindeutig gewesen.

Auch die Geschworenen erhoben sich und verließen schweigend den Sitzungssaal auf einem anderen Weg. In dieser Konstellation würden sie nicht mehr zusammenkommen und die Schweigepflicht hinderte sie daran, jetzt den Fall erneut zu diskutieren. Das wollte niemand, denn die Tat war zu grausam gewesen und die Videobeweise hatten jeden belastet.

 

Auch Miranda Baker ging nachdenklich. Sie hatte gerade jemanden wegen Mordes, mehrfachen Mordes verurteilt. Natürlich nicht persönlich, aber als Geschworene hatte sie das Urteil vom Richter gefordert. Zusammen mit den anderen Geschworenen. Niemand hatte bei der Abstimmung gezögert. Alle, auch sie, hatte sofort die Hand gehoben und mit Ja gestimmt.

Jetzt dachte sie darüber nach, zu was für einem Menschen sie diese Tat … ihre Handlung nun machte. Veränderte sie sich? Blieb sie noch die gleiche, wie vor dem Prozess?

Ihre Gedanken wanderten weg und zwei Jahre in die Vergangenheit. Gewalt hatte sie von Zuhause weggetrieben. Gerade volljährig hatte sie ihre Sachen gepackt und die Familie verlassen. Glücklicherweise hatte sie ihr Erbe gehabt und damit finanzielle Unabhängigkeit.

Eine Tante war gestorben, als Miranda gerade ihren 18. Geburtstag gefeiert hatte, und hatte der Familie eine knappe Million hinterlassen. Und die Familie hatte einfach gleich geteilt. Jeder, die Eltern, ihre beiden Brüder und sie hatten plötzlich rund 200.000 Dollar mehr auf dem Konto. Natürlich waren Gespräche aufgekommen, was man mit so viel Geld anfangen wolle.

Die Eltern wollten damit ihren Lebensabend absichern und mehr Reisen. Der Schock für Miranda aber waren ihre Brüder gewesen. Cedric, der Älteste, war damals 23 gewesen und sein Bruder Winston, der Zweitälteste, war 21 Jahre alt.

Beide kamen in dem Gespräch mit der Aussage, dass sie ihr Erbe in einem Club investieren wollten. Sie hatten bereits die Fühler ausgestreckt und mit einem Dritten, einem Millionär, einen Vorvertrag geschlossen. Ihm würde eine Hälfte und den beiden Brüdern die andere Hälfte gehören als Eigner.

Natürlich hatte man über diesen Club gesprochen. Schließlich wollten auch die Eltern wissen, ob man mit so etwas überhaupt Geld verdienen konnte, ob man davon leben konnte. Die Brüder hatten lange drumherum geredet, dann aber gestanden, dass es ein BDSM-Club werden würde. Und sie hatten sich geoutet, dass ihnen das Dominieren von Frauen liegen würde.

Verständlicherweise waren die Eltern mehr als überrascht gewesen. Für sie war es die Frage, was sie bei ihrer Erziehung verkehrt gemacht hätten, wenn so ein frauenunterdrückendes Bild herauskam. Auch Miranda hatte das Zimmer angewidert verlassen. Ihre Brüder wollten Frauen unterdrücken? In ihrem Zimmer hatte sie sich an ihren PC gesetzt und das Thema gegoogelt. Von Plüschhandschellen und leichtem Po-Hauen hatte sie schon gehört, aber was die Brüder beschrieben, musste wesentlich härter sein. Also stand ‚BDSM‘ und ‚hart‘ in ihrer Suchmatrix. Die Bilder und Clips hatten sie entsetzt. DAS stellten ihre Brüder mit Frauen an? DAFÜR wollten sie sogar einen Club? Frauen foltern? Öffentlich und sogar legal?

Zehn Tage später war sie von zu Hause ausgezogen. Ihren Eltern hatte sie ihren Ausbildungsplatz in L.A. genannt und den Brüdern nur einen Brief hinterlassen mit den Worten

‚Mit Verbrechern, die Spaß am Quälen von Frauen haben, will ich nichts zu tun haben. Meldet euch erst, wenn ihr damit aufgehört habt.‘

Miranda hatte sich nicht weiter mit dem Thema beschäftigt. Wer Frauen peitscht, der schlitzt auch Kehlen durch, war ihr Empfinden. Und nun war so ein Monster mit ihrer Hilfe aus dem Verkehr gezogen worden. Eigentlich fühlte sie sich gut. Nur bei den Brüdern, die jetzt wieder hochkamen in ihr Bewusstsein, konnte sie es nicht genauso einstufen. Oder lag es nur daran, dass sie nur schlugen?

Für die nächsten Tage beschäftigte sie das Urteil noch. Doch sie stand weiter voll hinter ihrer Entscheidung und begrüßte es. Trotzdem zog sie ihre Bereitschaft als Geschworene zurück. Es belastete sie, diese Verantwortung zu übernehmen. Hier war es eindeutig gewesen. Was aber, wenn es nicht so klar war und ihr Urteil einen vielleicht Unschuldigen lebenslang hinter Gitter brachte?

Langsam gewann wieder der Alltag den Vorrang und damit ihre Aufgaben als Steuerberaterin.

 

--- xxx ---

 

Im Gefängnis blieb William Hasbrook, wie draußen auch – unauffällig. In den ersten Tag wurde er von Mithäftlingen misstrauisch beobachtet und dann getestet. Schnell und hart machte er deutlich, dass er nichts an der bestehenden Hierarchie der Häftlinge ändern wolle, aber dass er auch nicht ein weiteres Opfer der untersten Ebene sei. Er wäre hier und das allein habe man zu akzeptieren. Man akzeptierte, tolerierte und ignorierte ihn.

Die Gefängnisleitung war froh, dass sich William als ‚pflegeleicht‘ herausstellte und bei keinem Klüngel oder irgendetwas mitmachte. Die Aufmerksamkeit aller ließ nach. William war da, verhielt sich pflichtgemäß, störte nie oder sorgte für Aufmerksamkeit.

Ein Jahr verging. Erst da gab William einem anderen Gefangenen, der entlassen wurde, eine Nachricht mit. Eine Nachricht an jemanden, der ihm einen großen Gefallen schuldete, einen sehr großen.

 

 

Horror

 

Los Angeles Police Department, Morddezernat, vor 9 Jahren:

Lieutenant Hank Bowen leitete seit gestern ein Sondereinsatzkommando bei der Mordkommission des LAPD, des Los Angeles Police Departments. Lieutenant Bowen war einer der dienstältesten Beamten des LAPD. Gestern hatte ihn sein direkter Chef, Captain Hogan, zu einer Besprechung gerufen. Mittwochmittag, hatte Bowen auf dem Weg gedacht und er sah sein verdientes Wochenende schwinden, denn derartige Besprechungen gingen Ereignissen voraus, die nicht in Stunden erledigt waren. Jedenfalls nicht in der Regel. Als er den Besprechungsraum betrat, saßen dort neben Chief Commissioner Glen Smith noch sechs weitere Beamte, alles erfahrene Lieutenants.

Bowen erkannte allein zwei Profiler unter den Anwesenden. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Das roch nicht nach Schwierigkeiten, das stank nach sehr großen Schwierigkeiten. Der Commissioner winkte Bowen mit einer Handbewegung zum Sitzen. Für einen Moment starrte er in seine Akte vor ihm und räusperte sich dann.

„Gentlemen, wir haben Probleme. L.A. hat ein Problem. Vorhin war der Bürgermeister bei mir und hat mir einige Zeitungen auf den Tisch geworfen. Es geht um einige Morde.“

Er winkte ab, als der Captain seinen Mund öffnete.

„Ich weiß, Hogan, sie wollen mich daran erinnern, dass wir täglich mit Mord zu tun haben, dass Sie unterbesetzt und überlastet sind. Es geht um einige spezielle Morde. Bisher haben wir fünf Opfer. Zwei davon in Glendale, zwei in Pasadena und einer in Arcadia. Das klingt verteilt und Sie wundern sich. Aber lassen Sie mich sagen, dass die Morde zusammenhängen. Zumindest ist die Methode die gleiche, wie es aussieht. Wieso die Morde, ist ihre Aufgabe. Wer dahintersteckt, ist ihre Aufgabe. Den oder die Täter festzunehmen, ist ihre Aufgabe.

Die Presse waren die ersten, die einen Zusammenhang erkannt haben und sie nennen den oder die Täter ‚Schlitzer‘. Und das ist zumindest ein Verbindendes. Alle Opfer wurden in ihren Wohnungen überfallen. Man hat sie an Küchenstühle gefesselt und ihnen dann die Schlagadern aufgeschnitten, so dass sie verblutet sind. Alle nach dem gleichen Schema, den gleichen Schnitten, der gleichen Waffe, einem Teppichmesser, sagen die Forensiker.

Weiter wissen wir, dass zwei Tote ein Richter im Ruhestand mit seiner Frau sind. Einer ist ein Handwerker, ein weiterer hatte einen kleinen Imbiss und der letzte arbeitete in einem kaufmännischen Job. Nichts, was die Leute auf den ersten Blick verbindet. Keine gleichen Clubs, keine gleichen Hobbys. Dafür unterschiedliche Berufe, soziale Hintergründe, Alter, sogar Abstammungen. Nach bisherigen Erkenntnissen wurde nichts gestohlen. Also keine Raubmorde. Scheinbar nur rein willkürliche Morde ohne erkennbaren Hintergrund.

Das ist die Faktenlage.“

Der Commissioner sah ernst in die Runde.

„Die Presse fordert Aufklärung und steht dem Bürgermeister auf den Füßen. Der schiebt mir den Ball zu und trampelt auf meinen Füssen herum. Und ich gebe ihn an Sie weiter. Mit dem Captain habe ich im Vorfeld abgesprochen, dass Lieutenant Bowen das Sonderkommando führt. Wenn Sie“, er nickte Bowen zu, „weitere Kräfte brauchen, sagen Sie es dem Captain. Er unterstützt Sie.

Ansonsten kennen Sie den Spruch, dass ich bis gestern Ergebnisse haben will.“

Damit gab er der Akte einen Schubs, so dass sie vor dem Lieutenant liegen blieb. Er erhob sich, nickte noch einmal grimmig in die Runde und verließ den Raum.

Schweigen lastete nach seinem Abgang im Raum. Jeder musste erst einmal verdauen, was ihnen gerade serviert worden war. Schließlich brach der Captain das Schweigen.

„Gentlemen. Dieser Raum wird zu ihrer Zentrale. Meine Sekretärin wird ein entsprechendes Schild anbringen und das Haus informieren. Die einzelnen Akten habe ich bereits, ebenso wie die Berichte der jeweiligen Pathologen und Forensiker, angefordert. Sie dürften in Kürze eintreffen.

Ich muss dem Commissioner leider zustimmen, die Fälle und möglichen Vorgehensweisen ähneln sich verdammt. Also dürfte ein wichtiger Aspekt sein, was die Opfer miteinander verbindet. Waren sie im selben Golfclub, nahmen sie an der gleichen Veranstaltung teil, was auch immer? Es muss etwas Gemeinsames geben. Oder gibt es Aspekte, die die Opfer einer irgendwie gearteten Zielgruppe zuordnen, die ein Serienmörder attackiert? Es gibt nur nichts Offensichtliches. Die Opfer sind zu verteilt, nichts wurde versucht zu vertuschen. Es ist, als ob der oder die Täter sagen wollten, da habt ihr sie.

Wir denken auch nicht, dass es ein Bandenkrieg ist, denn keines der Opfer war in kriminelle Machenschaften verstrickt. Trotzdem. War es ein Racheakt? Ist es ein Triebtäter? Will er sich mit uns nur messen und zeigen, dass er cleverer ist als wir?

Aber … und das betone ich besonders … uns bleibt nicht viel Zeit. Alle bisherigen Morde waren im Abstand von zwei, maximal vier Tagen. Der letzte Mord war heute Morgen aufgefunden worden. Er ist gestern Abend passiert nach den Pathologen und sie können selber rechnen. Wenn es also Zusammenhänge gibt, dann kennen der oder die Täter ihre Ziele, egal, wie verteilt sie im Stadtgebiet wohnen. Dann können Sie an jedem Ort und zu jeder zeit zuschlagen. Und wir laufen nur hinterher und kümmern uns um das Ergebnis.

Was auch immer, finden Sie es schnell und dann geht die Jagd auf den oder die Täter los. Irgendetwas muss einen Zusammenhang bilden.

Wenn nicht, haben wir morgen, übermorgen oder in drei Tagen die nächste Leiche auf dem Tisch.“

 

Die nächsten beiden Tage waren Datenanalyse. Jeden Tag verbrachten die Ermittler der Sonderkommission mehr als vierzehn Stunden in dem Raum. Mit vier weiteren Kollegen änderten sie es zum 24 Stunden Betrieb in zwei Schichten. Zwischen jedem Mord lagen zwei oder auch vier Tage. Jede Minute konnte also die Meldung über den nächsten Mord kommen. Dafür musste jede winzigste Spur gefunden und akribisch untersucht werden.

Die Wand des Raumes war gepflastert mit den Bildern und Berichten. Auf Chards und auf Monitoren waren Thesen und mögliche Verbindungen dargestellt. Die Lüfter kämpften mit Kaffeegeruch, verbrauchter Luft und Schweiß.

Aber bisher hatte niemand einen brauchbaren Ansatz gefunden. Das Klebeband beim Fesseln stammte aus einem der vielen Heimwerker-Märkte und war Massenware. So viele Überwachungsaufzeichnungen konnten sie gar nicht ansehen. Sie konnten auch nicht jeden, der eine Rolle gekauft hatte, verhaften und sein Leben durchleuchten. Zumindest nicht, solange sie nicht wussten, nach wem sie Ausschau hielten. Oder hatte der Täter seine Oma oder ein Kind einkaufen geschickt und man klammerte die Personen gerade aus?

Wildeste Theorien wurden zur Diskussion gestellt und von den anderen zerpflückt. Die Profiler versuchten sich ein Bild von dem oder den Tätern zu machen, aber ihnen fehlten Informationen, so dass auch sie momentan nur raten konnten. Aber sie tendierten immer mehr zu einem Einzeltäter. Das einzige, worüber sie sich einig waren, war in Summe, dass der Täter kaltblütig vorging. Er kam zu den Toten. Er war in deren Wohnungen. Und doch gab es keine verwertbaren Spuren. An vier verschiedenen Tatorten. Er musste sich auskennen. Er war kein Anfänger.

Der Imbissladenbesitzer, ein Mitfünfzigjähriger namens Marcus Osborne, hatte sein Geschäft seit knapp zehn Jahren und war in keinem Verein tätig. Sein Leben war sein Geschäft. Mit vier Angestellten lief sein Imbiss recht gut … aber auch nicht überragend, was Reichtümer anging.

Der Angestellte Fred O’Malley war bei einer größeren Firma beschäftigt und einer von 38 Kolleginnen und Kollegen in der Vertriebsabwicklung. Er lebte in dem Großraumbüro und züchtete zu Hause Orchideen. Hier war er in Foren und kleinen Gruppen aktiv. Nur eben keiner der anderen.

Der Handwerker Mike Carter arbeitete in einer Elektrofirma als Installateur von Klimageräten. Auch er war seit sechs Jahren dort beschäftigt, ohne dass jemand sich negativ über ihn äußerte. Und er schien eine Art Casanova zu sein, der regelmäßig Freundinnen wechselte. Allerdings gab es keine Kontakte zu verheirateten Frauen, so dass ein gehörnter Ehemann auch ausschied.

Der Richter, Jerome Wittmann, war vor einem halben Jahr in Rente gegangen und hatte sich mit seiner Frau um Haus und Garten gekümmert. Bei Gericht hatte er mit Mördern, Dieben und Betrügern zu tun gehabt. Er war der einzige, der seitens von durch ihn Verurteilten mit Rache zu rechnen gehabt hätte. Jetzt grub man sich durch seine Fälle. Wen hatte er wie lange hinter Gittern geschickt? Gab es dokumentierte Drohungen? Wer war noch im Gefängnis, den er verurteilt hatte?

Aber er lieferte einen Hinweis. Er war das Ende des Fadens, den die Sonderkommision suchte. Durch ihn löste sich die Lawine aus. Lieutenant Hank Fitzgerald, der sich durch die Akten des Richters arbeitete und in jedem einzelnen Fall nach den Verurteilten suchte, mit Gefängnissen telefonierte und recherchierte, rief plötzlich laut auf. Alle wandten sich ihm zu. Hatte er etwas gefunden?

 

„Leute, ich glaube, ich habe etwas. Hier ist ein Fall, bei dem es um mehrfachen Mord ging. Ein gewisser William Hasbrook. Die Presse nannte ihm damals ‚Butcher‘, weil er mit einem Messer tötete. Vier Erwachsene, ein Kind. Eindeutige Beweise. Fünf Mal Lebenslänglich. Der Prozess war schnell. Ist gerade mal etwas über ein Jahr her.“

„Was ist besonders?“ fragte Lieutenant Bowen.

Ein fünffach Lebenslänglicher im Gefängnis stellte erst einmal keine Bedrohung dar. Oder hatte er eine rachsüchtige Familie?

„Der Mörder ist vor einem Monat aus dem Gefängnis im Kings Country entkommen. Die dort zuständige Behörde vermutet externe Unterstützung in Verbindung mit dem Arzt, der den Häftling als Notfall zum Krankenhaus schickte. Bei der Überführung wurde das Begleitfahrzeug abgedrängt und der Häftling aus dem anschließend angehaltenen Krankenwagen mitgenommen. Seitdem fehlt jede Spur.“

Alle schauten sich für einen Moment an. Ein flüchtiger Mörder mit Spezialisierung auf Messer? Das Messer passte auf die Taten. Der Richter passte auch. Was war mit den anderen?

„Ok, damit haben wir jemanden für den Richter. Dann müsste dieser … William Hasbrook vom Kings Country schon eine Strecke nach L.A. zurückgelegt haben. Nur um seinen Richter umzulegen?“

Lieutenant Bowen zweifelte. Auch wenn eine hauchdünne Spur gerade aufgetaucht war, gab es doch noch etliche Fragezeichen bei der Verbindung.

„Ich hole mir mal die Akte von dem Prozess. Vielleicht hat er ja die obligatorischen Drohungen ausgesprochen“, meinte Hank Fitzgerald über die Schulter und Bowen nickte.

„Los“, befahl Bowen dann, „das ist ein möglicher Ansatz. Schaut in die Lebensläufe der anderen, ob es Begegnungen mit diesem William Hasbrook gab.“

Er blickte in die Runde und klatschte zweimal in die Hände. Wieder brach Hektik aus. Jetzt hatte jeder einen Namen. Das gab neuen Schwung. Auf den Anzeigen wurde diese erste Verbindung eingetragen.

Eine halbe Stunde später war es wieder Hank, der mit seinem lauten Aufschrei die Aufmerksamkeit aller auf sich zog.

„Oh shit“, stieß er zwischen den Zähnen hervor.

„Oh shit“, stimmte Lieutenant Bowen ebenso inbrünstig zu, als er über die Schulter des anderen den Grund sah.

Auf dem Monitor war die digitalisierte Akte und Hank hatte die Liste der Geschworenen aufgeschlagen. Und da standen die Namen.

Jerome Wittmann, Richter.

Marcus Osborne, Sprecher der Geschworenen

Fred O’Malley, Geschworener

Mike Carter, Geschworener

und noch neun weitere Namen.

Hier war die Gemeinsamkeit. Alle Tote waren im Prozess um William Hasbrook dabei gewesen. Als Richter und als Geschworene. Sie alle hatten den Verbrecher für schuldig befunden und verurteilt.

… und William Hasbrook befand sich aktuell auf freiem Fuß. Es erschien deutlich, wofür er sein Entkommen nutzte. Rache. Und der letzte Mord lag beinahe drei Tage zurück.

Es brauchte nur wenige Sekunden, um das zu erfassen.

 

„Los, los, Leute. Ich brauche die aktuellen Wohnorte aller noch lebenden Geschworenen. Wo sind sie? Was machen sie? Wie können wir sie schützen?“

Bowen klatschte nachdrücklich in die Hände und alle wirbelten durcheinander. Die Liste wurde ausgedruckt und klebte Sekunden später an der Wand. Die Toten waren markiert. Während die Gruppe hektisch Adressbücher durchsuchte, Telefonbücher prüfte, Einwohnermeldeämter anrief, meldete Bowen den ersten Erfolg an den Commissioner.

In den nächsten Minuten kamen die ersten Zettel neben die Namensliste. Drei davon waren in andere Bundesstaaten verzogen, einer sogar nach Hawaii. Die dortigen Polizeistationen würden informiert und Personenschutz abgestellt, bis man den Flüchtigen hatte.

Blieben noch sechs Personen hier in L.A.. Fünf Männer und eine Frau. Kaum waren die Adressen gefunden, wurde auch schon eine Streife losgeschickt. Sie sollten sie zuerst einmal hierherbringen. Dann würde man mit ihnen weiter planen.

Vier der Männer waren auf der Arbeit. Die Streifen änderten die Route. Sie würden sie nun vom Arbeitsplatz abholen.

Es blieben noch ein Mann und die Frau. Die Befragung der Nachbarn ergab, dass der Mann auf Urlaubsreise war. Also bemühte man sich, ihn am Urlaubsort zu finden.

Die Frau meldete sich nicht beim Anruf. Das führte zu einem anderen Problem. Die Streife in ihrer Nähe antwortete nämlich auch nicht auf den Funkruf der Zentrale. Der Motorradpolizist konnte nicht direkt hinfahren. So meldete es das zuständige Revier an die Sonderkommission. Aber es wiegelte gleich ab.

„Wahrscheinlich gönnt er sich gerade einen Kaffee. Ich schicke einen entfernteren Wagen als das Bike.“

„Egal“, schnauzte Bowen, „orten sie das Fahrzeug.“

„Wozu. Warten Sie ein paar Minuten, dann meldet er sich sicher“, kann entspannt zurück.

„Orten!“ brüllte Bowen in das Telefon.

Jedes Polizeifahrzeug war mit einem Tracker ausgestattet, so dass die Einsatzzentralen immer genau den Standort ihrer Fahrzeuge sehen konnten.

„Wenn ich nicht in fünf Sekunden die Position habe, können Sie dem Commissioner ihre Inkompetenz erklären! Verstanden?“

Alle im Raum zuckten zusammen, als seine Stimme erneut aufpeitschte, doch es dauerte doch einige Sekunden länger, bis die Position durchgegeben wurde. Mit einem Blick verglich Bowen die Position des Motorrads mit den Adressen auf der Liste an der Wand.

„Shit!“ schrie er erneut.

Position des Fahrzeugs und Adresse der Frau stimmten überein. Woher hatte der Beamte die Adresse, wenn ihn noch niemand informiert hatte? Es gab nur eine mögliche Antwort. Bowen ordnete Großeinsatz für das zuständige Revier an. Gleichzeitig sollte man die letzte bekannte Position des Motorradbeamten prüfen. Dann waren er und vier Kollegen schon beim Lauf zu den Fahrzeugen. Nur zwei Beamte würden hierbleiben, weitersuchen und koordinieren, falls notwendig.

 

 

Zwei Stunden früher:

Miranda trug ihren beigen Hausanzug. Der kurzärmelige Overall fiel locker. Das Wochenende begann und sie wollte den Hausputz erledigen. Dann würde sie noch einen Kuchen für morgen backen. Am Sonntag hatte sie ihre Freundinnen zum Kaffee eingeladen.

Seit einer Weile war sie mit dem Staubsauger im Wohnzimmer unterwegs. Dabei hatte sie die Kopfhörer aufgesetzt und sang die Lieder mit. Als sie fertig war, packte sie den Staubsauger wieder weg und legte die Kopfhörer ab. Jetzt klangen die Lieder leise aus den Lautsprechern. Während dem Saugen hätte sie nichts anderes gehört. So aber hatte sie auch nicht ihr Handy gehört, dass jetzt wieder schwieg. Es bestand für sie kein Grund nachzusehen, ob jemand angerufen hatte. Wenn es wichtig ist, ruft er wieder an, sagte sie immer, wenn sie darauf angesprochen wurde, warum sie nicht dauernd das Display im Auge hatte.

Auf ihrem Weg zur Küche klingelte es an ihrer Haustür. Miranda runzelte die Stirn. Sie erwartete nichts und niemanden. Trotzdem ging sie nachsehen. Vielleicht war es nur eine Nachbarin, die etwas Zucker brauchte.

„Ja, bitte?“ fragte sie, als sie die Tür öffnete.

Vor ihr stand ein Mann in der Uniform eines Motorradpolizisten. Er hatte den Helm noch aufgesetzt und das verdunkelte Visier geschlossen. Sie runzelte die Stirn. Polizei? In Gedanken ging sie die letzten Tage durch, ob sie irgendwo einen Verstoß begangen hatte. Ihre Blicke glitten zur Brust der schlechtsitzenden Uniform, um das Namensschild abzulesen.

„Um was geht es, Officer Henley?“ fragte sie erneut.

Für einen Sekundenbruchteil sah sie die behandschuhte Faust auf sich zukommen. Zu einer Abwehr kam sie nicht mehr. Ein Blitz durchzuckte sie, als die Faust ihr Kinn traf. Dann herrschte Dunkelheit.

 

Langsam kehrte das Denken in ihren Kopf zurück. Ihr Kinn schmerzte. Da war der Polizist. Dann die Faust. Der Polizist hatte sie geschlagen? Mit der Erkenntnis riss es sie aus dem Dämmern und sie wollte ….

Aber sie konnte nichts. Erst jetzt bemerkte sie ihre Lage. Sie wollte schreien … und konnte auch das nicht. Nur ein dumpfes Geräusch entkam ihr. Ihr Blicke zuckten umher, soweit es ihr möglich war. Das Bild und ihre Eindrücke waren eindeutig. Und Panik raste durch ihren Körper.

Sie war in ihrer Wohnung. Genauer, sie lag mit dem Rücken auf dem Esstisch. Ihre Arme waren nach oben gebogen und die Hände und Unterarmen mit breitem Klebeband an die Tischbeine gefesselt. Quer über ihren Mund verlief ein weiteres Klebeband und unterdrückte wirksam ihr Schreien. Ein weiterer Klebstreifen fixierte ihre Stirn, so dass sie nur nach oben blicken konnte. Ihr Po lag an der Tischkante und auch ihre Beine waren mit Klebeband an den Tischbeinen gespreizt fixiert. Sie konnte höchstens noch mit dem Bauch wackeln, aber ansonsten nichts mehr. Dumpf klangen ihre Laute in den Knebel. Ihr Atem ging hektisch.

„Ah, schön. Du bist wieder anwesend. Dann können wir ja endlich loslegen, Baby.“

Am Rand ihres Gesichtsfeldes tauchte der Polizist auf. Erst jetzt hob er die Hände und löste den Helm. Ihre Augen weiteten sich, als sein Gesicht sichtbar wurde. Rötliche kurze Haare und eisig grüne Augen. Das Gesicht würde sie nicht vergessen. Niemals in ihrem Leben. William Hasbrook. Und er grinst breit und hämisch.

Ein absurder Gedanke blitzte durch ihren Kopf. In einem Thriller stand einmal etwas von einem ‚irren Flackern‘ in den Augen des Mörders. Damals habe ich geschmunzelt, weil ich es mir nicht vorstellen konnte. Es machte die Szene aber dramatischer und den Täter bösartiger. Jetzt weiß ich, wie es aussieht, dieses ‚irre‘ Leuchten in den Augen von William, wenn er mich ansieht. Ich fühle die Eiseskälte auf meinem Rücken bei dem Blick. Ich ….

„Heute ist Zahltag, Kleine. Du hast dein Urteil über mich gefällt. Das hat mir nicht gefallen. Heute fälle ich mein Urteil über dich. Und du wirst es genießen. Aber erst einmal muss die Verurteilte einen neuen Anzug bekommen. So einen, wie du jetzt trägst, steht dir nicht mehr zu.“

Aus den Augenwinkeln konnte sie zusehen, wie er die Handschuhe abstreifte und beiseite warf. Dann schälte er sich aus der Uniformjacke. Darunter trug er nur ein Unterhemd, dass er auch auszog.

„Wir wollen uns doch nicht beschmutzen, Baby“, grinste er gemein.

Sie sah auch das gierige Flackern in seinen Augen und eisige Schauer liefen über ihren Körper. Sie ahnte Furchtbares. Ihre Ahnungen schienen noch überboten zu werden, als William ein breites Teppichmesser vor ihre Augen hob. Miranda konnte den Blick nicht von dem Gerät lösen. Mit einem leisen Klick schob sich die Klingenspitze nur ein oder zwei Millimeter aus der Hülle heraus. Eine Fingerbewegung von ihm verriegelte die Klinge. Ihr war eiskalt am ganzen Körper und auch eiskalter Schweiß trat auf ihre Stirn. Ihr Herz fing an zu rasen.

Soweit sie ihre Augen verdrehen konnte, verfolgte sie das Messer. Dann war es aus ihrer Sicht, aber gleich darauf spürte sie die Spitze am Anfang ihres rechten Ärmels. Sie fühlte das Eindringen der Klingenspitze in ihre Haut.

Sie brüllte in den Knebel, doch nur dumpfe Geräusche waren hörbar, als sich die Klinge bewegte. Langsam glitt sie durch ihre Kleidung. Und durch ihre Haut. Für sie fühlte es sich an, als ob ein glühender Draht auf ihrer Haut verlegt wurde. Am Arm entlang, über die Schulter, weiter an ihre Seite hinunter zu den Beinen bis an die Knie, wo die Hose endete. Und dann das Gleiche auf der anderen Seite. Tränen rannen aus ihren Augenwinkeln. Ihre Sicht verschwamm. Das Brennen an der Haut war höllisch für sie.

Langsam begriff sie, dass das Brennen noch bestand, aber nichts mehr hinzukam. Es dauerte noch, bis sie fühlte, dass die Kleidung von ihrem Körper verschwunden war. Sie lag entblößt vor seinem Blick. Und sie sah die Gier und dieses Flackern in seinen Augen durch ihren Tränenschleier. Jetzt spürte sie auch seine Hände.

„Oh, Baby. Du hast einen tollen Körper. Da sind deine klasse Titten“, erneut wurde ihr Schreien im Klebeband unterdrückt, als seine Hände ihre Brüste brutal zusammendrückten, „und deine Fotze lädt mich direkt ein.“

Miranda fühlte seine Finger, die rücksichtslos ihre Schamlippen auseinanderzogen, und hart in sie eindrangen.

„Ja, du Schlampe, ich werde dich genießen. Ich gönne dir noch einige Stunden, bis ich mein Urteil vollstrecke. Schade, dass du nur die einzige Fotze bei der Jury warst. Dafür hast du am meisten Spaß.“

Er kicherte leise und gemein.

Sie konnte an den Geräuschen hören, wie er sich auszog. In Gedanken versank sie bereits im angekündigten Horror. Die nächsten Stunden waren weit schlimmer als die gedachte Hölle. Ihr Unterleib stand in Flammen, wenn er sie so trocken, wie sie war, nahm. Wieder und wieder. Ihr Körper stand in Flammen, wenn er seine Zeichen in sie schnitt. Sie empfand es als flüssiges Eisen auf ihrer Haut. Wurde sie bewusstlos, wartete er mit der nächsten Runde, schlug ihre Wange hart oder überschüttete sie mit kaltem Wasser.

Bis sie endgültig in völlige Agonie versank. Ihr Kopf schaltete ab. Ohne zu sehen, blickten ihre Augen nach oben zur Decke. Sie blinzelte, aber das war alles an Reflexen, was sie noch zeigte. Sie spürte ihn nicht mehr oder was er mit ihrem körperlichen Sein machte. Auch ihren Körper und dessen Schmerzen hatte sie ausgeblendet. Sie war wie in einer Blase. Ganz, ganz tief in einer verborgenen Nische ihres Seins. Ihr war alles egal. Heute würde sie sterben. Ob ihr Sterben in einer Minute oder einer Stunde zu Ende war, interessierte sie nicht mehr. Für ihren Geist war es bereits geschehen.

 

Ihr Kopf bekam gar nicht mehr mit, wie plötzlich Tumult in ihrer Wohnung ausbrach, als Polizei das Haus stürmte. Sie spürte nicht, wie William Hasbrook von ihr weggerissen und überwältigt wurde. Sie reagierte nicht, als ihre Fesseln entfernt wurden. Sie blieb weiter stumm und abwesend, während sich Sanitäter um ihre Wunden provisorisch kümmerten und mit Grauen in der Stimme kommentierten und dokumentierten. Sie blieb vollkommen apathisch, als sie auf eine Trage gebettet wurde und in den Krankenwaren kam. Sie ließ alles mit sich machen. Äußerlich schien sie wach zu sein, doch ihr Geist hatte sich völlig aus dem Körper zurückgezogen. Er schwebte in einer schwarzen stillen Blase und hatte den Blick nach außen ausgeklammert. Sie nahm nichts von ihrer Umwelt mehr wahr. Was jemand mit ihrem Körper machte, interessierte sie nicht mehr. Sie starb … oder war schon … oder was auch immer. Sie hatte den Körper schon verlassen und wartete nur noch auf das berühmte Licht im Tunnel, dass ihr den letzten Schritt erlaubte.

Doch das Licht kam nicht. Ganz vorsichtig fing ihr Geist an, sich nach außen zu tasten, um die Ursache der Verzögerung zu finden. Jetzt hörte sie schemenhaft Stimmen. Sie verstand sie nur nicht. Dann war wieder Stille. Erneut die leisen Stimmen. Miranda verstand sie nicht, aber sie klangen ruhig. Sie klangen nicht nach William Hasbrook, nicht gemein und gierig. Sie klangen … nach Trost? Neugierig geworden tastete sie sich weiter vor. Die Stimmen wurden deutlicher. Sie sprachen von einer … Miranda? War das nicht ihr Name? Warum redeten die über sie? Was redeten die Stimmen über sie? Sie wurde interessierter? Jetzt unterschied sie Männer und Frauenstimmen.

Nebenbei drangen nun auch andere Signale in ihren Kopf. Da war das stetige, monotone Piepsen im Hintergrund. Die Luft, die nach Reinigungsmittel roch. Sie schien zu liegen. Weich. Warm. Angenehm. Sie hatte keine Schmerzen. Das Brennen ihres Körpers war verschwunden. Da war Helligkeit. Nicht stark, denn ihre Augen waren geschlossen, aber ihre tiefschwarze Blase wurde durchlässiger.

„Doc Masterson? Irgendetwas passiert bei der Patientin.“

Eine leise, drängende Frauenstimme. Sanft und doch kräftig. Kritisch. Fragend. Aufgeregt.

Ein Rascheln war neben ihr zu hören. Leise Schritte kamen näher. Ein Quietschen wie von Gummisohlen auf Linoleum. Merkwürdig, was man wahrnimmt, wenn man gestorben ist.

Die Schwester hatte neben dem Bett ihre Eintragungen gemacht, als ihr die schnellen Pupillenbewegungen unter den geschlossenen Lidern aufgefallen waren. Bisher hatte eine lebende Tote hier gelegen. Der Körper hatte funktioniert, er brauchte nicht einmal künstlich beatmet werden. Nur die Infusionen und Nährlösungen waren gelegt.

Der Arzt trat neben das Krankenbett. Seine Schuhe quietschten beim Umdrehen auf dem Boden. Er nahm routiniert ihr Handgelenk und maß Puls und Kräftigkeit. Natürlich hätte er es auch ablesen können von den Überwachungsmonitoren, aber für ihn war es Vergleich und eigenes Gefühl. Auch er sah das Zucken der Pupillen hinter den Lidern.

„Vielleicht wacht sie auf. Das wäre fast ein Wunder“, murmelte er leise.

Die Schwester nickte dazu. Doch sie mussten noch Minuten warten, bis die Lider anfingen zu wackeln. Ihr Atmen veränderte sich. Es wurde hektischer. Sie schien Angst vor dem Erwachen zu haben.

„Ganz ruhig, Miranda. Sie sind in Sicherheit. Sie sind im Saint Clara Hospital. Ruhig.“

Mit sanften leisen Worten versuchte der Arzt, sie wieder zu beruhigen. Er wollte nicht gleich wieder Medikamente einsetzen.

Mit jeder Minute des Auftauchens wurde sich Miranda sicherer. Es war wirklich eine andere Situation als bei ihrem letzten Eindruck. Es riecht nicht nach meinem Zuhause, es war ... klinisch, ja, genau, dieser fast typische antiseptische Geruch von zu viel Desinfektionsmitteln. Die Stimmen hatte sie noch nie gehört. Doch sie sah anfangs nur schemenhaft, wie durch einen Wasservorhang. Da waren zwei schemenhafte Gestalten in weiß oder sehr hell. Es gab den Kontrast zu dem leichten Grün im Hintergrund. Wieder eine Farbe, die zu Hause kein Raum hatte.

Und doch schien ihr Körper nur aus Watte zu bestehen. Träge bewegten sich ihre Augen und mit jeder Sekunde wurde ihr Blick ein wenig schärfer. Doch mehr erlaubte ihr Körper nicht. Bin ich gelähmt, raste als panische Frage durch ihren Kopf. Nicht einmal das Drehen ihres Kopfes gelang ihr. Dann versuchte sie sich auf das Fühlen zu konzentrieren. Das gelang ihr. Sie fühlte das Laken unter ihren Fingern, irgendeinen Stoff auf ihrer Haut bis zu den Füßen. Warum fühlte sie und konnte sich nicht bewegen? Und da war noch etwas. Irgendetwas schien ihr zu sagen, dass sich ihr Körper verändert hatte. Nur was? Was war anders geworden? Sie fand keine Antwort.

Noch war alles zu neu. Noch erschöpfte es sie zu schnell und sie dämmerte weg. Diesmal allerdings in einen heilsamen Schlaf. Sie bekam die Worte des Arztes schon nicht mehr mit.

„Gott sei Dank. Sie ist über den Berg. Jetzt geht es aufwärts. Mit jedem Aufwachen wird sie kräftiger. Noch ein paar Tage und wir können alle Versorgungen trennen. Machen Sie weiter, Schwester.“

 

Doktor Masterson, der Stationsarzt, hatte die Frau von Anfang an betreut. Immer wieder dachte er mit Grauen an ihre Einlieferung. Er hatte schon vieles gesehen. Da hatte es schwerere Verletzungen gegeben. Aber das waren Unfälle gewesen. Diese Frau aber war das Opfer eines perversen Sadisten gewesen. Der Arzt hatte Frauen eingeliefert bekommen mit Knochenbrüchen, gebrochenen Kiefern und Schlimmeres als Ergebnis so verharmlosend klingender ‚häuslicher Gewalt‘. Aber noch nie hatte jemand seinem Opfer derart die Haut zerschnitten. Diese Bilder hatte selbst ihn mit seiner Erfahrung nächtelang verfolgt.

Die Sanitäter im Krankenwagen vor Ort waren bei der Unzahl von Verletzungen überfordert gewesen und hatten teilweise nur provisorisch abgedeckt. Hier hatten sie stundenlang gearbeitet. Die Vorräte an Fibrinkleber in der Klinik wurde beinahe aufgebraucht. Trotzdem musste einiges geklammert werden, weil sie sonst nicht vorwärtskamen. Allein durch die Vielzahl der Schnitte verloren sie kostbare Zeit.

Fast widerwillig hatte der Arzt zugeben müssen, dass die Bestie nicht willenlos geschnitten hatte. Jeder Schnitt war nur zwei bis drei Millimeter tief. Ein eingestelltes Teppichmesser, wie er später erfuhr. Angesetzt, das Gehäuse direkt auf der Haut ergab kaum tieferen Schnitte. Schnitte durch die Oberflächenhaut, subkutane Fettschicht und selten bis in das Muskelgewebe sorgten für genügend blutende Wunden, aber keine schweren Verletzungen oder starken Blutungen. Doch ohne die schnelle Erstversorgung hätte die Frau allein an der Vielzahl verbluten können. Problematisch war für die Versorgung, dass die Schnitte die komplette Vorderseite und die Seiten betraf. Die Schwerkraft sorgte für die klaffenden Verletzungen. Und die Ärzte konnten kaum die Haut zum Verkleben zusammendrücken, denn automatisch zogen sie an anderer Stelle dadurch auseinander. Sie mussten warten, bis der Fibrinkleber hielt. Es war eine grauenhafte Arbeit gewesen. Ein Sanitäter hatte sogar den Behandlungsraum verlassen müssen.

Im Nachhinein mussten sie es als Vorteil festhalten, dass die Frau komatös gewesen war. Es gab kein Zucken, egal, was sie gemacht hatten. Und es hatte einiges an Betäubungs- und Schmerzmittel gespart. Die Medikamente hätten den Körper noch weiter belastet.

Doch erst nach dem Heilen hatte man vorsichtig begonnen, die schlimmsten Wulstbildungen bei den Narben abzuschleifen. Die Instrumente hatten gezeigt, dass die Frau lebte. Sie musste nicht einmal künstlich beatmet werden. Nur die Nährlösungen sorgten für das Überleben. Sie schluckte zwar, aber das war Reflex. Ein Kauen gab es nicht. Ansonsten war sie wie eine lebende Leiche im Bett gelegen. Keine irgendwie geartete Reaktion. Nur normale, ruhige Atmung.

Und heute gab es erstmals Augenbewegungen unter den Lidern. Sie hatte sie sogar für einige Momente geöffnet. Ihre Pupillen waren umhergehuscht. Finger hatten sich ein winziges Stück gekrümmt. Er war dankbar, dass sie den Weg zurückgeschafft hatte. Nun musste sie nur noch in der Wirklichkeit wieder Fuß fassen. Und sie musste wieder Kraft gewinnen.

 

Eine Woche später gab es beinahe einen Rückschlag. Die Tagesschwester bemerkte es beim Aufschütteln des Bettes. Alle Kanülen waren inzwischen entfernt und Miranda hatte schon ihre ersten halbfesten Mahlzeiten hinter sich gebracht. Noch immer war ihr Körper träge und schwach, was sie nicht verstand. Doch heute lag sie wieder völlig apathisch im Bett. Kein „Guten Morgen“ oder ein Lächeln, weil jemand auftauchte, mit dem man zur Abwechslung ein paar Worte tauschen konnte. Nur wieder ein an die Decke starren mit unbewegtem Gesicht.

Es brauchte noch etliche Minuten, bis der herbeigerufene Stationsarzt, Doktor Masterson, eine Antwort erhielt. Alle seine Tests waren erfolgreich gewesen, es war nur die völlige Reaktionslosigkeit der Patientin. Irgendeine seiner unzähligen Fragen war schließlich wohl der Trigger gewesen.

„Mein Körper ist zerstört. Ich habe keinen Körper mehr“, kam leise und monoton von ihren Lippen.