Gesammelte Werke von Niccolò Machiavelli - Niccolò Machiavelli - E-Book

Gesammelte Werke von Niccolò Machiavelli E-Book

Niccolò Machiavelli

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Beschreibung

Diese Ausgabe der Werke von Niccolò Machiavelli wurde mit einem funktionalen Layout erstellt und sorgfältig formatiert. Dieses eBook ist mit interaktiven Inhalt und Begleitinformationen versehen, einfach zu navigieren und gut gegliedert. Niccolò Machiavelli (1469-1527) war ein florentinischer Philosoph, Politiker, Diplomat, Geschichtsschreiber und Dichter. Inhalt: Der Fürst Die Discorsi: Das Wesen einer starken Republik (Politische Betrachtungen über die alte und die italienische Geschichte) Mensch und Staat Geschichte von Florenz Machiavellis Buch Der Fürst steht nur stilistisch in der langen Tradition der Fürstenspiegel, inhaltlich aber waren für ihn "alle Traktate von Theologen und Humanisten hohles Geschwätz, das von reinem Wunschdenken diktiert wurde". Nach Volker Reinhardt formuliert Machiavelli in diesem Werk als erster überhaupt die Grundsätze der Staatsräson: "Der Herrscher, der dem Staat dient, muss die Gesetze der traditionellen Moral verletzen. Schreckt er davor zurück, geht er zusammen mit seinem Staat unter, dessen elementare Bedürfnisse er falsch verstanden hat." Die Discorsi: Das Wesen einer starken Republik ist das literarische Hauptwerk von Niccolò Machiavelli, in dem er seine Gedanken zur Politik, zum Krieg und zur politischen Führung zusammenfasst. In seinem umfangreichen Werk entwickelt Machiavelli, der ein überzeugter Republikaner war, seine Vorstellung über ein ideales Staatswesen.

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Niccolò Machiavelli

Gesammelte Werke von Niccolò Machiavelli

Politische Betrachtungen über die alte und die italienische Geschichte: Machtpolitik und Staatstheorien

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-0940-8

Inhaltsverzeichnis

Der Fürst
Die Discorsi: Das Wesen einer starken Republik (Politische Betrachtungen über die alte und die italienische Geschichte)
Mensch und Staat
Geschichte von Florenz

Der Fürst

Inhaltsverzeichnis

Widmung
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Zehntes Kapitel.
Eilftes Kapitel.
Zwölftes Kapitel.
Dreizehntes Kapitel.
Vierzehntes Kapitel.
Fünfzehntes Kapitel.
Sechszehntes Kapitel.
Siebzehntes Kapitel.
Achtzehntes Kapitel.
Neunzehntes Kapitel.
Zwanzigstes Kapitel.
Einundzwanzigstes Kapitel.
Zweyundzwanzigstes Kapitel.
Dreyundzwanzigstes Kapitel.
Vierundzwanzigstes Kapitel.
Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Widmung

Inhaltsverzeichnis

dem Erlauchten Lorenzo de Piero de Medici.

Es pflegten meist Die, so sich bei einem Fürsten um Gunst bewerben, mit solchen Dingen ihm zu nahen, die ihnen selbst am theuersten sind, oder an denen sie sehen, daß er das meiste Wohlgefallen findet. Daher man ihnen denn öfters Pferde, Waffen, Goldstoff, edle Steine und ähnlichen Schmuck überreichen sieht, der ihrer Hoheit würdig sey. Indem nun ich auch irgend ein Zeugniß meiner Ergebenheit Eurer Erlaucht zu widmen mich gedrungen fühle, finde ich unter meinem Besitze nichts, was mir lieber und schätzbarer wäre, als die Erkenntniß der Handlungen wichtiger Menschen, wie ich dieselbe durch eine lange Erfahrung der neuen, und stete Betrachtung der alten Zeit mir erworben habe: welche ich lange mit großem Fleiße bedacht und erwogen, und jetzt zusammen in einen kleinen Band gebracht, Eurer Erlaucht überantworte. Und obschon ich dieses Werk für unwerth einer solcher Person erkenne, vertraue ich doch zur Genüge darauf, es werde Denselben, nach Ihrer Milde, willkommen seyn, in dem Verdacht, daß Ihnen von mir kein größeres Geschenk zukommen kann, als die Gelegenheit, alles was ich in so viel Jahren und unter so viel eignen Gefahr und Beschwer erkannt und beherzigt habe, in kürzester Zeit überblicken zu können. Ich habe dieses Werk nicht geschmückt mit einer Fülle weitläufiger Reden, hochtrabender und prächtiger Worte, noch sonst mit einem andern Prunk auswendiger Verzierungen, womit so Manche ihre Sachen zu schreiben und zu schminken pflegen; weil ich gewollt, daß es entweder durch gar nichts sich empfehlen soll, oder die Wahrheit der Sachen allein und die Würde des Vorwurfs es angenehm mache. Auch möge es nicht als Anmaßung gelten, wenn sich ein untergeordneter Mann von niedrigstem Stande dazu aufwirft, der Fürsten Regierungen durchzugehen und ihnen Regeln geben zu wollen. Denn, wie Die, welche die Landschaft zeichnen, sich niedrig in die Ebene stellen, um die Natur der Berge und Höhen gewahr zu werden, hingegen den Standpunkt auf Bergen in der Höhe nehmen, wenn sie die Ebnen betrachten wollen, so muß man auch, um die Natur der Völker wohl zu erkennen, Fürst seyn; und ein Gemeiner muß man seyn, um die der Fürsten wohl zu erkennen. Nehme Ew. Erlaucht demnach dies kleine Geschenk in dem Sinne an, in welchem ich es Denselben biete. Wenn Sie es fleißig bedenken und lesen, wird Ihnen mein eifrigster Wunsch darin sichtbar, daß Sie die Größe erreichen mögen, die Ihnen sowohl das Glück verheißt, als Ihre übrigen Eigenschaften. Und wenn die Blicke Ew. Erlaucht vom Gipfel Ihrer Hoheit bisweilen nach diesen niedern Orten sich wenden, werden sie finden, wie unverschuldet ich eine große und dauernde Anbilligkeit des Geschicks ertrage.

Erstes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Wie viele Gattungen von Fürstenthümern es giebt, und auf welche Arten sie erworben werden.

Alle Staaten, alle Gewalten, die über die Menschen Herrschaft geübt oder noch üben, waren und sind entweder Republiken oder Fürstenthümer. Die Fürstenthümer sind entweder erbliche, in denen ihres Herren Geschlecht seit langen Zeiten Fürsten gewesen, oder sind neue. Die neuen sind entweder durchaus neu, wie Mailand unter Francesco Sforza, oder sie werden als Glieder dem Erbstaat des Fürsten, der sie erwirbt, verbunden; so wie dem Könige von Spanien das Neapolitanische Königreich. Die so erworbenen Herrschaften sind entweder schon daran gewöhnt, unter einem Fürsten zu leben, oder in Freiheit hergekommen; und man erwirbt sie entweder mit fremder, oder mit eigener Waffengewalt, entweder durch Glück, oder durch Tugend.

Zweites Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Von den erblichen Fürstenthümern.

Ich will die Betrachtung der Republiken bei Seite lassen, weil ich davon schon anderswo ausführlicher gehandelt habe. Ich wende mich einzig zum Fürstenthum, und will, mit Wiederanknüpfung der obigen Fäden, zu zeigen suchen, wie man gedachte Fürstenthümer verwalten und behaupten kann. Also sage ich: daß in den erblichen, an den Stamm ihres Fürsten gewöhnten Staaten weit wenigere Schwierigkeiten sie zu behaupten sind, als in den neuen: weil schon genug ist, daß man nicht seiner Vorgänger Ordnung überschreite, und dann Schritt mit den Umständen halte. Dergestalt wird sich ein solcher Fürst, wenn er nur mäßiges Geschick hat, immer in seinem Staate behaupten, wenn nicht eine außerordentliche und übergewaltige Macht ihn darum bringt; und, wär er auch schon darum gebracht, wird er ihn durch das geringste Unglück des Occupanten wieder erlangen. Wir haben in Italien das Beispiel am Herzog von Ferrara, welcher den Einfällen der Venezianer i. J. 84, und denen Papst Julius X. aus keinem anderen Grunde widerstand, als weil er alter Landesherr war. Denn es hat der natürliche Fürst geringeren Anlaß und weniger nöthig, den Unterthanen Anstoß zu geben; daher er mehr geliebt seyn muß: und wenn er durch ungewöhnliche Laster sich nicht verhaßt macht, so ist es der Vernunft gemäß, daß von Natur ihm die Seinen geneigt sind: und im Alterthum und der Dauer der Herrschaft erlischt das Gedächtniß der Neuerungen, sowie die Gründe zu denselben. Weil immer Eine Veränderung zum Anbau der nächstfolgenden gleichsam von selbst die Bezahlung nachläßt.

Drittes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Von den gemischten Fürstenthümern.

Aber beim neuen Fürstenthum treten die Schwierigkeiten ein. Und erstens, wenn es nicht gänzlich neu ist, sondern nur wie ein Glied, und das Ganze gewissermaßen gemischt zu nennen, entspringt die Wandelbarkeit desselben zuvörderst aus reiner natürlichen Schwierigkeit, die alle neue Regierungen theilen. Wiefern die Menschen, in Meinung sich zu verbessern, gern ihre Herren wechseln mögen, und diese Meinung sie bewegt, gegen den Herrscher die Waffen zu kehren; worin sie sich aber gleichwohl täuschen, weil ihnen darauf die Erfahrung lehrt, daß sie sich nur verschlimmert haben. Was wieder die Folge einer andern gemeinen Natur-Nothwendigkeit ist, nach welcher man niemals umhin kann, Die, über welche man neuer Fürst wird, zu kränken, sowohl durch bewaffnetes Kriegsvolk als durch unzählige andre Unbill, die einer neuen Erwerbung anhängt. So findest du nun als deine Feinde alle Die vor, die du gekränkt hast durch Occupirung jenes Staates, und kannst dir auch Die nicht zu Freunden erhalten, die dich hineinbefördert haben, weil du sie nicht befriedigen kannst in der Art, wie sie sich vorgestellt, und weil du keine starken Arzeneyen gegen dieselben brauchen kannst, indem du ihnen verpflichtet bist: denn immer, sey Einer auch noch so stark durch Truppenzahl und Heeresmacht, muß er zum Einschritt in eine Provinz die Gunst der Provinzialen haben. Aus diesen Gründen occupirte der König von Frankreich Ludwig XII. Mailand schnell, und verlor es auch schnell; und das erste Mal es ihm abzunehmen, waren die eigenen Streitmittel der Lodovico hinreichend; weil jene Völker, die ihm die Thore geöffnet hatten, als sie in ihrer Vorstellung, und um dieß künftige Wohlergehen, so sie gehofft, sich betrogen sahen, des neuen Gebieters Ueberlast nicht zu ertragen im Stande waren. Nun ist es allerdings gegründet, daß, wenn man nachher die empörten Länder von neuem erwirbt, sie schwieriger wieder eingebüßt werden, wiefern der Fürst, die Gelegenheit der Empörung sich zu nutze machend, weit weniger bedenklich ist über die Mittel, sich sicher zu stellen durch Aufspürung der Verdächtigen, Bestrafung derer, die schuldig sind, Verstärkung aller schwachen Punkte. So daß, wenn es das erste Mal, um Mailand Frankreich zu entreißen, nur eines Herzogs Ludwig bedurfte, der auf der Grenze Lärm erhub, es ihm zum zweyten Mal zu entreißen, die ganze Welt ihm zu Leibe gehn mußte, und sein Heere aufgerieben und aus Italien verjagt seyn mußten: was sich aus obigen Gründen ergab. Und dennoch war es ihm abgenommen, das erste wie das andre Mal. Die Gründe des ersten im allgemeinen wurden erwogen; es blieben nun noch die für das andre zu bedenken, sowie die Mittel anzugeben, welcher er hatte, und welche Einer in seiner Lage haben kann, sich besser als der König von Frankreich bei dem Erworbenen zu behaupten. So sag' ich denn also: daß diese erworbenen Staaten, die der Erwerber mit seinem alten Staate vereinigt, entweder mit diesem von Einer Provinz und Einer Sprache sind, oder nicht sind, so ist es gar leicht, sie zu behaupten, besonders im fall sie nicht an freies Leben gewöhnt sind: und um sie sicher zu besitzen ist schon genug, wenn man den Stamm des Fürsten, der sie regierte, vertilgt hat; wenn man ihnen in übrigen die alten Bedingungen aufrecht hält, und keine Sittenverschiedenheit ist, die Menschen ruhig weiter leben, wie man es in Burgund, Bretagne, Gascogne und der Normandie sah, welche so lange bei Frankreich Geblieben. Denn wenn auch die Sprache in etwas abweicht, so sind doch ihre Sitten ähnlich; so daß sie sich leicht einander schicken: und wer sie erwirbt und behaupten will, muß zweyerlei vor Augen haben: erstens ihres alten Fürsten Geschlecht zu vertilgen, und zweytens, nichts in ihren Gesetzen und Steuern zu ändern: so wird er in kürzester Zeit Ein Leib mit ihrem alten Staate werden. Hingegen, wenn man Staaten erwirbt in einer Provinz, die an Sprache, Sitten und Ordnungen ungleichartig ist, da finden sich die Schwierigkeiten, und da bedarf es großen Glückes und großen Fleißes, sie zu behaupten. Und eines der besten und wirksamsten Mittel würde es seyn, wenn die Person des Erwerbers selbst hinging, und dort wohnte. Dieß würde einen solchen Besitz weit sicherer und dauerhafter machen: wie es der Türke in Griechenland hielt, der mit allen Anstalten, die er traf, um dieses Staates gewiß zu bleiben, wenn er nicht selbst dort Wohnung nahm, unmöglich ihn behaupten konnte. Denn wenn man da ist, sieht man die Unordnungen keimen, und kann dawider schleunig helfen; ist man nicht da, so hört man davon, nachdem sie schon erwachsen sind, und weiter keine Hülfe frommt. Zudem, so ist die Provinz gesichert vor der Beraubung deiner Beamten. Die Unterthanen schaffen sich Recht, da ihnen die Zuflucht des Fürsten nahe ist, wodurch sie, wenn sie gut seyn wollen, mehr Grund ihn zu lieben, und, wollen sie's nicht seyn, mehr Ursach ihn zu fürchten ihn zu erhalten. Auch hegt vor einem solchen Staate mehr Scheu, wer ihn von außen etwa zu überfallen gesonnen wär; so daß der Fürst, wenn er drinn wohnt, ihn mit einer äußerster Schwierigkeit einbüßen wird. – Das zweyte bessere Mittel ist, Colonieen in ein paar Orte zu legen, welche gleichsam als Fußeisen dienen für jenen Staat: denn entweder muß man dieses thun, oder viel Pferd- und Fußvolk drinn halten. Zu den Colonieen braucht der Fürst nichts herzugeben; und ohne Kosten, oder doch wenig, schickt er sie hin und unterhält sie, und kränkt allein die, denen er Felder und Häuser nimmt, um sie den neuen Bewohnern zu geben, welche von jenem Staate nur ein sehr geringer Bestandtheil sind. Es könnte aber die er kränkt, weil sie versprengt und arm geworden, ihm niemals schaden; und alle die Andern bleiben theils ungekränkt zurück, und ruhen mithin um so leichter, theils furchtsam, einen Fehler zu machen, damit es ihnen nicht so ergehe wie denen, welche man beraubt hat. Schließlich sind diese Colonieen, die ihm nichts kosten, teurer; sie kränken die Landeskinder weniger, und die gekränkten, weil arm und versprengt, können nicht schaden, wie vorgedacht. Denn es ist wohl zu merken: daß man den Menschen entweder liebzukosen, oder sie aufzureiben hat: weil sie siech wegen leichter Kränkung rächen, wegen der schweren aber nicht rächen können: drum muß die Kränkung, die man dem Menschen erweist, von der Art seyn, daß sie die Rache nicht fürchten darf. Hält er aber, statt Colonieen, ein stehendes Heer darin, so giebt er ungleich mehr aus, weil auf die Bewachung des Staates alle Revenuen desselben zu verwenden sind, wodurch der Erwerb ihm zu Verlust wird, und er die Kränkung um Vieles vermehrt; denn er schadet nun diesem ganzen Staate, in dem er die Truppen quartierweis herumlegt; dieß Ungemach bedrückt einen Jeden, ein Jeder wird sein Feind, und bleiben die Feinde, die ihm schaden können, gepeinigt in ihren Häusern zurück. Auf alle Weise ist also diese Bewachung unnütz, wie die durch Colonieen nützlich. Ferner muß, wer (wie oben gedacht) eine ungleichartige Landschaft einnimmt, sich zum Oberhaupt und Verteidiger der kleineren Nachbarfürsten machen, und dahin streben, die Mächtigeren zu schwächen, und es abzuwenden, daß unter keinerlei Verbindung ein Fremder in die Provinz gerate, der um nichts schwächer als Er selbst ist: und es wird jeder Zeit geschehen, daß ein solcher von den Unzufriedenen des Landes entweder aus großem Ehrgeiz, oder aus Furcht hineingebracht wird. So wie dann ehemals gesehen, daß die Atelier die Römer in Griechenland einforderten; und so in alle Länder, die sie gewannen, wurden sie durch Landeskinder eingebracht. Es ist der Lauf der Dinge der, daß gleich, so wie ein mächtiger Fremder in eine Landschaft nur den Fuß setzt, ihm alle minder Mächtige darin zufallen, hierzu angetrieben durch ein Mißgunst gegen Einen, der über sie bisher geherrscht hat; so daß er, in Absicht auf diese Kleinen, nicht die geringste Mühe hat, sie zu gewinnen, weil sie sämtlich die Macht, die er darin erworben, begierig zu verstärken sind. Blos darauf wird er bedacht seyn müssen, daß sie nicht allzu viele Gewalt und Ansehen erlangen; so wird er leicht durch seine Macht und ihre Gunst die Mächtigen darnieder halten, damit er selbst in allen Stücken des Landes oberster Schiedsherr bleibe. Wer diesen Theil nicht wohl versteht, wird das Erworbene bald verlieren, und hat, so lang er es behauptet, Noth und Verdruß ohne Ende darin. Die Römer beachteten wohl diese Punkte in den Provinzen, die sie bezwangen, und sendeten Colonieen hin, hielten die weniger Mächtigen aufrecht, ohne ihre Gewalt zu verstärken, erniedrigten die Mächtigen, und ließen bedeutende Fremde darin zu keinerlei Credit gelangen. Die blose Provinz Griechenland soll mir statt anderer Beispiele dienen. Es wurden von ihm die Ahaier und die Aetolier aufrecht erhalten, das Macedonische Reich erniedrigt, Antiochus daraus vertrieben, und seine Verdienste der Achaier oder Aetolier konnten bewirken, daß sie es ihnen verstattet hätten, zu einem Staate heranzuwachsen: niemals hat Philipp sie beschwatzt, daß sie ihm Freunde geworden wären, ohne ihn zu erniedrigen, noch lockte die Macht des Antiochus ihnen  je die Erlaubniß ab, in jener Provinz ein Reich zu besitzen. Daher die Römer in diesen Fällen nur thaten was jeder weise Fürst thun muß, der nicht nur gegenwärtigen Anstoß, sondern auch künftigen zu bedenken und alles Ernstes zu meiden hat: da, wenn man es schon von weitem vorsieht, ihm leicht begegnet werden mag, hingegen wenn man es ankommen läßt, die Arzeney nicht mehr zu recht kommt, nachdem alles Uebel unheilbar geworden: und es damit beschaffen ist wie mit der Schwindsucht, die, nach den Aerzten, im Anfang der Krankheit leicht zu curiren und schwer zu erkennen ist, im Verlaufe der Zeit aber, wenn man sie anfangs nicht erkannt hat, leicht zu erkennen und schwierig zu curiren wird. So geht es auch in Regierungsfachen: hat man hier entspringenden Uebel von weitem erkannt (was nur dem Klugen gegeben ist) so heilt man sie bald. Läßt man sie aber, aus Richterkenntniß, erst wachsen bis sie ein Jeder erkennt, so ist keine Hülfe mehr dagegen. Weßhalb die Römer, weil sie sie schon von weitem sahen, die Störungen immer beseitigt, und nie, um einem Kriege zu entgehen, sie überhand haben nehmen lassen. Denn sie wußten, daß man, zum Vortheil des Feindes, den Krieg nicht anfängt, wohl aber aufschiebt; darum wollten sie in Griechenland mit Philipp und Antiochus schlagen, um es nicht in Italien zu müssen, obschon sie für den Augenblick eines wie das andre vermeiden konnten; aber sie wollten es nicht, und nie behagte ihnen was unsre Weisen des Tages stündlich im Munde führen: man solle die Gabe der Zeit genießen: wohl aber die Ihrer Tugend und Klugheit. Denn die Zeit treibt alles vor sich her, und kann Gutes wie Böses, Böses wie Gutes in gleichem Maße mit sich führen. – Kommen wir aber auf Frankreich zurück, und untersuchen, ob es einen der obigen Punkte beachtet hat: und ich rede von Ludwig, nicht von Karlen, als dessen Benehmen, weil er länger sich in Italien gehalten, man genauer hat bemerken können. Und es wird in die Augen fallen, wie er von allen Dingen, die man, um einen ungleichartigen Staat zu behaupten, Tun muß, das Gegentheil that. Der Venezianer Ehrgeiz, die sich das halbe lombardische Reich durch diesen Eifall gewinnen wollten, half dem Könige Ludwig nach Italien. Ich tadle diesen Einfall selbst und das Unternehmen des Königs nicht; denn da er einen Fuß in Italien zu fassen gedachte, und keine Freunde in dieser Provinz besaß, vielmehr durch den König Karls Benehmen ihm die Thüren alle verschlossen waren, war er genöthigt, die Freundschaften, welche er konnte, festzuhalten. Und wurde ihm auch der wohl gefaßte Anschlag zum besten gerathen seyn, wenn er auf seinen weiteren Schritten nicht ein und den andern Fehler begangen hätte. Mit Eroberung der Lombardey also erwarb der König sich sogleich das Ansehen wieder, um welches Karl ihn gebracht hatte. Genua gab nach, die Florentiner wurden ihm Freunde, der Markgraf von Mantua, Herzog Ferrara, die Bentivogli, die Frau von Furli, Herrn von Faenza, Pesaro, Rimino, Camerino, Luccheser, Saneser. Alle gingen sie ihm entgegen und wollten seine Freunde werden. Und jetzo mochten die Venezianer die Temerität ihres Schrittes bedenken, daß sie, um in der Lombardey sich ein Paar Städte zuzueignen, den König von Frankreich zum Oberherren zweyer Drittheile von Italien gemacht hatten. Erwäge man nun, mit wie weniger Mühe der König in Italien sein Ansehen hätte behaupten können, wenn er die obigen Regeln wahrgenommen und alle jene Freunde sicher gestellt und sie vertheidigt hätte, die, weil sie schwach und viele waren, und theils die Kirche, theils Venedig zu fürchten hatten, für immer zu ihm sich halten mußten, und mittels derer er leicht sich eines Jeden, der noch mächtig blieb, versichert hätte! Kaum aber war er nach Mailand gekommen, als er davon das Gegentheil that, indem er dem Papst Alexander half, Romanien sich zu unterwerfen; und bemerkte nicht, daß er sich durch dieses Beginnen schwächte, die Freunde, und die sich ihm in den Schoß geworfen, von sich entfernte, die Kirche aber vergrößerte, der er zum Geistlichen, das ihr schon solches Ansehen giebt, noch so viel Weltliches hinzugab. Und nachdem er den ersten Fehler begangen, war er gezwungen fortzufahren so lang, bis er, um dem Ehrgeiz des Alexanders Schranken zu setzen, und damit er nicht Herr von Toskana würde, durchaus in Person nach Italien mußte. Und es war ihm noch nicht genug, daß er die Kirche groß gemacht, und die Freunde von sich entfremdet hatte: um sich Neapel zuzueignen, theilte er es mit dem Könige von Spanien. Und, statt daß er zuvor in Italien der oberste Schiedsmann gewesen war, zog er sich einen Genossen herein, damit der Ehrgeiz in jener Provinz und die Unzufriedenheit mit ihm doch ja eine Zuflucht finden möchten: und da er in diesem Regiment einen König hinterlassen konnte, welcher ihm zinsbar gewesen wär, nahm er ihm weg, um einen zu setzen, der Ihn heraus verjagen konnte. Es ist gewiß sehr in der Ordnung und ein natürliches Verlangen, daß man sich zu vergrößern wünscht; und immer werden Die es thun, wofern sie es nur zu thun vermögen, darum belobt, oder doch nicht getadelt werden. Wenn sie es aber nicht vermögen, und doch auf alle Weise thun wollen, da liegt der Tadel und der Fehler. Wenn Frankreich mit seinen Mitteln Neapel occupiren konnte, so mußte er dieses thun: wo nicht, so mußte es nicht Neapel theilen. Und wenn die Theilung der Lombardey, welche es mit Venedig einging, Entschuldigung in so weit verdiente, als ihm die Stadt nach Italien geholfen, so ist diese Theilung tadelnswerth, weil sie jene Nothwendigkeit vernünftigerweise nicht für sich hatte. Es hatte also Ludwig XII. diese fünferlei Fehler begangen: Die kleineren Potentaten vertilgt: eines Mächtigen Macht in Italien vergrößert: einen mächtigen Fremden hereingezogen: nicht in Person da residirt: nicht Colonien hingesandt. Welche Fehler bei seinem Leben ihm gleichwohl nicht hätten schaden können, wenn er nicht noch den sechsten begangen: daß er Venedig der Herrschaft beraubte. Denn hätte er nicht die Kirche vergrößert, noch Spanien nach Italien geführt, so wäre Venedigs Erniedrigung wohl nöthig und vernünftig gewesen; aber nachdem jene ersten Schritte einmal von ihm gethan worden waren, hätte er in den Untergang der Venetianer nie willigen dürfen: so lange sie mächtig geblieben, immer die Andern von einem Angriff der Lombardey zurückgeschreckt hätten, theils weil die Venetianer selbst es nicht gestattet haben würden, wenn sie nicht Ihnen zu Theil worden wär, theils weil die Andern diese Provinz nicht Frankreich würden geraubt haben wollen, um sie den Venetianern zu geben: und beide Mächte zu bekriegen, hätten sie nicht den Muth gehabt. Und, spräche Einer: der König Ludwig habe Romanien dem Alexander, Neapel den Spanien überlassen, um einem Kriege zu entgehen, so erwiedre ich mit den obigen Gründen: daß man, um einen Krieg zu vermeiden, nie einer Unordnung Raum geben darf, weil doch der Krieg damit nicht vermieden, sondern vielmehr zu unserem Nachtheil nur weiter hinausgeschoben wird. Und wenn Andere sich auf das Versprechen beriefen, welches der König dem Papste gethan, diese Eroberung für ihn zu machen, wegen der Scheidung seiner Ehe und des an Rohan vergebenen Gutes, antworte ich mit dem, was weiter unten von mir über die Ver sprechen der Fürsten, und wie sie zu halten, gesagt werden wird. Der König Ludwig also verlor die Lombardey, weil er keine der Regeln befolgte, welche die Andern befolgten, die eine Provinz erobert hatten und sich darin behaupten wollten. Und hierin ist nichts zu verwundern; es ist vielmehr ganz in der Ordnung. Ich sprach von dieser Sache zu Nanthes mit Rohan, als der Valentiner, (wie man gewöhnlich den Cäsar Borgia, Papst Alexander's Sohn benannte) Romanien einnahm. Denn als mir der Cardinal Rohan sagte, die Welschen verstünden sich nicht auf den Krieg, antwortete ich: und die Franzosen verstünden sich nicht auf den Staat, weil wenn sie sich darauf verstünden, sie nicht die Kirche so groß werden ließen. Wie es denn die Erfahrung gezeigt hat, daß dieser, und Spaniens Größe in Welschland von Frankreich ausgegangen ist, und wiederum das Verderben Frankreichs von jenen beiden veranlaßt worden. Woraus sich ein oberster Grundsatz ergiebt, der niemals, oder selten trügt: daß, wer einen Andern mächtig macht, umkommt; indem er ihm zu jener Macht entweder durch Schlauheit oder Gewalt hilft; und eines wie das andre Dem, der mächtig geworden, verdächtig ist.

Viertes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Warum das durch Alexander eroberte Reich des Darius nicht Alexanders Nachfolgern nach seinem Tode abtrünnig ward.

In Betracht der Schwierigkeiten, die eines neu erworbenen Staates Erhaltung kostet, könnte man sich vielleicht verwundern, woher es kam, daß Alexander der Große in wenigen Jahren von Asien Herr ward und, als er es kaum bezwungen, starb; worauf dieses ganzen Staates Abfall nothwendig schien erfolgen zu müssen, nichtsdestoweniger seine Nachfolger darinnen sich behaupteten und ihnen die Erhaltung desselben keine andern Beschwerden kostete, als welche unter ihnen selbst aus ihrem eigenen Ehrgeiz entsprangen. Hierauf erwiedre ich: die Fürstenthümer, so weit die Geschichte sie kennen lehrt, sehen wir auf zweyerlei Art verwalten: entweder durch einen Fürsten und alle die Andern dessen Knechte, welche, als Diener durch seine Gnade und Urlaub, das Reich ihm verwalten helfen: oder durch einen Fürsten und Edle, welche nicht durch des Fürsten Gnade, sondern durch Alterthum des Blutes auf dieser Stufe sich behaupten. Sothane Edle haben wieder selbst Staaten und eigne Untergebene, die sie als Herren anerkennen und von Natur ihnen zugethan sind. Die Staaten, welche durch einen Fürsten und Knechte regiert werden, deren Fürst hat ein größeres Ansehen, weil niemand in seinem ganzen Gebiet ein Oberhaupt außer Ihm erkennt, und wenn ja einem Andern gehorsam wird, so geschieht es ihm als Beamten und Diener; man hegt nicht besondere Liebe zu ihm. Die Beispiele dieser beiden Regierungen zu unserer Zeit, sind der Türke und der König von Frankreich. Des Türken ganze Monarchie wird von einem einzigen Herren beherrscht; die Andern sind seine Knechte: er theilt sein Reich in Sandschaks ab, wohin er verschiedene Verwalter schickt, und diese versetzt und löst sie ab, so wie es ihm gelegen ist. Dagegen ist der König von Frankreich in Mitten einer alten Schaar von Herren gestellt, die anerkannt und geliebt sind von ihren Unterthanen; sie haben ihre Vorrechte; der König kann ihnen diese Rechte nicht ohne seine Gefahr entreißen. Wer mithin den einen wie den andern dieser Staaten in's Auge faßt, wird finden, daß die große Schwierigkeit beim Türkenstaat in der Erwerbung liegt; ist er aber einmal erst bezwungen, behauptet man sich gar leicht darin. Die Gründe, warum das Reich der Türken schwierig zu occupiren ist, sind, weil der Occupirende nicht von dem Fürsten dieses Reiches gerufen kann werden, noch hoffen darf, durch den Aufstand der Benachbarten sein Unternehmen zu erleichtern: was in den obigen Ursachen liegt, weil sie, als lauter verpflichtete Sklaven, schwieriger zu bestechen sind, und wenn sie auch schon bestochen würden, doch wenig Nutzen daraus erwächst, weil Diese, aus oben gegebenen Gründen, das Volk nicht nach sich ziehen können. So daß, wer den Türken angreifen will, ihn vereinigt zu treffen bedacht seyn muß, und ihm mehr frommt, der eignen Kraft, als Anderer Unordnungen zu trauen. Hat er ihn aber erst einmal besiegt und im offenen Felde so geschlagen, daß er kein Volk wieder sammeln kann, dann hat er sich vor nichts zu hüten als vor dem Stamme des Fürsten selbst, nach dessen Ausrottung ihm nichts zu Fürchtendes mehr übrig bleibt, weil die Andern kein Ansehen beim Volke haben: und, wie der Sieger vor dem Siege von ihnen nichts zu hoffen hatte, so braucht er sie nach ihm nicht zu fürchten. Das Gegentheil ist es mit Staaten, die wie der Französische verfaßt sind, denn in solche kannst du mit Leichtigkeit kommen, so bald du irgend einen Großen des Reichs dir gewonnen hast, da immer Unzufriedne sich finden, und Solche, die nach Neuerung streben. Diese können aus obigen Gründen die in das Land den Weg eröffnen und dir den Sieg erleichtern; dem aber nachmals, wenn du dich festsetzen willst, unendliche Schwierigkeiten folgen, so wohl mit Denen, die dir geholfen, als mit den von dir Unterjochten: und du hast nicht genug gethan, wenn du den Stamm des Fürsten vertilgt hast, so lange jene Großen bleiben, die sich zu Häuptern neuer Veränderungen aufwerfen: und wenn du sie weder zufrieden stellen noch aus dem Wege schaffen kannst, verlierst du einen solchen Staat, so bald sich dazu die Gelegenheit bietet. Erwägt ihr nun, zu welcherlei Art von Verfassungen die des Darius gehörte, so werdet ihr sie dem Fürstlichen Reiche ähnlich finden, und darum that Roth, daß Alexander ihn gleich zu Anfang gänzlich zersprengte und ihn aus offenem Felde schlug; nach welchem Siege und Tod des Darius, dieß Reich, aus oben erörterten Gründen, dem Alexander sicher verblieb. Und auch seine Nachfolger, wären sie einig zusammen gewesen, konnten sich ruhig und sicher desselben erfreuen; denn es entstand dort kein andrer Tumult, als den sie sich selbst erhuben. Staaten hingegen wie Frankreich geordnet, kann man unmöglich so ruhig besitzen: daher auch die vielen Empörungen Spanien's, Frankreichs und Griechenlands unter den Römern, wegen den vielen Fürstenthümer, die es in jenen Reichen gab, deren solang das Gedächtniß bestand, die Römer ihres Besitzes nie gewiß seyn konnten; aber nachdem das Gedächtniß davon mit der Macht und Dauer des Reiches erst erloschen war, wurden sie sichere Besitzer derselben und konnten sie wieder sie selbst nachher, als sie sich untereinander bekämpften, Jeder sein Theil von jenen Provinzen, jenachdem er in ihnen Ansehen erlangt, auf seine Seite nach sich ziehen, eben weil sie, nach Untergang des Stammes ihrer alten Herren, niemand außer den Römern erkannten. Alles dieses zusammen erwogen, wird sich wohl schwerlich jemand wundern, daß es dem Alexander so leicht ward, das Asiatische Reich zu behaupten, Andern dagegen schwierig fiel, sich ihr Erworbenes zu bewahren, so wie dem Pyrrhus und vielen Andern. Wovon der Grund nicht in des Siegers mehrerer oder minderer Nacht lag, sondern in Ungleichartigkeit der von ihm Ueberwältigen.

Fünftes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Wie Städte und Staaten regiert werden müssen, welche von ihrer Occupation nach ihren eigenen Gesetzen gelebt haben.

Wenn die auf obigen Arten erworbenen Staaten nach ihren eigenen Gesetzen und frei zu leben gewöhnt sind, so giebt es drey Wege sie zu behaupten. Erste ist, sie zu Grunde zu richten; der zweyte, persönlich darin zu wohnen; der dritte, ihre Verfassung ihnen zu lassen, indem man ein Jahrgeld daraus zieht, und eine Regierung von Wenigen einsetzt, die uns dieselben befreundet erhalte: denn jene Regierung, als das Geschöpf es Fürsten, ist sich wohl bewußt, daß sie nicht ohne seine Macht und Freundschaft sich behaupten kann, und alles thun muß, Ihn aufrecht zu halten. Und eine an Freiheit gewöhnte Stadt bewahrt man mittelst ihrer Bürger weit leichter als irgend auf andre Art, wenn man sie sich erhalten will; was die Spartaner und Römer beweisen. Die Spartaner bewachten Athen und Theben durch eine darin bestellte Regierung von Wenigen, und gleichwohl gingen sie ihnen verloren. Die Römer, um Kapua, Karthago, Rumanitia sich zu erhalten, zerstörten sie, und verloren sie nicht. Griechenland wollten sie regieren, wie die Spartaner es regiert, befreiten es, ließen ihm seine Gesetze, und es gelang ihnen nicht damit: so daß sie, um diese Provinz zu erhalten, viel Städte darin zerstören mußten: dann in der That, um sie sicher zu haben, giebt es kein Mittel als die Vernichtung. Und wer von einer an Freiheit gewöhnten Stadt Herr wird, und diese Stadt nicht selbst zerstört, erwarte von ihr zerstört zu werden; weil ihr als Zuflucht oder Empörung immer der Name ihrer Freiheit und alten Ordnungen dienen wird, welche weder durch Länge der Zeit, noch durch Wohlthaten je in Vergessenheit kommen: und, was man auch thun oder vorsehen mag, dieser Name und diese Ordnung werden, wenn man nicht die Bewohner veruneinigt oder sie zerstreut, nicht untergehen, sondern bei jedem Anlaß greifen sie unverzüglich darnach; wie Pisa that, nach so viel Jahren der Florentinischen Dienstbarkeit. Wenn aber die Städte oder Provinzen an einen Fürsten schon gewöhnt sind, und dessen Stamm vernichtet ist, so werden sie, die Eines Theil zum Gehorsam erzogen, anderen Theils ihres alten Gebieters beraubt worden sind, sich unter einander über die Wahl eines neuen nicht vertragen können, und frei zu leben verstehen sie nicht; zögern mithin zu den Waffen zu greifen; und um so leichter kann sie ein Fürst gewinnen, und ihrer sich versichern. Dagegen in den Republiken mehr Leben, mehr Gier nach Rache ist. Die Gedächtniß ihrer alten Freiheit läßt sie nicht, kann sie nicht ruhen lassen: der sicherste Weg bleibt, sie zu vertilgen, oder in ihnen selbst zu wohnen.

Sechstes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Von denen neuen Fürstenthümern, die man durch eigene Waffen und Tugend erwirbt.

Es wundere sich niemand, wenn sich in meinen Betrachtungen über durchaus neue Fürstenthümer, sowohl von Fürsten als Staaten künftig die höchsten Beispiele anführen werde. Denn, da die Menschen fast immer von Andern betretene Wege gehen und Nachahmung ihre Handlung leitet, ihnen jedoch unmöglich ist, die fremden Wege durchaus zu verfolgen, die Tugend der Muster ganz zu erreichen, so muß ein kluger Man beständig den Spuren der großen Männer nachgehen, und solche nachzuahmen suchen, die die Trefflichsten gewesen sind; damit, wenn seine eigene Tugend nicht dahin reicht, er wenigstens einen Geruch davon wiedergebe, und muß es machen wie kluge Schützen, die, wenn der Ort, worauf sie zielen, ihnen zu fern scheint, da sie wohl wissen, wie weit die Kraft ihres Bogens trägt, weit höher als ihr Ziel ist, halten; nicht, um mit ihrem Arm oder Pfeil in eine solche Höhe zu treffen um, mittelst so hohen Zielens, ihre Absicht erreichen zu können. Ich sage demnach: daß in den durchaus neuen Fürstenthümern, wo der Regent ein neuer ist, sich bei der Behauptung derselben mehr oder weniger Schwierigkeiten findet, nachdem der sie Erwerbende mehr oder weniger tüchtig ist. Und, weil dieß Begegniß, aus einem Privatmann Fürst zu werden, entweder Glück oder Tugend voraussetzt, so scheint, daß jedes von diesen beiden viele Schwierigkeiten zum Theil erleichtere. Nichts destoweniger haben Die sich länger behauptet, bei denen das Glück die schwächere Seite gewesen ist. Auch wird es noch leichter, weil der Fürst, der keine andern Staaten hat, in Person dort zu wohnen gezwungen ist. Und aber nun auf Die zu kommen, die Fürsten wurden durch eigene Tugend und nicht durch Glück, so sage ich: daß Moses, Cyrus, Romulus, Theseus und Aehnliche, die Vortrefflichsten waren. Und obschon man von Moses nicht reden soll, insofern er ein bloßer Vollstrecker des ihm von Gott Befohlenen war, so verdient er allein um der Gnade willen, die ihn mit Gott zu reden gewürdigt, schon daß man ihn bewundere. Betrachtet man aber den Cyrus und die Uebrigen, die Reiche gründeten und erwarben, wird man sie sämmtlich bewundernswerth finden: ja selbst ihre Handlungen und Anstalten, wenn man sie insbesondere erwägt, werden von denen des Moses nicht abweichend scheinen, obschon er einen so hohen Lehrmeister hatte. Und wenn wir ihr Leben und Thun bedenken, erkennen wir, daß ihnen vom Glück nichts weiter als die Gelegenheit ward, welche ihnen die Mittel darbot, die ihnen gefällige Form zu bestimmen: und ohne jene Gelegenheit wär ihres Geistes Tugend versiecht, so wie die Gelegenheit, ohne die Tugend, umsonst für sie erschienen wäre. Es war also dem Moses nöthig, daß er das Israelitische Volk in der Aegyptischen Sklaverei und von den Aegyptiern unterdrückt fand, damit sie um aus dem Joche zu kommen, sich ihm zu folgen bereit erwiesen. Es mußte dem Romulus in Alba an Raum gebrechen, bei seiner Geburt mußte er ausgesetzt worden seyn, wenn er den Entschluß fassen sollte, König von Rom und euerer Gründer dieses Vaterlandes zu werden. Dem Cyrus war es unentbehrlich, daß er die Perser mißvergnügt über die Meder, und die Meder durch langen Frieden verweichlicht und schlaff fand; und Theseus hätte sein Tugend nicht zeigen können hätte er die Athener nicht zerstreut gefunden. Diese Gelegenheiten demnach machten diese Männer glücklich; und durch derselben vorzüglichen Tugend ward jene Gelegenheit erkannt; so daß ihr Vaterland durch sie zu hohem Adel und Glück gelangte. Diejegen, welche, wie Diese, nun durch Werke der Tugend Fürsten werden, erwerben die Herrschaft mit Schwierigkeit, aber behaupten dieselbe leicht. Und die Schwierigkeiten bei der Erwerbung entspringen zum Theil aus den neuen Formen und Ordnungen, die des Staates Gründung und ihre Sicherheit erheischt. Und zu bedenken bleibt hiebei, wie kein Beginn schwieriger, für den Erfolg nicht zweifelhafter, noch mißlicher in der Behandlung ist, als wenn man sich dazu aufwerfen will, eine neue Verfassung einzuführen: weil der sie Einführende alle Die zu Feinde bekommt, die bei der alten sich gut gestanden, und alle die zu lauen Beschützern, die bei der neuen sich gut stehen würden; welche Lauigkeit theils aus der Furcht von den Gegnern, für die das Gesetz ist, herkommt, theils aus der menschlichen Kleingläubigkeit, die etwas neues nie für wahr hält, wenn sie davon nicht schon sichere Erfahrung durch den Erfolg bestätigt sieht. Daher es geschieht, daß jedesmal, so oft den feindlich Gesinnten der Anlaß zu einem Ueberfalle sich darbeut, sie auf parteyische Weise ihn thun, und jene Andern nur lau sich wehren, so daß man mit ihnen zugleich auf dem Spiele steht. Mann muß also, um diesen Punkt aufs Reine zu bringen, wohl erwägen, ob solche Neuerer auf sich allein stehen, oder von Andern abhängig sind; das heißt, ob sie zu Ausführung ihres Werkes der Bitten bedürfen, oder mit Zwang es durchsetzen können. Im ersteren Falle kommen sie immer übel an, und erreichen nicht das Mindeste. Hangen sie aber von sich selbst ab, und können zwingen, alsdann wird selten für sie etwas zu fürchten seyn. Daher kam es, daß alle bewaffnete Propheten siegreich gewesen sind, die unbewaffneten aber erlagen; weil zu den obigen Schwierigkeiten des Volkes wankelhafte Natur kommt, daß man zwar leicht zu etwas beredet, aber bei einer Ueberzeugung mit Mühe nur erhalten kann. Darum muß man so eingerichtet seyn, daß, wenn sie nicht mehr glauben wollen, man mit Gewalt sie kann glauben machen. Moses, Cyrus, Theseus und Romulus hätten ihre Satzungen nicht lange in Achtung halten können, wenn sie nicht Waffen getragen hätten. So wie es noch in unsern Tagen dem Bruder Hieronymus Savonarola ergangen ist, den seine neue Verfassung stützte, sobald die Menge anfing ihm nicht mehr zu glauben, und er der Mittel ermangelte, die zuvor Gläubigen im Glauben fest zu halten, und die Ungläubigen glauben zu machen. Solcher Männer Verfahren demnach hat sein großen Schwierigkeiten, und auf dem Wege zu ihrem Ziel liegen alle Gefahren für sie. Haben sie aber diese besiegt, und fangen sie, nach Hinwegräumung der Neider ihrer Eigenschaften, Verehrung zu genießen an, so bleiben sie mächtig, sicher, geachtet und glücklich. – So hohen Mustern will ich noch ein geringeres zur Seite stellen, welches zu ihnen doch einiges Verhältniß hat, und es soll mir statt aller andern genügen. Hiero ist es, von Syrakus. Aus einem Privatmann wurde er Syrakusen's Fürst; auch Er verdankte dem Glücke nichts als die Gelegenheit, indem er von den bedrängten Bürgern zu ihrem obersten Feldherrn erwählt ward, womit er sich Fürst zu werden verdiente; und so brav war er schon im Privatstand, daß Die von ihm Meldung thun, bezeugen, es wäre ihm zur Herrschaft nichts als die Herrscherwürde abgegangen. Dieser vertilgte die alte Militz, richtete eine neue ein, gab seine vorigen Freundschaften auf, schloß neue; und sobald er Soldaten und Freunde hatte, die er sein eigen nennen durfte, konnte er auf einen solchen Grund jedes Gebäude auferbauen. Ihm kostete also die Erwerbung Mühe genug, die Behauptung wenig.

Siebentes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Von denen neuen Fürstenthümern, die man durch fremde Gewalt und durch Glück erwirbt.

Die, welche lediglich durch Glück aus Privatleuten Fürsten werden, die werden es mit weniger Mühe, aber behaupten sich mit vieler. Auf dem Wege zwar haben sie keinerlei Art von Schwierigkeiten, denn sie fliegen zu ihrem Ziel; alle Schwierigkeiten, entstehen erst, nachdem sie an dasselbe gestellt sind. Dergleichen sind solche, denen ein Reich entweder für Geld verliehen wird, oder aus Gnade des Verleihers: sowie es in Griechenland Vielen geschah in den Städten am Hellespont und Jonien's, wo sich Darius Fürsten machte, damit sie zu seiner Sicherheit und Ehre die Städte bewahren sollten. So entstanden auch jene Imperatoren, die durch Bestechung der Soldaten aus dem Privatstand zum Throne gelangten. Solche hangen lediglich vom Glück und Willen Derer ab, die ihre Größe gegründet haben; welches ein paar höchst wandelbare und unzuverlässige Dinge sind; weder verstehen noch vermögen sie in solchem Range sich zu erhalten. Sie verstehen es nicht, weil es nicht in der Natur ist, daß Einer, wenn ihm nicht hoher Geist und Tugend zu Gebote stehen, nachdem er immer im Volke gelebt, gleich zu bestehen wissen sollte: sie vermögen es nicht, weil sie getreuer und ihnen befreundeter Macht ermangeln. Dann können auch schnell entstandene Staaten, wie alle andre natürliche Dinge, die plötzlich entproßt in die Höhe schießen, in ihren Wurzeln und Zubehör nicht dergestalt befestigt seyn, daß sie die erste feindliche Witterung nicht sollte aus der Erde reissen: es müßten denn, wie schon gedacht, Die, welche so plötzlich Fürsten geworden, von so vorzüglicher Tugend seyn, um sich schnell in die Fassung setzen zu können, daßjenige, was ihnen das Glück in den Schoos geworfen, sich zu erhalten und jene Grundlagen, die ein Andrer vor seiner Erhöhung zum Throne legt, noch hinterher dem Staate zu geben. Ich will von beiden dieser Arten, entweder durch Tugend oder durch Glück zum Regimente zu gelangen, aus unsern Tagen zwey Beispiele geben. Sie sind Franz Sforza, und Cäsar Borgia. Franz wurde durch die gebührenden mittel und eine ihm eigene große Tugend aus einem Privatmann Herzog von Mailand, und was er sich durch tausend Beschwerden erworben hatte, hielt er mit wenig Mühe fest. Dagegen Cäsar Borgia (den das Volk Herzog von Valenz nannte,) den Staat durch seines Vaters Glück gewann, und wieder mit diesem verlor; ungeachtet er jedes Mittel gebraucht und keine Anstalt verabsäumt hatte, die kluge und tüchtige Männer bedürfen, um in den Staaten Wurzel zu schlagen, die ihnen Andrer Waffen und Glück eröffnet: da, wie schon gedacht, auch wer den Grund nicht anfangs gelegt hat, ihn doch, mit einer großen Tugend, wohl hinterher noch legen könnte, obschon nicht ohne Ungemach des Baumeisters und Gefahr des Gebäudes. Wenn wir nun alle Schritte des Herzogs in's Auge fassen, so werden wir sehen, was für bedeutende Gründe er zu seiner künftigen Macht gelegt; welche Gründe zu untersuchen ich nicht für überflüssig halte, indem ich einem neuen Fürsten keine besseren Regeln zu geben wüßte als eben das Beispiel seiner Thaten. Und wenn seine Anstalten ihm nichts halfen, so hatte er nicht die Schuld daran, weil es durch eine äußerste Tücke des seltensten Schicksals verursacht ward. Es hatte Alexander VI., bei dem Bestreben seinen Sohn, den Herzog, groß zu machen, viele, sowohl augenblickliche als künftig drohende Schwierigkeiten. Zuvörderst sah er keinen Weg, ihm einen andern Staat zu verschaffen, als einen der Kirche pflichtigen; und wenn er Kirchen – Gut angreifen wollte, so wußte er, daß der Herzog von Mailand so wenig als die Venetianer hiezu ihre Stimme geben würden, indem Faenza und Rimino schon unter dem Schutze Venedigs standen. Außerdem sah er, daß die Waffen Italien's und insonderheit die, welche er hätte brauchen können, sich in den Händen Derer befanden, die des Papstes Größe zu fürchten hatten; und durfte ihnen daher nicht trauen, indem die Orsini und die Colonna nebst ihrem Anhang sie sämmtlich beherrschten. Es war demnach von Wichtigkeit, diese Verhältnisse zu zerrütten, und ein Zerwürfniß unter den Staaten Italien's hervorzubringen, wenn er sich eines Theils derselben mit Sicherheit bemeistern wollte. Dieses wurde ihm leicht gemacht; denn er fand die Venetianer schon aus andern Gründen geneigt, die Franzosen von neuem nach Italien zu ziehen: welches er nicht nur nicht verwehrte, sondern sogar erleichterte, durch Trennung der ersten Ehe Ludwigs. Mit Hülfe der Venetianer also und Alexander's Zustimmung, erschien der König in Italien, und war zu Mailand kaum angelangt, als auch der Papst schon Truppen von ihm zu dem Romanischen Feldzug erhielt, dem man, aus Achtung gegen den König, sich nicht zu widersetzen wagte. Nachdem nun der Herzog Romanien erobert und die Colonna geschlagen hatte, war in Behauptung dieses Sieges und weiteren Unternehmungen zweyerlei ihm hinderlich: das Eine, seine eigenen Truppen, die ihm nicht zuverlässig schienen; das Andre, die Gesinnung Frankreichs: er fürchtete nämlich, es möchten ihn die Orsinischen Truppen, deren er sich bedient, verlassen, und nicht allein im Erobern hindern, sondern selbst ihm das Eroberte wieder nehmen; ja es konnte der König ihm Gleiches anthun. Die Orsini gaben ihm schon zu schaffen, als er nach der Erstürmung Faenza's Bologna belagerte, da er sie kalt an dieser Belagerung Theil nehmen sah: und des Königs Meinung erkannte er, als er, nach Unterwerfung Urbino's Toscana occupiren wollte, von welchem Unternehmen ihn der König abzustehen zwang. Worauf der Herzog sich entschloß, weder von fremden Glück noch Waffen ins Künftige abhängig zu seyn; und war das Erste was er that, daß er in Rom die Orsinischen und Colonnesischen Bünde schwächte, indem er sich alle ihre Genossen, sofern sie Edelleute waren, gewann, sie zu seinen Rittern machte, ihnen hohe Besoldungen gab, sie, Jeden seinem Range gemäß, mit Anführerstellen und Aemtern ehrte: so daß, nach Verlauf von wenigen Monden, alle Parteysucht in ihren Gemüthern erloschen war, und sich lediglich auf die Person des Herzogs wandte. Hierauf, nach Zerstreuung der Colonneser, wartete er die Gelegenheit ab, auch die Orsini zu vernichten, welche ihm zu gut zu Staaten kam, und er noch besser zu nutzen wußte. Denn als die Orsini zu spät bemerkt, daß die Größe des Herzogs und der Kirche ihr Unglück war, beriethen sie sich auf einem Landtag zu Magione im Perugianischen mit einander: hieraus entsprang der Urbinische Aufstand, die Unruhen in Romanien, unzählige Gefahren des Herzogs, welche er mit der Franzosen Hülfe sämmtlich bezwang; und nachdem er sein Ansehn hergestellt und sich weder auf Frankreich noch eine äußere Macht verließ, um sie dereinst nicht auf die Probe stellen zu dürfen, legte er sich auf die Verstellung, und wußte seine Absichten so wohl zu verbergen, daß die Orsini sich durch Vermittelung des Signor Paulo wieder mit ihm versöhnen ließen. Um Diesen sicher zu machen, sparte er keine Art von Verbindlichkeiten, schenkte ihm Kleider, Pferde, Geld, bis ihre Einfalt sie endlich zu Sinigalien ihm in Hände lieferte. Nachdem er nun diese Häupter vertilgt und ihre Genossen sich befreundet, hatte der Herzog seiner Macht einen ziemlich guten Grund gegeben. Denn er war Herr von ganze Romanien, sowie vom Herzogthum Urbino, und hatte sich alle jene Völker damit gewonnen, daß sie bereits ihren Wohlstand zu schmecken begonnen hatten. Und weil dieser Punkt der Beherzigung und der Nachahmung von Andern werth ist, will ich nicht dahinten lassen. Da, nach Eroberung von Romanien, der Herzog fand, daß es von unmächtigen Herren beherrscht worden war, die ihre Unterthanen vielmehr beraubt als gebessert, und ihnen mehr Anlaß zur Entzweyung als Einigkeit gegeben hatten, so daß die Provinz von Plackereien, Händeln und jedem Unfug voll war, schien es ihm unerläßlich, derselben ein gutes Regiment zu geben, wenn er sie ruhig haben wollte, und königlichem Ansehen folgsam. Darum setzte er dort den Remiro d'Orco, einen grausamen, thätigen Menschen ein, welchem er unumschränkte Macht gab. Dieser machte mit größtem Ansehn in kurzer Zeit sie ruhig und einig. Darnach erachtete der Herzog ein so unmässiges Ansehn nicht passend, da es ihn selbst verhaßt machen konnte, und setzte mitten in der Provinz ein bürgerliches Gericht ein, unter einem vortrefflichen Vorstand, da jede Stadt ihren Anwalt hatte. Und, weil er sah, daß die vorige Strenge ihm einigen Widerwillen erweckt, so wollte er , um die Stimmung des Volkes zu reinigen und sie ganz für sich zu gewinnen, beweisen daß wenn Grausamkeit zum Theil begangen worden waren, sie nicht Ihm selbst zu Schulden kämen, sondern der rauhen Natur des Ministers. Nahm also hievon Gelegenheit, und ließ ihn eines Morgens auf dem Markt zu Cesena in zwey Stücke hauen, nebst einem blutigen Messer dabei auf einem Pfahle aufgerichtet. Durch welches Schauspiels Gräßlichkeit das Volk begnügt und betäubt blieb. Um aber wieder zurückzukommen wovon wir ausgegangen sind, so sage ich: es blieb dem Herzog, der sich nunmehr genugsam stark und vor Gefahren der Gegenwart zum Theil gedeckt sah, indem er sich auf seine eigne Weise gerüstet und guten Theils die Waffen zerstört, die in der Nähe beschädigen konnten, es blieb ihm, wenn er nun weiter gehen und Mehreres erwerben wollte, die Rücksicht gegen Frankreich übrig; weil er erkannte, daß dies vom König, der seinen Irrthum spät entdeckt, ihm nicht gestattet werden würde. Darum fing er jetzt neue Freunde zu suchen und gegen Frankreich zu wanken an, während des Napolitanischen Feldzugs der Franzosen wider die Spanier, welche Gaëta belagerten. Und bezweckte, sich Derer zu versichern; was er auch bald erreicht haben würde, wenn Alexander leben geblieben wäre. – Dieß waren die Schritte, welche er that in Absicht auf die Gegenwart. Was aber das Künftige betraf, so hatte er zu besorgen, Erstens: Es könnte ein neues Kirchenhaupt ihm abgeneigt seyn, und das, was, ihm Alexander gegeben, zu rauben suchen. Dieß dachte er auf viererlei Art zu verhindern: Erstens mittelst Austilgung aller Geschlechter jener Edeln, welche er Geplündert hatte, um den Papst dieser Anlässe zu Berauben. Zweytens, indem er, wie gedacht, den ganzen Adel von Rom auf seine Seite brächte, um mittelst dessen den Papst im Zaume halten zu können. Drittens, indem er das Collegium, soviel als möglich, für sich gewänne. Viertens, wenn er noch vor dem Tode des Papstes so viel Herrschaft erwürbe, daß er durch seine eigene Macht einem ersten Stoße begegnen könnte. Von diesen vier Dingen hatte er dreye bei Alexander's Tode vollbracht; das vierte hatt' er beinahe vollbracht. Denn von den geplünderten Edeln erschlug er so viel er ihrer habhaft ward, und nur die wenigen entkamen; den römischen Adel hatte er gewonnen, und vom Collegium den größten Theil: und wegen neuer Erwerbungen, so hatte er's darauf angelegt, sich von Toskana Meister zu machen. Perugia, Piombino befaßt er schon, und über Pisa hatte er der Schutzherrschaft sich angenommen. Und, gleich als hätte er gegen Frankreich keine Rücksicht zu nehmen gehabt, (die er auch nicht mehr nöthig hatte, weil die Franzosen durch die Spanier Neapels schon beraubt worden waren, so daß jetzt seine Freundschaft Jeder von ihnen baar erkaufen mußte), so überrumpelte er Pisa. Worauf sich Siena und Lukka sehr bald, zum Theil aus Mißgunst gegen Florenz, zum Theil aus Furcht ihm unterwarfen. Die Florentiner schützte jetzt nichts. Wäre dieses ihm gelungen, (es mußte ihm aber im selbigen Jahre da Alexander starb, gelingen) so hätte er sich so viel Gewalt und Ansehen erworben, daß er auf sich allein sich hätte steuern können, und nicht dem Glück noch fremder Macht vertrauen dürfen, sondern allein auf seine eigne Tugend und Stärke. Doch Alexander starb, im fünften Jahre nachdem er das erste Schwert gezogen. Er ließ ihn blos im Romanischen Staate befestigt, die andern alle im Blauen, zwischen zwey mächtigen feindlichen Heeren bis auf den Tod erkrankt zurück. Und eine solche Unbiegsamkeit und solche Tugend war in dem Herzog, so wohl verstand er, wie man die Menschen gewinnen oder verlieren muß, so tüchtige Fundamente hatte er in der kurzen Zeit gelegt, daß, wenn er von jenen Herren befreit, oder gesund gewesen wäre, er jede Gefahr besiegt haben würde. Und daß die Fundamente des Herzogs vortrefflich gewesen, sieht man daraus, daß über einen ganzen Monat Romanien auf ihn wartete: in Rom, obschon halb todt, blieb er sicher; und, kamen auch die Baglioni, Vitelli und die Orsini nach Rom, sie hätten nichts gegen ihn ausgerichtet. Er konnte, wenn nicht Wen er wollte, zum Papste machen, wenigstens Wen er nicht wollte, nicht werden lassen. War er aber beim Tod Alexander's gesund, so wurde ihm alles leicht. Und er selber sagte mir in den Tagen, als Julius II. erwählt ward, auf Alles hätte er gedacht, was sich bei seines Vaters Tode ereignen könnte, und für Alles hätte er Wege ausgefunden: nur daran hätte er nimmer gedacht, daß er bei dessen Tode selbst im Sterben würde liegen sollen. – Alle diese Handlungen des Herzogs nun zusammen genommen, wüßte ich nicht zu schelten; er scheint mir vielmehr allen Denen, welche durch Glück und fremde Waffen zur Herrschaft gelangt sind, als ein Wunder (wie ich gethan habe) aufzustellen. Denn, hohen Geistes, wie er war, und voll weitumfassender Entwürfe, konnte er sich nicht anders benehmen: es widersetzte sich seinen Plänen blos Alexander's Lebenskürze, und seine eigne Hinfälligkeit. Wer also in seinem neuen Staate es nöthig findet, Feinde sich zu versichern, Freunde zu gewinnen, zu siegen durch Gewalt oder List, beim Volke Liebe und Furcht, im Heere Gehorsam und Achtung zu erzwingen, Die welche ihm schaden können und müssen, hinwegzuräumen, die alte Ordnung durch neue Verfassung umzuändern, streng und gelind, großmüthig und freigebig zu seyn, die ungetreue Miliz zu vertilgen, neue zu schaffen, der Könige und Fürsten Freundschaft sich zu erhalten, so daß sie entweder mit Gunst ihn fördern, oder mit Rücksicht beleidigen müssen, kann keine frischen Beispiele finden als eben Dessen Handlungen. Nur Julius des II. Erwählung kann ihm zu einem Vorwurf gereichen, welche Wahl ihm nicht günstig war; da, wie gedacht, wenn er auch selbst nicht seinen Papst bestimmen konnte, es ihm doch unbenommen blieb, zu hintertreiben daß Einer es würde: und niemals durfte er in das Papstthum der Cardinäle willigen, die er beleidigt hatte oder, die, wenn sie zum Pontificat gelangt, sich vor ihm hätten fürchten müssen; wiefern die Menschen entweder aus Furcht, oder aus Haß zu schaden pflegten. Die er beleidigt, unter Andern, waren San Pierto ad Vincula, Colonna, San Giorgio, Ascanio. Alle die andern hätten vor ihm, wenn sie Päpste geworden, zu zittern gehabt, die Spanier und Rohan ausgenommen: Jene als Freunde und Verbundene, dieser, wegen der Macht, und weil er den König von Frankreich für sich hatte. Vor allen Dingen mußte daher der Herzog zum Papst einen Spanier wählen, und wenn er dieses nicht zwingen konnte, genehmigen, daß es Rohan würde, und nicht San Pietro ad Vincula. Und wer von hohen Personenglaubt, daß sie um neuer Wohlthat willen die alte Unbill vergessen sollten, betrügen sich. Es beging also der Herzog in dieser Wahl einen Fehler, und sie ward der Grund seines endlichen Sturzes.

Achtes Kapitel.

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Von Solchen, die durch Frevelthaten zum Fürstenthum gekommen sind.

Weil aber ein Privatmann noch zweyerlei Arten Fürst werden Kann, die sich nicht gänzlich weder dem Glück noch der Tugend beimessen lassen, so glaub' ich sie hier nicht übergehen zu dürfen, obschon die Eine ausführlicher da, wo man von Republiken handelt, in Untersuchung zu nähmen wär. Diese sind: wenn man entweder durch irgend ein freventliches und ruchtloses Mittel zum Fürstenthum aufsteigt, oder wenn ein gemeiner Bürger durch die Gunst seiner Mitbürger Fürst seines Vaterlandes wird. – Und was die erste Art betrifft, so mögen sie zwey Beispiele, ein altes und ein neues erläutern, ohne weiter in die Meriten dieses Falles einzugehen, da glaube ich daß, wer genöthigt wäre, an ihrer Nachahmung genug hat. Der Sizilianer Agathokles kam nicht allein aus dem Privatstand, sondern vom allerniedrigsten und gemeinsten Loose zum Thron Syracusen's. Dieser, der eines Töpfers Sohn war, führte von jeher auf allen Stufen seines Geschickes ein ruchloses Leben. Gleichwohl verband er mit seinen Freveln so große Geistes- und Leibeskraft, daß er auf militärischem Wege, den er gewählt, sich nach und nach bis zum Prätor von Syrakus emporschwang. In dieser Stelle nun beständigt, und fest entschlossen Fürst zu werden, wollte er mit Gewalt und sonder Verbindlichkeit gegen irgendwen, was man ihm frei gewährt, behaupten. Und nachdem er sich über diese Absicht mit dem Karthager Hamilkar verständigt, der mit dem Heer in Sizilien stand, berief er eines Morgens das Volk und den Senat von Syrakus, gleich als wenn er sich von Sachsen der Stadt mit ihnen hätte berathen wollen, und ließ, auf ein bestelltes Zeichen, alle Senatoren und die Reichsten im Volke von seinen Soldaten niedermachen: nach deren Tode er sodann das Regiment der Stadt ohne allen bürgerlichen Streit für sich nahm und behauptete. Und ob er gleich von den Karthagern zweymal geschlagen und zuletzt belagert wurde, vermochte er doch seine Stadt nicht nur zu vertheidigen, sondern er fiel mit Hinterlassung eines Theiles seiner Leute zum Schutz derselben, mit dem andern in Afrika ein; befreite Syrakus in kurzem von der Belagerung, und brachte die Karthager in äußerste Bedrängniß, so daß sie, um einen Vergleich zu erhalten, sich mit dem Besitz von Afrika begnügen, und dem Agathokles Sizilien überlassen mußten. Wer mithin dieses Mannes Thaten und Tugenden überlegt, der möchte nichts oder wenig finden, was er dem Glücke beizumessen hätte; da er, wie eben angeführt, durch keines Men schen Begünstigung, sonder durch militairische Stufen, die er mit tausend Gefahren und Mühen sich selbst errungen, zum Fürstenthum gekommen war, und sich sodann durch solche gefährliche und kühne Schritte darin behauptet hatte. Noch kann man es auch Tugend nennen, wenn Einer seine Mitbürger mordet, die Freunde verräth, ohne Treue und Glauben, ohne Mitleid und Religion ist, welche Sitten ihm wohl Herrschaft, aber nicht Ruhm erwerben können. Bedenkt man daher des Agathokles Tugend, womit er Gefahren bestand und entging, und seines Muthes Größe im Tragen und Ueberwinden der widrigen Dinge, so sieht man nicht ab, warum er geringer als irgend Einer der trefflichsten Feldherrn zu achten seyn sollte. Nichtsdestominder verstatten seine unmenschliche Blutgier und Barbarei und unzähligen Frevel nicht, daß man ihm ein gleiches Lob mit den vortrefflichen Menschen ertheile. Man kann daher weder dem Glücke noch der Tugend beimessen, was ohne eines von beiden, Diesem zu Theil geworden ist. – In unsrer Zeit, unter Alexanders des Sechsten Regierung, ward Oliverotto von Fermo, der mehrere Jahre lang kaum um ein weniges wachsen wollen, von seinem mütterlichen Oheim Johann Fogliani auferzogen, und schon als Knabe zum Militair unter dem Paul Vitelli gethan, damit er, in solcher Schule gebildet, zu einem der vorzüglichen Posten bei der Armee aufrücken könnte. Späterhin, nach dem Tode Paul's, that er auch unter dessen Bruder Vitellozzo