Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Beiträge des XXXI. Romanistischen Kolloquiums beleuchten verschiedene Aspekte der Geschichte des Fremdsprachenstudiums in den romanischen Ländern. Neben den auf einzelne romanische Länder fokussierten Darstellungen allgemeinen Charakters zur Geschichte des Fremdsprachenstudiums enthält der Band auch eine Reihe von Beiträgen, in denen Einzelaspekte des Fremdsprachenstudiums in den romanischen Ländern aus einem historischen Blickwinkel untersucht werden. Am Rande wird auch der Geschichte des Studiums der romanischen Sprachen im deutschsprachigen Raum sowie der Fremdsprachendidaktik in der Romania Beachtung geschenkt, wodurch das Gesamtbild vervollständigt wird.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 497
Veröffentlichungsjahr: 2020
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Lidia Becker
Geschichte des Fremdsprachenstudiums in der Romania
Romanistisches Kolloquium XXXI
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
© 2020 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen www.narr.de • [email protected]
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
ISBN 978-3-8233-8251-5 (Print)
ISBN 978-3-8233-0226-1 (ePub)
Facettenreich und vielschichtig ist die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts in allen Alters- und Ausbildungsstufen. Die Romania stellt dabei ein besonders reizvolles Untersuchungsfeld dar. Zu nennen ist hier beispielsweise die allmähliche Umgestaltung des Fächerkanons, vom Rückgang der klassischen Sprachen, vor allem des Griechischen und des Lateins, bis hin zur zunehmenden Auffächerung des Spektrums der modernen Fremdsprachen und zur Kombination des Fremdsprachenstudiums mit nicht-philologischen Studienfächern. Man denke auch an das Spannungsverhältnis zwischen Sprache und Literatur, an das persönliche Profil und die Tätigkeitsbereiche der Lehrpersonen sowie an das Studium der modernen Fremdsprachen im europäischen Vergleich. Im Mittelpunkt des vorliegenden Bandes, der die Beiträge des XXXI. Romanistischen Kolloquiums vereint, das im Jahr 2016 an der Universität Mannheim stattgefunden hat, stehen Einzelaspekte der Entwicklung des Fremdsprachenstudiums in der Romania. Ergänzend wird dabei ferner auch dem Studium der romanischen Sprachen im deutschsprachigen Raum Beachtung geschenkt.
Die ersten drei Beiträge des Bandes beziehen sich auf Spanien. Im Zentrum des Aufsatzes von Lukas Eibensteiner stehen Grundzüge der Entwicklung des Fremdsprachenstudiums in Spanien mit besonderer Berücksichtigung von Nebrijas Gramática castellana und von Wilhelm Viëtors Pamphlet Der Sprachunterricht muss umkehren! Nach einem allgemeinen Überblick über die Institutionen, in denen Fremdsprachen gelehrt wurden, wird das Studium bzw. das Lernen des Französischen näher beleuchtet. Dabei finden Grammatiken, Wörterbücher, Konversationslehrbücher und verwandte Textsorten Beachtung, die bis ins 19. Jahrhundert für die Vermittlung der französischen Sprache verwendet wurden.
Die Entwicklung des Studiums von Deutsch als Fremdsprache in spanischen Hochschulen von den Anfängen bis heute ist Gegenstand des Beitrags von Raúl Sánchez Prieto. Auf der Grundlage von gesellschaftspolitischen und sozialpädagogischen Aspekten unterscheidet er dabei fünf Phasen. Die erste Phase umfasst die Jahre vor der Gründung der spanischen Germanistik im Jahre 1952, in denen dem Deutschen an den spanischen Universitäten kaum Beachtung geschenkt wurde. Die zweite Phase (1952-1973) ist durch die Gründung und Konsolidierung der Germanistik an den Universitäten von Salamanca, Madrid sowie später in Barcelona gekennzeichnet. Der Zeitraum, der sich vom Erscheinen der Studienpläne im Jahr 1973 bis zur Anpassung des Hochschulreformgesetzes an die Studienpläne im Jahr 1993 erstreckt, macht die dritte Phase aus, die durch die Steigerung der Anzahl der Germanistik-Studierenden sowie der Universitäten, an denen man Germanistik studieren konnte, gekennzeichnet ist. Die vierte Phase (1993-2010) wird von der Krise des Faches geprägt. Die fünfte Phase (seit 2010) wird durch die Neuorganisation der Germanistik an den meisten spanischen Universitäten charakterisiert.
Der Beitrag von Esme Winter-Froemel setzt sich zum Ziel, Juan de Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) im Hinblick auf die Perspektiven zu betrachten, die auf das Erlernen verwandter Sprachen – konkret des Spanischen und Italienischen – eingenommen werden. Ergänzend werden weitere Autoren, insbesondere Antonio de Nebrija, herangezogen. Es wird gezeigt, dass der Diálogo, auch wenn er wirkungsgeschichtlich und von seiner Zielsetzung her nicht im Sinne einer Grundlegung kontrastiver fremdsprachendidaktischer Ansätze verstanden werden kann, dennoch Impulse für die Diskussion auf diesem Gebiet geben kann. Untersucht wird ferner, wie die Vergleiche zwischen den Sprachen motiviert und im Text realisiert werden und wie Konvergenzen und Divergenzen zwischen den Sprachen im Hinblick auf den Fremdsprachenerwerb zu bewerten sind. Ausgehend davon wird eine Brücke zu aktuellen fremdsprachendidaktischen Ansätzen geschlagen, die nach einer Phase der dezidierten Zurückweisung kontrastiver Perspektiven nun gezielt wieder Kenntnisse in der Muttersprache der Lernenden sowie ggf. weiterer erlernter Fremdsprachen einbeziehen. Abschließend wird erörtert, inwiefern sich aus den untersuchten Werken des 16. Jahrhunderts hilfreiche Perspektiven für das Studium der Romanistik im deutschsprachigen Raum in der heutigen Zeit ergeben können.
Das 16. Jahrhundert ist in Europa eine erste Blütezeit der Sprachlehrbücher aller Art. Besonders dort, wo Französisch, Niederländisch und Deutsch aufeinandertrafen, gab es ein großes Interesse an solchen Sprachlehrwerken. Eine große Produktion von Lehrwerken war auch in Antwerpen zu verzeichnen, einer damals zweisprachigen Stadt, in der die Weltsprache Französisch ein höheres Prestige als das regionale Flämische genoss und eine Bedingung für den sozialen Aufstieg darstellte. Im Mittelpunkt des Beitrags von Johannes Kramer steht das 1597 in Antwerpen entstandene und publizierte dialogische Lehrbuch des Französischen für Mädchen, La guirlande des ieunes filles, en françois & flamen, mit dem niederländischen Untertitel Het Cransken der jonghe Dochters / in Fransoys ende Duytsch von Gabriel Meurier. Im Werk wird der Schulalltag einer aus 48 jeunes filles an der Schwelle zum Erwachsenenalter bestehenden Gruppe dargestellt.
Es folgen zwei Beiträge mit Bezug zu Italien. Der erste stammt von Daniel Reimann und versteht sich als eine Sondierung zur Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania aus deutschsprachiger Perspektive. Einleitend wird der Forschungsstand zur Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachendidaktik in der Romania aus allgemeiner Perspektive betrachtet, wobei eine systematische Einteilung des Forschungsstands im deutschsprachigen Raum, in der Romania außerhalb Italiens und in Italien vorgenommen wird. Es folgen methodische Überlegungen sowie ein Überblick über die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachendidaktik in Italien von den Anfängen bis zur Gegenwart. Abschließend werden Forschungsperspektiven und -desiderata aufgezeigt.
Massimo Vedovelli stellt drei zentrale Themen aus der Geschichte der Vermittlung des Italienischen als Fremdsprache in den Mittelpunkt seines Beitrags. Dabei geht es um die Personen und das Handeln der Sprachlehrer, denen vielfach innovative Vorschläge zu verdanken waren, sowie die Distanz zwischen dem in den Lehrmaterialien des 17. und 18. Jahrhunderts dargestellten gesprochenen Italienischen und seinem tatsächlichen Sprachgebrauch auf der Halbinsel. Abschließend wird die Rolle thematisiert, die die Einrichtung des ersten Lehrstuhls für Italienisch an einer Universität der Halbinsel spielte, die 1588 in Siena stattfand und als ein Akt institutioneller Sprachpolitik des Italienischen für Ausländer zu verstehen ist. Der Autor illustriert seine Ausführungen anhand einiger Beispiele aus Lehrwerken des 17. und 18. Jahrhunderts.
Die weiteren Beiträge des Sammelbandes sind auf das Studium der romanischen Sprachen im deutschsprachigen Raum fokussiert.
Nicht alle Facetten der Vorgeschichte der Romanistik entsprechen dem heroischen Bild, das man gerne mit der Entstehung neuer wissenschaftlicher Disziplinen verknüpft. Der Unterricht in romanischen Sprachen hatte bereits vor dem 19. Jahrhundert eine längere Tradition an den deutschen Universitäten, allerdings im extracurricularen Bereich. Die Gründungsphase der Romanistik, die Zeit, in der Friedrich Diez auch die lateinisch-romanische Sprachgeschichte als Gegenstand sprachwissenschaftlicher Forschung etablierte, scheint dagegen wenig bis kein Interesse an den romanischen Sprachen als Kommunikationsinstrumenten im internationalen Austausch gehabt zu haben. Dennoch ist der Gedanke der ‚Fremdheit‘ der romanischen Sprachen in der sprachwissenschaftlichen Diskussion dieser Jahrzehnte präsent. Er fügt sich ein in ein nur unscharf abgegrenztes Alteritätsparadigma, das die kulturelle und sprachliche Vielfalt zum Forschungsgegenstand der sich neu formierenden Philologien macht. Maria Selig geht in ihrem Beitrag dem Gedanken nach, welche Rolle den romanischen Sprachen in diesen Diskussionen um die zeitlich und räumlich begründete Alterität zukommt. Sie folgt der Hypothese, dass gerade der Bezug auf die romanischsprachigen Kulturen die Spannung zwischen einer genealogisch-identitären und einer räumlich-differentiellen Lesart des Alteritätsgedankens sichtbar werden lässt, eine Spannung, die auch heute noch in den didaktischen Diskussionen um den Fremdsprachenunterricht spürbar bleibt.
Gegenstand des Beitrags von Alexander M. Teixeira Kalkhoff ist der Prozess der Institutionalisierung des Fachs Romanische Philologie an den deutschen Universitäten, der etwa zwischen 1820 und 1890 stattfand. Dabei haben funktionelle Bezüge zur Französischlehrerausbildung für die höheren Bürgerschulen eine entscheidende Rolle gespielt. Insofern besteht ein Zusammenhang zwischen der Bildungssymbolik des schulischen Französischunterrichts, dem universitären Ausbildungskanon und dem Selbstverständnis des sich neu herausbildenden Berufsstandes des Neuphilologen. Die auch historisch offenkundige Inkompatibilität zwischen universitärer Ausbildung und schulischem Französischunterricht wird im Geschichtsnarrativ eines sich herausbildenden neuphilologischen Selbstverständnisses aufgelöst.
Johanna Wolf unternimmt in ihrem Beitrag eine Revision der tradierten Diskurse im Lichte neuerer Erkenntnisse aus der (Fremd)Spracherwerbsforschung, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts innerhalb der Fremdsprachendidaktik z.B. mit Blick auf den Stellenwert der Lektüre und die Methodik des Grammatikunterrichts entstanden sind. Durch eine kritische Analyse des Ist-Zustandes werden Potenziale aufgezeigt, die zu einer Verbesserung der Lehr-/Lernformate im Fremdsprachenunterricht der romanischen Sprachen führen können. Zudem wird für einen neu geführten Dialog zwischen Fremdsprachenerwerbs- und Fremdsprachenunterrichtsforschung plädiert, damit Forschungsergebnisse besser rezipiert werden und die Bedürfnisse der schulischen Unterrichtsrealität stärkere Beachtung finden.
Paradigmenwechsel bei den didaktischen Ansätzen spiegeln sich in den Lehrwerken wider. Im Beitrag von Nadine Rentel werden sechs ausgewählte Italienisch-Lehrwerke aus dem Zeitraum von 1924 bis 2014, die sich überwiegend an deutschsprachige Lernende richten, hinsichtlich ihrer Konzeption und ihres Aufbaus miteinander verglichen. Im Zentrum der Analyse stehen dabei jeweils die Vorworte, die erste Lektion sowie die Klappentexte.
Methodische Konzepte zur Ausbildung mehrsprachiger Lernender lassen sich in Europa über Jahrhunderte hinweg ausmachen. Struktur und Motivation der Zielgruppen variieren in diachroner Perspektive, die spezifischen, gewissermaßen handwerklichen methodischen Vorgehensweisen weisen jedoch markante Ähnlichkeiten und Berührungspunkte auf. Der Beitrag von Sylvia Thiele, der den Band abschließt, beleuchtet diese Perspektive näher, wobei die sprachvernetzende Unterrichtsmethodik den roten Faden darstellt. Ferner wird auf Fremdsprachenlernende der Gegenwart Bezug genommen, die migrationsbedingt mehrsprachig sind.
Die Herausgeberinnen und Herausgeber danken den Beiträgerinnen und Beiträgern des Bandes, Frau Kathrin Heyng vom Narr Verlag für die Betreuung dieser Publikation sowie Clara Comas Valls und Imane Sghiouar für ihren Einsatz bei der Druckvorbereitung der Beiträge.
Lidia Becker
Julia Kuhn
Christina Ossenkop
Anja Overbeck
Claudia Polzin-Haumann
Elton Prifti
Eine Analyse des 16., 17. und 18. Jahrhunderts
Die Frage nach der richtigen Methode stellt sich seit den Anfangsstunden des Unterrichts der modernen Fremdsprachen im 16. Jahrhundert. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kommt es zu einem Höhepunkt dieser Debatte, was sich beispielsweise anhand der reformpädagogischen Bewegung, der Gründung der Berlitz-Schulen oder des Pamphlets von Wilhelm Viëtor äußert. Diese drei Aspekte haben allesamt eines gemeinsam: Sie wenden sich gegen die neuhumanistische Abwertung des Anwendbaren bzw. die damals vorherrschende Grammatik-Übersetzungsmethode (Decke-Cornill/Küster 2014, 65). Die Diskussion wird im 20. Jahrhundert fortgeführt, bis man gegen Ende des letzten Jahrhunderts zu der Einsicht gekommen ist, dass es nicht eine, sondern eine Vielzahl an richtigen Methoden gibt (Decke-Cornill/Küster 2014, 78), weshalb man die aktuelle fremdsprachendidaktische Diskussion als eine „post-Methoden-Ära“ (Brown 2007, 40) charakterisieren könnte. Im vorliegenden Beitrag soll allerdings nicht die Intensivierung der didaktisch-methodischen Diskussion ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts betrachtet werden. Es wird vielmehr ein Einblick in die Anfänge dieser Entwicklung im 16., 17. und 18. Jahrhundert gegeben.
Nach einem allgemeinen Überblick über die Lehrmethoden jener Zeit werden die in Spanien publizierten Französisch-Grammatiken im Hinblick auf folgende Fragestellungen analysiert: Welche didaktisch-methodischen Überlegungen liegen den Französisch-Grammatiken zugrunde? Inwiefern werden diese explizit geäußert? Kann eine systematische Entwicklung zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert festgestellt werden? Zur Beantwortung dieser Fragen werden sieben Französisch-Grammatiken exemplarisch ausgewählt und im Hinblick auf didaktisch-methodische Aspekte analysiert, wobei ein besonderes Augenmerk auf den Titelblättern, den Inhaltsverzeichnissen und den Vorworten der Werke liegt. Die ersten beiden Punkte geben einen allgemeinen Überblick über den Aufbau. Die Prologe ermöglichen einen Einblick in die Gedanken der Autoren, da sie in diesen einführenden Worten an den Leser des Öfteren darauf eingehen, wie die Grammatik zu verwenden sei und dabei auch didaktisch-methodische Ratschläge geben.
Schon in den frühen Phasen des Unterrichts der modernen Sprachen können zwei allgemeine Richtungen unterschieden werden, die sich in den nachfolgenden Jahrhunderten weiterentwickeln und spezifizieren. Auf der einen Seite gab es einen deduktiven Ansatz, der in der Literatur meist als reguläre Methode (Suso López 2009, 104) oder als theoretisch-traditionelle Methode (Fernández Fraile 1995, 163) bezeichnet wird. In diesem Beitrag wird der Terminus grammatisch-traditionell bevorzugt, da er sowohl den grammatikalischen als auch den traditionellen Charakter der entsprechenden Methode betont. Dieser Ansatz orientierte sich am Unterricht des Lateinischen und setzte sowohl die Sprachbeherrschung der klassischen Sprache als auch die Kenntnis der grammatikalischen Kategorien voraus (Reinfried 2014, 259). Der Unterricht begann mit der Erklärung des Lehrers eines grammatikalischen Phänomens, welches mithilfe von Beispielsätzen veranschaulicht wurde. Dieses musste anschließend von den Lernenden auswendig gelernt und mündlich vorgetragen werden. Durch die grammatikalische Analyse bzw. wörtliche Übersetzung eines meist literarischen, klassischen Textes sollte das Sprachwissen angewandt und überprüft werden. Erst im letzten Schritt wurden die Texte frei übersetzt und stilistische Aspekte traten in den Vordergrund (Fernández Fraile 1995, 163). Laut Reinfried (2014, 260) wurde diese Methode vor allem in universitären Kontexten, aber auch in ergänzenden Kursen an Sekundarschulen angewandt.
Auf der anderen Seite findet sich eine nicht-grammatikalische, praktische Tradition (Sanchez Pérez 1992, 11ff), deren Verfechter die These vertreten, Sprachlernen solle sich an den natürlichen Prozessen des kindlichen L1-Erwerbs orientieren. So schreibt beispielsweise Johann Amos Comenius, dass
[t]odas las lenguas son más fáciles de aprender mediante la práctica que a fuerza de reglas, es decir, escuchando, leyendo, volviendo a leer lo oído, copiando, imitando con la mano y con la lengua y haciendo todo eso tan frecuentemente como sea posible (Comenius 1648, Prolog; zit. n. Sanchez Pérez 1992, 137).
Vertreter dieses Ansatzes argumentieren gegen ein Sprachlernen mithilfe von Regeln und bevorzugen als Hilfsmittel Lernmaterialen, die sich am authentischen Sprachgebrauch orientieren (Sanchez Pérez 1992, 23). Sprachlernen darf man sich in diesem Kontext als ein Memorieren von Thesauren, Gesprächs- und Wörterbüchern sowie alltäglichen Dialogen vorstellen. Eines der wohl bekanntesten Gesprächsbücher ist das Colloquia et dictionariolum (1536) von Noël de Berlaimont, das aus alltäglichen Gesprächen und einem kurzen alphabetischen Wörterbuch besteht. Zwischen 1536 und 1703 erscheinen etwa 100 Ausgaben (Hüllen 2005, 56), was den enormen Erfolg und Einfluss des Werkes belegt. Der praktische Ansatz richtete sich primär an Personen, die im direkten Umfeld mit der Zielsprache standen (Adelige, Reisende, Pilger, Kaufleute etc.) und daher sprachliche (Grund-)kenntnisse aufbauen wollten. Des Weiteren war es Lernenden dieser Gruppe meist nicht möglich, sich einen Sprachlehrer zu leisten, weshalb sie sich Sprachkenntnisse autodidaktisch beibringen mussten (Suso López 2009, 102). Der Ausdruck nicht-grammatikalisch (Sanchez Pérez 1992, 11ff) ist allerdings irreführend, da es vor allem im 16. Jahrhundert eine regelrechte Tradition praktischer Grammatiken gab. An dieser Stelle ist Gabriel Meurier, ein Fremdsprachenlehrer und Autor aus Antwerpen, zu nennen, dessen Coniugaisons, règles et instructions (1558) großen Einfluss auf andere Werke unter anderem auf die erste in Spanien publizierte Französisch-Grammatik hatte.
1565 erscheint die erste Grammatik für das Lernen des Französischen in Spanien, die Grammatica con reglas mvy prouechosas y necesarias para aprender a leer y escriur la lengua Francesa. Über das Leben des Autors, Baltasar Sotomayor, weiß man relativ wenig. Er ist vermutlich in Toledo geboren und lehrte Französisch am madrilenischen Hof (Gaspar Galán/Corcuera Manso 2015, XXIIIff). Seine Grammatik ist insofern von großer Bedeutung, als sie die erste ihrer Art ist und dies auch bis ins Jahre 1635 bleibt. Dieses frühe Auftreten ist möglicherweise auf die Heirat von Felipe II und Isabel de Valois zurückzuführen. Sie führte zu einem Anstieg der französisch-sprechenden Personen am madrilenischen Hof und dürfte die Rentabilität einer entsprechenden Grammatik erhöht haben (Gaspar Galán/Corcuera Manso 2015, XXXI).
Sotomayors Grammatik steht in der Tradition der Coniugaisons, règles et instructions von Gabriel Meurier (1558). Sie besteht im Wesentlichen aus einer Präsentation der französischen Verbalkonjugationen, die durch eine tabellarische Darstellung auf Französisch und Spanisch mithilfe eines auf Donatus zurückgehenden Frage-Antwort-Spiels in diversen Tempora und Modi dargestellt werden. In Abbildung 1 beispielsweise soll der Lernende durch die Kontextualisierung mithilfe der Fragen und Antworten die Funktion des passé composé erschließen. Im zweiten Teil des Buches wird auf die französische und spanische Aussprache und Morphologie eingegangen (Gaspar Galán/Corcuera Manso 2015, LIVff).
Frage- und Antwortspiel (Sotomayor 1565: 17; neu herausgegeben von Gaspar Galán/Corcuera Manso 2015)
Die Herausgeber Robles de Alcalá und Francisco de Cormellas publizierten die Grammatik nicht als eigenständiges Werk, sondern gemeinsam mit einem Wörterbuch von Jacques de Liaño (fr. Jacques Ledel). Dieses Vocabulario de los vocablos von de Liaño steht in sehr engem Zusammenhang mit dem Colloquia et dictionariolum von Noël de Berlaimont (García Bascuñana 2016a) und betont einmal mehr den praktischen Charakter des Buches. Lépinette (1996, 150) bezeichnet Sotomayors Werk als eine „grammaire aide-mémoire“, bei der weniger die Reflexion über Sprache an sich als die Anwendung derselben, eingebettet in authentische Kontexte, im Mittelpunkt steht. Folglich verfolgt Sotomayor (1565, 7) das Ziel, seinen Schülern Kenntnisse in allen vier Sprachfertigkeiten beizubringen: „Enesta obra curioso lector, se te representa un breue arte y traça, conla qual puedes entender, leer, y escreuir, y hablar la lengua francesa“.
Auch wenn die praktische Ausrichtung der Grammatik positiv hervorzuheben ist, muss festgehalten werden, dass es an einer klaren Struktur fehlt und sie daher für das Lernen des Französischen vermutlich nicht wirklich nützlich war (Lépinette 1996, 152). Nichtsdestoweniger gibt Sotomayor eine Richtung vor, die sich an der kommunikativen und praktischen Anwendung orientiert. Diese Tendenz wird sich allerdings in Spanien vorerst nicht durchsetzen können, (Sanchez Pérez 1992, 38).
Diego de Cisneros, der auch unter seinem Ordensnamen Diego de la Encarnación bekannt ist, lebte mehrere Jahre im Karmeliterkloster in Douai und war ebenso Professor für Theologie an der Universität (Suárez Gómez 2008, 99f). Die hohe Präsenz spanischer Beamter und Kaufleute in Douai, das zu jener Zeit Teil der spanischen Krone war, dürfte Cisneros zur Publikation der Grammatica Francessa en Hespañol (1624), die von einer spanischen Grammatik begleitet wurde (García Bascuñana 2016b), bewegt haben. Die französische Grammatik wird 1635 mit dem Titel Arte de grammatica francesa en español in Madrid neu editiert und folgt anders als jene von Sotomayor einem klassischen dreigliedrigen Aufbau: Orthographie und Aussprache, Morphologie und Syntax.
Im einleitenden Teil finden sich keine Hinweise auf didaktisch-methodische Überlegungen seitens des Autors und auch keine Anmerkungen in Bezug auf die praktische Anwendung bzw. kommunikative Einbettung der gelernten Regeln. Dies ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Cisneros selbst kein Sprachlehrer war. Im Fokus seines Interesses steht daher das Wissen über Sprache an sich und weniger die kommunikative Beherrschung des Französischen:
[L]a grammaire du moine espagnol veut s’appuyer sur le raisonnement et non sur la pure mémorisation d’éléments linguistiques. […]. L’ouvrage de D. de la Encarnación est donc une grammaire de langue étrangère qui veut favoriser la formation grammaticale de l’apprenant plutôt que l’assimilation de données sur la langue cible. (Lépinette 1996, 156)
Die nächste Grammatik erscheint etwa vierzig Jahre später. Ihr Autor, Pedro Pablo Billet, gebürtiger Pariser, unterrichtete Adelige, Geschäftsmänner und Interessierte im Umkreis des Madrider Hofes (Fischer 1996, 213). 1673 verfasst er eine erste Fassung seiner Grammatik, welche bis 1815 sieben Neuauflagen erfährt (Supiot 1996). Seiner Viertauflage aus dem Jahre 1688 ist nach den traditionellen Kapiteln zur Aussprache, Morphologie und Syntax noch eine arte poética sowie eine dissertacion critica, sobre una cartilla von Juan Pedro Jaron1 angefügt. Im zweiten Teil befindet sich ein ca. 110-seitiges, alphabetisch geordnetes paralelo de la eloquencia, welches spanische und französische Lexeme sowie Redewendungen beinhaltet. Billets Buch wird anders als jenes von Cisneros ein Referenzwerk für zukünftige Französisch-Grammatiken in Spanien sein.
Im 18. Jahrhundert nimmt die Anzahl der Französisch-Grammatiken stark zu. Supiot (1996) zählt allein zwischen 1700 und 1799 25 Neuerscheinungen. Die Erklärungen dafür sind vielfältig: Einerseits zeigt sich eine immer stärker werdende affirmative Haltung bezüglich der Nationalsprachen in ganz Europa (Hüllen 2005, 28), andererseits übernehmen die Bourbonen die Macht in Spanien, was vor allem in Madrid zu einer steigenden Anzahl französischer Migranten führt (Bruña Cuevas 2016). Des Weiteren erhält das Französische im 18. Jahrhundert den Status einer langue universelle und alle, die am Zeitgeist der Aufklärung teilhaben wollten, mussten die Sprache lernen. Der rationale Geist der Aufklärung dürfte ebenfalls dazu beigetragen haben, Traditionen — auch im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht — kritisch zu betrachten und zu diskutieren (Sanchez Pérez 1992, 143).
Im 18. Jahrhundert (1725) wird außerdem das Real Seminario de Nobles von Madrid gegründet, in welchem Französischunterricht für Kinder bzw. Jugendliche im Alter von acht bis fünfzehn Jahren verpflichtend war (Soubeyroux 1995, 208). Obwohl Zielgruppe und institutionelle Rahmenbedingungen klar vorgegeben sind, finden sich in der eigens für diese Institution geschriebenen Grammatik, die Grammatica de la Lengua Francesa dispuesta para el uso del Real Seminario de Nobles (1728)1 von dem Jesuiten Joseph Núñez de Prado (1666-1743) kaum didaktisch-methodischen Reflexionen oder Anweisungen. Jedoch kann man durch die Analyse der Gliederung des Werkes einen Einblick in sein didaktisches Denken erlangen:
[E]n la primera [parte], pongo las reglas para pronunciar, y escribir exacta, y perfectamente en Francès; en la segunda, las partes de la Oracion, consecutivas, por el orden que suelen ponerse en la Grammatica Latina; en la tercera, explico el uso de ellas, con exemplos que pongan à la vista su practica, à que añado un Indice Alphabetico de ciertas expresiones de la Lengua Francesa, que sirven de unir las frases, y cuya construccion no corresponde à la Castellana (Nuñez de Prado 1728: al lector; Hervorhebung L.E.).
In diesem Zitat werden vier Aspekte benannt, die für den grammatisch-traditionellen Ansatz charakteristisch sind: (1) Der erste Teil seines Werkes besteht aus einer Grammatik, die einer klassischen Gliederung (Aussprache, Morphologie und Syntax) folgt. Der zweite Teil enthält ein Verzeichnis mit französischen Ausdrücken. (2) Wie auch in den anderen behandelten Werken fungiert das Spanische, die L1 der Lernenden, als Metasprache. Schon Nebrija verfasst seine Gramática de la lengua castellana (1492, 383) „para aquellos que por la lengua castellana querrán venir al conocimiento de la latina, lo cual pueden más ligera mente hazer, si una vez supieran el artificio sobre la lengua que ellos sienten”. Des Weiteren ging man in rationalistisch geprägten Grammatiken davon aus, dass „die Hauptregeln für alle Sprachen dieselben waren“ (Jungen/Lohnstein 2007, 110). Diese Grundstruktur einmal zu verstehen, war ausreichend, um das System Sprache im Allgemeinen zu begreifen und eröffnete dadurch die Möglichkeit, Regeln in der Muttersprache zu formulieren, „die [auch] für eine zu erlernende Sprache Gültigkeit hatten. Fremdsprachenunterricht war also nicht länger durchweg fremdsprachlicher Unterricht“ (Jungen/Lohnstein 2007, 110). (3) Dies führt zu einer großen Bedeutsamkeit von Sprachvergleichen des Französischen mit der Muttersprache, aber auch mit anderen Sprachen, vor allem dem Lateinischen. Eine völlige Loslösung vom Lateinischen war ohnehin undenkbar, zumal „[d]ie lateinische Grammatik […] jedem Gebildeten aus dem Lateinunterricht vertraut [war]. Eine Darstellung des Französischen mit den bekannten Begriffen und Klassifikationen erleichterte deshalb das Verständnis“ (Berschin/Felixberger/Goebl 2008, 233). Vor allem im Bereich der Syntax werden diese Sprachvergleiche zum Spanischen explizit thematisiert, besonders dann, wenn eine Divergenz zwischen den beiden Sprachen besteht (Lépinette 1996, 163):
[Y] advierto que no pondre aqui mas que las construcciones, donde el Francès se aparte del Castellano; porque aquellas en que ambas lenguas convienen, es ocioso expresarsarlas; pues el Castellano, que se pone a hablar Francès, naturalmente se va al orden, y colocacion de su construccion Castellana, luego si essa colocacion, y orden es el mismo que el de la construccion Francesa, guardando el orden, y colocacion del Castella, hablarà bien el Francès (Nuñez de Prado 1728, 144f).
Núñez de Prado führt hier einen Gedanken fort, der sich beispielsweise schon beim spanischen Grammatiker Franciscus Sanctius Brocensis (1523-1600) findet, welcher im Hinblick auf die Syntax zwischen einer semantischen, universalen Tiefenstruktur und einer realisierten, einzelsprachlichen Oberflächenstruktur unterscheidet (Jungen/Lohnstein 2007, 119). Sind die Oberflächenstrukturen des Spanischen und des Französischen gleich, ist dies auf die universale Tiefenstruktur zurückzuführen, welche dann problemlos von der Mutter- in die Zielsprache transferiert werden kann. Schwierigkeiten sind dann zu erwarten, wenn sich die Oberflächenstrukturen unterscheiden:
Una de las dificultades de las Lenguas (y no sè diga la mayor) consiste en ciertas expresiones, y modos de unir, y travar las voces, y frasses los quales, […] si el principiante (como es natural) usa à traducirlos palabra por palabra, desfigoraria totalmente el Francès, y harian un lenguage tan barbaro […] (Núñez de Prado 1728, 230).
(4) Um einer barbarischen Sprachverwendung (Núñez de Prado 1727, 230) entgegenzuwirken, müssen alle Konstruktionen, die im Französischen und Spanischen differieren, auswendig gelernt werden (Fernández Fraile 1995, 166). Hierzu fügt Núñez de Prado eine Wortliste an, die solche Wörter und Redewendungen aufgreift.
Der nächste Autor, Antonio Galmace, ehemaliger Professor für Philosophie und Theologie an der Universität Paris (Suárez Gómez 2008, 123), wandert um 1740 nach Madrid aus, um dort am madrilenischen Hof und im Umkreis des Real Seminario de Nobles als Französischlehrer zu arbeiten (Viémon 2013, 514). Er publiziert seine erste Grammatik, die Adiciones a la Gramatica Francesa […] (1745), als Ergänzung zu Nuñez de Prados Werk. Drei Jahre später veröffentlicht er die LLave nueva, y universal, para aprender con brevedad, y perfección la lengua francesa, sin auxilio de maestro. Zählt man die Auflagen der Adiciones mit jenen der Llave nueva zusammen, so kommt man insgesamt auf zwanzig Neudrucke zwischen 1745 und 1800 (Supiot 1996). Allein diese Zahl weist auf den enormen Erfolg des Werkes hin. Die Llave nueva besteht aus einem Grammatikteil, einer alphabetisch geführten Wortliste „de los modos de hablar mas particulares, y frequentes de la Lengua Francesa“ (Galmace 1745, 213), einer thematisch organisierten Wortschatzliste, einem Dialog und einer Sammlung von Fehlern aus anderen Grammatiken.
Auch bei Galmace finden sich keine didaktisch-methodischen Reflexionen im eigentlichen Sinne. Jedoch steht außer Zweifel, dass methodische Überlegungen die Erstellung seines Werkes beeinflusst haben. Auch García Bascuñana (2005, 136) unterstreicht die „importancia de la significación pedagógica y metodológica de Galmace, yendo más allá de la concepción puramente gramatical“, wie sie noch in Núñez de Prados Werk zu finden ist. Diese Tendenz, den mündlichen Sprachgebrauch und die praktische Anwendung in den Mittelpunkt zu rücken, äußert sich in zweierlei Hinsicht: (1) Die Integration eines Dialogs „en [el] que se hallaràn practicadas todas las reglas […] para que sirviendo de exemplo al que desee aprender, halle la solución de qualquiera duda sin mas trabajo, que la lección, y aplicación“ (Galmace 1748, lector 3). Wie der Dialog zu verwenden ist, wird zwar nicht klar beschrieben, dennoch stellt allein die Integration desselben ein Zeichen für die langsame Verknüpfung von grammatikalischem Wissen und dessen Anwendung dar und weist somit auf eine beginnende Transformation der Grammatiken in Lehrwerke hin (Lépinette 1996, 159).
(2) Eine zweite wesentliche Erneuerung stellt der Versuch dar, die französische Aussprache mithilfe eines selbst erfundenen Transkriptionssystems (Viémon 2013, 515) auch für Autodidakten zugänglich zu machen. Aus diesem Grund verfasst Galmace seine Grammatik in drei Spalten: In der ersten und zweiten gibt er spanische und französische Lexeme wieder; in der dritten wird die Aussprache der französischen Wörter mithilfe des selbst erfundenen Transkriptionssystems dargestellt (siehe Abb. 2):
Dreispaltiges System bei Galmace (1745: 5)
Galmaces Einfluss auf die Entwicklung der Französisch-Lehrwerke in Spanien ist mit seinen zwanzig Auflagen immens. Im Unterschied dazu hatten die Grammatiken von Sebastián Roca y María (1750), Paul François Rousseau (1754), Pedro Contaut (1763) und Juan Magín Tallés (1773) mit jeweils einer Auflage (Supiot 1996) nur eine geringe Bedeutung für die Nachwelt. Alle diese Werke haben jedoch eines gemeinsam: Sie beinhalten in unterschiedlichem Ausmaß didaktisch-methodische Reflexionen.
Dieses Kapitel geht genauer auf die Grammatik von Pedro Contaut, der Lehrer in Cádiz (Isla de León) und Madrid war (Suárez Gómez 2008, 125), ein. Anhand dieses Werkes, das als charakteristisches Beispiel für die Fortsetzung des schon bei Sotomayor vorhandenem praktisch-traditionellen Ansatzes herangezogen wird, werden die didaktisch-methodischen Überlegungen im Kontext der praktischen Methode exemplarisch dargestellt. Seine Gramatica española, y francesa folgt keiner traditionellen Gliederung. Sie besteht aus einem ersten Teil, in welchem grammatikalische Themen behandelt und Wortlisten — teilweise sogar ganze Sätze — aufgeführt werden (ca. 380 Seiten). Im zweiten Teil fügt der Autor eine „composicion de diversas cartas divertidas“ (Contaut 1763, 385ff) mit einer Gesamtlänge von ca. 150 Seiten an. Im Kapitel „Del modo que se ha de aprender un idioma“ (Contaut 1763, 304ff) stellt Contaut folgende Methode dar. Diese besteht aus drei Schritten:
Para aprender con propiedad, y brevedad un Idioma, se deben observar las tres cosas que se siguen. La primera, es aprender de memoria una multitud de nombres substantivos los mas usuales, con la declinacion de ellos; y juntamente se han de aprender tambien varios adjetivos. La segunda, es aprender un numero crecido de adverbios. Y la tercera es aprender una porcion de verbos con la conjugacion de cada classe de ellos, la qual basta para la inteligencia de los demàs. Poniendo en practica estas tres cosas antes que se empiece á hablar con nadie la Lengua que se desea aprender, ni que se lean sus reglas, presto se alcanzarà el uso de la conversacion de dicha Lengua. Pero al contrario, […] si se estudian en un mismo tiempo los vocablos con sus reglas […] tendrán […] una detencion en el modo de hablar, y el entendimiento de suspenso, lo que sucede ordinariamente à la gente de letras, porque se quieren portar de este modo. Por la misma razón se vè en todas partes, que los que no tienen estudio […] aprenden à veces mas presto que los Sabios un Idioma […], porque se aprende una lenguage mas bien por practica que por theorica (Contaut 1763, 304ff; Hervorhebungen L.E.).
Da ein gleichzeitiges Lernen von Lexik und Grammatik die Fertigkeit im Sprechen verzögere, sollen die Lernenden mit dem Auswendiglernen lexikalischer Einheiten (Substantive und Adjektive vor Adverbien vor Verben) starten, bevor sie sich mit explizitem Regelwissen beschäftigen. Contauts Ansatz ist demnach induktiver Natur, das heißt, dass seine Schüler zuerst die langen Wortlisten auswendig lernen müssen, bevor er auf die Funktionsweise der Grammatik eingeht: „[L]a practica hace la Lengua, y que la theorica la perfecciona“ (Contaut 1763, 305). Er ist damit ein regelrechter Verfechter der Praxis und somit sowohl ein Nachfolger des praktischen Ansatzes von Sotomayor als auch von namhaften Humanisten und Pädagogen wie der eingangs zitierte Johann Amos Comenius.
Wie Galmace integriert auch Contaut authentische fremdsprachliche Texte in sein Lehrwerk. Es handelt sich dabei um Briefe, die sich an alltäglichen Situationen orientieren und somit an die Lebenswelt der Lernenden anschließen. Aus diesem Grund verwendet er „voces claras, y de assuntos que diviertan y no lastimen“ (Contaut 1763, al lector).
Man kann die Entwicklung der Französisch-„Lehrwerke“ im 19. Jahrhundert nicht verstehen, „sin evocar la figura de Pierre Nicolas Chantreau o mejor dicho su gramática. […] [H]asta muy avanzado el (sic!) siglo XIX, la mayoría, por no decir, prácticamente todos los manuales de francés que van apareciendo se sitúan en su órbita“ (García Bascuñana 2008, 79). Fernández Fraile (2016) zählt 31 Neuauflagen seiner Arte de hablar bien francés, ó Gramática completa (1781). Rechnet man hierzu noch jene Werke, die sich auf seine Grammatik berufen oder seine Methode fortführen, wie zum Beispiel jenes von Antonio Bergnes de las Casas Novísimo Chantreau o Gramática francesa (1845), das 26-mal neu editiert wird (Fernández Fraile 2016), kommt man auf über hundert Publikationen (Suárez Gómez 2008, 143).
Pedro Nicolas Chantreau wird 1741 in Paris geboren und besucht dort die Militärschule, von welcher er allerdings 1767 ausgeschlossen wird, was vermutlich der Auslöser für seine Reise nach Spanien war. Er arbeitet anschließend als Französischlehrer an der Militärakademie von Ávila, wo er etwa fünfzehn Jahre verweilt. Danach kehrt er nach Frankreich zurück, arbeitet zwischenzeitlich für den französischen Geheimdienst und als Geschichtslehrer an der Escuela Central de Auch, bis er 1803 zum Professor für Geschichte an der Escuela Militar de Fontainebleau ernannt wird (Suárez Gómez 2008, 133ff).
Seine Grammatik gliedert sich in vier Teile: (1) Aussprache und Orthographie, (2) Morphologie, (3) Syntax und (4) ein lexikalisch-praktischer Zusatzteil (Chantreau 1786, Titel). Sein Erfolg ist im Wesentlichen auf seine Kenntnisse im Bereich der Linguistik und auf seine langjährige Lehrerfahrung, in welcher er ein pädagogisches Gespür für die Bedürfnisse seiner hispanophonen Schüler entwickelt hat, zurückzuführen (Lépinette 1995, 159). Chantreau verweist in seiner Arte auf zahlreiche Werke, beginnend mit der Grammatik der Real Academia Española über diverse Grammatiken seiner Vorgänger, sowohl spanischer (beispielsweise Núnez de Prado, Galmace oder Contaut) als auch französischer Herkunft (z.B. Wailly, du Marsais, Valart oder Fromant). Seine didaktisch-methodischen Gedanken hat Chantreau (1786, XVIIff) in dem Kapitel „Metodo que el Maestro debe llevar en su enseñanza, y el Discípulo en su estudio“ für die Nachwelt festgehalten. In diesem Abschnitt gibt er dem Leser Anweisungen, wie das Französische gelehrt und gelernt werden soll. An erster Stelle steht das Verständnis der allgemeinen, universalen Prinzipien aller Sprachen, welche man am besten durch die Beschäftigung mit der eigenen Muttersprache lernt: „[P]ara pasar al estudio de una segunda lengua, mucho convendria el estar antes enterado de los principios de la materna“ (Chantreau 1786, III). Eigentlich sei es nicht Aufgabe seiner Grammatik, diese Prinzipien zu lehren, denn
la única tarea de una Gramática, escrita para la enseñanza de una segunda lengua, deberia ser el mero Análisis de las diferencias que se encontraren en el idioma materno, y el que se tratáre de aprender; y no la enfadosa explicacion de los elementos comunes á todas las lenguas (Chantreau 1786, IV).
Wie in den anderen behandelten Grammatiken nimmt der Sprachvergleich zwischen Ziel- und Muttersprache auch bei Chantreau eine zentrale Rolle ein. Er thematisiert primär jene Strukturen, die sich im Spanischen und Französischen unterscheiden und widmet ihnen sogar ein eigenes Kapitel („Construcciones Castellanas que no admite el francés“; Chantreau 1786, 189), in welchem er beispielsweise auf eine Schwierigkeit mit der spanischen Konstruktion estar + gerundio hinweist:
Muchas veces en castellano en lugar del tiempo simple, se construye con el gerundio acompañado de estar, como: Está leyendo, en lugar de lee: estaba comiendo, por comia: estuvo hablando por habló, &c. El francés no admite esta construccion, sino la del tiempo simple; y asi es menester traducir: está leyendo il lit, estaba comiendo il mangeait, estuvo hablando il parla (Chantreau 1786, 189; Hervorhebung im Original).
Chantreau greift dabei meist nicht auf sein linguistisches Wissen zurück, um diese sprachstrukturellen Unterschiede zu erklären, sondern versucht, diese mithilfe einer Übersetzung darzustellen (está leyendo — il lit). Diese Vorgangsweise ist keine Seltenheit in den Französisch-Grammatiken des 18. Jahrhunderts und findet sich auch in anderen der gleichen Art (Fischer Hubert 1999).
Im Methodenkapitel gibt Chantreau (1786, XVII-XX) eine klare Anweisung, wie seine Grammatik zu verwenden ist, nämlich in Form eines dreimaligen Studierens, jedes Mal mit einem unterschiedlichen Schwerpunkt. Aus diesem Grund markiert er seine Grammatik mit Sternchen, Kreuzen und Klammern (Chantreau 1786, XVII), um so die von ihm vorgeschlagene grammatikalische Progression zu kennzeichnen:
Ello significa que Chantreau tiene organizado ya todo el material lingüístico según un criterio de mayor o menor importancia en cuanto a la pertinencia de su conocimiento, así como una concepción de la progresión que implica un ordenamiento del contenido según el criterio de lo más sencillo hacia lo más complejo (Fernández Fraile 1995, 135).
Zu Beginn sollen die Regeln der Aussprache gelernt werden. Sobald diese verstanden sind,
se dividirá […] [la] tarea diaria [del estudiante] en tres repasos, dándole a estudiar, 1. una porcion de las voces incluidas en la nomenclatura, ó recopilacion de las voces. 2. Otra corta porcion de las frases familiares. 3. Una leccion regular del cuerpo de la Gramática […] de modo que […] llegue al mismo tiempo á saber las reglas Gramaticales, las voces mas usuales, para con ellas hacer oraciones, y aquellas frases introducidas por el uso en la conversacion y trato de las gentes (Chantreau 1786, XVIII; Hervorhebung L.E.).
Seine Schüler sollen von Beginn an sowohl die grammatikalischen Regeln als auch kommunikative Komponenten lernen. Wortschatz und Redewendungen befinden sich damit auf einer Ebene mit den Regeln der Grammatik. Daraus ergibt sich auch, dass Übung und Anwendung der Regeln nicht am Ende des Lernprozesses stehen, sondern unmittelbar nachdem diese erklärt wurden (Fernández Fraile 1995, 176). Diese praktische, an der mündlichen Sprachkompetenz orientierte Komponente zeigt sich außerdem im Hinblick auf das Lernen der Verbformen, welche nicht von der 1. Person Singular bis zur 3. Person Plural pro Tempus und Modus gelernt werden sollen, sondern am besten „con personas sueltas, pasando con rapidez de un tiempo á otro“, denn diese Art zu konjugieren „es [la] que mas se asimila al mecanismo de conversacion“ (Chantreau 1786, XVIIIf).
Der Praxisbezug zeigt sich auch durch die Integration von Übersetzungsübungen, denn „[n]ada formará mas al Discípulo en el hablar y escribir que este trabajo, resultando de él la necesidad de practicar todas las reglas […]“ (Chantreau 1786, XX). Er unterscheidet zwischen versión und traducción, wobei er ersteres als eine wörtliche und letzteres als eine freie Übersetzung versteht (Chantreau 1786, XIX). Die versión ist dabei weniger als eine wörtliche Übersetzung im eigentlichen Sinne zu verstehen, sondern vielmehr als eine Übung, in der die Regeln — vor allem der Aussprache — geübt und die Satzteile analysiert werden (Suso López 2016a). Dabei solle man mit der Übersetzung vom Französischen ins Spanische beginnen und sich erst im zweiten Schritt mit der Übersetzung in die eigentliche Zielsprache befassen. Das Ganze solle sowohl schriftlich als auch mündlich geübt werden (Chantreau 1786, XX). Mit diesen Übersetzungsübungen verfolgt Chantreau zwei Ziele: Ein linguistisches, nämlich die praktische Anwendung der Regeln und ein stilistisches, um so die Mechanismen der Kunst des Übersetzens kennenzulernen (Chantreau 1786, 257).
Abgesehen von der detaillierten Darstellung seiner Methode ist auch sein ca. 340 Seiten langes Suplemento erwähnenswert. Es besteht aus zwei Büchern und beinhaltet ausführliche Wortlisten, für die Kommunikation nützliche Sätze sowie eine Auflistung von spanischen und französischen Lexemen, die mehrere Bedeutungen in der jeweils anderen Sprache besitzen. Auch die oben schon angesprochenen Beobachtungen zur Übersetzung und die dazugehörigen Übungen befinden sich im Suplemento. Mithilfe dieses Ergänzungsbandes bereichert Chantreau „enormemente tal contenido lingüístico objeto de aprendizaje, al comprender igualmente un contenido léxico […], y fundamentalmente al ampliarlo hacia lo que actualmente se denomina ‚contenido comunicativo‘ […]“ (Fernández Fraile 1995, 132).
Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die behandelten Grammatiken nach ihren didaktisch-methodischen Grundgedanken zu kategorisieren und die Entwicklung von der klassischen Grammatik hin zum „Lehrwerk“ herauszuarbeiten. Ein solches Vorhaben ist nicht unproblematisch, weil sich in vielen der behandelten Werken keine didaktisch-methodischen Reflexionen finden. Erst ab dem 18. Jahrhundert treten diese vermehrt in Erscheinung. Die Tatsache, dass viele Grammatiken Merkmale mehrerer Ansätze beinhalten und dass in diesem Artikel ein Zeitraum von mehr als 200 Jahren behandelt wurde, erschwert das Vorhaben noch zusätzlich. Die nachstehenden Überlegungen (zusammengefasst in Tabelle 1) erheben also keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit und sollen eher als Grundlage für weitere Diskussionen dienen.
Im einführenden Teil wurden zwei unterschiedliche Ansätze des frühen Fremdsprachenlernens unterschieden. Im Folgenden sollen diese zusammengefasst und in Anlehnung an Suso López (2009, 103ff) um eine Methode erweitert werden.
Auf der einen Seite wurde von einer grammatikalischen Tradition gesprochen, deren Vertreter für ein bewusstes Lernen der Zielsprache eintreten, was mithilfe von Regeln und Sprachvergleichen vor allem zur L1 und zum Lateinischen erreicht werden soll. Das Verständnis der Regeln sowie das Memorieren derselben gemeinsam mit dem der Lexik würden zu einer adäquaten Sprachverwendung führen. Sowohl die Grammatiken von Billet (1688) als auch jene von Núñez de Prado (1728) können in diese Kategorie eingeordnet werden. Weder Billet noch Núñez de Prado erwähnen die mündliche Sprachkompetenz als Ziel. Auch fremdsprachliche Texte, Übungen oder didaktisch-methodische Reflexionen sind nicht zu finden (siehe Tabelle 1 auf Seite 29).
Bei Galmace (1745, 1748) sieht die Situation schon etwas anders aus. Suso López (2016b) ordnet seine Grammatik sogar als „modo ejemplar [de] los principios del método práctico en el siglo XVIII“ ein. Galmace geht sehr wohl auf die Wichtigkeit der mündlichen Sprachkompetenz ein, genauso wie er fremdsprachliche Dialoge am Ende seiner Grammatik integriert. Allerdings nimmt die Beschreibung der Grammatik doch einen Großteil seines Werkes ein, weshalb es nicht als Paradebeispiel für den praktischen Ansatz angesehen werden kann. Vielmehr sollte es als Brücke zwischen dem grammatikalischen und dem praktischen Ansatz bzw. als Wegbereiter für spätere Grammatiken allen voran für jene von Chantreau verstanden werden: „Será precisamente este autor quien dará un paso que se nos antoja decisivo para la enseñanza del francés en España […] yendo más allá de la concepción puramente gramatical“ (García Bascuñana 2005, 136).
Auf der anderen Seite findet sich eine praktische Tradition, in welcher der Lernende mithilfe von authentischem Sprachmaterial, meist durch Thesauren, Gesprächs- und Wörterbüchern, bzw. mithilfe von praktischen Grammatiken die Sprache lernt. Sotomayors Grammatik (1565) kann aufgrund der systematischen Einbettung grammatikalischer Phänomene in authentische Kontexte der praktischen Methode zugeordnet werden. Auch Contaut (1763) betont die Relevanz der Praxis und stellt das explizite Regelwissen hinter das Memorieren von Lexemen und Sätzen. Beide Autoren betonen die Wichtigkeit der mündlichen Sprachkompetenz und fügen ihren Werken eine ausführliche Wortschatzliste an. Auch die Arbeit mit fremdsprachlichen Texten ist in beiden Grammatiken zu finden. Was fehlt sind lediglich konkrete Übungen (siehe Tabelle 1).
Die dritte Methode wird von Suso López (2009, 106) als eklektische Methode bezeichnet. Dabei handelt es sich um einen Ansatz, der das Lernen der Regeln mit der konkreten Anwendung und Übung verbindet. Contaut könnte theoretisch auch diesem Ansatz zugeordnet werden, tritt er doch für eine praktische Anwendung der Sprache ein, ohne die Bedeutung des expliziten Regelwissens ganz zu negieren. Da er jedoch die praktische Anwendung über das Lernen der Regeln stellt, erscheint eine Zuordnung zum praktischen Ansatz passend. Auch die Grammatik von Galmace ist nur schwer eindeutig kategorisierbar und könnte als früher Vertreter des eklektischen Ansatzes betrachtet werden.
Ein Paradebeispiel ist jedoch die Grammatik von Pedro Nicolas Chantreau (1781). Er betont die Wichtigkeit des bewussten Sprachlernens und damit auch des Regelwissens. Beide Aspekte will er allerdings immer in einem konkreten, praktischen Kontext angewendet wissen und das nicht nach dem Lernen der Regeln, sondern gleichzeitig. Die praktische Anwendung befindet sich daher auf einer Ebene mit dem Lernen von explizitem Regelwissen. Des Weiteren betont er die Wichtigkeit der mündlichen Sprachkompetenz, fügt eine Reihe fremdsprachlicher Texte an und integriert als erster konkrete Übersetzungsübungen. Chantreau wird somit zum direkten Wegbereiter der Grammatik-Übersetzungsmethode, die im 19. Jahrhundert ihren Siegeszug antreten wird.
Cisneros (1635) Grammatik kann keiner der drei Methoden zugeordnet werden. In diesem Werk finden sich weder didaktisch-methodische Reflexionen, noch Wortschatzlisten, Lesematerial oder Übungen. Das Ziel, nämlich das Französische mithilfe dieser Grammatik zu lernen (Cisneros 1635, lector), scheint aufgrund des allgemeinen Zugangs nur schwer zu erreichen.
Als Startpunkt für das Interesse für moderne Sprachen wird in der Literatur meist das 16. Jahrhundert bzw. die Renaissance genannt (García Bascuñana 2005, 130). Obwohl die ersten Französisch-Grammatiken bereits im 16. und 17. Jahrhundert erscheinen, ist es das 18. Jahrhundert, das konstitutiv für die Entwicklung der Fremdsprachenlehrwerke in Spanien ist. Diese quantitativen und qualitativen Veränderungen im Hinblick auf das Lernen moderner Sprachen sind nicht nur in Spanien zu finden; ähnliche Tendenzen finden sich in ganz Europa. Sanchez Pérez (1992, 143; Hervorhebung L.E.) führt dies auf folgende Gründe zurück:
El incremento de los desplazamientos y viajes, con la consiguiente necesidad de comunicación entre personas de hablas distintas, hace surgir una más acuciante ‘urgencia’ por aprender […] idiomas […]. Esto sirve de acicate a gramáticos, profesores y pedagogos en general para mejorar los ya seculares problemas en torno a la enseñanza de idiomas. Por otra parte, el espíritu racionalista del siglo empuja a cuestionarse procedimientos que en ocasiones seguían en vigor ‘porque así se había hecho siempre y así se seguía haciendo’.
Auf der einen Seite sind es die steigenden Kommunikationsbedürfnisse zwischen den Ländern Europas, die zu einer erhöhten Nachfrage nach Sprachlehrern und Sprachlehrwerke bzw. Grammatiken führen. Erfahrene Sprachlehrer wie beispielsweise Galmace oder Chantreau sind es, die mit der grammatisch-traditionellen Methode brechen und den Weg für den eklektischen Ansatz frei machen. Dieser Schritt kann als konstitutives Moment für die Entwicklung der Französisch-Lehrwerke im 19. und 20. Jahrhundert angesehen werden. In den Grammatiken äußert sich diese Entwicklung durch die Integration von Wortschatzlisten, authentischem Sprachmaterial wie alltäglichen Dialogen und Briefen, Lektüremöglichkeiten wie literarischen oder wissenschaftlichen Texten bzw. durch die Eingliederung von Übersetzungsübungen. Auch die steigende Bedeutsamkeit der mündlichen Sprachkompetenz in den Grammatiken weist auf eine Verschiebung in Richtung kommunikativer Sprachfertigkeit hin.
Auf der anderen Seite spricht Sanchez Pérez vom Geist der Aufklärung, der dazu beigetragen habe, mit traditionellen Vorgehensweisen zu brechen. Dieses Bedürfnis nach einer Verbesserung der Lehrmethode äußert sich auch anhand der zunehmenden Anzahl der didaktisch-methodische Reflexionen. Diese Auseinandersetzung weist auf ein steigendes Bewusstsein der Sprachlehrer hin, sich mit den Bedürfnissen der Lernenden auseinanderzusetzen und führt so zu einer Verbesserung ihres eigenen Sprachunterrichts bzw. der darin verwendeten Materialien.
Autor (Jahr)
Tätigkeitsbereich
Lexik
Mündliche Sprachkompetenz
Fremdsprachliche Texte
Didaktischmethodische Reflexionen
Übungen
Methode
Sotomayor (1565)
Privatlehrer im Umkreis des königlichen Hofes
(de Liaño)
x
x
Praktisch
Cisneros (1635)
kein Französischlehrer (Professor für Theologie)
x
x
x
x
x
Keine
Billet (41688 [1673])
Privatlehrer im Umkreis des königlichen Hofes
x
~
(Arte poética)
x
x
Grammatisch-traditionell
Núñez de Prado (1728)
Lehrer am Real Seminario de Nobles
x
x
x
x
Grammatisch-traditionell
Galmace (1745, 1748)
Privatlehrer im Umkreis des königlichen Hofes (de Liaño)
x
x
Grammatisch-traditionell / eklektisch
Contaut (1763)
Privatlehrer in Cádiz und im Umkreis des königlichen Hofes
x
Praktisch
Chantreau (²1786 [1781])
Sotomayor (1565)
Eklektisch
Klassifizierung ausgewählter Französisch-Grammatiken (von 1565 bis 1786)
Nach zwei relativ isolierten Grammatiken (Sotomayor und Cisneros) bildet sich mit Billet eine Tradition von Grammatiken heraus, die hispanophonen Französischlernern als Lehrwerk dienen sollen. Diese hatten anfangs eine grammatikalisch-traditionelle Orientierung (beispielsweise Núñez de Prado) bis sich ab Galmace eine Entwicklung in Richtung moderner Lehrwerke abzeichnet, welche mit Chantreau und der Übernahme der eklektischen Methode einen ersten Abschluss findet. Die Debatte zwischen direkten — also ohne den Umweg über die Erstsprache der Lernenden — und indirekten Methoden bzw. die Frage, inwiefern eine Sprache durch eine induktive Herangehensweise über die Praxis oder durch eine deduktive Vermittlung von explizitem Regelwissen gelernt wird, hat hier ihren Ursprung und erreicht im 19. und 20. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Chantreau ragt durch sein linguistisches Wissen und seine Methode heraus und kann als Ende dieser ersten Etappe der Französisch-„Lehrwerke“ bzw. als Startpunkt einer zweiten Phase gesehen werden.
Dank des umfangreichen Forschungsprojektes rund um Juan F. García Bascuñana et al. (2016) wurde ein Diccionario de historia de la enseñanza del francés en España (siglos XVI-XX) erstellt, das als idealer Ausgangspunkt für weitere Studien dienen kann. Ein ähnliches Projekt, das sich mit dem Deutschunterricht auf der iberischen Halbinsel beschäftigt, gibt es meines Wissens nach nicht (für einen ausführlichen Überblick über die Geschichte des Deutschstudiums in Spanien siehe Sánchez Prieto 2020, in diesem Band). Des Weiteren wären Studien, die den Unterricht anderer moderner Sprachen vor allem des Deutschen, Englischen und Italienischen mit jenem des Französischen vergleichen, von großem Interesse. Gefragt sind auch Forschungen, die sich „verstärkt länderübergreifenden Fragestellungen zuwenden […], allerdings mit zeitlichen, räumlichen und thematischen Einschränkungen“ (Reinfried 2007, 626). So wären beispielsweise Studien, die sich mit den Grammatiken dieses Artikels und Französisch-Grammatiken, die in Deutschland oder Österreich erschienen sind, wünschenswert.
Berlaimont, Noël de (1536): Vocabulaire pour apprendre legièrement à bien lire, escripre, parler François et Flameng, lequel est mis tout le plus part par personnaiges, Antwerpen, Willem Vorsterman.
Billet, Pedro Pablo (41688): Gramatica francesa, dividida en tres partes, Madrid, Bernardo de Villa-Diego.
Chantreau, Pedro Nicolas (²1786): Arte de hablar bien frances o gramatica completa dividida en tres partes […] con un suplemento que contiene una nomenclatura muy ámplia, las frases mas precisas para romper en una conversacion, un tratado de la propiedad de las voces, y algunas observaciones sobre el arte de traducir, Madrid, Antonio de Sancha.
Chantreau, Pierre Nicolas/Bergnes de las Casas, Antonio (1845): Novísimo Chantreau, o gramática francesa, Barcelona, Juan Olivares.
Cisneros, Diego (1635): De grammatica francesa en Español, Madrid, Imprenta del Reyno.
Comenius, Johann Amos (1648): Linguarum Methodus Novissima, Leszno, Daniel Vetter.
Contaut, Pedro (1763): Gramatica española y francesa, novissimo selecto methodo, para aprender a hablar con perfeccion el idioma Francès, segun reglas ajustadas al Español, y faciles à los principiantes, Madrid, Imprenta del Diario.
Galmace, Antonio (1745): Adiciones a la gramatica francesa, que compuso el R.P. Núñez, para el uso de los Cavalleros del Seminario de Nobles, con que brevemente se puede leer, entender, y hablar perfectamente el Idioma Francès, sin auxilio de Maestro, Madrid, (ohne Verlagsangabe).
Galmace, Antonio (1748): Llave nueva, y universal, para aprender con brevedad, y perfeccion la lengua francesa, sin auxilio de maestro, Madrid, Oficina de Gabrièl Ramirez.
Jaron, Ivan Pedro (1688): Arte nuevamente compuesta de la lengua francesa por la española segun la nueva Correcion de Richelet, Madrid, Lucas Antonio de Bedmar y Baldiva.
Magin Tallés, Juan (1773): Rudimentos de la pronunciacion Francesa, para el uso de los Caballeros del Real Seminario de Nobles de esta Corte, Madrid, Antonio Mayoral.
Meurier, Gabriel (1558): Coniugaisons, règles et instructions mout propes et necessairement pour ceux qui desirent apprendre français, italien, espagnol et flamen, Antwerpen, Ian van Vvaefberghe.
Nebrija, Antonio de (1492): Gramática de la Lengua Castellana, neu herausgegeben von Antonio Quilis (1989), Madrid, Aguilar.
Nuñez de Prado, Joseph (1728): Grammatica de la lengua francesa dispuesta para el vso del Real Seminario de Nobles, Madrid, Alonso Balvàs.
Roca y Maria, Sebastián (1750): Arte francés o Nuevo método facilissimo para leer, hablar y esrivir francés, conforme a lo más moderno, Barcelona, Francisco Suriá.
Rousseau, Pablo F. (1754): Rudimentos de la Lengua Francesa, ò, Extracto de Preceptos breves, y claros para su prompta inteligencia, Valladolid, Alonso del Riego.
Sotomayor, Baltasar (1565): Grammatica con reglas mvy prouechosas y necessarias para aprender a leer y escriuir la lengua Francesa, conferida con la Castellana, con vn vocabulario copioso de las mesmas lenguas, neu herausgegeben und kommentiert von Gaspar Galan, Antonio/Concuera Manso, J. Fidel (2015): La gramática francesa de Baltasar Sotomayor (Alcalá de Henares, 1565), Zaragoza, Prensa de la Universidad de Zaragoza.
Berschin, Helmut/Felixberger, Josef/Goebl, Hans (²2008): Französische Sprachgeschichte, Hildesheim, Olms.
Brown, Douglas H. (2007): Teaching by principles – An Interactive Approach to Language Pedagogy, New York, Huneke.
Bruña Cuevas, Manuel (2016): „Billet, Pierre-Paul“, in: García Bascuñana, Juan (ed.): Diccionario de historia de la enseñanza del francés en España (siglos XVI – XX), Tarragona, Universitat Rovira i Virgili. www.grelinap.recerca.urv.cat/projectes/ diccionario-historia-ensenanza-frances-espana/entradas/29/search/billet (13.07.2017).
Decke-Cornill, Helene/Küster, Lutz (²2014): Fremdsprachendidaktik. Eine Einführung, Tübingen, Narr.
Fernández Fraile, María Eugenia (1995): La enseñanza/aprendizaje del francés como lengua extranjera en España entre 1767 y 1936. Objetivos, contenidos y procedimientos, Granada, Tesis Doctoral.
Fernández Fraile, María Eugenia (2016): „Chantreau, Pierre-Nicolas“, in: García Bascuñana, Juan (ed.): Diccionario de historia de la enseñanza del francés en España (siglos XVI – XX), Tarragona, Universitat Rovira i Virgili. www.grelinap.recerca.urv.cat/projectes/diccionario-historia-ensenanza-frances-espana/entradas/43/chantreau-pierre-nicolas-paris-1741-auch-1808 (13.07.2017)
Fischer, Denise (1996): „La Gramática francesa de Pierre Paul Billet: contenus et méthode“, in: Documents pour l’histoire du français langue étrangère ou seconde 18, 213-223.
Fischer Hubert, Denise (1999): „La traducción como método de enseñanza del francés en algunos manuales: (1750 – 1830)“, in: Lafarga Maduell, Francisco (ed.): La traducción en España (1750 – 1830): lengua, literatura, cultura, Lleida, Universitat de Lleida, 121-130.
García Bascuñana, Juan (2005): „Materiales para la enseñanza del francés en España: aproximación a los manuales publicados entre los Siglos XVI y XX“, in: Revista Interuniversitaria de Formación del Profesorado 19, 2, 129-144.
García Bascuñana, Juan (2008): „¿Con qué libros se aprendía francés en España en 1808?“, in: Anales de Filología Francesa 16, 73-85.
García Bascuñana, Juan (2016a): „Liaño, Jacques de“, in: García Bascuñana, Juan (ed.): Diccionario de historia de la enseñanza del francés en España (siglos XVI – XX), Tarragona, Universitat Rovira i Virgili. www.grelinap.recerca.urv.cat/projectes/diccionario-historia-ensenanza-frances-espana/entradas/133/liano-jacques-de-%c2%bf15-%c2%bfdespues-de-1567 (13.07.2017).
García Bascuñana, Juan (2016b): „Cisneros, Diego de“, in: García Bascuñana, Juan (ed.): Diccionario de historia de la enseñanza del francés en España (siglos XVI – XX), Tarragona, Universitat Rovira i Virgili. www.grelinap.recerca.urv.cat/projectes/diccionario-historia-ensenanza-frances-espana/entradas/46/cisneros-diego-de-valderas-provincia-de-leon-%c2%bfantes-de-1590-%c2%bfmadrid-%c2%bfdespues-de-163 (13.07.2017).
Gaspar Galan, Antonio/Concuera Manso, J. Fidel (2015): La gramática francesa de Baltasar de Sotomayor (Alcalá de Henares, 1565), Zaragoza, Prensa de la Universidad de Zaragoza.
Hüllen, Werner (2005): Kleine Geschichte des Fremdsprachenlernens, Berlin, Erich Schmidt Verlag.
Jungen, Oliver/Lohnstein, Horst (2007): Geschichte der Grammatiktheorie. Von Dionysios Thrax bis Noam Chomsky, München, Wilhelm Fink.
Lépinette, Brigitte (1995): „El arte de hablar bien francés (1781) de P.-N. Chantreau (1741-1801), grammaire pour l'enseignement du francais aux Espagnols“, in: Le Français Moderne 63, 1, 138-165.
Lépinette, Brigitte (1996): „Les premières grammaires du français (1565-1799) publiées en Espagne. Modèles, sources et rôle de l’espagnol“, in: Histoire Epistémologie Langage 18, 2, 149-177.
Reinfried, Marcus (52007): „Geschichte des Fremdsprachenunterrichts: ein internationaler Überblick über die Literatur“, in: Bausch, Karl-Richard/Christ, Herbert/Krumm, Hans-Jürgen (eds.): Handbuch Fremdsprachenunterricht, Tübingen, Narr, 622-626.
Reinfried, Marcus (2014): „European History of Romance Language Teaching“, in: Fäcke, Christiane (ed.): Manual of Language Acquisition, Berlin/Boston, De Gruyter, 255-273.
Sanchez Pérez, Aquilino (1992): Historia de la enseñanza del español como lengua extranjera, Alcobendas, Sociedad General Española de Librería.
Sánchez Prieto, Raúl (2020): „El estudio universitario del Alemán como Lengua Extranjera en España: perspectiva histórica y análisis de planes de estudios“, in: Becker, Lidia/Kuhn, Julia/Ossenkop, Christina/Overbeck, Anja/Polzin-Haumann, Claudia/Prifti, Elton (eds.): Geschichte des Fremdsprachenstudiums in der Romania. Tübingen, Narr, 35-58.
Soubeyroux, Jacques (1995): „El real seminario de nobles de Madrid y la formación de las élites en el siglo XVIII“, in: Bulletin Hispanique 97, 1, 201-212.
Suárez Gómez, Gonzalo (2008): La enseñanza del francés en España hasta 1850. ¿Con qué libros aprendían francés los españoles?, Barcelona, PPU.
Supiot, Alberto (1996): „Les manuels de Français Langue Étrangère en Espagne entre 1648 et 1815. Approche bibliographique“, in: Documents pour l’histoire du français langue étrangère ou seconde 18, 312-328.
Suso López, Javier (2009): „Las Reglas gramaticales de Antonio del Corro: cómo enseñar / aprender una lengua extranjera en el siglo XVI“, in: Martínez González, Antonio (ed.): Historia de las ideas lingüísticas. Gramáticos de la España neridional, Frankfurt am Main, Peter Lang, 83-115.
Suso López, Javier (2016a): „Método tradicional o método gramática traducción“, in: García Bascuñana, Juan (ed.): Diccionario de historia de la enseñanza del francés en España (siglos XVI – XX), Tarragona, Universitat Rovira i Virgili. www.grelinap.recerca.urv.cat/projectes/diccionario-historia-ensenanza-frances-espana/entradas/156/metodo-tradicional-o-metodo-gramatica-traduccion (13.07.2017).
Suso López, Javier (2016b): „Método práctico“, in: García Bascuñana, Juan (ed.): Diccionario de historia de la enseñanza del francés en España (siglos XVI – XX), Tarragona, Universitat Rovira i Virgili. www.grelinap.recerca.urv.cat/projectes/diccionario-historia-ensenanza-frances-espana/entradas/154/metodo-practico (13.07.2017).
Viémon, Marc (2013): „Le traitement de e dans un système de prononciation figurée du français au XVIIIe siècle: la ‘Coleccion de las falsas reglas’ de Galmace“, in: Çédille 9, 511-527.