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Nach dem Erfolg von Geschichten, nichts als Geschichten kehrt der beliebte Autor Ingo Schindera zurück, mit 13 neuen autobiografischen Erzählungen, die das Herz berühren und die Seele bewegen. Von der Kindheit bis hin zum erfüllten Leben als Großvater von 10 + 1 Enkeln. Tauchen Sie ein in die Höhen und Tiefen eines außergewöhnlichen Arztlebens. Mit feinem Humor und tiefer Menschlichkeit schildert der Autor Momente voller Tragik, Traurigkeit und urkomischer Situationen aus seinem Alltag. Lassen Sie sich von diesen authentischen Geschichten zu Tränen rühren und im nächsten Moment herzhaft lachen. Ein Buch, das zeigt: Das wahre Leben schreibt die besten Geschichten. Man muss sie nur zu erzählen wissen.
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Seitenzahl: 75
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Ingo Schindera,
Opa von 10+1,
ehemaliger Hautarzt in Völklingen/Saar Erzähler und Autor von Gedichten und Liedern.
2014 gewinnt er mit seiner Geschichte „Kirschen für Afrika / des cerises pour l’Afrique“ am Institut Francais in Saarbrücken den 1. Preis in der Seniorenklasse. In dieser Klasse waren keine Muttersprachler zugelassen.
2016 erfolgte zusammen mit dem lothringischen Liedermacher und Gitarristen Noel Walterthum die Veröffentlichung eines Albums von bilingualen Kinderchansons, die Idee und die deutschen Texte stammen von ihm.
2021 erschien der erste Band von „Geschichten, nichts als Geschichten …“.
2022 verfasst er den Text zu dem Friedenslied „Ich will den Frieden finden“. Melodie: Noel Walterthum
2022 Einrichtung des Youtube-Kanals: Ingo Opa von 10+1.
2023 gibt er ein Heft mit eigenen Weihnachtsgeschichten heraus.
Geschichten, nichts als Geschichten II ...
von Ingo Schindera
Oh Herr, bewahre mich vor der Aufzählung endloser Einzelheiten und verleihe mir Schwingen, um zur Pointe zu kommen.
Theresa von Aquila
Erinnern Sie sich noch an die quälenden Fragen Ihres Deutschlehrers:
„Was will der Autor mit der Geschichte sagen?“ Für meine Geschichten lautet die Antwort: „Nichts , Nothing!“
Lesen Sie meine Geschichten. Denken Sie aber daran, Sie müssen keine Rezession über die Geschichte in der Zeitung schreiben. Und Sie brauchen auch kein Statement in einer literarischen Talk-Show abgeben. Lesen Sie einfach meine Geschichten und lassen Sie ihren Gedanken freien Lauf.
Viel Vergnügen beim Lesen wünscht Ihnen
Ingo Schindera
Opa von 10+1
Inhalt
Meine Fluchtgeschichte
Der Glaube kann Berge versetzen und Warzen heilen
Ich kannte einen Bankräuber
Rumpelstilzchen
Die Wiener Säulenuhr
Ein Brief aus der Kriegsgefangenschaft
Ruhe sanft
O Tannenbaum wie grün …
Es fehlt nur noch das OKAY
Die Dame mit dem Hündchen
Mein Vater, der Geburtshelfer
Sinti-Großfamilie stürmt Klinik
Flipper, der Paketbote
Danksagung
Meine Fluchtgeschichte
Meinen Kindern und Enkelkindern ging es wie mir, wir hatten schon vergessen, was Krieg ist. Erst die Nähe des Krieges in der Ukraine hat uns wachgerüttelt. Es waren meine Enkel, die mich gefragt haben: „Opa, du hast doch den Krieg miterlebt. Deine Mutter, deine Geschwister und du, ihr seid doch aus Schlesien geflohen, erzähl uns etwas über eure Flucht.“
Und so begann ich meine Fluchtgeschichte zu erzählen: „Am 1. Dezember 1941 bin ich in Nikolai/ Oberschlesien (heute Polen) zur Welt gekommen. Am 15. Januar 1945 mussten wir vor der herannahenden Roten Armee Oberschlesien verlassen, wir gingen auf die Flucht. Weder an meinen dritten Geburtstag noch an die Flucht kann ich mich erinnern. Das Einzige, woran ich mich erinnern kann, ist das Spielzeugauto aus Metall, dessen Dach man umdrehen konnte, in dem Dach saß ein Rennfahrer mit Brille und Rennfahrermontur.
Dieses Auto habe ich geliebt und ich habe nach der Flucht noch viele Jahre mit diesem Auto gespielt.“
Und dann fuhr ich mit ernster Stimme in meiner Erzählung fort: „Und das ist meine ganze Fluchtgeschichte, leider ist sie nur so kurz. Aber als wir auf die Flucht gingen, war ich gerade erst drei Jahre alt.“
In meiner Not, nichts über meine Flucht berichten zu können, kam mir meine fünf Jahre ältere Schwester mittels eines handgeschriebenen Schulheftes, das den Titel trägt: „Meine Kindheitserinnerungen“, zu Hilfe. Das Heft habe ich in einer Ecke meines Bücherschranks entdeckt. Aus diesem Schulheft habe ich meinen Enkeln das Kapitel Flucht vorgelesen.
Übrigens hat meine Schwester mir nicht nur das Vorlesen gestattet, sondern auch, dass ich das Kapitel in meinem neuen Buch „Geschichten, nichts als Geschichten … Teil II“ veröffentlichen darf.
Und so beginnt das Kapitel: Am 15. Januar 1945 mussten wir ganz früh aufstehen. Mutti, meine vier Geschwister und ich flohen vor der bedrohlich nahen russischen Armee. Außerdem begleitete uns das Pflichtjahr-Mädchen Hilde (jede deutsche Achtzehnjährige musste im Dritten Reich ein sogenanntes Pflichtjahr ableisten). Wir hatten kaum Gepäck. Ingo und Nanni, unsere Jüngsten, saßen in einem Kinderwagen. Der dreijährige Ingo war schon etwas zu groß für den Kinderwagen, aber um Platz zu sparen, hat Mutti ihn zu Nanni in den großen Kinderwagen gesteckt. Wir nahmen den Zug nach Kamenz in Niederschlesien. Der Zug war völlig überfüllt, sogar die Toiletten waren mit Gepäckstücken vollgestopft. Wir waren gezwungen, sobald der Zug anhielt, unsere Notdurft im Freien bei -20 Grad zu verrichten.
Nach fast 24-stündiger Fahrt, für eine Strecke von ungefähr 50 Kilometern, kamen wir übermüdet und total erschöpft in Kamenz bei einer befreundeten Arztfamilie unter. Wir wurden sehr liebevoll von der Familie aufgenommen. Leider konnten wir nicht sehr lange dortbleiben, denn das russische Heer war bei Malsch, einem Ort, der circa 80 Kilometer nordöstlich von Kamenz liegt, durchgebrochen. Wir machten uns auf den Weg zu unserem Onkel Max, der in Jauer in Niederschlesien wohnte. Aber auch dort waren unsere Tage gezählt, denn die russische Front rückte immer näher. Dank guter Beziehungen konnte Onkel Max, er war Oberfeldarzt, für uns ein Abteil in einem Lazarettzug organisieren. Zivilisten durften diese speziellen Lazarettzüge nicht benützen, deswegen stiegen wir mitten in der Nacht in den Zug und wir mussten uns ganz ruhig verhalten.
Die Fahrt ging nach Halle /a.d. Saale. Dort angekommen, stiegen wir auf einem Güterbahnhof aus, denn wir waren „blinde Passagiere“. Wir mussten bei stockfinsterer Nacht über endlose Bahngleise gehen und dabei konnte jeden Moment ein Güterzug kommen. Endlich erreichten wir ein Bahnwärterhäuschen, die Frau des Bahnwärters versorgte uns mit heißem Tee und Butterbroten und wir konnten uns hier etwas ausruhen. Sie brachten uns zum Hauptbahnhof Halle. Von dort reisten wir dann weiter zu einer Familie Bauch nach Greiz in Thüringen. Der Sohn der Familie Bauch lag in Vatis Lazarett, der ihm wegen einer stark eiternden Schussverletzung und drohender Blutvergiftung den rechten Unterschenkel amputieren musste. Er war damals 21 Jahre alt. Herr und Frau Bauch waren schon ein älteres Ehepaar, das durch unseren Überfall überrascht und natürlich überfordert waren. Was waren das für gute Menschen, die eine 7-köpfige Familie aufnahmen und versorgten, dabei hatten sie selbst so wenig zum Leben. Ich musste mit Hilde in einem eiskalten Zimmer das Bett teilen, während meine vier Geschwister im Ehebett bei Mutti schliefen. In Greiz bekamen wir zum ersten Mal mit, was es hieß, bei Fliegeralarm in den Keller gehen zu müssen. Mutti meinte nur: „Ein Kartoffelkeller bietet doch keinen Schutz, der wird doch eher zur Falle.“
Vati war mit seinem Lazarett in Dresden Blasewitz einquartiert worden. Wir hatten gute Nachricht von ihm bekommen und wir wollten ihn am 14. Februar 1945 in Dresden besuchen. In der Nacht des 13. Februars wurden wir unsanft wegen Fliegeralarm aus den Betten geholt. Mutti achtete auf das entfernte Donnern und beschloss nicht in den Keller zu gehen, sondern vielmehr mit meinen beiden Brüdern und mit mir ins Freie zu gehen. Wir erlebten mit vielen anderen Menschen ein beängstigendes Spektakel. Ein Spektakel, dass an ein riesiges Neujahrsfeuerwerk erinnerte. Der Himmel war taghell erleuchtet und es fielen Hunderte von sogenannten Christbäumen vom Himmel. Diese Christbäume sind Stanniolstreifen, die den Flugzeugen den Weg weisen, wo sie ihre todbringende Bombenlast absetzen sollen. Laut Mundpropaganda wurde Chemnitz bombardiert, denn hier befand sich kriegswichtige Industrie. An Dresden hatte niemand gedacht, weil nur Flüchtlinge aus dem Osten und Verwundete in der Stadt waren, und es gab keine kriegswichtige Industrie. Wegen der strengen Nachrichtensperre erfuhren wir nicht, dass Dresden das Ziel der vielen Flugzeuge war, sie haben die Perle Sachsens in Schutt und Asche gebombt.
Mutti, meine beiden Brüder und ich fuhren nichts ahnend, wie mit Vati abgemacht war, nach Dresden … in die Hölle. Die Fahrt endete in Freiberg kurz vor Dresden. Alle Reisenden mussten den Zug verlassen. Auf den Straßen kamen uns geschockte Menschen entgegen, sie waren dem Inferno entflohen. Wir mussten zu Fuß weitergehen und schlossen uns versprengten Soldaten an, die den Marsch in die total zerbombte Stadt wagten, alleine wäre für uns dieses Wagnis zu gefährlich gewesen. Wir schlängelten uns zwischen brennenden Häusern hindurch, überquerten zerstörte Straßen und Reste von Brücken. Allmählich wurde es dunkel und wir hatten unser Ziel noch nicht erreicht. Dazu kam die Ungewissheit, ob Vati den Angriff überlebt hatte. Plötzlich standen wir vor einer zerstörten Halle, aus den Trümmern kam zufällig eine Rotkreuzschwester heraus, die in der ehemaligen Halle arbeitete und die unseren Vati kannte. Er lebte also! Die Schwester führte uns in die Kellerräume zu ihm. Dort sahen wir grauenvolles, viele Verwundete auf Tragen, elternlose, kleine wimmernde Kinder, die nur mit einem Hemdchen bekleidet waren, die auf schmutzigen Matratzen saßen. Zwischen all dem Chaos fanden wir Vati schlafend, aber Gott sei Dank lebend. Als er erwachte und uns vier, so vor sich sah, erschrak er fürchterlich, wähnte er uns doch im sicheren Greiz. Wir wurden gleich in die Küche geschickt und bekamen dort eine warme Suppe. Die Nacht aber mussten wir in dem überfüllten, stinkenden Keller verbringen. Glücklicherweise konnte Vati ein Auto organisieren, mit dem wir am Nachmittag des 15. Februar Dresden verlassen konnten. Mutti musste Vati versprechen, dass sie so bald wie möglich mit uns Kindern nach Wangen im Allgäu zu seinem Bruder fahren würde …
Mutti entschloss sich, zuerst mit uns drei „Älteren“ mit der Bahn nach Wangen im Allgäu zu