Geschwister chronisch kranker Kinder stärken - Silke Seiffert - E-Book

Geschwister chronisch kranker Kinder stärken E-Book

Silke Seiffert

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  • Herausgeber: ibidem
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Gesunde Geschwister chronisch kranker Kinder verhalten sich häufig sehr angepasst und rücksichtsvoll, zeigen ein hohes Maß an Reife, Toleranz und sozialem Engagement. Ihre eigenen Bedürfnisse werden dabei allerdings oft unterdrückt, so dass ihre Entwicklung gefährdet sein kann. Es besteht ein erhöhtes Risiko, dass sie Verhaltensprobleme entwickeln. In betroffenen Familien sollten deshalb alle Familienmitglieder einschließlich der gesunden Geschwister psychosoziale Unterstützung erhalten, damit die Geschwister chronisch kranker Kinder nicht aus dem Fokus geraten. Silke Seiffert stellt in ihrem vorliegenden Buch ein präventives Geschwisterprogramm vor, das im Rahmen eines Forschungsprojektes entwickelt wurde. Mit „Stark und Fit mit Piet“ werden Kinder lebenskompetent und fit für ihre besondere Situation gemacht, wobei der Spiel- und Spaßfaktor nicht zu kurz kommt. Seiffert präsentiert, inhaltlich sowie methodisch-didaktisch, detaillierte Ausarbeitungsvorschläge einschließlich eines Stundenverlaufsplans und Vorlagen für Arbeitsblätter, immer mit Blick auf die Altersgruppe der Grundschulkinder. Seifferts Buch richtet sich an Pflegefachpersonen sowohl im akut stationären, rehabilitativen sowie auch im ambulanten Bereich der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, und insbesondere an Patiententrainer-/innen. Das vorgestellte Schulungskonzept kann in der Betreuung betroffener Familien gezielt eingesetzt werden und eignet sich nicht nur zur Stärkung der Geschwister, sondern auch der chronisch kranken Kinder selbst.

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EPUB

Seitenzahl: 116

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ibidem-Verlag, Stuttgart

 

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Forschungsdesign

3 Begriffsklärungen

3.1 Chronische Erkrankung im Kindesalter

3.2 Schulung

3.3 Geschwister

4 Geschwister chronisch kranker Kinder

4.1 Situation der gesunden Geschwister

4.2 Schulungsprogramme für gesunde Geschwister

4.2.1 Nationale Programme

4.2.2 Internationale Programme

4.2.3 Forschungsprojekt KomPaS

5 Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter

5.1 Entwicklungsaufgaben von Kindern im Grundschulalter

5.2 Salutogenese

5.3 Das Konzept der Lebenskompetenzen

5.4 Health Literacy - Gesundheitskompetenz

5.5 Implikation der Konzepte für die Geschwisterschulung

6 Rahmenbedingungen der Geschwisterschulung

6.1 Übergeordnete Ziele

6.2 Strukturelle Rahmenbedingungen

6.3 Inhalte

6.3.1 Gefühle

6.3.2 Bewältigungsstrategien – Ressourcen

6.3.3 Energie tanken – eigene Stärken wahrnehmen

6.3.4 Erholungsaktivitäten und Entspannung

6.4 Methodik und Didaktik

6.4.1 Lernen

6.4.2 Rahmengeschichte und Leitfigur

7 Inselwelt - Lerneinheit „Und ich?“

7.1 Sonnen-Insel

7.2 Wolkeninsel

7.3 Asthma-Insel

7.4 Regenbogen-Insel

7.5 Sonnen-Insel

8 Diskussion

8.1 Auswahl der theoretischen Konzepte

8.2 Auswahl der Inhalte

8.3 Auswahl der Methodik und Didaktik

8.4 Auswahl des Forschungsdesigns

9 Schlussfolgerungen und Ausblick

10 Literatur

Anhang 1 - Inselwelt – Lerneinheit „Und ich?“

1.1 Sonnen-Insel

1.1.1 Allgemeine Ziele

1.1.2 Ablauf und Methodik

1.2 Wolken-Insel

1.2.1 Lernziele

1.2.2 Ablauf und Methodik

1.2.3 Spiele und alternative Methoden

1.3 Asthma-Insel

1.3.1 Lernziele

1.3.2 Ablauf und Methodik

1.4 Regenbogen-Insel

1.4.1 Lernziele

1.4.2 Ablauf und Methodik

1.4.3 Entspannung und alternative Methoden

1.5 Sonnen-Insel

1.5.1 Lernziele

1.5.2 Ablauf und Methodik

Anhang 2 – Stundenverlaufsplan

Anhang 3 - Inselplakate

3.1 Sonnen-Insel

3.2 Wolken-Insel

3.3 Asthma-Insel

3.4 Regenbogen-Insel

3.5 Sonnen-Insel

3.6 Seekarte

Anhang 4 - Vorlagen für Arbeitsblätter

4.1 Arbeitsblatt Muster

4.2 Gefühle zuordnen

4.3 Gefühle Situationen zuordnen

Anhang 5 - Vorlagen Dokumente

5.1 Reisepass

5.2 Deckblatt

5.3 Urkunde

Impressum

Abkürzungsverzeichnis

BZgA Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

HLCA Deutscher Forschungsverbund Health Literacy im Kindes- und Jugendalter.

ISPA Institut für Sozialmedizin in der Pädiatrie Augsburg

KiGGS Kinder- und Jugendsurvey. Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland des Robert Koch Institutes.

KomPaS Kompetenznetzwerk Patientenschulung im Kindes- und Jugendalter e.V.

ModuS modulares Schulungsprogramm für chronisch kranke Kinder, Jugendliche und deren Familien

PMR Progressive Muskelrelaxation

SOC sence of coherence, Kohärenzgefühl

SuSi Supporting Siblings. Präventionskurs für Geschwister chronisch kranker, schwerkranker und/oder behinderter Kinder.

WHO Weltgesundheitsorganisation

 

1 Einleitung

Familien mit einem chronisch kranken Kind haben bedingt durch den zumeist erhöhten Pflege- und Versorgungsaufwand hohe Anforderungen zu bewältigen, die nicht ohne Auswirkungen auf das gesamte Familiensystem bleiben (Büker, 2008, S. 81; Warschburger, 2009, S. 36f.). Das kann auch die gesunden Geschwister betreffen. Wenn Sie die Belastungen der Eltern spüren, ziehen sie sich unter Umständen mit ihren eigenen Bedürfnissen zurück und verhalten sich eher angepasst (Morgenstern et al., 2015, S. 90). Sie erhalten geringere Zuwendung durch die Eltern, da deren Aufmerksamkeit in erster Linie dem chronisch kranken Kind gilt (Tröster, 2013, S. 103; Knecht et al., 2015, S. 326). Eltern von chronisch kranken Kindern sorgen sich daher, dass sich diese besondere Familiensituation nachteilig auf die Entwicklung der gesunden Kinder auswirken könnte (Tröster, 2013, S. 103).

Der Forschungsstand benennt ein erhöhtes Risiko für Geschwister von chronisch kranken Kindern und Jugendlichen für psychische Beeinträchtigungen (Sharpe, Rossiter, 2002, S. 707; Vermaes et al., 2012, S. 173). Daraus ergibt sich, dass die psychosoziale Unterstützung allen Familienmitgliedern einschließlich der gesunden Geschwister zu Gute kommen sollte und begründet ein Schulungsangebot zur Stärkung von Geschwistern chronisch kranker Kinder (Tröster, 2013, S. 113; Warschburger, 2013, S. 170). Gemäß den Daten der KiGGS-Studie nimmt die Zahl der chronischen Erkrankungen im Kindesalter zu, wodurch in Zukunft auch immer mehr gesunde Geschwisterkinder betroffen sein werden (Neuhauser et al., 2014, S. 779; Schmitz, 2014, S. 777).

Das Kompetenznetz Patientenschulung im Kindes- und Jugendalter e.V. KomPaS hat sich dem angenommen und entwickelt und erprobt im Rahmen eines Forschungsprojektes vom 01.10.2015 bis 31.03.2018 eine kurz strukturierte Geschwisterschulung im modularen Schulungsprogramm ModuS, speziell für 6-12jährige gesunde Geschwister von chronisch somatisch kranken Kindern sowie deren Eltern (Ernst, 2016, S. 3). Ziele des Projektes sind:

Verbesserung der Lebensqualität der Geschwisterkinder,

der Ausbau aktiver Bewältigungsstrategien und des Kompetenzerlebens von Eltern und Kindern

Stärkung der gesamten Familie und Verbesserung des Familienklimas (Ernst, 2016, S. 4).

Die Geschwisterschulung besteht aus verschiedenen Lerneinheiten. Die krankheitsspezifische Lerneinheit beschäftigt sich mit dem Krankheitsbild der kranken Geschwister und trägt zur altersgerechten Krankheitsaufklärung bei. Die krankheitsunspezifische Lerneinheit „Und ich“? thematisiert spezifische Aspekte der gesunden Geschwister (Ernst, 2016, S. 4).

Gegenstand der vorliegenden Arbeit, innerhalb des Forschungsprojektes von KomPaS, ist die inhaltliche und methodisch-didaktische Entwicklung der krankheitsunspezifischen Lerneinheit „Und ich?“ für die Altersgruppe der Grundschulkinder. Aus den beschriebenen Risiken und Zielen ergeben sich folgende Fragestellungen:

Welche Inhalte sind für die Lerneinheit „Und ich?“ erforderlich?

Wie sollte die Lerneinheit methodisch-didaktisch konzipiert werden, um der Altersgruppe der Grundschulkinder gerecht zu werden und dem Anspruch eines niederschwelligen zeitlichen Umfangs von acht Unterrichtseinheiten zu entsprechen?

Nach der Darstellung des Forschungsdesigns wird durch die Nennung relevanter Begrifflichkeiten und wesentlicher Aspekte zu Geschwistern chronisch kranker Kinder der theoretische Hintergrund beleuchtet. Dazu wird auf die Situation der gesunden Geschwisterkinder und auf bereits existierende Schulungsprogramme näher eingegangen. Anschließend werden relevante Entwicklungsaufgaben für Kinder im Grundschulalter und ausgewählte Konzepte der Gesundheitsförderung beschrieben, die bei der Entwicklung der Lerneinheit Berücksichtigung finden und den theoretischen Hintergrund abschließen. Die Kapitel 6 und 7 bilden die inhaltliche und methodisch-didaktische Konzeption der Lerneinheit „Und ich?“ ab. Die Diskussion mit anschließenden Schlussfolgerungen und einem Ausblick runden die Arbeit ab.

 

2 Forschungsdesign

Für die vorliegende praxisorientierte Arbeit erfolgte eine eingehende Literaturrecherche zur Situation der Geschwister chronisch kranker Kinder und zu bereits existierenden Schulungsprogrammen für gesunde Geschwisterkinder. Daraus wurden potentielle Auswirkungen für die Geschwisterkinder ermittelt und mögliche Inhalte und methodisch-didaktische Überlegungen für die Lerneinheit „Und ich?“ abgeleitet. Insgesamt lag der Fokus der Recherche auf der Zielgruppe der Geschwister chronisch-somatisch kranker Kinder im Grundschulalter. Es wurde u.a. mit Hilfe der Datenbanken

CINAHL, Pubmed, PubPsych und den Suchmaschinen Google Scholar und Livivo recherchiert. Ebenso wurde in den Katalogen der Universitätsbibliothek der Universität Duisburg-Essen und der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst HAWK in Hildesheim gesucht.

Weitere Erkenntnisse wurden durch die Analyse von ausgewählten Konzepten der Gesundheitsförderung für Kinder und deren Entwicklungsaufgaben gewonnen und aus evaluierten Trainingsprogrammen für Grundschulkinder. Zu nennen wären hier das Anti-Stress-Training für Kinder von Hampel und Petermann (2003), Stresspräventionstraining für Kinder im Grundschulalter von Klein-Heßling und Lohaus (2012), Mutig werden mit Til Tiger von Ahrens-Eipper und Leplow (2004), Supporting Siblings von Kowalski et al. (2014), der GeschwisterTREFF, Jetzt bin ich mal dran von Spilger et al. (2015) und das Gesundheitsförderprogramm in der Grundschule Klasse 2000 (Verein Programm Klasse 2000 e.V., 2013). Das unveröffentlichte Grobkonzept des ISPA und des Bundesverbandes Bunter Kreis e.V. zur Geschwisterschulung chronisch kranker Kinder für 6-12jährige Kinder lag zur Nutzung vor.

Im Rahmen des Forschungsprojektes von KomPaS fanden zwei interdisziplinäre Expertenworkshops mit Teilnahme der Autorin statt, in denen die Ausarbeitungen hinsichtlich Inhalt, Methodik und Didaktik diskutiert und entstandene Ergebnisse eingearbeitet wurden. Gleiches gilt für die Ergebnisse durchgeführter Familieninterviews, die zu Beginn des Forschungsprojektes von KomPaS mit Hilfe eines teilstrukturierten Interviewleitfadens zu den Wünschen an eine Geschwisterschulung erfolgten.

Aus den gewonnenen Erkenntnissen wurden die Inhalte und methodisch-didaktischen Überlegungen für die Lerneinheit „Und ich?“ entwickelt. Die Erprobung und Evaluation der gesamten Geschwisterschulung ist nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit und wird im Rahmen des eingangs beschriebenen Forschungsprojektes von KomPaS durchgeführt.

 

3 Begriffsklärungen

Die Definitionen relevanter Begrifflichkeiten dieser Arbeit werden nachfolgend aufgeführt.

3.1 Chronische Erkrankung im Kindesalter

Aufgrund der Vielfältigkeit der pädiatrischen Krankheitsbilder und deren Verläufe ist der Begriff chronische Erkrankung bezogen auf das Kindesalter schwer definierbar (Schmidt, Thyen, 2008, S. 585). Nach Stein et al. (1993, zit. n. Warschburger, Wiedebusch, 2009, S. 241) spricht man von einer chronisch-somatischen Erkrankung, wenn sie mindestens seit einem Jahr besteht, schwer oder gar nicht heilbar ist und eines der genannten Folgen aufweist.

Funktionelle Beeinträchtigung in den Alltagsaktivitäten und der individuellen Entwicklung im Vergleich zu gesunden Gleichaltrigen

Abhängigkeit von Medikamenten und/oder Hilfsmitteln

Erhöhter Bedarf an medizinischer und psychosozialer Versorgung.

So vielfältig die Krankheitsbilder und Verläufe auch sind, ähneln sich die Belastungen und Anforderungen in den Familien doch sehr, unabhängig von der tatsächlichen Erkrankung. So sollte nicht nur die pathologische Veränderung durch die Erkrankung ausschlaggebend sein, sondern eine biopsychosoziale Perspektive eingenommen werden (Thyen, 2009, S. 191; Warschburger, 2009, S. 28).

In dieser Arbeit bezieht sich der Begriff chronische Erkrankung auf chronisch-somatische Erkrankungen und schließt psychische Erkrankungen und Behinderungen weitgehend aus.

3.2 Schulung

In Abgrenzung zu den Begriffen Information, Anleitung und Beratung definiert Kullick (2012, S. 155) Schulung als

ein zielgerichtetes, geplantes und strukturiertes Vorgehen zur Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Die Ergebnissicherung ist ein wesentlicher Aspekt.

Unterschieden werden Einzel- und Gruppenschulungen. Sie enthalten Elemente von Information, Anleitung und mitunter auch von Beratung (ebd.)

Die von KompaS bereits durchgeführten indikationsspezifischen Patientenschulungen für chronisch kranke Kinder und Jugendliche und deren Eltern sind als integraler Bestandteil der Therapie chronischer Erkrankungen zu sehen (Gebert, Wagner, 2015, S. 6). Dabei handelt es sich um eine pädagogisch-psychologische Intervention, in der krankheitsspezifische und krankheitsunspezifische Inhalte vermittelt werden. Neben der Aufklärung zur jeweiligen Krankheit, Behandlung und Prognose, geht es um den Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten für die Regulation und Vermeidung akuter Krisen, der Motivation im symptomarmen Intervall und den psychosozialen Aspekten der Krankheitsbewältigung für das gesamte Familiensystem (Ernst, Szczepanski, 2015, S. 22ff.). Diese Aspekte gelten auch für die geplante Geschwisterschulung.

3.3 Geschwister

In dieser Arbeit werden unter dem Begriff Geschwister alle in einer Familie lebenden minderjährigen Kinder verstanden, unabhängig von deren Verwandtschaftsgrad. Der Begriff Geschwister beinhaltet als Besonderheit generell deren Beziehung zueinander, die als einzigartig und als die am längsten andauernde zwischenmenschliche Beziehung im Leben beschrieben wird (Hackenberg, 2008, S. 13; Seiffge-Krenke, 2009, S. 224).

 

4 Geschwister chronisch kranker Kinder

In Deutschland leben schätzungsweise zwei Millionen gesunde Geschwisterkinder, die mit der Erkrankung ihres kranken Geschwisters aufwachsen (Spilger, Möller, 2013, S. 1). Ihre Situation und deren Auswirkungen werden im Folgenden erläutert. Die Darstellung einer Auswahl bereits existierender nationaler und internationaler Schulungsangebote für diese Zielgruppe schließt sich an.

4.1 Situation der gesunden Geschwister

Für das gesunde Geschwisterkind kann die chronische Erkrankung des Geschwisters ein potentieller Belastungsfaktor sein (Papastefanou, 2009, S. 39). Die Eltern sind weniger verfügbar, weshalb eigene Bedürfnisse und Gefühle aus Rücksichtnahme unterdrückt werden (Tröster, 2013, S. 103ff.). Die gesunden Geschwister sind mit ihren Gefühlen häufig auf sich allein gestellt. Sie sorgen sich um den Gesundheitszustand ihrer kranken Geschwister und empfinden Angst, die durch mangelnde Informationen über die Erkrankung und erforderliche therapeutische Maßnahmen noch verstärkt wird (Staub, Flury, 2014, S. 67). Schuldgefühle entstehen einerseits durch Wut und Eifersucht, da sie ihre kranken Geschwister für die fehlende Verfügbarkeit der Eltern verantwortlich machen und sich andererseits für diese negativen Gedanken schämen (Lohaus et al., 2007, S. 19). Je nach Alter haben sie irrationale Vorstellungen über die Entstehung der Erkrankung und fühlen sich mitschuldig (Staub, Flury, 2014, S. 67). Ambivalente Gefühle kennzeichnen das Dilemma, sich entscheiden zu müssen zwischen eigenen Bedürfnissen und denen des kranken Geschwisterkindes (Knecht et al., 2015, S. 330). Hinzu kommen Erfahrungen von Stigmatisierung und Diskriminierung bei nach außen sichtbaren Krankheitsbildern, die die soziale Integration gefährden können (Tröster, 2013, S. 103). In Abhängigkeit vom Alter sind sie in die Versorgung des kranken Geschwisterkindes mit einbezogen und übernehmen häufiger Hausarbeiten als Kinder von gesunden Geschwistern, wodurch sie sich in ihrem Freiraum eingeengt fühlen können (ebd.).

Welche Auswirkungen diese Situation nun auf die Entwicklung der gesunden Geschwister haben kann, zeigen die Ergebnisse der Risikoforschung aus zwei Metanalysen zur Gefährdung von Geschwistern chronisch kranker und behinderter Kinder und Jugendliche. Danach weisen gesunde Geschwisterkinder eine erhöhte Anfälligkeit für Verhaltensauffälligkeiten auf mit einer Häufung von internalisierenden Verhaltensproblemen wie depressive Symptome und soziale Ängstlichkeit (Vermaes et al., 2012, S. 173; Tröster, 2013, S. 106ff.). Geringere Aktivitäten mit Gleichaltrigen und Einschränkungen in der kognitiven Entwicklung wurden ebenfalls beobachtet (Sharpe, Rossiter, 2002, S.699). Nach Tröster (2013, S. 107) zeigen jedoch nur wenige Geschwister bedeutsame Verhaltensprobleme. Dabei scheint das Risiko, verhaltensauffällig zu werden, insgesamt höher zu liegen, wenn die chronische Erkrankung täglich hohe Anforderungen an die Familie stellt (Sharpe, Rossiter, 2012, S. 699; Vermaes et al., 2012, S. 166, Tröster, 2013, S. 108).

Die Geschwisterbeziehung wird durch eine chronische Krankheit oder Behinderung nicht generell beeinträchtigt. In Abhängigkeit der Geburtenfolge kann es zu einer Rollenasymmetrie oder Rollenumkehr kommen (Tröster, 2013, S. 113). Dennoch verhalten sich die gesunden Kinder eher prosozial und rücksichtsvoll und weniger aggressiv (ebd.).

Die gesunden Geschwister profitieren auch von der familiären Situation und zeigen ein hohes Maß an Reife, Toleranz, Sensibilität, Empathie, Belastbarkeit und sozialem Engagement (Achilles, 2013, S. 33; Hackenberg, 2008, S. 91). Insgesamt hängt das Risiko, in ihrer Entwicklung beeinträchtigt zu sein, von der gesamten Familiensituation ab. Die Anforderungen, die sich aus der Erkrankung des Kindes ergeben, werden als Plus-Faktor beschrieben und betreffen das gesamte Familiensystem (Warschburger, 2009, S. 30). Ob diese Anforderungen nun als bedrohliche Stressoren oder als bewältigbare Herausforderung eingestuft werden, hängt entscheidend davon ab, wie mit den krankheitsbedingten Anforderungen innerhalb des Familiensystems umgegangen wird und welche Ressourcen von Seiten des Geschwisterkindes und der Eltern zur Verfügung stehen (Warschburger, 2009, S. 31ff). Erreichen die Anforderungen ein Maß, das nicht mehr zu bewältigen ist, kann es zu einem Stresserleben kommen, wodurch sich die Belastungssituation für das gesunde Geschwisterkind erhöht (Lohaus, 2009, S. 10). Das erklärt die Notwendigkeit der Hilfe und Unterstützung aller gesunden Geschwisterkinder zur Bewältigung ihrer besonderen Situation (Warschburger, 2009, S. 37; Tröster, 2013, S. 113).

4.2 Schulungsprogramme für gesunde Geschwister

In den letzten Jahren hat die Anzahl von Angeboten für gesunde Geschwister von chronisch kranken Kindern zugenommen, sie beziehen sich aber oftmals auf Geschwister von behinderten oder lebenslimitiert erkrankten Kindern und weniger auf chronisch-somatisch kranke Kinder, sind sehr heterogen, wenig theoriegeleitet und nur vereinzelt evaluiert (Spilger, Engelhardt et al., 2014, S. 6; Ernst, 2016, S. 3). Im Folgenden werden bedeutsame nationale und internationale Programme vorgestellt, die sich auch auf chronisch-somatisch kranke Kinder beziehen.

4.2.1 Nationale Programme

Das Institut für Sozialmedizin in der Pädiatrie ISPA hat gemeinsam mit dem Bundesverband Bunter Kreis e.V., der Stiftung Familienbande und der Universität Flensburg das Versorgungskonzept GeschwisterCLUB für Geschwisterkinder von chronisch kranken, schwer kranken und/oder behinderten Kindern entwickelt (Kowalewski et al., 2014, S. 7). Dieses Programm stellt ein übertragbares Versorgungskonzept für Geschwisterkinder dar, das aus verschiedenen bedarfsgerechten Angeboten besteht. Diese bestehen aus dem GeschwisterTAG für 6-14jährige Kinder, dem Präventionsangebot SuSi für Kinder von 8-12 Jahren und dem GeschwisterTREFF für 7-14jährige Kinder, die sich inhaltlich und vom zeitlichen Umfang her unterscheiden (Spilger, Engelhardt et al., 2015, s. 22). Ein weiteres Gruppenangebot stellt das GeschwisterCAFÉ dar. Zu dem Versorgungskonzept gehören auch Einzelangebote wie der GeschwisterFOKUS