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Seit fünfzehn Jahren keine Aussicht auf Beförderung. Kommissarin Franziska Voigt, geschieden, alleinerziehend, 39, sitzt im beschaulich fränkischen Hammelburg fest. Daran kann auch ihr Chef Alois nichts ändern. Der brutale Mord an der frisch gekrönten Weinkönigin Vanessa könnte ihre Chance für einen Karrieresprung sein, nur dass der Mörder ganz andere Pläne verfolgt. Vanessa ist lediglich der Auftakt. Die eigentlich Gejagte ist die Kommissarin selbst. Sein größter Trumpf in diesem Spiel: Franziskas vierzehnjährige Tochter Jessika.
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Seitenzahl: 350
Veröffentlichungsjahr: 2018
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THE DEEP WEB
SPIEGELBILD
PRINZESSIN
R.A.C.L.
NÄHE
ARREST
SOLO
RED ROOM
POST
LINKED
NACHWORT
Für meine Lieblinge, die mir – trotz allem – immer Zeit zum Schreiben lassen.
Das ›Deep Web‹ (auch Hidden Web, Darknet, etc.) bezeichnet den Teil des World Wide Webs, der bei einer Recherche über allgemeine Suchmaschinen (z.B. Google) nicht auffindbar ist und mit den herkömmlichen Web-Browsern (z.B. Firefox) nicht erreicht werden kann. Im Gegensatz dazu werden über Suchmaschinen auffindbare Seiten Surface Web (Oberflächennetz) genannt. Das Deep Web besteht größtenteils aus themenspezifischen Datenbanken, Foren, Chatrooms, Marktplätzen und Tauschbörsen. Dabei handelt es sich meist um Inhalte, die nicht frei zugänglich sind, und/oder Inhalte, die nicht von Suchmaschinen indexiert werden oder nicht werden sollen. Die Nutzung ist legal.
Gespeicherte Daten:
ca. 8 Petabytes
(≈ 110 Millionen Laptops à 750 GB Festplatte)
Sprachen der Dark-Websites:
Englisch: 57%, Deutsch: 8%
Französisch/Arabisch: 7%
Währung:
Bitcoins (Stand 2016: 1,00 BTC ≈ 400,00 €)
Gefährlich ist es nicht, wenn du hinuntergehst.
Gefährlich wird es, wenn es zu dir hinaufkommt.
Franziska Schmitt kommt aus der Küche − Typ klar strukturierte, schwedische Gemütlichkeit in Bordeaxrot – und stockt zwischen den nächsten beiden Türrahmen in der Bewegung. Sie schaut suchend um sich, findet den vermissten Eisbeutel schließlich in der linken Hand wieder und setzt ihren geplanten Weg fort. Im Badezimmer angekommen, drapiert sie sorgfältig die Eiskügelchen, die eigentlich für den Single-Malt-Whisky ihres Mannes vorgesehen waren und in Reih und Glied eingeschweißt in der reißfesten Plastikfolie liegen, auf ihrer linken Wange. Die Uhr zeigt drei Uhr morgens.
Ihre Augen ruhen auf den Armaturen in Gold und Edelstahl. Ebenfalls schwedischer Herkunft. ›Mora Armatur‹ steht in geätzten Buchstaben auf dem Wasserhahn, der irgendwie an eine schiefe Thermoskanne erinnert. Absichtlich schaut sie ihn an. Ihn und die Zahnbürsten in dem IKEA-Wasserbecher. Ein paar Zentimeter oberhalb das, wovor ihr graut. Trotzdem würde ihr Nacken bald so sehr schmerzen, dass sie sich strecken muss und unweigerlich in – Ja, genau jetzt ist es passiert! – das Gesicht starrt, dessen Augen sich in ihre bohren. Vorwurfsvoll und irgendwie schrecklich wütend, so als wollen die fragen, was zum Geier ihr eingefallen war, dass sie so etwas mit sich machen lässt.
Dabei hatte doch alles so verheißungsvoll begonnen. Kosmische Glückseligkeit sollte eigentlich vorherbestimmt sein, wenn man am 7.7.77 um sieben Uhr (sechs) – auf diese Minute schiebt sie im Allgemeinen alles, was nicht genau so abläuft, wie es erhofft ist – als Kaiserschnittbaby im Bezirkskrankenhaus Rostock zur Welt kommt. Ja, in Rostock, Bezirk Rostock, Deutsche Demokratischen Republik. Nur, weil man im näheren Kreiskrankenhaus Güstrow, wo sie eigentlich hätte auf die Welt kommen sollen, um vier Uhr morgens, als bei ihrer Mutter Krämpfe anstatt der Wehen einsetzten, nicht auf Notkaiserschnitte vorbereitet war. Dann eben ab nach Rostock. Im Barkas-Krankenwagen. Also nicht Güstrow, Bezirk Schwerin, sondern Rostock-Südstadt. Nicht der Blick auf das Renaissanceschloss mit Lustgarten samt Baldachinen aus sattem Efeu und elegant daher ziehenden Schwanenpärchen auf dem Wassergraben, der das Areal liebevoll einschließt. Stattdessen: Platte und ein paar wenige, noch lange nicht hoch genug gewachsene Birken zwischen verdorrenden und gierig nach Wasser flehenden Grasbüscheln, die man vor acht Jahren dort eingesetzt hatte, wo man den Boden nicht in Beton goss.
In der Kindheit verhielt sich diese sagenumwobene und zerstörerische Minute jedoch unauffällig. Zumindest merkte Franziska sie nicht. Ihr Vater, Holger Voigt, Landwirt-Viehwirtschaft in der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft Tierzucht, LPG(T), ›Bernhard Quandt‹, Abteilung Schweinemast und SED-Mitglied seit 1962, hatte es zu was gebracht. Vorzeigeobjekt: das eigene Häuschen in Garden am See. Stil: Finnenhütte. Drei Zimmer, Küche, Bad und ein ausgebauter Dachboden, der nur aus Wandschrägen bestand und in dem selbst die zehnjährige Franzi große Probleme hatte, aufrecht zu stehen. Bis sie eins-dreizehn war, stieß sie sich aber zumindest noch nicht den Kopf. Warum sie das kleine Zimmer, hinten raus, nicht behalten konnte, war ihr schon immer ein Rätsel. Jedenfalls zog sie im Alter von sieben Jahren nach oben und liebte es. Vor allem das ›Bullaugenfenster‹ mit Blick auf den See, der dem Ort den Namenszusatz gab. Angeblich hatte ihr Vater es von jemandem auf der Rostocker Werft organisiert. Der kannte jemand, der einen anderen kannte, bei dem so eins rumlag. Also in irgendeinem Spind des volkseigenen Betriebs. Genau dort, unter diesem Bullauge, hatte ihr Bett gestanden. Auch dieses Marke Eigenbau und seiner Zeit mehr als nur voraus. Heute würde man es als Futon bezeichnen.
Ihr Vater galt allseits als geschickt und erfinderisch. Das Einzige, was sie nicht mochte, war der Geruch nach Schweinestall, den er täglich mit nach Hause brachte. »Schweine stinken nicht!«, hatte er immer wieder beteuert. Die Mutter gab darauf ständig zurück: »Dann solltet ihr öfter sauber machen und vielleicht auch mal durchlüften!« »Deine Schuld«, konterte er dann.
Ihre Mutter Lise. Mit einem E, keinem A! Das Skandalmädchen, denn sie hatte sich in den zehn Jahre älteren Holger Voigt verknallt, als sie selbst noch sein Lehrling war. Sechzehn und schwanger! Nicht, dass dieses Alter irgendwie anrüchig gewesen wäre, in der DDR galt frühe Mutterschaft als Beispiel sozialistischer Emanzipation, einzig der Altersunterschied stieß den Dörflern sauer auf. Franziskas Vater kam vor den Kadi, musste beknien, dass er so was mit keinem anderen Lehrling jemals gemacht hatte, machte oder machen würde, und wurde von den weniger anrüchigen Schafen zu den Schweinen versetzt. Lise hingegen musste ihre Ausbildung in der LPG (Pflanzenzucht) ›Friedrich Engels‹ beenden. Als Franzi dann mit einem Jahr in die Krippe kam, wurde Lise wegen ihres Abschlusses und des ehrenvollen Titels ›Vorbildlicher Lehrling 1978‹ unter der Berufsbezeichnung Landwirt-Saatzucht wieder angestellt.
Franziska wuchs also dort auf, was die Dörfler der Umgebung ›Mecklenburger Wandlitz‹ nannten. Eigenheime, von denen es ganze sieben gab, eine saisonale Gaststätte mit angeschlossenem Zeltplatz, ein Vier-Seiten-Hof, in dem der alte Reusenfischer wohnte, und ein Ferienlager. Außerhalb gab es noch eine Datschensiedlung des Gewerkschaftsbundes, wo sich allerdings nur die hohen Tiere der Parteiführung rumtrieben. Nur zu den Sommerferien waren dort die Kinder der SED-Kader untergebracht. Alles inmitten in einer Endmoränenlandschaft mit dichten Kiefernwäldern, saftigen Wiesen, ein paar kleineren klaren Seen und satten Äckern, nur zwei Kilometer vom Dorf Lohmen – Kirche samt Pfarramt, HO-Konsum, Kindergarten, Schule, Fischräucherei und Gaststätte samt Tanzsaal – entfernt. Ein echtes Kinderparadies auf Erden.
Hier wurde sie erstmals straffällig und vom ABV, dem Abschnittsbevollmächtigten, verhört. Ihr Delikt: wiederholter Diebstahl sozialistischen Volkseigentums. Verständlicher: Sie hatte Kartoffeln vom Acker geklaut und sich diese im Elternhaus gekocht, wenn sie von der Lohmener Schule nach Hause kam. Sein Urteil: Sie möge doch ihre Grundeinstellung überdenken, denn ihr Verhalten passte so gar nicht zu dem eines Thälmannpioniers und sei der erste Schritt, hin zum Vandalentum.
Schöner war da der erste Kuss mit einem Jungen. Pavel. Er kam aus Włocławek, Volksrepublik Polen. Seine Finger waren die ersten unter ihrer Pionierbluse. Da war sie gerade zwölf und Franzi hatte bitterlich geweint, als Pavels zwei Wochen Ferienlager in der DDR vorbei waren und er wieder zurück nach Polen musste. Das einzige Erinnerungsstück, das ihr blieb, war seine Manschette für das Halstuch.
1989 hatte, neben dem ersten Liebeskummer, aber noch weitere und bedeutend unangenehmere Überraschungen parat. Am neunten November brüllte ihr Vater zu ihr ins Zimmer hinauf – sie wälzte gerade ihr polnisches Wörterbuch, um ihre sehnsüchtigen Liebesschwüre an Pavel auf ein parfümiertes Blatt Papier zu kalligraphieren, während Tinos Stimme von der Schallplatte über die ach so süßen Verlockungen kleiner Mädchen schmachtete – sie solle zu ihnen herrunter ins Wohnzimmer kommen. Es gäbe was zu feiern. Das tat sie dann auch, nachdem sie den endlos langen Brief mit einer liebevoll schnörkeligen Unterschrift beendet hatte. Vor dem Fernseher standen ihre Eltern. Sie weinten vor Freude. Papa verbrannte gleich seinen Parteiausweis über der Spüle und nahm einen großen, langanhaltenden Schluck aus der Rotkäppchenpulle. Franziska wurde überschwänglich umarmt und abgeknutscht, während Günter Schabowski vom SED-Politbüro irgendetwas vollkommen Unverständliches über Ausreisegenehmigungen faselte.
Fast genau einen Monat später, am sechsten (!) Dezember, Nikolausi, stand der weiße Familien-Dacia 1310 TX, Namens Abrax – nach Abrax, dem kühnen, blonden Bengel der Abrafaxe − frisch poliert und mit einem für immer geborgten LPG-Anhänger, vor der Tür. Ihre Eltern luden nur das Nötigste ein und fuhren los.
Franzi schlief irgendwo hinter Dessau auf der Rückbank ein und erwachte in einem völlig fremden Bett in Hammelburg, Unterfranken, Bayern, Bundesrepublik Deutschland, während ihre Eltern etliche Kartons in die Drei-Zimmer-Wohnung im oberen Stockwerk schleppten.
Seit diesem Tag hasst sie Nikolausi abgrundtief. Von nun an sollte sie jedes Mal, wenn sie sich einen neuen Kalender zulegen musste, diesen Tag mit einem Totenkopf schmücken. Das tut sie immer noch.
Die Anfangsschwierigkeiten ließen nach drei Jahr nach. Mit fünfzehn wurde sie, dank des Gebalzes vom Moosbrugger Anton, immerhin Schützenprinz, und seiner öffentlichen und von inniger Zuneigung triefenden Frage ›Samma zam?‹ nach einem leidenschaftlichen und weißbierschwangeren Kuss, beim Cliquentreff hinter dem Hexenturm, den Titel ›Zuagroaste‹ los. Nun galt sie als fesch und das von ihren Eltern gut gepflegte meckelbörger ›Franzi‹ wich dem urbairischen ›Fanni‹.
Knapp ein Jahr später wurde sie von genau jenem Moosbrugger Anton, an gleicher Stelle und mit ebenso leidenschaftlichen und von Weißbier schwangeren Trieben vergewaltigt. Genau am sechsten (!) Juli. Nur einen Tag vor Franziskas sechzehntem (!) Geburtstag, welchen sie im Krankenhaus und mit polizeilichen Vernehmungen verbrachte. Ihr Vater Holger, mittlerweile arbeitslos, fing an zu saufen und ihre Mutter Lise, Aushilfe im Supermarkt, entdeckte ihren Herzenswunsch, sich ständig dafür entschuldigen zu müssen, von Garden nach Bayern gezogen zu sein, ohne sie je danach gefragt zu haben, ob sie das überhaupt wolle. Wahrscheinlich wäre die klare Antwort zu diesem Zeitpunkt ohnehin ein Nein gewesen. Schließlich bekam Lise einen Nervenzusammenbruch und musste fünf Monate lang stationär behandelt werden.
Die zuständige Ermittlerin war es dann, die in Franziska den Wunsch weckte, solchen Säcken in die Eier treten zu können und sie ein für alle Mal hinter Gitter zu bringen.
Franziska Voigt wechselte aufs Gymnasium, kniete sich rein, verschloss sich sämtlichen pubertären Annäherungsversuchen der Stadtjugend, die hinter dem feschen Madl her war, wie die Wespen hinter Fassbrause, trat dem örtlichen Schützenverein bei, übertrumpfte die aktuelle Bestmarke – gehalten durch den Wichser Moosbrugger Anton – um glatte zehn Zähler, trat stolz wieder aus dem Verein aus und machte mit achtzehn ihr Abitur mit der Note 1,1. Klassenbeste.
Noch im selben Monat bekam sie die Zusage für die Landespolizeischule in Sulzbach-Rosenberg, Oberpfalz, Bayern und mittlerweile einziges Deutschland, wo sie mit zwanzig, planmäßig, zur Oberwachtmeisterin ernannt wurde, sich für die Laufbahn Kriminalpolizei entschied – obwohl sie da gar nicht überlegen musste −, sich noch mehr abkapselte, selbstredend als Nebenfächer Kriminalistik und Kriminalpsychologie wählte und mit fast dreiundzwanzig nach München kam. Als frischgebackene Polizeikommissarin im Beamtenverhältnis auf Probe.
Zwei Jahre hatte sie in der Landeshauptstadt zu absolvieren, wurde stellvertretender Dienstgruppenleiter beim Landeskriminalamt, nahm alle zusätzlich stattfindenden Abendkurse der Richtungen Sexual- und Tötungsdelikte mit und stand am sechsten (!) März im Foyer der irgendwie heimatlichen Polizeiinspektion Hammelburg. Sie war jetzt – noch – vierundzwanzig und das ›auf Probe‹ war gestrichen.
Und da stand er: Polizeikommissar Wolf Schmitt. Tatsächlich Wolf. Nicht Wolfgang! Schlicht Wolf. Und genauso sah er auch aus: schwarzes, gesundes Haar, schwarzer Dreitagesbart, durchtrainiert, Knackarsch.
Sechs (!) Wochen später war sie schwanger. Die obligatorische Taufe − Wolf Schmitt, fränkisches Urgestein, war selbstverständlich Katholik – mit anschließender Hochzeit samt sichtbarem Babybauch, sechs (!) Monate danach. Ihre Eltern hatten sich inzwischen scheiden lassen und würdigten sich während Trauung und Feier keines Blickes. Trotzdem empfand sie − eine ganze (kurze) Weile lang −, es sei der schönste Tag ihres Lebens gewesen.
Nur sechs (!) Wochen waren Fanni und Wolf, verheiratet, als ihm seine Hand zum ersten Mal ›ausrutschte‹. Er grübelte über einer Fallakte, trank Whiskey – weil der seiner Meinung nach die Inspiration beflügelte – und bat seine Frau nach deren Meinung. Sie machte ihn auf einen Absatz aufmerksam, scherzte über seine Schusseligkeit und stichelte: »Du trinkst vielleicht zu viel«. Er, augenblicklich sauer, wiegelte es mit Phrasen ab. ›So weit hab ich noch nicht gelesen‹ und ›Es ist schon spät‹. Sie nimmt ihn in den Arm, sagt, er könne ruhig zugeben, wenn er was überlesen hat, schließlich kennt sie so was auch. Er wird laut, sie fragt, was los ist, er schiebt es auf den Stress, sie versucht, ihn zu trösten, er mag das nicht und stößt sie von sich. Sie ist gekränkt, er flucht und gönnt sich einen weiteren Schluck. Sie sagt, er solle das lassen, er: »Das geht dich nichts an!«, sie klaut ihm die Flasche, er greift danach, sie hält die Pulle fest, er holt aus ...
Franziska schaut ihrem Spiegelbild tief in die Pupillen, zieht den Eisbeutel von ihrer Wange und fragt sich, wie oft sie diese Prozedur schon hinter sich hat. ›Zu oft‹, antworten ihre vom Heulen geröteten Augen in einem sorgenvollen Gesicht, dass von verschwitzt klebendem, aschblondem Haar gekränzt wird. Sie horcht auf und vernimmt Wolfs Schnarchen, das von der Couch im Wohnzimmer kommt. Wieder ein Blick in den Spiegel, der sagt, dass es ein Ende haben muss.
Langes Warten und Schweigen, dann schleicht sie die Stufen hinauf und nimmt Jessika, jetzt acht Jahre jung, auf ihre Schulter. Sie wirft ihr eine Decke um. Jessika schläft direkt wieder ein. Unter dem Bett: die gepackte Reisetasche. Sie kontrolliert kurz die Papiere – ihre Ausweise und Geburtsurkunden −, dann geht sie leise hinunter, schlüpft in ihre Sneakers und tritt hinaus in den Schnee. Bevor sie die Tür hinter sich zu zieht, sieht sie nochmals zurück auf ihren Mann. Der schmatzt im Schlaf und dreht sich zur Lehne um, wobei sein Hintern aus der Hose rutscht, der von den kitschig blinkenden, bunten Lichtern des Weihnachtsbaums surreal angestrahlt wird.
Dennoch: Gesundes, schwarzes Haar, schwarzer Dreitagesbart, durchtrainiert – und ein Arschloch!
Ende Juli und es geht heiß her. Seit Tagen bereitet sich die Stadt Hammelburg nun schon vor. Auch das Wetter schließt sich – zum Glück − dem verabredeten Datum an. Eine leichte Brise, die sanft Luft zufächelt und die Menschen rettet, kurz bevor die einen Hitzeschlag bekämen. Zum frühen Abend, dem Zeitpunkt des Festes, ziehen endlich ein paar Quellwolken über den purpurnen Himmel und spenden ein wenig Schatten. Alles ist bereit.
»Mochst fei des noch o«, brüllt der Huber Alois seinem Neffen quer über die Bühne zu, auf der die Blaskapelle ihre Probe gerade mit einem Crescendo ausklingen lässt. Der kann nur ein kaum hörbares »Wos?« zurückrufen.
Es folgen noch ein paar schiefe Töne, um die Mundstücke frei zu blasen, Lachen und ein schnatterndes Durcheinander.
Der sechzigjährige örtliche Polizeichef nagelt die letzte Girlande fest, prüft kritisch und klettert die wackeligen Sprossen seiner Klappleiter hinab. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert leitet der ebenfalls Zuagroaste vom Tachinger See, mit seinem unverwechselbaren und brummigen Dialekt, nun die örtliche Inspektion, deren Ermittlungsquote seit Jahren über dem Landesdurchschnitt liegt. Auf diese positive Statistik ist man stolz und hört nur ungern neidische Zwischenrufe, welche unentwegt darauf hinweisen wollen, dass in Hammelburg sowieso nie was geschieht.
Tatsächlich entspricht das irgendwie der Wahrheit. Verkehrsdelikte, die zum größten Teil auf der A7 geschehen, und von Weißbier heraufbeschworene Wochenendschlägereien machen der Polizei die meiste Arbeit. Dennoch gönnt man sich den Luxus, zwei Kommissare zu beschäftigen. Alois Huber und Franziska Schmitt. Immerhin ist der Zuständigkeitsbereich 425 Quadratkilometer groß. Die Hälfte der Einwohner ist in der Gastronomie oder mit dem Weinbau beschäftigt. Die andere Hälfte gehört, und sei es auch bloß über fünf Ecken, zur Kaserne.
Die bestimmt seit 1895 die Stadtgeschichte, und legt seither, so sagen viele, eine einschüchternde militärische Aura über alle Einwohner der Stadt und des Umlands. Deshalb werden, freilich nur hinter vorgehaltener Hand, die Hammelburger stets mit der kastrierten Form eines männlichen Tieres verglichen, über die der Verfasser von Brehms Tierleben sagte: ›Seine Furchtsamkeit ist lächerlich, seine Feigheit erbärmlich.‹
»Gut schaut′s aus!«, klingt es zu ihm durch.
Nach kurzem Suchen, entdeckt er seine Kollegin, die mitten in der sich sammelnden Menge steht.
»Fanni! Do schau her! Mogst ned kimma?«
»Wieso?«
»Wei′d koan Dearndl o′hast«, gibt er mit gespielt zorniger Stirn zurück.
»Das würdest du gerne sehen, was?«
Er zwinkert kurz, besinnt sich dann aber wieder seiner Aufgabe, Fannis persönlicher und selbst ernannter Integrationsbeauftragter zu sein und nicht zuletzt auch der Gegenwart seines erst siebzehnjährigen Neffen.
»Bairisch, Fanni!«
»Das versteht er doch auch«, scherzt sie.
»Du woasst, wos i moan.«
»Das ist anstrengend«, prustet sie und fleht um Gnade.
»Wir sind in Franken, Lois.«
»Pseudo-Bayern«, rümpft Alois die Nase. »Aber nur, weil′s heut Stadtfest is«, mahnt er und hebt den Zeigefinger.
Zufrieden wischt sich Franziska den imaginären Schweiß von der Stirn.
»Also? Kein Dirndl, Fanni?«
»Ich hab mich eingeteilt.«
»Du drückst di?«
Sie zuckt mit den Schultern und lächelt schief.
»Ich mag diese Feste nicht. Schieb′s auf meine Ochsenhörner. Außerdem brauchen wir heute Abend jeden Mann.«
»Ausreden«, kontert er und zieht die Riemen seiner Krachledernen gerade. »Des mit den Mecklenburger Hörnern hast’ dir doch grad ausg′dacht. Du bist erst neununddreißig, Fanni.«
»Reib′s mir unter die Nase.«
»Hab a bisserl Spaß!«
»Ich hab Spaß, Lois.«
»Weshalb du ständig dahoam sitzt! – Du schaust zu gut aus, um di zu verkriechen.«
»Du willst meine Titten sehen«, gibt sie zurück, sich sehr wohl bewusst, dass dieser Gegenschlag ihn aus der Bahn bringt.
Alois fängt sich, als die Farbe in sein Gesicht zurückkommt und Sepp, sein siebzehnjähriger Neffe, den Mund endlich wieder schließt.
»Dass du des ned lassen kannst. Mir san koane Preuß′n. Red anständig«, ermahnt Alois sie zum unzähligsten Mal. »Willst du wirklich Streife laufen? Heut?«
»Back to basics.«
»Keine Anglizismen, Fanni, mia san in Bayern.« Franziska winkt ab.
»I kann di scheinbar ned zwingen, di in was Schöneres zu werfen. Passt dir deine Uniform überhaupt noch?«
»Ich bleib in Zivil.«
»Wie du meinst, dann werd i mol weitermachen. – Sepp! Hosd lang g′nug rumg′sess′n! Los ′etz.« Mit einem kurzen Winken dreht er sich um und müht sich wieder zurück auf die Bühne.
»Na los, Josef«, grinst Franziska den Jungen an. Der ist sichtlich genervt und steht nur maulend auf. »Schöne Grüße an ›J‹, Fräulein Schmitt.«
»Frau, Josef. Frau Schmitt. – Übrigens noch immer Frau Schmitt, Alois!«, ruft sie ihrem Chef nach, der sich verdattert zu ihr umdreht und sie mit dem typisch leeren Ausdruck ehrlicher Unwissenheit anstarrt. »Du hast die Papiere doch endlich weitergeleitet?«
»Welche Papiere?«
»Sag nicht, die liegen immer noch auf deinem Schreibtisch!«
»Gleich Montag, Fanni. Versprochen!« Damit muss sie sich wohl wieder einmal zufriedengeben, obwohl sie den Papierkram für die Namensrückänderung auch noch ein zweites Mal machen könnte. Sich sämtliche Stempel und Kopien der Urkunden zu besorgen, anschließend einen Vormittag im Stadtamt zu verbringen und zu warten, geht es ihr durch den Kopf, würde irgendwie schneller gehen.
»Bestellen Sie sie?« Erst jetzt wird Franziska auf Josef Hubers scheuen Gesichtsausdruck aufmerksam. Er sagte ihren englisch ausgesprochenen Kosenamen – Buchstaben –, der zurzeit in ist. Franziska sagt Jessika, Jessy oder Jess, obwohl Letzteres nur, wenn sie sich über ihre Tochter aufregt. »Ist da was, dass ich wissen sollte, Sepp? Bist du nicht ein bisschen alt für Jessy? «
Er hebt abwehrend beide Hände, grinst aber dabei. »Nur Grüße, Fräulein Schmitt.«
»Frau!«
Die Musikanten haben sich gestärkt und kommen auf ihre Plätze zurück. Der Marktplatz quillt schon über. Als Tourist ist man klar in der Mehrheit. Die Einheimischen halten sich im Hintergrund und lieber ein gemütliches Weißbier in der Hand, während sie dem Trubel von den Bänken in den Biergärten folgen, anstatt sich die Beine in den Bauch zu stehen.
Das Spektakel gilt der neuen Weinkönigin. Alle zwei Jahre setzt sich der Hammelburger Winzerverein mit den Hoteliers und sämtlichen Gastronomen der Kleinstadt zusammen. Viele haben Töchter, einige sogar sehr ansehnliche, und unter denen wird dann ausgewählt, wessen Vater wohl in den kommenden beiden Jahren am meisten für die Stadt spendieren mag. Diesmal ist es der Aschbrenner Jochen, Wirt des Burghofes. Seine Tochter: Nessi, gerade fünfzehn Jahre jung (Mindestalter), Neuntklässlerin, erste Ministrantin und größte Medaillenhoffnung des Bogenschießvereins. Den Titel der deutschen Jugendmeisterin hatte sie im April gerade erst geholt. Sie misst einen Meter neunundsechzig, hat wallendes, blondes Haar und eine viel zu üppig geratene Oberweite, die jedes noch so schlichte Dirndl zu einem Augenschmaus werden lässt.
Die debütierende Königin wird sprichwörtlich mit Pauken und Trompeten von den hunderten Zuschauern empfangen. Die Kapelle spielt zünftig, die Kutsche, mit den antiken Weinfässern, gezogen von zwei opulenten Schimmeln, wird johlend beklatscht und Vanessa Aschbrenner, nebst Kutscher in historischer Winzerkluft samt Hut und Schürze, lässt Bonbons auf die Menschenmenge regnen.
Es folgen die Reden des Vorsitzenden des Winzervereins, der Sprecherin des städtischen Touristikverbandes und natürlich des Bürgermeisters, Alois Hubers zweites und liebstes Amt.
Im Gegensatz zu den Ortsfremden hören die Ureinwohner in den Biergärten kaum zu. Brav warten sie auf den Sonnenuntergang. Erst als die Fackeln entzündet sind, die Kapelle ›Gott mit dir, du Land der Bayern. Heimaterde, Vaterland‹ anstimmt und alle mitsingen, ist es an der Zeit, dass die bisherige Monarchin, unter viel Beifall und Jubelrufen, ihre Krone der Nachfolgerin aufs Haupt setzt. Choreografiert zum Ausklang der vierten Strophe. ›Deutsche Heimat – weiß und blau.‹
Nun beginnt das eigentliche Stadtfest. Die Blaskapelle spielt fröhliche Tanzmusik, vor allem Polka, denn das ist man den vorwiegend fernöstlichen Gästen schuldig.
Franziska schlendert am Rand des Marktes entlang, unterhält sich mit Bekannten, Touristen und ein paar Jugendlichen, die nicht nur Bier trinken, und ermahnt sie. Ganz so, wie Alois es auch machen würde. Der ist der diplomatischen Ansicht, dass man bei Weißbier auf Festen ein Auge, oder manchmal auch zwei, zudrücken sollte. Schließlich ist ›Bei Freunden dahoam‹ das städtische Motto, was man auch so auslegen konnte, als würde man sich zu Hause ein Bierchen gönnen.
Und das Zuhause ist nun mal Privatsphäre. Kein Grund also, den Familienmitgliedern wegen gesetzlicher Altersbeschränkungen auf die Nerven zu gehen.
Fanni sieht das nicht wirklich so. Schon gar nicht, wenn der Teenager, den sie im Auge hat, gerade mal vierzehn ist und Jessika Schmitt heißt.
»Jess!«
Die verschluckt sich augenblicklich am Weißbier und bekleckert ihre Dirndlbluse.
»Mama!«
Um den Anstand zu wahren, nimmt Fanni mit einem Lächeln, aber pechschwarzem Blick, das Glas aus der Hand ihrer Tochter und blitzt die hauptsächlich aus Jungs bestehende Gruppe furchteinflößend an. Die kratzen sich nervös am Hinterkopf und versuchen, schleunigst aus der Gefahrenzone zu entkommen.
»Mama, es ist Stadtfest.«
»Und da gelten keine Regeln mehr?«, zischt ihr Fanni kaum hörbar, aber mit Nachdruck zu. »Du weißt, was ich dir gesagt hab.«
»I bin ned Opa.«
Jetzt gilt das finstere Funkeln ihr. »Das hat nichts mit Opa zu tun. Du bist vierzehn und ich bin schließlich im Dienst.«
»Ja, ja«, gibt Jessika trotzig zurück und rollt mit den Augen unter ihren frisch blondierten Haaren.
»Und jetzt soll ich heim, oder was?«
»Gut, dass dein Gehirn noch funktioniert.«
»Echt jetzt?«
Fanni zieht die Brauen hoch. Ihr unmissverständliches Zeichen, dass sie es todernst meint.
»Aber meine Freunde ...«
»... sind herzallerliebst. Vor allem ihr geradezu vorbildlicher Umgang mit Alkohol.«
»Bis zwölf? Biiitte!«
»Elf.«
»Halb?«, feilscht sie zurück und macht ihre dunklen Kulleraugen riesig, während ihr Schmollmund
– Ist das mein Lippenstift? – an den Winkeln zu zittern beginnt.
»Ich ruf zu Hause an. Wehe, du bist nicht da.«
»Bin i«, strahlt Jessika, drückt ihr einen Kuss auf und umarmt ihre Mutter überschwänglich.
»Danke. Hab dich lieb.«
Fanni lächelt, während sich ihre Tochter an ihr vorbeischiebt und winkend in Richtung Tanzfläche aufbricht. Eine ganze Zeit lang bleibt ihre Mutter noch in der Nähe und hat ein Auge auf sie, bevor sie mit einem Lächeln weiterzieht.
Das Funkgerät knackt erstmalig gegen Mitternacht. Sie hätte es beinahe überhört, weil sich gerade jemand ganz in ihrer Nähe leidenschaftlich übergibt, während er sich schaukelnd auf den Knien abstützt.
»Geht′s, oder soll ich dich zum Sani bringen?«
»Naa, geht scho.«
»Genug gehabt heute, klar?«
Das kraftlose Heben der Hand genügt ihr fürs Erste.
Ein weiteres Knacken und die Durchsage: »Nullsiebenundachtzig an Zehn-sechs«
»Zehn-sechs hört. Aber du bist nicht mehr auf der Polizeischule, Georg. Wir benutzen die Codes nimmer«, grinst sie ins Funkgerät.
»I woass. Kimmst nauf zum Schloss? Mia ham a ... Zehn-sieb′ner. In der Saaleckstraßen.«
»Dein Ernst?« Sie kann sein Nicken fast sehen.
»Gleich da.«
Zehn-sieben ist die veraltete Abkürzung für eine tot aufgefundene Person. Der Leichencode. Zuletzt hatte man den vor sieben Jahren benutzt. Damals war Fanni allerdings mit Jessika im Urlaub und ärgerte sich ewig, dass ihr erster Fall mit Todesfolge noch immer nicht von ihrer To-do-Liste gestrichen werden konnte. Während ihrer Dienstzeit in München durfte sie zwar schon bei mehr als einem Dutzend derartiger Einsätze assistieren, aber der hier war ihr erster eigener. Sie beeilt sich. Sehr. Gleich ist allerdings übertrieben. Der Fundort der Leiche befindet sich gute zwei Kilometer entfernt und nur Fußstreifen sind unterwegs.
Etwas außer Atem, denn sie hatte die Abkürzung hinter dem Franziskanerkloster genommen, welche leider deutlich steiler den Berg hinauf führt, kommt sie bei ihrem Kollegen an.
»Kann es san, dass du wos g′ahnt hosd?«, fragt er, wartet aber auf keine Antwort und deutet mit seiner Taschenlampe voraus.
»Wenn ich das geahnt hätte, Georg, wäre ich als Privatperson unten auf dem Fest und nicht hier«, schnauft sie und schaut, sich mit den Händen auf ihren Knien abstützend, die Böschung hinab. Eine Lüge. Aber gerade hier, im konservativen Bayern, schickt es sich schließlich nicht, eine morbide Ader zu besitzen und sich nach einem Toten geradezu zu sehnen. Aber sie tut es. Das ist einer der Gründe, die sie für ihren Beruf begeistern.
Sie erkennt das Dirndl sofort, als der goldene Brokat im Schein der Taschenlampe aufblitzt.
»So hob i aa g′schaut.«
»Hast du sie gefunden?«
Seine Antwort ist ein Nicken.
»Ist sie es?«
»Wir warten noch auf die Spurensicherung. Schau.« Mit der Taschenlampe beleuchtet er ihre Schritte und führt sie hinter sich zum reglosen Körper.
Dort, wo das Gesicht hätte sein müssen, gräbt sich ein Granitbrocken tief in den Schädel. Er bedeckt ihr ganzes Gesicht. Von den Brauen bis zum Kinn. Der Unterkiefer liegt schräg unter dem, was einst der Kopf gewesen war. Auf den Stein sind, in blassrosa Farbe, die Züge eines Lächelns gemalt. Vermutlich mit dem Lippenstift des Opfers. Ein sehr unangenehmer Anblick.
Fannis Magen zieht sich zusammen, während sie gleichzeitig furchtbare Schmerzen im Kiefer verspürt. Aber sie hält sich.
Das Kleid ist bis zu den Hüften hochgeschoben, der Slip aus Spitze klemmt zerrissen in ihrer rechten Kniebeuge. Überraschend für sie ist, dass der Boden nicht aufgewühlt ist. Die Finger liegen auch nicht verkrampft, sondern entspannt über dem Kopf des Opfers.
Der durstige Waldboden hatte die Körperflüssigkeiten schon gierig in sich aufgesogen, weshalb es keine Blutlache gibt. Nur eine klebrige Masse zwischen ausgedörrtem Moos und den Borkensplittern eines umgestürzten Baumes.
»Ein einziger Schlag, oder?«
Georg kniet sich zu ihr herunter und schaut sich genauer den zerschmetterten Schädel von allen Seiten und aus jedwedem Winkel an. Schließlich räuspert er sich und kommt stöhnend wieder auf die Beine. »Entweder a Schlag, oda ...«
»Oder?«
»Na ja. Des Ding wiegt mindestens zwanz′g Kilo. Den hätt der Täter bloß ...«
»... auf sie fallen lassen müssen«, beendet sie den Satz. »Ob sie geschlafen hat?«
»Möglich«, gibt Georg achselzuckend zurück.
»Ich versuche mal, von unten an sie ranzukommen. Fordere ein paar Streifen an, damit die schon mal absperren können«, sagt Fanni, folgt dem Pfad zurück und späht die Straße aus.
Es riecht nach Trauben. Der Weinberg ist gleich hinter der nächsten Biegung und an den Stöcken reift der Wein, dank der großen Wärme, sehr früh. Der Nachteil: Der Boden ist knochentrocken. Fußspuren zu finden ist so gut wie ausgeschlossen.
Dennoch findet sie eine winzige Stelle, an der einige dürre, abgebrochene Grashalme auf dem Asphalt liegen. Sie legt ihren Kugelschreiber daneben, versucht, sich die Stelle einzuprägen, macht eins, zwei Fotos und folgt dem gewundenen Weg weiter bergab.
Es ist dunkel. Der Mond ist schon längst hinter dem Schlossberg verschwunden und die Sonne würde erst in ein paar Stunden hervorkommen.
Schließlich findet sie doch eine Stelle, wo sie es hätte versuchen können. Das Mädchen befindet sich jedoch viel zu weit entfernt. »Sie liegt viel zu weit oben!«, ruft sie durch die Bäume hindurch, als sie das Aufblitzen von Georgs Taschenlampe sieht. Sie tritt zurück auf den Belag und geht die Straße wieder hinauf.
»Wos hosd g′sagt?«, fragt Georg, als sie sich ihm nähert.
»Von unten kann ich nicht rein.«
Zur Antwort nickt er wieder und beantwortet das Knacken im Funkgerät, dem Franziska nicht zuhört. Sie hätte ohnehin kaum etwas davon verstanden. Es war aber wohl nicht mehr als eine Wegbeschreibung für den Rettungswagen. Stattdessen nimmt sie Fotos vom Leichnam, geht abermals den Weg hinab und findet ihren vorher abgelegten Kugelschreiber wieder. Hier bleibt sie stehen und mustert die Umgebung.
Im Tal, hinter den Weinstöcken, sieht sie die Lichter des Truppenübungsplatzes. Nur nachts waren die Ausmaße des Geländes überhaupt zu erfassen. Die Fitzelchen Gras hätte auch ein winziger Luftzug auf die Straße wehen können. Wenn aber ... Der Gedanke ist selbst ihr zu fadenscheinig, weshalb sie den Kopf schüttelt und ihren Kuli aufhebt. Sich umblickend wartet sie, bis die von ihr angeforderten Streifenwagen kommen.
»Hast du da was?«
»Nur Gras.«
»Zum Rauchen?«, grinst der Kollege und sie lächelt gequält zurück.
»Witzig«, stöhnt sie und winkt sie weiter.
Ganz am Ende schnurrt ein smaragdgrüner 3′er die Serpentinen herauf. Alois′ Wagen.
Der hält neben ihr und lässt die Scheibe auf der Beifahrerseite herunter.
»Is sie′s?«
»Möglich.«
»Wos hoasst möglich?«
»Ihr Gesicht ist ... nicht mehr vorhanden.«
»Steig nei«, sagt er nach einer kurzen Überlegung, abgebrochen durch einen tiefen Seufzer, als das Handy klingelt.
»Aschbrenners.«
»Warte noch ab.«
»Kann i ned«, brummt er sie an. Alois ist aufgebracht und sieht sie mit weit geöffneten Augen an.
»Irgendoana hod g′schwatzt. Herrgott, es san moi Freind. I woass scho, wos du sog′n wuist.« Er sieht ihren angestrengten Gesichtsausdruck und quält sich mit Hochdeutsch weiter. »Des Dirndl! Der Schoasch hod g′sagt, es is ihr′s. A Einzelstück.
G′rad′wegs aus München. – Bist du dir ned sicher, dass es ihr Dirndl is?«
»Ja, doch.« Fanni zückt ihr Smartphone und lässt ihn die Bilder, die sie am Tatort geschossen hatte, durchgehen.
»Himmi, Herrschaftszeiten!«, ruft er entsetzt aus und schüttelt unentwegt den Kopf. »Harter Tobak«, schließt er und sieht seine Kollegin nachdenklich an.
»Was?«, fragt Franziska endlich.
»Oiso?«
»Naa! − Wirklich?«, ruft sie überrascht aus. »Was willst du denen denn erzählen, wenn sie Nessi sehen wollen? Du hast doch gerade die Fotos gesehen. Willst du den Aschbrenners etwa das gemalte Grinsen zeigen, oder was soll diese Schnapsidee?«
»Des ist ned witzig.«
»Richtig. Ist es nicht. Erst wenn wir die Fingerabdrücke verglichen haben, Lois.«
Ihr Vorgesetzter vergräbt sein Gesicht in den Händen,
reibt sich die Augen und atmet schwer. »I muss!«
»Du weißt, ich könnte es dir untersagen.«
»Dann mach′s oder sei still!«, fährt Alois sie aufgebracht an.
Fanni öffnete eine Sekunde lang den Mund, atmet dann doch hörbar aus und nickt. »Mei, nu fahr scho.«
Jochen und Agnes Aschbrenner starren schon seit Stunden auf die handgeschnitzte Uhr an der getäfelten Küchenwand. Monoton tickt sie, halbstündlich durch den Kuckuck unterbrochen, aber stetig lauter – so scheint es jedenfalls. Das Phänomen wiederholen ebenfalls die unsäglichen Heuschrecken, deren Gezirpe selbst durch die fest verschlossenen Fenster deutlich zu hören ist. Mittlerweile schweigen sich Vanessas Eltern nur noch an. Zumindest das hatte sich während des Wartens geändert.
Anfangs hatte Agnes ihren Mann angeschrien, weil er ihrer Tochter erlaubt hatte, länger auf dem Fest zu bleiben als gewöhnlich. – Weinkönigin wurde man immerhin nur ein einziges Mal. – Als es aber eins schlug, kochte auch er innerlich, während Agnes nur noch am beten war. Wie angestochen schnellt er jetzt aus dem Stuhl hoch, als er einen Wagen auf den Hof fahren hört. »Fräulein!«, brüllt er durch die geschlossene Küchentür, als die Haustür sich quietschend öffnet. »Wo bist du g′wes ...«
Es ist Fanni, nicht seine Tochter Vanessa, die im Flur steht, als er um die Ecke stürmt.
»Fräulein Schmitt? − Agnes! Es ist die Polizei«, lacht er erleichtert. »Was hat sie g′macht? Alkohol?«
»Darf ich reinkommen, Herr Aschbrenner?«
»So förmlich, Fanni?«, fragt Jochen, den auch sie schon seit Ewigkeiten kennt.
»Ja, ich ...«
»Ist der Lois ned mitkommen?«
»Der ist draußen im Wagen.«
»Mit Nessi? Nu sag scho, Fanni.«
Mittlerweile war auch Frau Aschbrenner herbeigeeilt und erkannte den Ausdruck in Fannis Augen. »Wos is mit moi Kind, Fräulein Schmitt? Fanni, bitte«, fleht sie. Agnes Aschbrenner legt andächtig die Handflächen ineinander.
Diesmal verkneift sich Fanni, wegen des ›Fräuleins‹, jeglichen Kommentar. Es ist hier noch immer Sitte, alleinstehende Frauen auf diese Weise anzusprechen, egal ob die Person nun achtzehn oder achtzig ist.
»Möchtet ihr euch nicht setzen?«
»Wenn irgendoana moi Tochter og′fasst hod ...«
»Jochen, bitte.«
»Wieso ist der Lois ned do? «
»Alois hat keinen Dienst.«
»Aba er woass, wos is, ned?«
Fanni nickt.
»Komm, Fanni. Hol den Lois scho nei.«
»Ihr hört es entweder jetzt von mir oder aber morgen von Lois. Ich kann ihn gerne holen, wenn ich fertig bin.«
»Mei, nu sag scho, wos sie og′stellt hod!«, fleht Agnes und fährt somit ihrem Mann über die Stimme.
»Setzt euch bitte erst.«
Wie hypnotisiert folgen Vanessas Eltern ihrer Aufforderung. Nach einem tiefen Atemzug fängt sie an: »Wir haben ein Mädchen in der Böschung am Schloss gefunden. Bei den Weinbergen. Sie trägt das gleiche Dirndl, wie es eure Tochter bei der Krönung angehabt hatte.«
»Des is ned möglich. Es is a Original«
»Von Trentini«, wirft Agnes ein.
»Kimmt direkt aus München. Koa oana hod so oans.«
»Deshalb bin ich hier.« Sie kaut auf ihren Lippen.
»Jochen, Agnes, − wir nehmen an, es handelt sich um Vanessa. Das Mädchen ... wurde leider tot aufgefunden.«
Alois Huber war im Wagen geblieben. Natürlich hatte Fanni recht. Sie ist die leitende Ermittlerin und er hätte auf sie hören müssen. Genau genommen war er in dieser Nacht nicht einmal im Dienst, weshalb er schließlich auch sitzengeblieben war, als sie ihn darum bat. Dennoch, es nagt an ihm, seinen Freunden die schlimme Botschaft nicht selbst überbringen zu können. Man sitzt schließlich schon seit mehr als zehn Jahren gemeinsam in Ortsverein, Stadtrat und Kirchenchor. Dazu kommt noch, dass die Aschbrenners Landsleute von ihm sind. Oberbayern. Das verbindet.
Er hat die Seitenscheibe heruntergelassen und knabbert an den Nägeln. Eine seiner zwei schlechten Angewohnheiten, wenn ihn die Anspannung plagt. Die andere ist, sich eine Pfeife zu stopfen, egal wo er sich dann gerade befindet. Selbst mitten in einer Gruppe Kindergartenkinder.
Ein Junge war damals verschwunden. Franziska hatte Alois, als das geschehen war, aus der Masse schimpfender Eltern, sich einander die Schuld zuschiebender Erzieherinnen und einer Horde, diesen Umstand völliger Narrenfreiheit ausnützender Sechsjähriger, befreit. Gerade noch rechtzeitig.
Wie angestachelt er gerade ist, zeigt sich, als das Geschrei von Agnes durch die geschlossenen Küchenfenster dringt. Augenblicklich reißt es ihn aus seinem Fahrersitz und Alois stürmt in das alte Bauernhaus hinein. In der Küche findet er sie vor.
Vanessas Mutter kniet aschfahl auf den Dielen und schreit sich die Lunge aus dem Leib, während Jochen vor Fanni auf die Knie gegangen war und mit flehenden Augen zu ihr aufblickt.
Der Anblick hat für Alois etwas entsetzlich Endgültiges. »I moch des scho«, sagt Alois zu ihr und klopft Fanni aufmunternd auf die Schulter. »Fahr du wieder.«
»Ich warte draußen.« Sie nimmt die angebotenen Wagenschlüssel aus seiner Hand entgegen, setzt sich in den 3′er und versucht, die Schreie der Eltern nicht zu sich durchdringen zu lassen. Aber es gelingt ihr nicht. Fanni schickt eine besorgte Kurzmitteilung an Jessika. Die erlösende Antwort beruhigt ihren Herzschlag. Es dauert eine ganze Stunde, bis Alois durch die Tür ins Freie kommt, tief Luft holt, sich an seinen Wagen lehnt und sich eine Pfeife stopft. Franziska lässt ihm die Zeit.
»Ja, I woass, dass′s a Fehler wor«, beginnt Alois schließlich von selbst, eingehüllt in einer Wolke aus mit Kirsche aromatisierten Tabaks.
Franziska liebt diesen Geruch. Schon seit dem ersten Tag. Es war eines der ersten Dinge, die ihr im Hammelburger Revier aufgefallen sind. Auch heute noch, Jahre nachdem das Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden bundesweit eingeführt worden war, halten sich die bis ins Gemäuer festgebissenen Aromen und sind allgegenwärtig. »Wollten sie sie sehen?«
»Ja, aba i konnt dena des ausred′n.« Er klopft seine Pfeife aus und setzt sich auf den Beifahrersitz. Mittlerweile weiß Fanni, was das bedeutet. Alois ist fertig, müde und sehnt sich nach seinem Bett. Ihre Schicht würde noch eine ganze Weile andauern und eigentlich musste sie auch wieder an den Tatort zurück, um nach dem Rechten zu sehen. Zunächst fährt sie ihn jedoch nach Hause, brüht sich einen Kaffee in Hubers antiker Küche und trinkt ihn genüsslich, während das Schnarchen des Witwers die besonnene Atmosphäre vollkommen macht.
Gegen halb vier, langsam färbt sich der Himmel orange, trifft Fanni am Weinberg ein. Georg sitzt in einem Streifenwagen und grübelt über dem Bericht.
»Was Neues?«
»Naa. − Des heißt doch.«
Ihre Miene verrät Neugier und Ungeduld.
»Wir konnten koane Fingerabdrücke nehmen.«
»Wieso?«
Er zieht ein vorgefertigtes Blatt aus seiner Mappe hervor, das für die Abnahme der Fingerabdrücke konzipiert ist. Es zeigt ihr nur schwarze Punkte.
»Säure?«
»Des fragst du mi? Die da san die Experten.«
Sie folgt seinem Fingerzeig zum Einsatzwagen, auf dem in großen Lettern ›Landeskriminalamt Hessen – Spurensicherung‹ steht, und wird an eine Frau verwiesen, die in einem weißen Overall steckt. Um zu ihr zu gelangen, muss sie allerdings an der Leiche vorbei. Ihr krempelt sich der Magen um, als sie in das Innere ihres freigelegten Schädels blickt, der lediglich aus blutigen Knochen und klebrigem Schleim besteht. Tief durchatmend wendet sie ihren Blick ab und richtet ihn starr auf die zierliche Frau. Die hat Kopfhörer im Ohr und ihre freche Kurzhaarfrisur wippt im Takt der abgespielten Musik.
»Franziska Schmitt, Kripo Hammelburg«, sagt sie, als sie ihr auf die Schulter tippt.
Die angesprochene Ermittlerin blickt nicht auf, sondern beginnt einfach zu reden, während sie ihre Plastiktütchen sortiert. Monoton und abgeklärt: »Der Täter hat den Stein tatsächlich einfach auf ihr Gesicht fallen lassen. Das ergibt sich aus den Spritzspuren der Hirnmasse. So aus zwei Metern Höhe, was dafür spricht, dass es wohl ein Mann gewesen sein muss. Die Tatwaffe ist mit höchster Wahrscheinlichkeit der Stein. Er wiegt zweiundzwanzig einhalb Kilo. Wenn das Opfer nicht schon vorher tot war, wäre sie daran auf jeden Fall verstorben. Wie eine Melone, die man fallen lässt, verstehen sie?«
Sie sieht noch immer nicht auf und bemerkt so Fannis Gesicht nicht, das wegen des bildlichen Vergleichs mit einer zerspringenden Wassermelone sämtliche Konturen verliert.
»Er hat sich auf jeden Fall Mühe gegeben. Die pinke Farbe auf dem Stein ist Lipgloss oder ein Fettstift. Das
Opfer hat jedoch eine ganz andere Farbe auf ihren Lippen. Dann sind da noch die Fingerkuppen, die verätzt wurden. Welche Säure verwendet wurde, kann ich noch nicht sagen. Das wird auch eine Weile dauern. Eine Woche, denke ich mal. Wir nehmen dann gleich eine DNA-Probe und untersuchen die tieferen Hautschichten, um vielleicht ihren Fingerabdruck doch noch rauszukriegen.
Dann geht die Identifizierung schneller. Sollte der Scanner etwas finden, melde ich mich schon morgen – heute – bei Ihnen.«
Wieder kommt Fanni nicht dazu, nachzufragen.
»Sie ist vergewaltigt worden. Postum. Aber sie hatte wahrscheinlich vor Kurzem ebenfalls freiwilligen Geschlechtsverkehr. Kurz vor ihrem Tod.
›Wahrscheinlich‹, weil wir noch nicht ausschließen können, dass sie unter Drogen stand. Also: mehrere Täter und/oder mehrere Taten. Es gibt keinerlei Samen, also wird der Täter oder auch ihr Partner, ein Kondom verwendet haben. Jedoch stört mich an der Sache etwas. Ich werde es nach den ganzen Untersuchungen etwas genauer erklären können, sonst komme ich raus. Es ist möglich, dass das Mädchen schlief, betäubt oder sogar schon tot war. Ich habe für alle Fälle schon mal eine Blutprobe für das Drogenlabor fertiggemacht. Neben Alkohol und Cannabis werden wir auch auf andere Substanzen testen. Die Tat ist gar nicht so lange her. Vielleicht eine Stunde, bevor Ihr Kollege sie gefunden hat. Es könnte aber auch sein, dass der Täter von ihm gestört wurde. Als Indiz nehme ich hier den seltsamen Strich, an der linken Seite des Lächelns, sehen sie?«
Franziska nimmt das Foto entgegen, auf dem das Fettstiftgrinsen groß und diabolisch auf dem grauen Stein prangt. Der linke Rand ist mit einem roten Marker eingekreist.
»Ich habe es zuerst übersehen, denke aber, dass es das Wegheben des Stiftes ist, was bedeuten würde, dass der Täter Linkshänder ist. Zumindest wurde es aber mit der linken Hand gemalt. Und, er musste schnell weg.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Einer, der sich so viel Mühe mit den Fingerkuppen gibt, wird wohl kaum schlampig bei dem handeln, was seine Visitenkarte werden könnte.«
»Wenn das nicht schon längst seine ist. – Ich gehe dem nach«, murmelt Fanni, sodass diesmal sie es ist, die nicht hinsieht, während ihr die Hand entgegengestreckt wird.
»Beatrice Habermann, LKA Hessen. Ging schneller von Frankfurt hier her, als von München. Ich wurde von denen angefordert.«
»Danke, für den schnellen Lagebericht«, sagt Fanni lächelnd und nimmt ihre Hand entgegen.
Jetzt erst bemerkt sie, dass Frau Habermann noch ziemlich jung ist, wagt aber nicht, zu fragen.
»Werden die Proben gesammelt nach München geschickt?«
»Ja. Ich sammle die Spuren nur ein. Auswertung ist Landessache.«
Franziska nickt und schaut sich um. Die Leute der Spurensicherung sind gerade damit beschäftigt, ihre Utensilien einzupacken. »Aber sagten Sie nicht eben, Sie rufen mich an, wenn Sie was über die Identität wissen? «
»Die Leiche bleibt in Hammelburg. Ich habe die Erlaubnis, bei der Untersuchung dabei zu sein.«
»Haben die solche Scanner überhaupt hier?«
»Nein, den bekomme ich noch aus Frankfurt. Ist schon unterwegs.«
Sie streckt ihre müden Glieder, was ansteckend ist.
»Langer Tag, was?«
»Nur noch drei Stunden, dann geht′s nach Hause«, antwortet Franziska lächelnd und rollt ihren Nacken.
»Kennen Sie das Opfer?«
»Vanessa Aschbrenner. Das vermuten wir. Sie ist die frisch gekrönte Weinkönigin.«
»Ach herrje! Woher ...?«
»Das Dirndl ist ein Trentini-Einzelstück. Es ist extra für die Krönung bestellt worden. Jeder hier würde sie daran sofort erkennen.«
»Was nicht heißen muss, dass sie es auch ist.«
Franziska bläht ihre Wangen auf und atmet schwer. »Sagen Sie das meinem Chef. Der war nämlich schon bei den Eltern.«
»Ohne Nachweis?«
»Alte Freunde.«
Zustimmendes Nicken. »Wir sind halt auch immer noch Menschen, nicht wahr?«
Beatrice greift hinter sich und holt die knallrote Thermoskanne mit Schwarztee hervor. Sie füllt zwei Becher und reicht Fanni einen davon.
»Sie sind nicht von hier, stimmts?«
»I kann des aa, wenn′s den Dialekt mena«, grinst sie.
»Aber Sie sind hier nicht aufgewachsen. Niedersachsen vielleicht?«