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Fünfzehn Geschichten für Kinder im Alter von 6-10 Jahren zum Lesen und Vorlesen - lustig, fantasievoll und spannend Mit Illustrationen von Hans Sölch und Ingrid Mayer Folgende Geschichten sind u.a. enthalten: Gespenst zugelaufen Oliver und Tim melden sich auf eine rätselhafte Anzeige. Hat da tatsächlich jemand ein heimatloses Gespenst abzugeben? Das Wunder Nur noch ein Wunder kann scheinbar Otmars Probleme in der Schule lösen. Doch als tatsächlich ein solches auftaucht, sorgt dies für einige Aufregung. Die blaue Tante Die Erwachsenen rümpfen über Irmgards Gewohnheiten die Nase. Die schrullige Tante ist jedoch bei ihrer Nichte sehr beliebt. Mit ihr wird es nie langweilig... Gierschlund Als der Forscher Herr Professor Faselklug eines Tages eine unerforschte Höhle findet, macht er dort eine ungewöhnliche Entdeckung. Der unerfüllte Wunsch Amelie hat einen ganz besonderen Weihnachtswunsch. Doch den können Ihre Eltern nicht erfüllen. Enttäuscht macht sie sich am Tag nach der Bescherung auf in den Wald und trifft dort auf ein Hexenhäuschen... Rettet die Zauberschule! Auch unbegabte Zauberschüler verdienen eine Chance. Können sie verhindern, dass ihre Schule abgerissen wird? Der listige Zauberstab Ein Zauberstab, dessen Meister ihn kaum mehr benutzt, begibt sich auf eine abenteuerliche Reise... Zwistien und Zankistan Seit langer Zeit herrscht Streit zwischen den Königreichen Zwistien und Zankistan. Der geheimnisvolle neue Hofzauberer in Zankistan bringt die Königstocher Gerlind schließlich auf eine Idee. Der erste Tag Annabel hat die Prüfung bestanden - nach langer Ausbildung darf sie nun endlich als Fee arbeiten. Doch gleich ihr erster Arbeitstag bringt ungeahnte Aufregung. Eine ungewöhnliche Reise Tom fährt gerne mit der Eisenbahn. Doch dieses Mal befinden sich seltsame Mitreisende im Abteil... Die Blumenwichtel Es ist schon recht merkwürdig - dort, wo gestern noch eine Pflanze an Teresas Zimmerfenster stand, ist nun das Fensterbrett leer. Ob Teresas seltsamer Traum daran schuld ist? Der Zauberhund Der Rentner Herr Liebstock kauft ein Haus auf dem Land, denn er möchte möglichst ruhig leben. Doch schon nach kurzer Zeit zieht Merlin bei ihm ein und bringt einiges durcheinander... Der Zauberweiher In einer rauen Winternacht spazieren die jungen Rehe Ricka und Erik durch den nächtlichen Wald. Doch plötzlich nehmen sie eine seltsame Witterung auf... u.a.
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Ingrid Mayer
Gespenst zugelaufen
Fünfzehn Geschichten für Kinder zum Lesen und Vorlesen
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- gekürzte Vorschau -
Inhaltsverzeichnis
Titel
Gespenst zugelaufen
Das Wunder
Die blaue Tante
Gierschlund
Der unerfüllte Wunsch
Rettet die Zauberschule!
Der listige Zauberstab
Zwistien und Zankistan
Morgens, wenn die Müllabfuhr kommt
Der erste Tag
Eine ungewöhnliche Reise
Die Blumenwichtel
Der Zauberhund
Zirkus Pimpinelli
Der Zauberweiher
Impressum tolino
"Da hat sich aber jemand einen Scherz erlaubt!", rief Olivers Vater und lachte lauthals auf. Er saß auf der Couch und las in der Tageszeitung. Vor sich hatte er die Seite mit den Anzeigen aufgeschlagen. "Stell' dir vor, da hat jemand geschrieben:
Gespenst zugelaufen.Der Besitzer oder jemand,der es haben möchte,kann es bei mir abholen.
Ob da jemand anruft? Das kann doch nur ein April-Scherz sein. Aber wir haben ja gar nicht April, sondern schon Juli, haha." Oliver beobachtete seinen Vater. Warum musste er sich immer über alles lustig machen? Er malte sich aus, wie es wäre, wenn bei ihm ein heimatloses Gespenst vor der Tür stehen würde. Ob es ihm Angst eingejagt hätte? Er wusste es nicht, aber Oliver glaubte, dass er es hereingelassen hätte.Dem Nachbarn war einmal eine Katze zugelaufen. Oliver erinnerte sich, wie Leid sie ihm getan hatte. Sie war völlig verwahrlost und hungrig gewesen. Zum Glück hatten sich die Besitzer schnell gefunden. Den ganzen Tag über ging Oliver das Gespenst nicht mehr aus dem Kopf. Schließlich erzählte er seinem besten Freund Tim davon. Der war sofort begeistert:"Ich wollte schon immer ein besonderes Haustier haben! Einen Hund oder eine Katze hat doch jeder. Komm' lass uns dort anrufen! Wir sagen einfach, es gehört uns."Oliver wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Sie wussten eigentlich gar nichts über so ein Gespenst, nicht mal, wie es aussah. Er wollte seine Bedenken eben Tim mitteilen, doch da hatte sein Freund schon den Telefonhörer in der Hand."Ich rufe an wegen dem Gespenst. Es ist wahrscheinlich unseres. Wo können wir es abholen?"Tim versuchte, seine Stimme möglichst tief und ernst klingen zu lassen. Oliver musste erst grinsen, doch als Tim auflegte und die Adresse nannte, wo sie das Gespenst abholen konnten, war er vom Mut seines Freundes recht beeindruckt. "Rosengasse 7", erklärte Tim. "Das ist nicht weit von hier. Wir fahren mit dem Fahrrad. Warte einen Moment."Tim rannte in den Keller. Was heckte er nun schon wieder aus? Er kam zurück mit einer Kiste in der Hand."Irgendwie müssen wir es schließlich befördern."Natürlich! Oliver staunte, wie genau Tim alles plante.Sie schnappten sich ihre Fahrräder, und wenige Minuten später standen sie vor einem kleinen Häuschen, das von einem wild wuchernden Garten umgeben war."Hier hat wohl schon lange keiner Rasen gemäht", stellte Oliver fest.Doch irgendwie gefiel es ihm. Das hohe Gras und die ungeschnittenen Büsche luden zum Herumtollen und Verstecken ein. Aber dazu hatten sie jetzt keine Zeit. Mit klopfendem Herzen öffneten sie das Gartentor und gingen auf die Haustür zu. Eine Klingel konnten sie nirgends entdecken, also klopfte Tim zaghaft an. Nichts geschah. Die beiden sahen sich verwundert an."Hallo!", schrie Tim und klopfte ein wenig lauter. Plötzlich bewegte sich die Türklinke. Jemand drückte sie anscheinend von innen herunter. Gleichzeitig drehte sich klickend ein Schlüssel im Schloss. Tim und Oliver traten vorsichtshalber einen Schritt zurück. Die Tür öffnete sich langsam. Vor ihnen stand eine alte Frau, die aussah wie eine Hexe aus einem Märchen. Sie hatte einen Buckel und hässliche Warzen im Gesicht.‚Fehlt nur noch der Besen', dachte Oliver bei sich, aber er sagte natürlich nichts. Die Hexe, wie Oliver sie im Gedanken nannte, sagte auch nichts, sondern musterte sie nur stumm.Endlich ergriff Tim das Wort: "Ich habe vorhin angerufen."Die Frau zog ihre Stirn in Runzeln."Das Gespenst", erinnerte Tim.Endlich setzte sie ein freundlicheres Gesicht auf und lächelte sogar ein wenig."Ja richtig, das Gespenst. Kommt ruhig herein."Forsch schritt Tim hinter ihr her ins Haus hinein, und Oliver blieb nichts übrig, als den beiden zu folgen. Irgendwie gefiel ihm das Ganze gar nicht mehr so recht. Das Haus machte schon einen seltsamen Eindruck, aber diese Frau erschien ihm sehr, sehr merkwürdig.Das Innere des Hauses wirkte reichlich dunkel, denn durch die kleinen Fenster drang nur wenig Licht."Seid ihr euch auch sicher, dass ihr das Gespenst haben wollt?", fragte die Frau. Oliver wollte Tim gerade anstupsen, zum Zeichen, dass dies ihre letzte Chance war, abzulehnen und diesen sonderbaren Ort schnellstmöglich wieder zu verlassen, doch da antwortete Tim auch schon: "Natürlich wollen wir es haben. Es ist ja unseres." Die Frau nickte verständnisvoll."Nun gut", sagte sie. "Mir soll es Recht sein. Bin froh, wenn ich es loshabe.""Wo ist es?", fragte Tim und nahm schon mal den Deckel der Holzkiste ab."Ich gehe es holen."Die Frau verschwand im Nebenzimmer."Was machen wir, wenn es da nicht reinpasst?", raunte Oliver.Tim zuckte mit den Schultern. Daran hatte er nicht gedacht."Das werden wir schon hinkriegen. Normalerweise können sich Gespenster irgendwie verformen."Oliver zweifelte schon wieder. Und außerdem - was sollten sie machen, wenn es sich weigerte, in die Kiste zu kriechen? Schließlich ließ sich niemand gerne einsperren. Doch da kam die Frau auch schon zurück. Das Gespenst konnten sie nicht sehen."Ist es etwa unsichtbar?", flüsterte Oliver beeindruckt.Die Hexe lachte ihn aus. Dann sahen sie es. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgten sie, wie es einen Meter über dem Boden heran schwebte. Seine Form glich ein wenig dem Lampenschirm, der bei Olivers Eltern im Wohnzimmer hing. Oben rund und nach unten hin ein wenig breiter. Es leuchtete lila. Seine Augen waren grün, kugelrund und hatten einen weißen Punkt in der Mitte. Die beiden Freunde gafften es ungläubig an. Nun öffnete es einen welligen Mund zu einem schwarzen Loch und gähnte herzhaft."Hallo Jungs", begrüßte es sie gelangweilt und gähnte gleich noch einmal."Hallo", entgegneten Tim und Oliver gleichzeitig. Tim deutete auf die Kiste und fürchtete, es könne verärgert sein, wenn es dort hinein musste. Zu seiner Überraschung schwebte es jedoch sofort darauf zu und legte sich hinein. Tim beeilte sich, die Kiste schnell wieder zu verschließen, doch kaum hatte er den Deckel darauf gelegt, drangen langgezogene Schnarchlaute aus dem Inneren. Die Frau begleitete sie zur Tür."Viel Spaß damit!", rief sie ihnen nach.
Oliver war froh, dass Tim das Gespenst zu sich nahm. Schließlich wussten sie überhaupt nicht, was alles auf sie zukommen würde.In Tims Zimmer wollten sie es freilassen, doch es ringelte sich in der Kiste zusammen wie eine schlafende Katze und wollte nicht herauskommen."Nun gut. Vielleicht muss es sich erst einmal an die neue Umgebung gewöhnen", vermutete Tim.Oliver nickte. Heute würde er bei seinem Freund übernachten. Er hoffte, dass Tims neuer Mitbewohner bis morgen Früh etwas auftaute.Schließlich wurde es Abend. Sie sahen sich einen lustigen Film an und beschlossen ein wenig später, zu Bett zu gehen. Doch kaum hatten sie das Licht ausgemacht, rumorte es in der Kiste. Das Gespenst erhob sich und leuchtete in der Dunkelheit wie eine farbige Glühbirne."Ich habe Hunger und Durst", verkündete es.Oliver, der gerade eingeschlafen war, fuhr hellwach aus dem Bett hoch. Tim war bereits aufgesprungen. Ungläubig beobachteten sie, wie sich das Gespenst auf Tims Kleiderschrank schwang, sich dort querlegte, den Mund öffnete und mit seinem Körper hin- und herfuhr wie ein Kehrbesen. Anschließend richtete es sich wieder auf und teilte ihnen zufrieden mit: "So, jetzt bin ich satt. Sehr lecker, euer Staub hier." Oliver und Tim standen mittlerweile völlig regungslos im dunklen Zimmer und glotzten entgeistert auf das Gespenst.Endlich sagte Tim: "Freut mich, dass es dir geschmeckt hat.""Wo ist das Klo?""Das Klo?" Tim hatte nicht gewusst, dass auch Gespenster eine Toilette benutzten. Widerstrebend öffnete er seine Zimmertür und wies auf die Tür am Ende des Ganges."Aber sei leise! Weck' bloß nicht meine Eltern auf!" Aber da war es schon im Badezimmer verschwunden. Tim horchte nervös in die Dunkelheit. Wenn seine Eltern bemerkten, was er da mit ins Haus gebracht hatte, würde er ziemlichen Ärger bekommen.Es dauerte lange. Als sich das Gespenst nach zehn Minuten immer noch nicht blicken ließ, ging Tim zum Bad, um nachzusehen, wo es so lange blieb. Vorsichtig blickte er durchs Schlüsselloch. Das Gespenst hatte sich über die Kloschüssel gebeugt und schlurfte laut hörbar Wasser. Zwischendurch betätigte es von Zeit zu Zeit die Spülung, um Nachschub zu erhalten. Leise öffnete Tim die Tür einen Spalt und flüsterte zu: "Wie lange brauchst du denn noch?"Das Gespenst antwortete mit einem langgezogenem Rülpser. Tim zuckte zusammen und schaute ängstlich zum Schlafzimmer seiner Eltern. Zum Glück regte sich dort nichts. Wie es schien, hatten sie nichts gehört."Los, komm' jetzt!", befahl Tim."Nur einen kleinen Schluck noch", bettelte das Gespenst, schlürfte ein letztes Mal und kehrte schließlich bereitwillig in Tims Zimmer zurück."Das tat gut!", seufzte das Gespenst zufrieden. "Und was machen wir jetzt?""Schlafen natürlich!", entgegnete Oliver und wollte sich wieder ins Bett legen."Aber es ist doch stockfinstere Nacht. Da kann ich doch nicht einfach schlafen.""Wieso denn nicht?" Tim wurde nun etwas ärgerlich. "Wir können es doch auch."
Doch das Gespenst wollte ans Schlafen überhaupt nicht denken."Ich sehe mich jetzt etwas im Haus um", teilte es den beiden Freunden mit."Bloß nicht!", entsetzte sich Tim. "Dann spielen wir lieber mit meinem Computer."
"Computer? Das klingt interessant. Zeigt mir, wie das geht."Und so spielten sie die halbe Nacht sämtliche PC-Spiele durch, die Tim besaß. In den frühen Morgenstunden konnten die Jungen ihre Augen fast nicht mehr offen halten und sanken erschöpft in ihre Betten. Darüber war das Gespenst ein wenig traurig, denn es hatte gerade einen solchen Spaß mit den beiden gehabt. Ziellos irrte es deshalb alleine im Haus herum, sah sich das Wohnzimmer und die Küche an und fraß noch ein wenig Staub, bis schließlich die ersten Sonnenstrahlen das Haus erhellten. Geblendet von dem Licht beeilte es sich, schnell wieder in Tims Zimmer und dort in die Kiste zu gelangen, wo es sich einrollte und sofort tief schlief. Am Morgen wunderten sich Tims Eltern, wie schweigsam die beiden Jungen sich während des Frühstücks gaben."Habt ihr schlecht geschlafen?", erkundigte sich Tims Mutter besorgt."Nein, nein", erwiderte Tim. "Wir sind nur noch ein wenig müde."Oliver war sehr froh, dass er die nächste Nacht wieder in seinem eigenen Bett ohne schlafraubende Störungen verbringen durfte. Doch Tim wurde immer mehr bewusst, was er sich da mit dem lila leuchtenden Zimmergenossen eingehandelt hatte. Es hätte ein großer Spaß werden sollen, aber nun strengte ihn der nächtliche Bewegungsdrang des Gespenstes nur noch an. Sobald es dunkel wurde, entstieg es seiner Kiste, fraß Staub und trank aus der Kloschüssel. Anschließend wollte es, dass Tim mit ihm spielte. Manchmal las er ihm zur Abwechslung auch Geschichten vor. Tagsüber lief Tim nur noch hundemüde herum und gähnte andauernd, während das Gespenst im tiefen Schlaf gemütlich in seiner Kiste ruhte. Mehrere Tage und Nächte brachte Tim so zu, bis sein Vater ihn schließlich ansprach: "Tim, etwas stimmt doch nicht mit dir. Du bist so blass, gehst nicht mehr mit deinen Freunden spielen und hängst nur noch im Haus herum. Was ist los mit dir? Bist du krank?"Tim schüttelte den Kopf. Er hatte in den letzten Nächten mittlerweile so wenig geschlafen, dass ihm nun alles egal war. Sollten sie es doch erfahren, wenn er nur wieder schlafen konnte! Also erzählte er seinen Eltern alles. Staunend hörten sie zu und wollten ihm erst gar nicht glauben, doch als er sie in sein Zimmer führte und die Kiste öffnete, sahen sie es mit eigenen Augen. Anstatt ärgerlich zu werden, schlug Tims Vater vor: "Wir nehmen es diese Nacht mit zu uns. Dann kannst du dich richtig ausschlafen."Dankbar nahm Tim den Vorschlag an und drückte seinen Eltern die Kiste in die Hand.Die folgende Nacht schlief Tim ausgezeichnet, während seine Eltern die nächtlichen Gewohnheiten eines Gespenstes nun selbst einmal miterlebten.Am Morgen saßen alle schweigend am Frühstückstisch. Tims Mutter hatte dunkle Ringe unter den Augen, während sein Vater ununterbrochen gähnte.Nach drei weiteren Nächten sahen Tims Eltern genauso übermüdet aus, wie Tim es vor kurzem gewesen war."Wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen", teilte ihm der Vater mit. "So kann es nicht weiter gehen."Sie beschlossen, das Gespenst in der folgenden Nacht auf den Speicher des Hauses zu sperren."Dort hat es Platz und wir können wieder schlafen."Tim fand die Idee nicht schlecht, aber er befürchtete, das Gespenst würde davon nicht eben begeistert sein. Er sollte Recht behalten. Es wurde geradezu wütend, dass ihm niemand mehr während der Nacht Gesellschaft leisten wollte. Vor lauter Zorn warf es alte Stühle um, riss die Schubladen aus einer Kommode heraus, die scheppernd zu Boden fielen, und tat auch sonst alles, was nur irgendwie Krach machte. Und das die ganze Nacht, sodass weder Tim noch dessen Eltern Schlaf fanden. Tims Eltern baten schließlich Olivers Eltern um Rat, mit denen sie gut befreundet waren. Eine ganze Stunde lang redeten sie miteinander. Die Kinder durften bei dem Gespräch nicht mit dabei sein.Später sagten sie Tim und Oliver bloß, dass sie eventuell eine Möglichkeit wüssten, um das Gespenst wieder loszuwerden. Aber sie könnten noch nicht garantieren, dass es funktionierte.Die beiden Jungen hofften, dass alles gut ausgehen würde."Was werden sie wohl mit ihm machen?", fragte Oliver.Tim zuckte mit den Schultern."Ich weiß nicht", antwortete er. "Vielleicht bringen sie es ins Tierheim."Am selben Abend hörte Oliver seinen Vater am Telefon sprechen. Er schlich sich näher heran und lauschte. Bestimmt telefonierte er wegen des Gespenstes. "Nein, nein, das ist kein Aprilscherz", klang es aus dem Wohnzimmer. "Es handelt sich wirklich nicht um einen Witz. Bitte schreiben sie, wie ich ihnen bereits sagte: Gespenst zugelaufen. Der Besitzer, oder jemand, der es haben möchte, soll sich unter folgender Telefonnummer melden." Am nächsten Tag erschien die Anzeige in der Zeitung. Sie mussten nicht lange warten, bis jemand anrief. Pünktlich um drei Uhr nachmittags stand dann der Anrufer vor der Tür. Ein großer dünner Mann, der einen Dackel an der Leine führte."Er hätte so gerne einen Spielgefährten", sagte der Mann und deutete auf den Hund. Da er kein Behältnis mitgebracht hatte, gaben Tims Eltern ihm das Gespenst gleich in der Kiste mit. Nachdem der Mann es mitgenommen hatte, wurden Tim und Oliver beinahe ein wenig traurig. Eigentlich hatte es doch auch Spaß gemacht, das merkwürdige Wesen zu beobachten, und schließlich konnte nicht jeder von sich behaupten, ein Gespenst zu besitzen. Doch letztendlich sahen die Jungen ein, dass es so wohl besser war.Am Abend legten sich alle beruhigt in ihre Betten. Sowohl Tim und Oliver, als auch deren Eltern dachten nur noch einen kurzen Moment an das Gespenst, das seinem neuen Besitzer heute wohl eine unruhig Nacht bescheren würde, bevor sie tief und ungestört bis zum nächsten Morgen schliefen.
Otmars Mutter ahnte Schlimmes, als ihr Sohn einen Brief von der Schule mit nach Hause brachte. Otmar saß gerade mit seinem kleinen Bruder Melvin und dem Vater beim Essen am Küchentisch, als die Mutter den Brief öffnete und ihn mit bleichem Gesicht laut vorlas:
"Otmars Versetzung ist stark gefährdet.Vermutlich wird er das Klassenziel nicht erreichen. Ich möchte ihm dennoch eine letzte Chance geben: Im Rahmen eines Referates im Fach Biologie erhält Otmar die Möglichkeit, doch noch versetzt zu werden. Die Arbeit muss dafür mit einer Eins bewertet werden. Das Thema ist frei wählbar.
Mit freundlichen GrüßenOtto Wimmerling (Klassenlehrer)"
Die Mutter ließ den Brief sinken, schloss ihre Augen und sog tief die Luft ein, so als sei dies ihr letzter Atemzug. Otmar sah betreten auf seinen Teller herab. "Ausgerechnet Biologie! Und dann auch noch ein Referat. Der Junge spricht doch so ungern vor der ganzen Klasse!", jammerte seine Mutter und sah dabei Hilfe suchend den Vater an, so als befände sich Otmar irgendwo anders und säße nicht direkt neben ihr.Kopfschüttelnd legte sie das Schreiben beiseite und verkündete seufzend: "Da hilft eigentlich nur noch ein Wunder." Später, als Melvin im Bett lag, musste er ständig an seinen Bruder denken. Ob Otmar es schaffen würde? Referate waren wirklich nicht gerade seine Stärke. Erst nach einer ganzen Weile schlief Melvin endlich ein.Mitten in der Nacht wachte er jedoch wieder auf. Durch einen Spalt im Vorhang warf das Mondlicht einen hellen Streifen in sein Zimmer, der Teile seiner Bettdecke und die Schubladen seines Kleiderschrankes bleich beleuchtete.Im Schrank rumpelte es plötzlich heftig, als sei darin etwas umgefallen. Ruckartig setzte sich Melvin im Bett auf. Einen Augenblick lang war es still und Melvin hätte sich fast schon wieder hingelegt, als das merkwürdige Geräusch erneut erklang. Den Schrank durchfuhr dabei ein heftiges Zittern. Auch Melvin zitterte mittlerweile, denn die Situation kam ihm äußerst gespenstisch vor. Er stieg aus seinem Bett und huschte zum Lichtschalter, in der Hoffnung, dass der Spuk vorüber sei, wenn er Licht machte. Entsetzt stellte er jedoch fest, dass der Schrank nun wackelte wie bei einem Erdbeben, und aus seinem Inneren ein sonderbares Fauchen drang."Mist!", tönte es plötzlich aus der Schublade."Wer ist da?", hauchte Melvin ängstlich."Verflixt!", antwortete die Stimme aus dem Schrank. "Das Ding klemmt!"Melvin überlegte. Was sollte er tun? Die Eltern aufwecken? Seinen Bruder rufen, oder besser gleich die Polizei?"So hilf mir doch", jammerte das Ding im Schrank. "Ich komm' hier nicht mehr raus!"Die Eltern würden ihm nicht glauben und wahrscheinlich genervt sein. Ebenso würde sein Bruder reagieren und die Polizisten erst recht. Er musste wohl oder übel selbst zur Tat greifen. Beherzt fasste er an den Griff der Schublade und zog kräftig daran. Zuerst klemmte die Lade, aber dann, mit einem Ruck, sprang sie auf. Melvin hielt sich die Hand vor Augen, denn ein gleißend heller Schein drang daraus hervor. Als er sich an die Helligkeit gewöhnt hatte, wagte er zu blinzeln und sah eine sehr sehr kleine Frau mit goldenem Haar, die vor ihm im Zimmer schwebte."Wer bist du?", fragte er ängstlich."Na, eine Fee. Was hast du denn gedacht? Ein Werwolf?", entgegnete sie gereizt und fügte verärgert hinzu: "Die verdammte Schublade hat geklemmt, und ich konnte nicht mehr raus."Es erstaunte Melvin, dass Feen fluchen konnten, doch noch mehr erstaunte ihn, dass sich ein solches Wesen ausgerechnet in seinen Schrank verirrt hatte."Was machst du in meinem Schrank?"Die Fee verdrehte die Augen."Was Feen eben so machen. Muss man dir denn alles erklären?"Hilflos zuckte Melvin mit den Schultern."Na schön. In Vollmondnächten sehen wir in den Schränken von euch Kindern nach dem Rechten und räumen in den unordentlichsten etwas auf. Deiner hier scheint aber ganz in Ordnung zu sein, bis auf diese blöde Schublade. Du hast übrigens einen Wunsch frei, weil du mich da rausgeholt hast. Mach aber schnell, ich muss gleich wieder hier weg."Melvin überlegte. Wünsche hatte er so viele, doch jetzt wollte ihm auf die Schnelle kein einziger davon einfallen."Na los!", drängte die Fee. "Ich gebe dir noch eine halbe Minute."Da dachte Melvin an Otmars gefährdete Versetzung und die Worte seiner Mutter. Mit fester Stimme wünschte er sich: "Ein Wunder. Ich wünsche mir ein Wunder." Die Fee guckte ein wenig gelangweilt."Ein Wunder, alles klar. Sollst du haben. Aber jetzt muss ich. Adieu!"Damit machte sie sich lang, sodass sie durch den Spalt im gekippten Fenster passte und schwebte in die Nacht hinaus.
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