Gespenster-Krimi 135 - A. F. Morland - E-Book

Gespenster-Krimi 135 E-Book

A. F. Morland

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Beschreibung

Yannock, ein Dämon ganz besonderer Art, blieb stehen, kniff die Augen zusammen und lauschte argwöhnisch. Gefahr lag in der Luft. Das witterte er.
Grimmig zog er sein Samuraischwert. Er befand sich auf dem Weg zu Loxagons Feuerpalast, hatte den Höllenherrscher um eine Audienz gebeten, und der Teufelssohn hatte sie ihm gewährt ...

Mit diesem Gespenster-Krimi erscheint der allerletzte Tony-Ballard-Roman aus der Feder des großen A.F. Morland (* 18.12.1939 - † 27.8.2022). Wir haben diesen besonderen Roman so lange zurückgehalten, damit er zu seinem Geburtstag erscheint.


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Inhalt

Cover

Satans Samurai

Special

Vorschau

Impressum

Satans Samurai

Von A.F. Morland

Vor dem Unfall fühlte ich mich so fantastisch, dass ich meinte, die ganze Welt aus den Angeln heben zu können. Danach nicht mehr ...

Ich lauschte den grandiosen Klängen des von mir seit vielen Jahren geschätzten Electric Light Orchestra –in Konzertqualität – und ließ dabei genüsslich ein Lakritzbonbon auf meiner Zunge zergehen. Der geniale Sound-Zauberer Jeff Lynne und seine talentierten Mannen hatten es mal wieder voll drauf, und ich spielte die fabelhaften Titel mit exakt jener Lautstärke ab, die ihnen meiner Ansicht nach zur Ehre gereichte. Schließlich brauchte ich auf niemanden Rücksicht zu nehmen. Ich war allein.

Dachte ich.

Doch das war ein fundamentaler Irrtum ...

Mein getunter schwarzer Rover näherte sich einer unübersichtlichen Fahrbahnkrümmung. Die leicht bombierte Straße stieg ein wenig an und schwenkte dann, von dicht belaubten Büschen weitgehend verdeckt, sanft nach links.

Ich raste nicht. Aber ich war recht zügig unterwegs, weil ich so bald wie möglich nach Hause kommen wollte. Vicky wartete auf mich. Wir hatten vor fünf Minuten telefoniert. Wenn nichts dazwischenkam, konnte ich meine Frau in einer halben Stunde in die Arme nehmen.

Mein Schwarzer lag wie ein Brett auf der Straße. Welch unvergleichliches Fahrgefühl! Was für ein wunderbares Sicherheitsempfinden!

Ich genoss es immer wieder. Ich spürte und wusste, dass ich mich total auf das eingebaute elektronische Stabilitätsprogramm verlassen konnte. So kostete ich die Fliehkraft, die den Wagen gerne von der Fahrbahn geholt hätte, voll aus.

Ich war über Nacht in Matching Green gewesen. Ich möchte niemanden beleidigen, aber wenn man aus London kommt ‒ die Stadt hat immerhin neuneinhalb Millionen Einwohner ‒ ist Matching Green im Vergleich dazu nichts weiter als ein unbedeutender Fliegendreck auf der Landkarte ...

Natürlich nicht für die, die dort wohnen. Das ist klar. Aber in Matching Green sagen sich die Füchse gute Nacht, wie das so schön heißt.

Es gab dort aber auch einen Cricket-Club, der von einem Mann namens Addison Flood geleitet wurde. Und dieser Mr Flood hatte mich gestern zu Hause angerufen.

Ich war allein gewesen, hatte mir gerade einen Pernod eingeschenkt und kurz davon genippt.

»Hallo?«

»Mister Ballard?«

»Ja.«

»Der Privatdetektiv für besondere Fälle?«, fragte der Anrufer.

»Mit wem spreche ich?«, erkundigte ich mich.

»Oh, verzeihen Sie. Mein Name ist Addison Flood.«

Ich war sicher, den Namen noch nie gehört zu haben, und sagte vorsichtig: »Okay.« Mit einem leichten Schwung von unten nach oben. Es hörte sich fast wie eine Frage an.

»Wir haben einen gemeinsamen Bekannten, Mister Ballard«, behauptete Flood.

»Und der wäre?«

»Tucker Peckinpah.«

»Oh.« Allmählich erwachte mein Interesse.

»Ich leite einen Cricket-Club in Matching Green.«

»Aha.« Das interessierte mich schon wieder etwas weniger, ich spiele schließlich nicht Cricket.

»Wissen Sie, wo das ist?«, fragte Addison Flood.

Ich räusperte mich, spülte meinen Mund mit einem Schluck Pernod aus und antwortete: »Wenn ich ehrlich sein soll ...«

Er ersparte es mir, zu raten und mich höchstwahrscheinlich zu blamieren, indem er mich so genau wie möglich davon in Kenntnis setzte, wo sich das Nest befand. Ich fragte mich, wieso ihm das so wichtig war.

»Mister Peckinpah ist unser größter Sponsor«, ließ Addison Flood mich mit unüberhörbarem Stolz wissen.

»Wie kommen Sie denn an den?«, fragte ich verwundert.

»Er kam vor drei, vier Jahren hier vorbei«, erklärte Flood. »Der Club gefiel ihm. Das Essen schmeckte ihm. Wir kamen ins Gespräch, und ich erwähnte nebenbei, dass wir auf der Suche nach einem großzügigen Geldgeber wären, der einige dringend nötige Umbauarbeiten mitfinanzieren würde. Zwei Tage später hatten wir seine verbindliche Zusage. Während unserer Unterhaltung sprach Mister Peckinpah auch über Sie und Ihren außergewöhnlichen Job, und er sagte, ich könne mich jederzeit an Sie wenden, wenn ich mal den Verdacht haben sollte, dass hier irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugehen sollte.«

»Und? Tut es das?«

»Und wie. Hier schlägt ein bösartiger Poltergeist alles kurz und klein. Er erschreckt Pub-Gäste und Clubmitglieder, legt Feuer im Briefkasten, scheppert und klappert nachts ums Haus, wenn alle schlafen, und schreibt unanständige Sprüche an die Wand.«

»Wie lange geht das schon so?«, wollte ich wissen.

»Seit ungefähr einer Woche.«

»Was haben Sie unternommen?«, fragte ich.

»Ich habe Knoblauch aufgehängt ...«

Als ob man damit einem Poltergeist beikommen könnte!

»Und Kruzifixe ...«

Auch kein probates Mittel gegen diese Art von Spuk.

»Und ich habe literweise Weihwasser verspritzt«, sagte Flood. »In den Fluren. Im Gastraum. In der Küche. Ums Haus herum. Sogar auf dem Dach war ich ... Am Schornstein hängt seitdem ein Rosenkranz. Aber nichts davon hat gewirkt. Dieser neunmal verfluchte, bösartige Geist hört einfach nicht auf. Er macht unermüdlich weiter. Ich kann keine Nacht durchschlafen, hänge nervlich schon ziemlich in den Seilen. Deshalb wende ich mich in meiner Verzweiflung heute an Sie. Bitte helfen Sie mir, Mister Ballard. Machen Sie Schluss mit dieser fürchterlichen Plage. Vertreiben, fangen oder vernichten Sie das niederträchtige Gespenst. Was auch immer. Hauptsache dieser mysteriöse Unfug hört endlich auf.«

Ich überlegte kurz, dann sagte ich: »Na schön, Mister Flood. Ich sehe mir das einmal an.«

So kam es, dass ich – allein – nach Matching Green fuhr, um einem lästigen Poltergeist den Kampf anzusagen. Mr Silver war nicht verfügbar, sonst hätte ich ihn mitgenommen. Und Vicky war zu einem Symposium eingeladen worden, das in Brighton stattfand. Sie sollte da über ihre schriftstellerische Tätigkeit sprechen.

Ich telefonierte kurz mit ihr, damit sie wusste, wo ich war, wenn sie nach Hause kam. Dann setzte ich mich in meinen Rover, nannte meinem Navi das gewünschte Ziel und ließ mich von ihm leiten.

Aber selbst dieses schlaue GPS-Ding fand nicht sofort und punktgenau nach Matching Green, sondern erst nach zwei Umwegen, die sich wohl niemand würde plausibel erklären können. Einer führte unsinnigerweise direkt durch eine Farm. Die Leute, die dort arbeiteten, schüttelten ostentativ den Kopf und hielten mich wohl für irre.

Addison Flood, ein mittelgroßer Mann Mitte vierzig, empfing mich mit beinahe pathologischer Erleichterung. Ich fand sehr schnell heraus, dass er ganz entsetzlich abergläubisch war. Er war mit Sicherheit noch nie unter einer Leiter durchgegangen. Seine Unglückszahl war garantiert die 13. Und wenn ihm eine schwarze Katze von links über den Weg lief, drehte er höchstwahrscheinlich um und ging einen anderen Weg ...

Aus diesem Grund lag für mich begreiflicherweise sehr bald der Verdacht nahe, dass sich die ganze Poltergeistgeschichte möglicherweise nur in seinem Kopf abspielte. Oder, anders formuliert: Er bildete sich den bösen Spuk bloß ein. Und zwar dermaßen intensiv, dass es sein Nervenkostüm nicht nur belastete, sondern komplett zerrüttete.

Nichtsdestotrotz legte ich mich bei Einbruch der Dunkelheit auf die Lauer. Und nachdem um Mitternacht vom nahen Kirchturm her der letzte Glockenschlag verhallt war, ging das gruselige Spektakel los.

Schauriges Heulen. Bedrohliches Knurren. Unheimliches Zischen. Rätselhaftes Fauchen. Undefinierbares Klappern. Gruseliges Knarren. Jämmerliches Wehklagen. Steine, die gegen Fensterscheiben flogen. Ein schwerer Dieselmotor begann zu tuckern ... Das ganze Poltergeistprogramm.

Soll ich es kurz machen?

Okay, ich mache es kurz.

Es gab keinen Poltergeist.

Für den ganzen ebenso infantilen wie haarsträubenden Gänsehaut-Zinnober waren drei pickelige Jugendliche aus dem Dorf verantwortlich.

Sie wollten dem geradezu militant abergläubischen Addison Flood eins auswischen, weil er sich geweigert hatte, ihnen in seinem Pub Alkohol zu verkaufen.

Kurzum, ich beendete das unheimliche Treiben – wenn auch nicht so, wie Addison Flood sich das vorgestellt hatte. Die bösen Jungs mussten sich bei Flood für ihre schaurigen Streiche entschuldigen. Darauf bestand ich. Dann schickte ich sie nach Hause.

Und nun befand ich mich auf dem Heimweg von Matching Green, einem Ort, der mich wohl so bald nicht wieder sehen würde. Ich freute mich auf Vicky.

Vergebens.

Denn ich sollte zu Hause nicht ankommen ...

Yannock, ein Dämon ganz besonderer Art, blieb stehen, kniff die Augen zusammen und lauschte argwöhnisch. Gefahr lag in der Luft, das witterte er.

Er befand sich auf dem Weg zu Loxagons Feuerpalast, hatte den Höllenherrscher um eine Audienz gebeten, und der Teufelssohn hatte sie ihm gewährt.

Wer meint, im Reich der Verdammnis würde alles und jedes brennen und überall würden Flammen züngeln, der irrt. Es gibt dort auch ausgedehnte Wüsten und weite Eisfelder.

Ein solches durchquerte Yannock soeben. Er hatte vor langer Zeit auf der Erde unter Menschen gelebt. In einem Land, das sich Japan nannte.

Als prächtig gekleideter, Ehrfurcht gebietender, todbringender Samurai war er aufgetreten, und weil ihm dieser attraktive Kleidungsstil so gut gefallen hatte, hatte er ihn nach seiner Rückkehr in die Hölle beibehalten. Es gab in den endlosen Dimensionen des Schreckens weit und breit nur einen einzigen Samurai-Dämon, und das war er.

Während seiner Zeit in Japan hatte er sich Noriko Yasumaro genannt. Nach seiner Heimkehr ins Reich des Bösen hatte er wieder seinen echten Namen angenommen.

Große, kantige, blau schimmernde Eiswürfel umgaben ihn, und er fragte sich, hinter welchem von ihnen sich jenes Wesen versteckte, dessen Nähe er vor geraumer Zeit zum ersten Mal wahrgenommen hatte.

Er zog grimmig sein Langschwert, das die Japaner Katana nannten, hob es hoch und drehte sich einmal um die eigene Achse. »Ich weiß, dass du da bist!«, rief er laut in die eisige Leere. »Tritt hervor und gib dich zu erkennen!«

Stille.

»Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?«

Schweigen.

»Zeige dich, elender Feigling!«

Nichts passierte.

»Wieso verfolgst du mich?«

Keine Antwort.

Yannock behielt das Schwert in der Hand und ging angespannt weiter. Es dauerte nicht lange, bis er auf dem Eis die patschenden Schritte seines Verfolgers hörte.

Er wirbelte herum, und sein »Schatten«, der sich nicht schnell genug verstecken konnte, erstarrte.

Das fremde Wesen war breit, gedrungen und krötenhaft. Es hatte Knoten, die Saugnäpfen ähnelten, an den langen, verkrüppelten Zehen. Die Haut war violett und glänzte, als wäre sie mit tranigem Öl eingerieben. Hässliche Stielaugen – zwei links, zwei rechts – komplettierten die abstoßende Erscheinung. In den Dimensionen des Schreckens gab es unzählige solcher Abscheulichkeiten.

Yannock richtete sein Samurai-Schwert gegen den Verfolger, der sogleich ein alarmiertes Zischen und Fauchen ausstieß.

»Nenne mir einen Grund, weshalb ich dich nicht auf der Stelle erschlagen sollte!«, verlangte der Samurai-Dämon aggressiv.

»Ich habe dir nichts getan.«

»Du verfolgst mich schon eine ganze Weile.«

»Vielleicht haben wir nur denselben Weg.«

»Wohin willst du?«, wollte Yannock im schneidenden Tonfall wissen.

»Was geht dich das an?«

»Hast du einen Namen?«

»Jeder hat einen Namen.«

»Wie ist deiner?«, verlangte der Samurai-Dämon zu wissen.

»Thyrombes. Und wie heißt du?«

»Yannock.«

»Mein Ziel ist Loxagons Feuerpalast«, erklärte Thyrombes.

»Meines auch«, sagte Yannock. »Was willst du von Loxagon?«

»Ich möchte ihm meine Dienste anbieten.«

»Einfach so?« Yannock musterte sein gedrungenes Gegenüber abschätzig. »Und wenn er keine Verwendung für dich hat?«

Thyrombes ging nicht darauf ein. »Wir könnten den Weg durch das Eisfeld gemeinsam gehen«, schlug er stattdessen vor.

Yannock kniff argwöhnisch die Augen zusammen. »Wieso habe ich das Gefühl, dir nicht trauen zu können?«

Thyrombes verzog sein unansehnliches Krötengesicht zu einem breiten Grinsen. »Du hast doch nicht etwa Angst vor mir.«

»Angst? Ich? Vor dir? Soll ich lachen? Hör zu, du unwichtiges Etwas. Ich warne dich. Sollte mir an deinem Verhalten irgendetwas nicht sauber vorkommen, schlage ich dich mit meinem Schwert ohne Vorwarnung in Stücke. Hast du mich verstanden?«

Thyrombes verdrehte seine vier Stielaugen und schwieg. Für ihn stand fest, dass er dem Samurai-Dämon kräftemäßig nicht nur ebenbürtig, sondern sogar überlegen war. Das würde Yannock schon sehr bald merken ...

Der Rover fuhr – begleitet von ELOs hämmerndem Don't Bring Me Down –leise schnurrend und geschmeidig in die Kurve. Wir lieben Kurven, mein Rover und ich.

Es liegt allerdings in der Natur der Sache, dass es nicht immer dieselben Kurven sind, die wir bevorzugen. Dass unter der schwarz glänzenden Motorhaube fast 400 PS am Werk waren, war kaum vorstellbar.

Für die Heimfahrt benötigte ich keine Navi-Hilfe. London, diesen aufdringlich lauten Koloss, kann man nicht einmal dann verfehlen, wenn man strohdumm ist, sich die Augen verbindet und die Ohren zuhält.

Ich hielt das Lenkrad fest in meinen Händen und unterstützte meinen Kumpel Jeff stimmlich aus voller Brust:

»You're lookin' good, just like a snake in the grass.

One of these days, you're gonna break your glass.

Don't bring me down ...

No, no, no, no, no, no, no, no, no.

Ooh-ooh-hoo ...«

Vor allem dem »Ooh-ooh-hoo« gab ich mächtig Power. Ich brüllte es geradezu übermütig heraus.

In diesem Moment erreichten der Rover und ich den Scheitelpunkt der Krümmung.

Ich war ahnungslos und fühlte mich nach wie vor fantastisch. Doch dann passierte etwas, das ich nicht vorhersehen konnte. Etwas ganz Fürchterliches, das alles, mein Leben, meinen Freundeskreis, mein Umfeld, meine gesamte Existenz, die so lange stabil in sich geruht hatte, auf den Kopf stellte, total durcheinanderbrachte und dafür sorgte, dass nichts mehr so sein konnte, wie es bisher gewesen war.

Ich riss bestürzt die Augen auf. Mitten auf der Fahrbahn stand jemand. Ein Lebensmüder. Einer, der von mir überfahren werden wollte.

Er war bewaffnet.

Mit einem – einem – einem ...

Meiner Kehle entrang sich ein heiserer Schrei. Ich wirbelte das Lenkrad herum. Eine Kraft, die das elektronische Stabilitätsprogramm nicht neutralisieren konnte, stieß den Rover links hoch, und dann ...

Mehr weiß ich nicht.

Schwärze. Vergessen. Tod – möglicherweise.

»Du bist seltsam gekleidet«, bemerkte Thyrombes, während er neben Yannock durch das Eisfeld lief.

»Ich trage das Traditionsgewand eines Samurai«, antwortete dieser stolz.

»Samu... was?«

»Du weißt nicht, was ein Samurai ist?« In Yannocks Stimme schwang unüberhörbare Verachtung mit.

Thyrombes schüttelte den Kopf.

»Samurais gehören einem elitären Kriegeradel an.«

»In welcher der vielen Höllenwelten?«

»In keiner.«

»Ich verstehe nicht.«

Yannock klärte seinen unwissenden Begleiter mürrisch auf. Während er sprach, stellte er insgeheim fest, dass mit Thyrombes irgendetwas nicht stimmte.

Er fühlte sich in dessen Nähe nicht wohl. Eine unterschwellige Bedrohung ging von dieser hässlichen Kreatur aus. Sie hatten inzwischen zwei Drittel des Eisfeldes zurückgelegt, und Yannock konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Thyrombes gewachsen war.

Der Unansehnliche war nicht mehr so klein und gedrungen wie noch vor kurzem. Er war nicht nur breiter, sondern auch höher geworden, und eine innere Stimme empfahl dem argwöhnischen Samurai-Dämon, auf der Hut zu sein.

Lass ihn nicht zu groß werden, riet sie ihm. Nimm dich vor ihm in Acht. Er ist falsch und gefährlich.

Thyrombes könnte über ihn herfallen und ihn töten, sobald er Yannocks Größe erreicht hatte. Viele dieser hinterhältigen Kreaturen täuschten ihre Opfer zunächst mit Unscheinbarkeit und Schwäche, um im entscheidenden Moment leichteres Spiel zu haben.

»Wieso bist du so schweigsam?«, fragte Thyrombes.

Yannock gab keine Antwort.

»Woran denkst du?«, erkundigte sich Thyrombes.

»Musst du immer reden?«, schnappte Yannock verdrossen.

»Sind dir meine Fragen lästig?«

»Was geht mit dir vor?«, fragte Yannock argwöhnisch zurück.

»Ich verstehe deine Frage nicht.«

»Du bist größer geworden«, stellte der Samurai-Dämon fest.

»Ich?«

»Ist sonst noch jemand in der Nähe?«, fragte Yannock ruppig. »Du bist gewachsen.«

»Das bildest du dir ein.«

»Ich bin nicht blind!«, sagte Yannock scharf. Er blieb stehen, legte die Hand auf den Griff seines Samurai-Schwerts und starrte seinem wenig vertrauenerweckenden Begleiter voller Argwohn in die vier verschlagen funkelnden Stielaugen. »Was hast du vor?«

»Nichts«, beteuerte ihm Thyrombes. »Gar nichts habe ich vor.«

Yannocks Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Wenn du meinst, du könntest mich täuschen, irrst du dich gewaltig.«

»Wieso misstraust du mir so sehr?«

»Ich spüre, dass du eine faule Frucht bist.«

Thyrombes nahm die Beleidigung schweigend hin.

Vorsicht!, warnte Yannocks innere Stimme. Das ist die Ruhe vor dem Sturm!

Fast im selben Moment zeigte sich, dass sie recht hatte.

»Na schön!«, brüllte Thyrombes mit einem Mal laut und überfallsartig. »Na schön! Dann brauche ich mich ja nicht länger zu verstellen!«

In derselben Sekunde wurde er noch ein beträchtliches Stück größer und überragte den Samurai-Dämon sodann um mindestens zwei Köpfe ...

Als sich der schwarze Schleier zum ersten Mal lichtete, sah ich eine weinende Frau. Sie war wunderschön, hatte veilchenblaue Augen und langes blondes Haar.

»Wer sind Sie?«, fragte ich schleppend.

Damit brachte ich sie gleich noch mehr zum Weinen. Warum? Was hatte ich denn gesagt? Ich hatte doch nur wissen wollen ...

»Tony«, schluchzte sie.

Tony – das war wohl ich. Ich lag in einem weißen Zimmer in einem weißen Bett. War das mein Zuhause?

»Erkennst du mich nicht?«, fragte die blonde Frau. Sie wirkte sehr unglücklich.

»Tut mir leid ...«

»Ich bin es.«

Ich zuckte mit den Schultern.

»Vicky.«

Der Name sagte mir nichts.

»Deine Frau«, sagte sie.

Aha, ich bin verheiratet.

»Was ist passiert?«, wollte ich wissen.

»Du hattest kurz vor London einen Autounfall.«

»Wann?«

»Vor drei Tagen.«

»Kurz vor London sagen Sie? Äh, Entschuldigung. Sagst du?«

Vicky nickte.

»Was wollte ich da?«, fragte ich.

»Du warst auf der Heimfahrt.«

»Ich wohne in London?«

»In Belgravia«, informierte mich Vicky.

»Und ich war auf der Heimfahrt von wo?«

»Du warst in Matching Green«, gab meine Frau zur Antwort.

»Muss man Matching Green kennen?«

»Nicht unbedingt.«

»Wie kam es zu dem Unfall?«, fragte ich weiter.

»Du weißt es nicht?«

»Ich habe keine Ahnung«, sagte ich, während ich ihr Antlitz musterte. Diese Frau war wunderschön, sympathisch, liebenswert und rein wie ein Engel. »Sind wir wirklich verheiratet?«

Sie nickte traurig. »Das sind wir, Tony.«

»Sind Sie ... bist du sicher?«

»Soll ich beim nächsten Mal die Heiratsdokumente mitbringen?«, fragte sie schwermütig.