Gespensterbuch, Erstes Bändchen - August Apel - E-Book

Gespensterbuch, Erstes Bändchen E-Book

August Apel

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Beschreibung

Die Freunde der Aufklärung dürften wohl erwarten, dass hinter dem Titel: Gespensterbuch, recht lebhafte Streiche gegen Glauben und Aberglauben geführt werden würden. Mit gleichem Rechte könnte der berühmte Kenner des Geisterreichs sich überreden, dieses Buch wolle seiner schwankenden Theorie eine freundliche Handreichung tun. Andre gehen vielleicht noch weiter, und halten die Schrift für eine neue Ausgabe des bekannten Höllenzwanges. Ob und in wiefern nun diese und ähnliche Erwartungen Bestätigung erhalten, darüber wird vermutlich das Buch selbst Auskunft geben. Wir lesen außer der Vor- und Nachrede die Geschichten "Der Freischütz", "Das Ideal", "Der Geist des Verstorbenen" und "König Pfau" sowie "Die Verwandtschaft mit der Geisterwelt".

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A. Apel und F. Laun (Hgr.)

Gespensterbuch

Erstes Bändchen

Gespensterbuch

Apel und F. Laun (Hgr.)

Erstes Bändchen

Impressum

Texte: © Copyright by A. Apel und F. Laun (Hgr.)

Umschlag:© Copyright by Walter Brendel

Verlag:Das historische Buch, 2021

Mail: [email protected]

Druck:epubli - ein Service der neopubli GmbH,

Berlin

Inhalt

Vorrede.

Der Freischütz.

Das Ideal.

Der Geist des Verstorbenen.

König Pfau.

Die Verwandtschaft mit der Geisterwelt.

Nachrede.

Vorrede.

Die Freunde der Aufklärung dürften wohl erwarten, daß hinter dem Titel: Gespensterbuch, recht lebhafte Streiche gegen Glauben und Aberglauben geführt werden würden. Mit gleichem Rechte könnte der berühmte Kenner des Geisterreichs sich überreden, unser Buch wolle seiner schwankenden Theorie eine freundliche Handreichung thun. Andre gehen vielleicht noch weiter, und halten die Schrift für eine neue Ausgabe des bekannten Höllenzwanges.

Ob und in wiefern nun diese und ähnliche Erwartungen Bestätigung erhalten, darüber wird vermutlich das Buch selbst Auskunft geben, und die Nachrede vollends verrathen, was die geneigten Leser, nach den Wünschen der Herausgeber, von dem Gespensterbuche hätten erwarten sollen.

F. Laun.

* * *

Der Freischütz.

Eine Volkssage.

1.

Höre Mutter – sagte der alte Förster Bertram in Lindenhayn – du weißt, ich thue dir gern alles zu Liebe, aber den Gedanken schlag dir aus dem Kopf, und bestärke mir auch das Mädchen weiter nicht drinn. Schlag's ihr rund ab, so weint sie ihr Thränchen und ergiebt sich drein; mit dem langen Trödeln und Hinhalten wird nichts gut gemacht.

Aber Väterchen – wandte die Försterin vorbittend ein – kann denn unser Käthchen mit dem Amtsschreiber nicht eben so glücklich leben, als mit dem Jäger Robert? Du kennst den Wilhelm noch gar nicht, er ist so ein braver Mensch, so herzensgut ...

Aber kein Jäger – fiel der Förster ein – Meine Försterei ist nun seit länger als zweihundert Jahren immer vom Vater zum Sohn vererbt. Hättest du mir einen Jungen gebracht, statt des Mädchens, da möcht' es seyn, dem hinterließ ich meine Stelle, und das Mädel, wenn eins dazu gekommen wär, möchte freyen, wen es wollte; aber so ... nein! Erst hätt' ich Mühe, Angst und Wege gehabt, daß der Herzog meinen Schwiegersohn zum Probeschuß lassen will, wenn er nur sonst ein braver Jäger ist, und nun sollt' ich das Mädel verschleudern? Nein, Mutter Anne, auf den Robert besteh' ich just nicht; wenn er dir nicht gefällt, such' dem Mädel einen andern flinken Jägerburschen aus, dem ich meine Stelle bei Lebzeiten übergeben kann, da wollen wir in Ruhe bei den Kindern unsre alten Tage verleben, aber mit dem Federschützen bleib mir vom Halse.

Mutter Anne hätte gern noch ein gut Wort für den Amtsschreiber gesprochen, aber der Förster, der die Kraft der weiblichen Ueberredungskunst kannte, wollte seinen Entschluß nicht einem wiederholten Angriffe aussetzen; er nahm seine Flinte von der Wand und ging in den Wald.

Kaum war er um die Ecke des Hauses, da steckte Käthchen ihr blondes Lockenköpfchen freundlich zur Thüre herein. Ist's gut gegangen, Mutterchen? Ja? – rief sie, und sprang nun munter in das Zimmer und an den Hals der Försterin.

Ach, Käthchen, freue dich nicht zu sehr – sagte diese – der Vater ist gut, herzensgut, aber er giebt dich keinem Andern, als einem Jäger, und davon geht er nicht ab, da kenne ich ihn schon.

Käthchen weinte und wollte lieber sterben als von ihrem Wilhelm lassen. Die Mutter tröstete und schmälte abwechselnd, endlich weinte sie mit der Tochter. Sie versprach eben noch einen Hauptsturm auf das Herz des Försters zu versuchen, da klopfte es an der Thüre, und Wilhelm trat herein.

Ach Wilhelm – rief ihm Käthchen mit verweinten Augen entgegen – wir müssen scheiden! Suche dir ein ander Mädchen, mich sollst du nicht freyn und ich dich nicht; der Vater will mich dem Robert geben, weil er ein Jäger ist, und die Mutter kann uns nicht helfen. Aber, muß ich auch von dir lassen, so will ich doch keines Andern seyn, und bleibe dein, und dir treu bis zum Tode. Mutter Anne suchte den Amtsschreiber, der nicht wußte, was er aus Käthchens Reden machen sollte, zu besänftigen, und erzählte ihm, wie Vater Bertram gegen seine Person gar nichts einzuwenden hätte, aber nur seiner Försterei wegen durchaus darauf beständ einen Jäger zum Eidam zu haben.

Ist es weiter nichts – sagte Wilhelm beruhigt, und drückte das weinende Mädchen an seine Brust – so sei gutes Muthes, liebes Käthchen. Ich bin der Jägerei nicht unkundig, denn ich habe bei meinem Ohm, dem Oberförster Finsterbusch, in Lehre gestanden, und mußte nur meinem Pathen, dem Amtmann zu Lieb die Jagdtasche mit dem Schreibpulte vertauschen. Was hilft mir die versprochene Amtmannsstelle, soll ich mein Käthchen nicht als Frau Amtmannin in das Amthaus einführen? Willst du nicht höher hinaus, als deine Mutter, und ist dir der Förster Wilhelm so lieb, wie der Amtmann, so tausch' ich gleich, denn mir ist das lustige Jägerleben immer viel lieber gewesen, als das steife Leben in der Stadt.

O, du lieber, goldner Wilhelm – rief Käthchen, und alle Wolken waren von ihrer Stirn verschwunden, und nur ein glänzender Sonnenregen der Freude zitterte in ihren Augen – willst du das, so sprich recht bald mit meinem Vater, eh' er vielleicht gar dem Robert sein Wort giebt.

Wart, Käthchen – sagte Wilhelm – ich geh ihm gleich nach in den Wald. Er ist gewiß nach dem Hirsch, der morgen in das Amt geliefert werden soll. Gieb mir Flinte und Tasche, ich such' ihn auf, stelle mich ihm mit einem Jägergruß vor, und biete ihm gleich meine Dienste als Jägerbursch an.

Mutter und Tochter fielen ihm um den Hals, halfen den neuen Jäger, so gut sie konnten, aufputzen, und sahen ihm mit Hoffnung und Bangigkeit in den Wald nach.

2.

Ein wackerer Bursch, der Wilhelm! – rief der Förster freudig, als die Jäger nach Haus kamen – wer hätt' in dem Federhelden solch einen Schützen gesucht? Nun, morgen sprech' ich selbst mit dem Amtmann, das wär doch Jammerschade, wenn der nicht bei der edlen Jägerei blieb! Aus dem wird ein andrer Kuno. Du weist doch, wer der Kuno war?

Wilhelm verneinte.

Hab' ich dir das noch nicht erzählt – fuhr der Förster fort – Sieh, das war mein Urältervater, der diese Försterei zuerst besessen und erbaut hat. Erst war er armer Reitersbub' und diente bei dem Junker von Wippach, der konnt ihn wohl leiden, und nahm ihn überall mit sich in Fehden und zu Turnieren und Jagden. Einmal war dieser Junker von Wippach auch bei einer großen Jagd, die der Herzog hier hielt mit vielen Rittern und Edeln. Da jagten die Hunde einen Hirsch heran, auf dem saß ein Mensch, der kläglich die Hände rang und jämmerlich schrie, denn das war damals eine tirannische Weise unter den Jagdherren, daß sie die armen Menschen, oft wegen geringer Jagdfrevel auf Hirsche schmiedeten, daß sie elendiglich zerstoßen und zerrissen wurden oder vor Hunger und Durst umkommen mußten. Wie der Herzog das ansichtig wurde, ward er über die Maße zornig, stellte gleich das Jagen sein, und verhieß einen großen Lohn, wenn sich Jemand getraute den Hirsch zu treffen, dabei aber drohte er mit Ungnade und Bann, wenn der Schütze den Menschen verletzte, denn er wollte diesen lebendig haben, damit er wüßte, wer sich gegen sein Verbot solcher grausamen That erkühnt hatte. Da wollte sich nun niemand unter den Edeln finden, der den Schuß auf des Herrn Ungnade und Bann wagte. Endlich trat der Kuno vor, mein Urältervater, eben der, den du dort auf dem Bilde gemalt siehst, der sprach zum Herzog: Gnädigster Herr, wollt ihr mir's gestatten, so wag' ich's mit Gott, fehl' ich, so mögt ihr, wenn ihr wollt, mein Leben darum zur Buße nehmen, denn Reichthum und Güter hab' ich nicht, aber mich jammert des armen Menschen, würd' ich doch auch mein Leben dran setzen, wär' er unter Feinde oder Räuber gefallen. Das gefiel dem Herzog; er hieß den Kuno sein Glück versuchen, wiederholte ihm auch die Verheißung, doch ohne der Drohung zu gedenken, daß er ihn nicht furchtsam machte. Da nahm Kuno seine Büchse, spannte sie in Gottes Namen, und befahl die Kugel den heiligen Engeln mit einem gläubigen frommen Gebet. So schoß er wohlgemuth ohne lang zu zielen in den Wald, und in dem Augenblicke floh der Hirsch heraus, stürzte und endete, aber der Mensch war unverletzt, ohne daß ihm Hände und Gesicht etwas vom Gesträuch zerritzt waren. Der Herzog hielt Wort und gab dem Kuno zum Lohn diese Försterei für sich und seine Nachkommen erblich. Aber von Glück und Geschick ist der Neid niemals weit, das erfuhr auch Kuno. Da waren viele, die seine Försterei auch gern für sich oder einen Vetter von der linken Seite gehabt hätten, die beschwatzten den Herzog, der Schuß wär mit Zauberei und Teufelskünsten geschehn, weil Kuno gar nicht gezielt, sondern einen Freischuß, der allemal treffen muß, ins Blaue hinein gethan hätte, da wurde denn beschlossen, daß von Kuno's Nachkommen jeder einen Probeschuß thun muß, eh' er die Försterei bekommt; den kann nun freilich der Landjägermeister, der die Probe abnimmt, schwer und leicht aufgeben. Ich mußte damals einem hölzernen Vogel, der an der Stange geschaukelt wurde, den Ring aus dem Schnabel schießen. Nun, bis jetzt hat noch keiner im Meisterschuß gefehlt, und wer einmal als mein Eidam mein Nachfolger wird, muß erst ein braver Jäger seyn.

Wilhelm hatte zu des Försters Freude mit sichtbarer Theilnahme der Erzählung zugehört. Jetzt faßte er lebhaft des Alten Hand, und versprach unter seiner Anleitung ein Jäger zu werden, dessen sich Urvater Kuno nicht schämen sollte.

3.

Noch nicht volle vierzehn Tage war Wilhelm als Jägerbursche in dem Försterhause, als Vater Bertram, der ihn mit jedem Tag lieber gewann, die Einwilligung zu seiner Verbindung mit Käthchen förmlich ertheilte. Nur sollte die Verlobung geheim gehalten werden bis zum Tage des Probeschusses, wo der Förster durch die Gegenwart des fürstlichen Landjägermeisters seinem Familienfeste noch mehr Feierlichkeit zu geben hoffte. Der Bräutigam schwebte in Entzücken und vergaß sich und die ganze Welt in dem offenen Himmel seiner Liebe, so daß ihn Vater Bertram mehrmals neckte, wie er kein Ziel mehr treffe, seit er Käthchen sich erzielt habe.

Wirklich aber hatte Wilhelm von seinem stillen Verlobungstage an ein ganz eignes Mißgeschick auf der Jagd. Bald versagte ihm das Gewehr, bald traf er statt des Wildes einen Baumstamm. Kam er nach Haus und leerte seine Jagdtasche, so fanden sich statt der Rebhühner Dohlen und Krähn, und statt des Hasens eine todte Katze. Der Förster machte ihm endlich ernsthafte Vorwürfe wegen seiner Unachtsamkeit, und Käthchen selbst fing an für den Probeschuß bange zu werden.

Wilhelm verdoppelte seine Aufmerksamkeit und seinen Fleiß; allein je näher der Tag rückte, an welchem er sein Probestück ablegen sollte, desto mehr verfolgte ihn das Unglück. Fast jeder Schuß mißrieth; endlich fürchtete er sich beinah ein Gewehr loszudrücken, um nicht Schaden anzustiften, denn er hatte schon eine Kuh auf der Weide angeschossen und den Hirten beinahe verwundet.

Ich bleibe dabei, – sagte Rudolf, der Jägerbursch, eines Abends – es hat jemand dem Wilhelm einen Weidemann gesetzt, denn mit natürlichen Dingen geht das nicht zu, und den muß er erst lösen.

Rede nicht so albern – versetzte der Förster verweisend – das ist abergläubisches Zeug, davon muß ein frommer Jäger gar nicht sprechen. Weißt du nicht mehr lieber Weidmann mein, welches die drey Stücke seyn, die ein geschickter Weidemann haben soll und haben kann? Ho, ho, ho! sag' an!

Rudolf räusperte sich zum Weidspruch und sprach schnell: Jo, ho, ho, mein lieber Weidmann, das will ich dir wohl sagen an: Gute Wissenschaft, Gewehr und Hund, der Weidmann braucht zu seinem Grund, wenn er was tüchtiges will verrichten, und sich nicht lassen gar vernichten, drum wird das gar wohl treffen ein ...

Schon genug – fiel ihm der alte Bertram ins Wort – mit den drey Dingen ist jeder Weidemann zu lösen, denn der heißt allemal entweder Faselhans oder Peter Ungeschick.

Mit Gunst, Vater Bertram – entgegnete Wilhelm etwas verdrüßlich – hier ist mein Gewehr, den will ich sehn, der mir etwas daran aussetzen soll, und meine Wissenschaft – ich will mich nicht rühmen, aber jagdgerecht denk' ich zu seyn, so gut wie ein Andrer, gleichwohl ists als gingen meine Kugeln krumm, und als blies sie der Wind mir vor dem Lauf weg. Sagt mir nur, was ich machen soll, ich will ja gern Alles thun!

Es ist wunderlich – murmelte der Förster, der nicht wußte, was er sagen sollte.

Glaub mir nur Wilhelm – wiederholte Rudolf – es ist nichts anders, als was ich gesagt habe. Geh einmal Freitags um Mitternacht auf einen Kreuzweg und mache mit dem Ladestock oder mit einem blutigen Degen einen Kreis um dich, den segnest du dreimal, wie es der Priester macht, aber im Namen Sammiel ...

Schweig! – unterbrach ihn der Förster unwillig – Weißt du, was das für ein Name ist? Das ist einer von des Teufels Heerschaaren. Gott bewahre dich und jeden Christen davor!

Wilhelm kreuzte sich ebenfalls, und wollte nichts weiter davon hören, wiewohl Rudolf auf seiner Meinung blieb. Er putzte die ganze Nacht an seinem Gewehr, untersuchte jede Schraube und jede Feder, und mit anbrechendem Morgen ging er aus, sein Glück von neuem zu versuchen.

4.

Aber alle Mühe war verloren, das Wild drängte sich um ihn und schien fast ihn zu necken. Zehn Schritt weit schoß er auf einen Rehbock, zweymal versagte ihm das Gewehr, das drittemal gerieth zwar der Schuß, aber das Wild floh unverletzt durch die Büsche. Unmuthig warf sich der unglückliche Jäger unter einen Baum, und verwünschte sein Schicksal, da rauschte es im Gebüsch, und ein alter Soldat mit einem Stelzfuße hinkte heraus.

Holla, lieber Weidmann – redete er Wilhelm an – warum so verdrüßlich? Hast du Liebespein, fehlt's im Beutel, oder hat dir Jemand das Gewehr besprochen? Gieb mir eine Pfeife Tabak, wir wollen eins zusammen plaudern.

Wilhelm reichte ihm verdrüßlich das Gebetene, und der Stelzfuß warf sich zu ihm ins Gras. Nach einigem Hin- und Herreden kam das Gespräch auf die Jägerei, und Wilhelm erzählte sein Unglück. Der Invalid ließ sich sein Gewehr zeigen. Das ist verzaubert, sagte er, als er es kaum in die Hand genommen hatte, damit wirst du keinen rechtschaffenen Schuß mehr thun, und ist dir der Weidemann recht nach der Kunst gestellt, so geht dir's mit jedem Gewehr so, das du in die Hand nimmst.

Wilhelm erschrak etwas, und wollte Einwendungen gegen den Hexenglauben des Fremden machen, allein dieser erbot sich zu einer Probe. Uns Kriegsleuten – sagte er – ist das nichts seltenes, und ich wollte dir bis auf den Abend und tief in die Nacht hinein Wunderdinge erzählen. Wie wollten die Scharfschützen zurecht kommen, die sich überall hinwagen, und ihren Mann aus dem Pulverdampf heraus schießen, wo ihn kein Mensch sehn kann, wenn sie nicht andre Künste könnten als zielen und losdrücken. Da, zum Exempel hast du eine Kugel mit der du sicher treffen sollst, weil sie besondre Tugend hat und allem Hexenwerk widersteht. Versuch' einmal gleich, es wird dir nicht fehlen.

Wilhelm lud sein Gewehr und sah sich nach einem Ziel um. Ein großer Raubvogel schwebte hoch über dem Wald, wie ein beweglicher Punkt. Schieß den Stößer da oben, sagte der Stelzfuß. Wilhelm lachte, denn der Vogel schwebte in einer, kaum dem Aug' erreichbaren Höhe. Ei, so schieß – wiederholte Jener, ich verwette meinen Stelzfuß, er fällt. Wilhelm schoß, der schwarze Punkt senkte sich und ein großer Geyer fiel blutend zu Boden.

Das sollte dich nicht wundern – sagte der Invalid zu dem vor Verwundrung sprachlosen Jäger – wenn du ein rechter Weidmann wärst. Solche Kugeln zu gießen ist noch lange kein Hauptstück in der Kunst und will bloß etwas Geschick und Herzhaftigkeit, weil es in der Nacht geschehn muß. Ich will dir's umsonst lernen, wenn wir wieder zusammen kommen, heute muß ich weiter, denn es schlug eben sieben. Versuch indessen noch ein paar von meinen Kugeln, du siehst mir immer noch aus, wie halb ungläubig. Auf Wiedersehn!

Der Stelzfuß gab bei diesen Worten Wilhelmen eine Hand voll Kugeln und hinkte weiter. Voll Verwunderung versuchte Wilhelm eine zweite von seinen Kugeln, und traf wieder ein fast unerreichbares Ziel; er nahm die gewöhnliche Ladung und fehlte das leichteste. Jetzt wollte er dem Invaliden nach, aber dieser war im Walde nicht mehr zu finden, und Wilhelm mußte sich mit dem versprochenen Wiedersehn trösten.

5.

Im Försterhause war große Freude, als Wilhelm wieder, wie sonst, mit einem Vorrath Wildpret ankam, und den Vater Bertram durch die That überzeugte, daß er noch der vorige brave Schütze sei. Er sollte nun die Ursache erzählen, warum ihn das Unglück bisher so wunderbar verfolgt habe, und was er gethan, um sie zu heben; allein er scheute sich, ohne sich eines bestimmten Grundes bewußt zu werden, von den unfehlbaren Kugeln zu sprechen, und schob die Schuld auf einen Fehler am Gewehr, den er erst in voriger Nacht beim Putzen desselben entdeckt haben wollte.

Siehst du, Mutter Anne – sagte nun der Förster lachend – wie ich's gesagt habe: der Weidemann hat im Laufe gesteckt, und dein Kobold, der den Vater Kuno heut früh herunter geworfen hat, steckt in dem verrosteten Nagel.

Was ist das mit dem Kobold? – fragte Wilhelm.

Nichts – erwiderte der Alte – das Bild fällt heut Morgen, wie eben die Uhr sieben schlug, von selbst herunter, und da meint denn Mutter Anne gleich, es spukt.

Um Sieben! – wiederholte Wilhelm und der Stelzfuß fiel ihm ein, der um eben diese Stunde von ihm geschieden war.

Freilich ist das keine rechte Zeit zum Spuken – fuhr der Förster fort, und klopfte Mutter Annen freundlich die Backen. Aber diese schüttelte noch bedenklich den Kopf: Gott gebe, daß alles natürlich zugegangen ist, sagte sie bedenklich, und Wilhelm entfärbte sich etwas. Er beschloß seine Kugeln bei Seite zu legen, und nur zu seinem Probeschuß eine zu gebrauchen, um sein Glück nicht durch die Bosheit eines Feindes zu verscherzen. Allein der Förster nöthigte ihn mit sich auf die Jagd, und wollte er nicht von neuem Mißtraun gegen seine Geschicklichkeit erregen und den Alten erzürnen, so mußte er schon einige von seinen Zauberkugeln dran wagen.

6.

In wenig Tagen hatte sich Wilhelm an seine Glückskugeln so gewöhnt, daß er in ihrem Gebrauch nichts bedenkliches mehr ahndete. Er ging täglich durch den Wald in der Hoffnung dem Stelzfuß wieder zu begegnen, denn sein Kugelvorrath hatte sich bis auf zwei vermindert, und wollte er seinen Probeschuß mit Sicherheit bestehn, so war die äußerste Sparsamkeit nöthig. Er schlug sogar dem alten Förster heut seine Begleitung auf die Jagd aus; denn morgen wurde der Landjägermeister erwartet, und es konnte möglich seyn, daß dieser noch außer dem eigentlichen Probeschuß einen Beweis seiner Geschicklichkeit zu sehn verlangte. Allein am Abend kam statt des Jägermeisters ein Bote, der eine starke Wildpretlieferung für den Hof bestellte, und die Ankunft seines Herrn auf acht Tage später ansagte.

Wilhelm glaubte zu Boden sinken zu müssen, und sein Erschrecken hätte Verdacht erregt, wären nicht alle geneigt gewesen, es der getäuschten Hoffnung des Bräutigams zuzuschreiben. Er mußte nun auf die Jagd, und wenigstens Eine seiner Kugeln aufopfern. Von der andern, schwur er, solle ihn nichts trennen, als der entscheidende Schuß am Verlobungstage. Der Vater schmälte, als Wilhelm mit einem einzigen Hirsch von der Jagd zurückkam, denn die verlangte Lieferung war beträchtlich. Er zürnte am andern Mittag nochmehr, als Rudolf mit reicher Beute, und Wilhelm ganz leer nach Haus kam. Am Abend drohte er ihn fortzuschicken, und die Einwilligung zu seiner Verbindung mit Käthchen zurückzunehmen, wenn er nicht den folgenden Morgen wenigsten noch zwei Rehböcke bringen würde. Käthchen war in der größten Angst, und bat ihn bei aller ihrer Liebe, doch ja allen Fleiß anzuwenden und lieber auf der Jagd gar nicht an sie zu denken.

So ging Wilhelm verzweiflungsvoll in den Wald. Käthchen sah er in jedem Falle für sich verloren, es blieb ihm nichts übrig, als die traurige Wahl, auf welche Art er sein Glück zerstören wollte.

Indem er, unfähig zu wählen, sich in Betrachtung seines Schicksals verlor, zeigte sich ihm ganz in der Nähe ein Rudel Rehe. Maschinenmäßig griff er nach seiner letzten Kugel; sie lastete ihm centnerschwer in der Hand. Schon wollte er sie zurückfallen lassen, entschlossen den Schatz zu bewahren, es koste, was es wolle. Da sah er in der Ferne den Stelzfuß auf sich zu kommen; freudig lies er die Kugel in den Lauf rollen, drückte los, und zwei Rehböcke sanken zu Boden. Wilhelm lies sie stürzen und eilte nach dem Invaliden, aber dieser mußte einen andern Weg eingeschlagen seyn; er war nicht zu finden.

7.

Vater Bertram war mit Wilhelm zufrieden, aber dieser ging den ganzen Tag in stiller Verzweiflung umher, und selbst Käthchens Liebkosungen vermochten nicht ihn aufzuheitern.

Auch am Abend saß er noch ganz stumm und bemerkte kaum, daß der Förster mit Rudolfen in ein ziemlich lebhaftes Gespräch gerathen war, bis ihn endlich jener aus seiner Betäubung weckte.

Das darfst du nun so wenig dulden als ich, Wilhelm – rief er dem Träumenden zu – daß jemand unsrem Altvater Kuno solche Dinge nachsagt, wie der Rudolf eben. Haben die Engel damals ihm und dem armen unschuldigen Menschen beigestanden, wie wir von ihrem englischen Schutz im alten Testamente mehr Exempel lesen, so wollen wir Gottes wunderbare Güte preisen, aber Teufelskünste lass' ich meinem Urvater nicht nachsagen. Er starb sanft und selig auf seinem Bette unter Kindern und Enkeln, aber wer Teufelskünste treibt, mit dem nimmt's niemals ein gutes Ende, wie ich selbst angesehn habe, als ich noch bei Prag im Böhmischen lernte.

O, erzählt doch, wie das war, rief Rudolf, und die Andern stimmten bei.

Schlimm genug war es – fuhr der Förster fort – es graut mir noch, wenn ich daran denke. Da war damals in Prag ein junger Mensch, Georg Schmid hieß er, ein verwogener, wilder Bursch, sonst aber brav und flink; der war ein starker Liebhaber von der Jagd, und so oft er konnte, kam er zu uns. Er wär auch ein tüchtiger Jäger geworden, aber er war zu flüchtig und schoß daher oft neben weg. Einmal, wie wir ihn damit aufzogen, vermaß er sich hoch, er wolle bald besser schießen als alle Jäger und es solle ihm kein Wild entgehn, weder in der Luft noch im Gebüsch. Aber er hielt schlecht Wort. Ein paar Tage drauf pocht uns früh ein unbekannter Jäger heraus, und sagt' an, draußen auf der Straße liege ein Mensch halb todt und ohne Hülfe. Wir Bursche machen uns gleich auf und hinaus, da liegt der Georg überall blutig und zerkratzt, als wär er unter wilden Katzen gewesen, sprechen konnte er nicht, denn er war ganz besinnungslos und gab kaum ein Lebenszeichen von sich. Wir trugen ihn gleich ins Haus, und einer meldet' es in Prag, wo er auch bald abgeholt wurde. Da hat er denn vor seinem Ende ausgesagt, daß er mit einem alten Bergjäger habe Freikugeln gießen wollen, die allezeit treffen, und weil er etwas dabei versehn, habe ihn der Teufel so zugerichtet, daß er's mit seinem Leben bezahlen müsse.

Was hatte er denn versehn – fragte Wilhelm bebend – ist denn der Teufel bei solchen Künsten allemal im Spiel?

Wer sonst? – erwiderte der Förster. – Ich weiß wohl, manche schwatzen von verborgenen Naturkräften und vom Einfluß der Sterne; nun, ich will niemand seinen Glauben nehmen, aber ich bleibe dabei, es ist Teufelsspiel.

Wilhelm schöpfte etwas freier Athem. Hat denn der Georg nicht erzählt, was ihn so übel zugerichtet? fragte er den Förster.

Freilich – antwortete dieser – vor Gericht hat er's ausgesagt. Er war gegen Mitternacht mit dem Bergjäger auf einen Kreuzweg gegangen; da hatten sie mit einem blutigen Degen einen Kreis gemacht, und den mit Todtenschädeln und Knochen kreuzweis belegt. Drauf hatte der Bergjäger Schmidten unterrichtet, was er zu thun habe. Er solle nämlich mit dem Schlag eilf Uhr anfangen die Kugeln zu gießen, nicht mehr und nicht weniger als drei und sechzig, eine über oder unter diese Zahl, wenn die Glocke Mitternacht schlüge, so wär er verloren, auch dürfe er während der Arbeit weder ein Wort sprechen, noch aus dem Kreise treten, es geschehe um ihm, was nur immer wolle. Dafür müßten aber auch sechzig von seinen Kugeln unfehlbar treffen, und nicht mehr als drei würden fehlen. Schmid hatte nun wirklich das Gießen angefangen, aber, wie er sagte, so grausame und erschreckliche Erscheinungen gesehen, daß er endlich laut aufgeschrieen und aus dem Kreise gesprungen, worauf er denn bewußtlos zu Boden gefallen, und sich nicht eher besonnen, bis er in Prag unter den Händen der Aerzte, und dem Zuspruch der Geistlichen, wie aus einem Traum erwacht sei.

Gott bewahre jeden Christen vor solchen Schlingen des Satans – sagte die Försterin und bekreuzte sich.

Der Georg hatte also wohl ordentlich ein Pakt mit dem Satan gemacht? – fragte Rudolf weiter.

Das will ich nicht grade behaupten – versetzte der Förster – denn es heißt: richtet nicht. Aber das bleibt doch immer ein schwerer Frevel, wenn der Mensch sich in Dinge einläßt, wo der Böse leicht an ihn kommen, und ihm an Leib und Seele verderblich werden kann. Der Feind kommt wohl von selbst, ohne daß der Mensch ihn ruft, oder ein Pakt mit ihm schließt. Ein frommer Jäger braucht das auch nicht, du hast es nur erst erprobt, Wilhelm, gut Gewehr und gute Wissenschaft, da braucht der Jäger keine Freikugel, und trifft doch wohin er soll. Ich möcht' auch um keinen Preis eine solche Kugel abschießen, denn der Feind ist ein arger Schalk, und könnte mir einmal die Kugel nach seinem Ziel führen, statt nach dem meinen.

8.