Ghostsitter - Tommy Krappweis - E-Book

Ghostsitter E-Book

Tommy Krappweis

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Beschreibung

Ahhhhhh! Seit Tom eine Geisterbahn mit waschechten Geistern geerbt hat, ist er voll im Stress: Wenn Vampir Vlarad in Fledermausgestalt auf dem Kirchturm landet und sich plötzlich wieder zurückverwandelt, sollte man ihm besser was zum Anziehen raufbringen. Dann bebt auch noch die Erde, und ein mysteriöser Schatten schmettert den untoten Pharao Hop-Tep durch die Wände! Gespenstermädchen Mimi ist noch blasser als sonst, denn auch Geister können Angst vor Geistern haben. Aber Tom würde niemals zulassen, dass seinen Freunden etwas passiert. Nun muss er seinen ganzen Mut zusammennehmen, um das fremde Wesen zu stellen …

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Seitenzahl: 211

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Die bisherigen Bände dieser Serie:

Ghostsitter Band 1: Geister geerbt

Ghostsitter Band 2: Vorsicht! Poltergeist

Ghostsitter Band 3: Hilfe, Zombie-Party!

Ghostsitter Band 4: Schreck im Spiegelkabinett

Ghostsitter Band 5: Tanz der Untoten

Die Serie wird fortgesetzt!

1. überarbeitete Auflage August 2019

Copyright © 2019 by Tommy Krappweis & Edition Roter Drache

Edtion Roter Drache, Holger Kliemannel, Haufeld 1, 07407 Remda-Teichel

[email protected]; www.roterdrache.org

Umschlagillustration und Vignetten: Timo Grubing

Umschlaggestaltung: Timo Grubing

Korrektorat: Diane Krauss

Gesamtherstellung: Jelgavas tipografia

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2020

Alle Rechte vorbehalten.

Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (auch auszugsweise) ohne die schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

ISBN 978-3-964260-52-9

Inhalt

Kapitel 1:Leider verflucht

Kapitel 2:Anstalten vom Veranstalter

Kapitel 3:Eine folgenschwere Entscheidung

Kapitel 4:Die Schrat

Kapitel 5:Die erste Attacke

Kapitel 6:Der auch noch

Kapitel 7:Pulsar fortis

Kapitel 8:Teufelszeug

Kapitel 9:Alles steht Kopf

Kapitel 10:Eine harte Nuss

Kapitel 11:Die Geheimwaffe

Kapitel 12:Ein uralter Erlass

Kapitel 13:Siebentausend Jahre Pech

Kapitel 14:Ausflug in die Tiefe

Kapitel 15:Nachbeben der anderen Art

Kapitel 16:Ein Vampir auf dem Dach

Kapitel 17:Eine Frage der Balance

Kapitel 18:Was nun?

Kapitel 19:Zwei Navis für Mimi

Kapitel 20:So viel auf einmal

Kapitel 21:Mimis Dilemma

Kapitel 22:Die Geistermutter

Kapitel 23:Besuch von Zoracz

Kapitel 24:Ein anderes Beben

Kapitel 25:Der Schacht

Kapitel 26:Das versunkene Haus

Kapitel 27:Mimis Gefängnis

Kapitel 28:Der Fluch

Kapitel 29:Die Schrt

Kapitel 30:Eröffnung

Über den Autor

Kapitel 1:Leider verflucht

Tom tat das, was er in letzter Zeit schon so oft getan hatte. Er starrte. Inzwischen war er ein richtiger Starr-Profi geworden, und bei nächster Gelegenheit würde er mal ausprobieren, ob er im Wettstarren vielleicht sogar Zombie Wombie besiegen konnte. Jetzt allerdings war dafür keine Zeit. Denn schließlich starrte Tom ja aus einem ganz bestimmten Grund auf seine seltsamen Freunde, die rein zufällig die Bewohner seiner eigenen Geisterbahn waren.

»Ihr wollt … was?«, stammelte Tom noch einmal, nur um sicherzugehen, dass er sich nicht verhört hatte.

»Wir wollen nicht, aber wir sollten«, korrigierte Vlarad der Vampir.

»Und zwar von hier verschwinden«, knurrte Welf der Werwolf. Sein Bonus-Onkel war um diese Tageszeit und ohne Vollmond zwar voll und ganz menschlich, aber der kurz angebundene Einwurf klang so wölfisch, dass Tom unwillkürlich einen Schritt zurückwich.

Es war schon ziemlich seltsam, einen Werwolf als Erziehungsberechtigten zu haben. Aber Tom konnte mit vierzehn Jahren nicht einfach alleine in der Gegend herumreisen. Da war die Lösung mit Welf als angeblichem Verwandten natürlich perfekt gewesen, als Tom vom Bruder seiner Oma eine Geisterbahn geerbt hatte. Denn im Gegensatz zu den anderen Bewohnern der Schreckensfahrt sah Welf außer bei Vollmond recht normal und menschlich aus.

»Aber … aber wir sind doch gerade erst hier angekommen, übermorgen muss die Geisterbahn fertig aufgebaut hier auf dem Marktplatz stehen!«, rief Tom jetzt und lief aufgeregt hin und her. »Wir haben schon mehrere Tage verloren, weil wir so lange gebraucht haben, um den Zirkuswagen in Schuss zu bekommen. Eigentlich sollten wir auf dem Kirchweihfest in Bad Reichenhall stehen, aber das haben wir jetzt verpasst.«

»Wissen wir, Tom.« Das grün schimmernde Geistermädchen Mimi war im Zwielicht des Zirkuswagens dank der lichtdichten Vorhänge gut zu erkennen. Sie schwebte neben Vlarad und sah Tom aus ihren großen Augen traurig an. »Es bringt nichts, wenn du –«

»Ich sag euch, was nichts bringt!«, unterbrach Tom sie. »Mit dem Gespann quer durch Deutschland bis hierher ins Saarland zu gurken und dann wieder heimzufahren – das bringt nix! Außer irrsinnige Benzinkosten, verdammt!« Genervt stampfte Tom auf, und das Geschirr in dem wackeligen Regal neben ihm schepperte lautstark mit.

»Gmmmhhh«, machte Wombie der Zombie, und legte seinen rosa Stoffhasen schützend in die massige Armbeuge.

Tom seufzte. »Tut mir leid, Wombie, ich wollte Odor nicht erschrecken. Aber könnt ihr denn meinen Frust nicht verstehen? Wir waren doch so froh, dass wir diesen Platz hier auf dem Jahrmarkt in letzter Sekunde ergattert haben, und jetzt wollt ihr nicht aufbauen, weil …«

»Weil hier etwas nicht in Ordnung ist«, beendete der Vampir Toms Satz.

»Gmpf mff gfmpf sgmpf«, setzte da Hop-Tep die Mumie hinterher, und Tom drehte sich seufzend zu dem einbandagierten Prinzen um. »Bitte was?«

Mimi verdrehte die Augen, als wäre es sonnenklar, was Hop-Tep unter seinen Bandagen genuschelt hatte. »Er sagte: ›Ganz und gar nicht sogar.‹ Und er hat recht damit. Hier stimmt etwas ganz und gar nicht, und wir sollten hier auf gar keinen Fall die Schreckensfahrt aufbauen. Und wenn du Hop-Tep verstehen willst, solltest du vielleicht mal deine telepathische Verbindung mit uns einschalten.«

Tom ließ sich laut stöhnend auf sein Bett fallen und schlug die Hände vors Gesicht. Mimi hatte natürlich recht, aber das nervte ihn nur noch mehr. »Wisst ihr eigentlich, wie nervig es war, diesen superoberschlecht gelaunten Veranstalter dazu zu kriegen, dass wir den Standplatz bekommen? Außerdem ist das nicht der einzige Markt, den dieser Typ veranstaltet! Wir brauchen den! Und jetzt soll ich zu ihm hingehen und erzählen, dass wir doch keinen Bock haben und wieder heimfahren? Was glaubt ihr, was der sagt? Ach, na gut, aber Hauptsache ihr kommt zu den anderen Terminen? Der streicht uns glatt komplett für all seine Märkte!«

»Nicht nur das«, brummte Welf, und Tom drehte sehr langsam den Kopf zu dem Werwolf. »Nicht nur das? Was bitte ist denn schlimmer, als dass wir mal eben zehn Spielstätten verlieren, bevor wir überhaupt angefangen haben?«

»Ist ein Scheißplatz für ’nen Markt. Nicht nur wir sollten abhauen. Auch alle anderen. Sag ihm das«, antwortete der Wolfsmensch ungerührt, und alle außer Wombie nickten.

Tom hatte das Gefühl, ihm würden jeden Moment die Augen aus dem Kopf fallen und wie zwei Murmeln über den Holzboden rollen.

»W… wie bitte?«, stotterte er. »Alle sollen weg von hier? Alle Buden, alle Schausteller, das Festzelt … Also echt alle? Niemand soll hier einen Jahrmarkt abhalten?«

Wieder nickten alle außer dem Zombie.

»Wombie!«, rief Tom mit einer letzten verzweifelten Hoffnung in der Stimme. »Du hast nicht genickt. Du bist auf meiner Seite, oder? Was sagst du dazu? Was sagt dein Stoffhase? Was meint ihr beide, sollten wir nicht einfach …«

»Gmmmhhh«, machte Wombie und schüttelte den Kopf. Das war selten. Und eindeutig.

Tom klappte den Mund zu. Er griff sein Kopfkissen und drückte es sich fest auf den Mund. Erst dann schrie er mit allem, was die Stimmbänder hergaben, in das Kissen hinein.

Die anderen warteten geduldig, bis Tom tief durchgeatmet und sich wieder aufgerichtet hatte.

Der nickte schließlich langsam. »Also gut. Okay, okay. Ich will keiner von diesen Typen sein, die alles ignorieren, bis es zu spät ist. Sagt mir bitte, was los ist, und dann versuche ich, mit dem Veranstalter zu reden.«

»Wir wissen nicht, was los ist«, antwortete Vlarad und zuckte mit den Schultern.

Tom stieß ein Geräusch aus, das klang wie eine Mischung aus Jammern, Schrei und Dampfturbine. »Ihr macht mich wahnsinniggggggggg…«, knirschte er zwischen zusammengepressten Lippen hervor, aber der Vampir sprach ungerührt weiter: »Alles, was wir wissen, ist, dass hier auf diesem Platz etwas nicht stimmt. Und darum ist es ein denkbar schlechter Ort für eine Geisterbahn und ein nahezu törichter Ort für einen Jahrmarkt.«

»Das soll ich dem Veranstalter jetzt so sagen?«, fragte Tom mit lahmer Stimme, und Vlarad nickte.

»Okay. Alles klar. Wird bestimmt supi. Boah, wie ich mich freu. Onkel Welf, kommst du wenigstens mit, falls er mir den Hals auf den Rücken drehen will?«

»Das soll er probieren«, grollte Welf, und Tom hob die Hand. »Nein, das soll er bitte nicht. Bitte halt ihn vorher auf.«

Kaum hatte Tom zu Ende gesprochen, da fühlte es sich plötzlich so an, als würden seine Knie weich. Gleichzeitig fing das Besteck in der Schublade an zu klappern, dann auch die Teller in dem kleinen Hängeschrank. Doch so schnell, wie es gekommen war, endete das seltsame Beben auch schon wieder, und Tom sah verwundert in die Runde. »Was bitte war das denn?«

»Die landläufige Erklärung dafür wäre: ein Erdbeben«, antwortete der Vampir ausweichend.

»Echt jetzt«, maulte Tom genervt. »Und was wäre die unlandläufige Erklärung?«

»Es ist zu früh, um darüber Mutmaßungen anzustellen, die uns alle beunruhigen«, sprach der Vampir.

Tom lachte trocken auf. »Ha. Du meinst Mutmaßungen, die mich beunruhigen, stimmt’s? Glaub mir, ich halt viel aus.«

Der Vampir sah ihn ernst an und sagte dann: »Nein, in diesem Fall geht es nicht nur um dich. Damit meinte ich tatsächlich, dass es uns alle beunruhigt, mein Junge. Es gibt Dinge, die auch uns Respekt einjagen.«

Kapitel 2:Anstalten vom Veranstalter

Frank Barthelmann sah zwischen Tom und Welf hin und her. »Ich wiederhole das mal: Erst meldet ihr euch knapp zwei Tage vor der Eröffnung. Dann nervt ihr mich ohne Ende, bis ich euch einen Platz freiräume, und jetzt wollt ihr wieder abhauen, und ich soll auch gleich den ganzen Markt abblasen?«

Der Veranstalter fuhr sich mit beiden Händen über die Glatze, und Tom bemerkte die vielen Tätowierungen auf den Armen des kräftigen Mannes. Der schnaufte kurz und heftig wie ein Stier und schüttelte dann den Kopf, als müsse er überprüfen, ob er wach sei. »Wisst ihr zwei Witzkanonen eigentlich, wie lange ich gebraucht hab, um diesen Jahrmarkt hier veranstalten zu können?«

Tom und Welf schwiegen.

»Vier verdammte Jahre hab ich am Bürgermeister rumgebaggert, bis er mitsamt den Kasperlköpfen im Stadtrat endlich sein Okay gegeben und die blöde Unterschrift auf den Wisch geschmiert hat! Vier Jahre! Und das nur wegen irgendeinem dämlichen Verbot aus dem 18. Jahrhundert, was heute gar keinen Sinn mehr macht!« Barthelmann begann damit, mitten auf dem Platz hin- und herzutigern. Erhitzt deutete er auf die umliegenden Buden, die fast fertig aufgebaut waren. »Und ich werde ganz sicher nicht zu denen allen hinkriechen und sie wieder nach Hause schicken, nachdem ich erst alle bekniet habe, hierherzukommen! Vor allem nicht, weil ein komisches Kind und sein Onkel das gerne hätten!«

Er streckte den Zeigefinger aus und fuchtelte Tom damit vor der Nase herum. »Ihr zwei Reißzwecken könnt mir den Schwammbuckel runterrutschen!« Das Gesicht des Mannes lief genauso schnell rot an, wie auch seine Stimme immer lauter wurde. »Wenn ihr Spinner wieder abhauen wollt, von mir aus! Und das eins klar ist: Ich brauch euch dann auch nicht auf meinen anderen Märkten! Ich hab genug andere Hirnis, die mir nur Stress machen. Und eins sag ich euch: Die Platzmiete zahlt ihr mir trotzdääähhh…«

Blitzschnell hatte Welf den Zeigefinger des wütenden Mannes eingefangen und hielt ihn einfach fest. Der Veranstalter versuchte, seinen Finger aus Welfs Faust herauszuziehen, aber zu seiner Überraschung bewegte sich diese keinen Millimeter. Es sah aus, als hätte Barthelmann seinen Finger in der Hand einer steinernen Statue verklemmt.

»Sie können das bestimmt auch alles erklären, ohne uns zu beleidigen«, knurrte Welf. »Ich bin mir da ganz sicher.«

Er wartete noch einen kurzen Moment, dann erst ließ er den Finger des Mannes so plötzlich los, dass der ein paar Schritte rückwärts stolperte.

Tom versuchte, die Wogen ein wenig zu glätten. Es half nichts, wenn diese Diskussion jetzt völlig aus dem Ruder lief.

»Wir würden sehr gerne bleiben, Herr Barthelmann. Aber wir glauben, dass alle Menschen hier in Gefahr sind. Die Leute mit ihren Buden und Fahrgeschäften, die Gäste, die ab morgen kommen, und Sie selbst genauso.«

Der Veranstalter rieb sich den Zeigefinger und sah Tom genervt an. »Blödsinn. Das hier ist einfach nur ein alter Marktplatz, auf dem seit Ewigkeiten nix mehr stattfindet, weil sich das Zentrum in den Osten der Stadt verlagert hat. Was bitte soll denn hier so Gefährliches sein? Tödliche Taubenscheiße? Raketenwürmer?«

Tom sah Hilfe suchend zu Welf hinüber, doch der schüttelte kaum merklich den Kopf. Tom seufzte. »Aber haben Sie denn das Beben vorhin nicht gespürt?«

Der Veranstalter sah Tom an, als würde er gleich einen Arzt rufen wollen. »Beben? Was für ein Beben? Hast wohl was Falsches gegessen. Das fühlt sich manchmal so ähnlich an.«

»Oh Mann! Das war kein Blubbern wegen Pupsgemüse, verdammt!« Tom wurde nun richtig sauer. »Das war was anderes! Wir wissen nicht genau, was los ist. Aber wir wissen, dass was los ist. Glaub ich.«

Tom wusste, dass er mit dieser Begründung wohl kaum Erfolg haben würde. Hoffnungsvoll suchte er im Gesicht des Mannes nach irgendeiner Regung, die man positiv deuten konnte, fand aber keine.

»Sie glauben uns nicht«, seufzte Tom. »Warum sollten Sie auch.«

Barthelmann sah ihn regungslos an. »Genau. Und jetzt haut ab und macht, was ihr wollt, ist mir egal. Ich hab zu tun.«

Dann drehte er sich um und stapfte einfach davon.

»Und jetzt?«, fragte Tom.

»Jetzt müssen wir wohl bleiben«, brummte Welf, und Tom sah ihn verwundert an.

Kapitel 3:Eine folgenschwere Entscheidung

Welf hat recht. Wir müssen bleiben«, sprach Vlarad der Vampir salbungsvoll, nachdem Tom ihnen allen von seinem Gespräch mit dem Veranstalter berichtet hatte. »Wir lassen die Menschen hier nicht ahnungslos ins Verderben rennen.«

»Wow.« Tom war wirklich beeindruckt. »Das ist ja cool.«

»Oder saudumm«, entgegnete Welf. »Kommt drauf an, mit was wir es zu tun bekommen.«

»Was oder wer auch immer es sein mag«, der Vampir richtete sich auf, und seine Augen blitzten voller Tatendrang, »wir haben einst geschworen, den Menschen kein Leid zuzufügen. Und dazu zählt auch unterlassene Hilfeleistung. Vor allem, wenn wir die Einzigen sind, die die Gefahr spüren.«

Vlarad streckte seine Hand aus. »Wir bleiben.«

Welf legte seine haarige Hand stumm auf die des Vampirs. Mimi tat ihr Bestes, um ihre schimmernden Finger an einer Stelle zu halten, ohne dass sie durch die anderen Hände hindurchglitten.

Auch Hop-Tep die Mumie nickte und legte ihre bandagierten Finger auf die der anderen.

»Gmmmhhh«, machte da sogar Wombie, legte seine Hand auf die des ägyptischen Prinzen und hielt dann mit der anderen Hand behutsam den Plüscharm seines Stoffhäschens Odor so, dass auch das Kuscheltier den Pakt mitbeschließen konnte.

Tom war so ergriffen von dem Moment und bemerkte erst gar nicht, wie alle auf ihn warteten. »Oh, sorry, klar!«, rief er und legte seine Hand ganz oben drauf.

Vlarad nahm einen tiefen Atemzug. Dann ließ er einen leisen Summton erklingen. Zu Toms Überraschung stimmten die anderen ein, sogar Wombie war deutlich zu hören. Zunächst klang es ziemlich schräg für Toms Ohren, doch auf einmal fanden sich die fünf Stimmen. Urplötzlich dröhnte in seinem Kopf ein gigantischer Chor im vollständigen Einklang wie der Ton einer riesigen Kirchenglocke. Und über diesem fantastischen Singen schien die majestätische Stimme des Vampirs zu schweben:

»Ewig Zeit ward uns gegeben.

Wahr und Gut sei unser Streben.

Ehren wollen wir das Leben.«

Dann löste der Vampir die Verbindung, und der Chor in Toms Kopf verstummte, als hätte man ein Lautsprecherkabel durchschnitten.

»Ihr macht immer so krasses Zeug«, murmelte er, und Mimi lächelte. »Das hast du aber schön gesagt. Also, während ihr weg wart, hab ich versucht, irgendwas Genaueres zu erspüren. Leider kann ich nichts Neues berichten. Ich weiß nur, es ist auf keinen Fall menschlich oder mechanisch. Da ist nur dieses komische …«

»… düstere Raunen«, beendete Vlarad ihren Satz.

»Genau! Das trifft’s!«, rief Mimi aufgeregt. »Ich glaube, da musst du ran, Vlarad. Du hast am meisten Erfahrung.«

Der Vampir nickte.

Tom atmete tief durch. »Also gut, dann bauen wir jetzt doch auf. Oh Mann, der Barthelmann wird denken, wir sind nicht ganz normal.«

Welf grinste grimmig. »Ein Mensch und fünf Untote, die zusammen in einer Geisterbahn leben? Er könnte recht haben.«

Vlarad grinste, Mimi lachte, und sogar unter Hop-Teps Bandagen hörte man ein Kichern.

»Also, Welf, geleite doch unseren Jungen nach draußen, während wir hier drin alles für den Aufbau vorbereiten. Bitte haltet uns den Veranstalter vom Hals. Es könnte unangenehm werden, falls er genau jetzt hier reinplatzt.«

»Ihr habt nicht zufällig die Möglichkeit, den Typen in irgendwas Leises und ganz arg Liebes zu verzaubern? In einen Hamster, ein Backenhörnchen oder vielleicht in einen Polstersessel?«, fragte Tom hoffnungsvoll.

»Durchaus«, antwortete der Vampir. »Aber wer erklärt ihm alles, wenn der Zauber endet?«

»Muss er denn enden?«

»Alles endet irgendwann.«

Tom verdrehte die Augen. Typischer hätte Vlarads Antwort nicht ausfallen können. »Okay, ich gebe auf. Bis später und viel Erfolg beim … was immer ihr da jetzt macht.«

»Danke«, sagte der Vampir, Mimi lächelte, und der bandagierte Pharaonensohn nickte. Wombie sagte nichts.

Kapitel 4:Die Schrat

Tom trat mit Welf aus dem Zirkuswagen. Er hatte keine Ahnung, wie lange man normalerweise brauchte, um eine Bude oder ein Fahrgeschäft aufzubauen. Doch es sah so aus, als würden alle anderen Marktteilnehmer problemlos übermorgen eröffnen können.

Nur sie selbst hatten tatsächlich noch gar nichts geschafft. Immerhin stand der Zirkuswagen schon an der richtigen Stelle hinter dem klapprigen Truck mit Anhänger, in dem sich die gesamte Geisterbahn befand.

»Was müssen die denn jetzt so Geheimes vorbereiten?«, fragte er Welf neugierig, doch der Werwolf antwortete nur ausweichend: »Komm hier rüber, noch ein bisschen weiter weg von der Geisterbahn.«

Tom seufzte, folgte Welf hinaus auf den Platz und sah sich um. Auf dem Platz ging die Sonne gerade unter und tauchte alles in orangerotes Licht. Die alte, verlassene Kirche gegenüber warf lange Schatten quer über das abgewetzte Kopfsteinpflaster, und die knorrigen Bäume rundherum sahen aus, als würden sie sich sehnsuchtsvoll in die Dunkelheit strecken.

»Was für’n komischer Ort für einen lustigen Jahrmarkt«, murmelte Tom.

»Was für ein perfekter Ort für unsere Schreckensfahrt«, entgegnete Welf.

»Schrat.«

»Wie bitte?«

»Mimi hat erzählt, beim Zusammenpacken sind noch ein paar mehr Glühbirnen zu Bruch gegangen. Die Schreckensfahrt heißt jetzt nur noch Schrat.«

Welf schnaubte genervt. »Verdammt, diese alten Kohlefaden-Glühbirnen sind so schwer zu kriegen, empfindlich und auch noch sauteuer.«

»Warum nehmen wir denn nicht einfach moderne LED-Lampen? Die halten ewig und gehen fast nie kaputt«, fragte Tom verwundert.

Welf sah Tom an, als wäre der nicht ganz dicht. »Weil wir immer Kohlefaden-Lampen dafür verwendet haben.«

»Was ist denn das für ein Grund, der gar keiner ist?«, entgegnete Tom.

Der Werwolf musterte ihn seltsam. Hatte er wirklich nicht verstanden, was Tom meinte?

Tom runzelte die Stirn. »Also, wenn du jetzt gesagt hättest, dass diese speziellen Lampen sehr lange halten oder besonders hell sind, hätte ich das ja kapiert. Aber wenn’s nur drum geht, dass sie unsere Leuchtschrift da oben hell machen sollen, dann nehmen wir doch besser moderne LED-Birnen. Die halten ewig und kosten nur –«

Der Werwolf unterbrach ihn unwirsch. »Willst du uns jetzt erklären, wie wir die Schreckensfahrt instand zu halten haben? Wir verwenden diese Lampen seit über siebzig Jahren!«

Tom wich Welfs ärgerlichem Blick nicht aus. »Und die ganze Zeit über ist keiner auf die Idee gekommen, andere zu verwenden? Respekt.«

»Hier geht es um Tradition!«

»Ich dachte, hier geht’s um Glühbirnen.«

Welf schnaubte. »Du hast keine Ahnung.«

»Und keinen Cent in der Tasche, um aus der Schrat wieder die Schreckensfahrt zu machen, Welf. Vor allem dann nicht, wenn wir die Birnen dafür einzeln im Antiquitätenladen ersteigern müssen! Dieser Kasten hier ist alt, staubig, klapprig, und natürlich könnt ihr die Leute besser erschrecken als jede andere Geisterbahn auf der Welt! Aber dafür müssen die Leute erst mal hier reingehen und vorher Eintritt löhnen. Und das wird schwierig, wenn das Ding von außen aussieht wie ein Schrottplatz und man sich fragt, was einen wohl erwartet in der Schrat. Wir brauchen Monitore, die zeigen, was drin abgeht! Wir brauchen computergesteuerte Figuren auf der Balustrade, coole Sounds, coole Mucke und Lichteffekte hier draußen! Sonst kacken wir einfach nur ab, und dann sind wir noch mehr pleite, als wir eh schon sind!«

Der Werwolf wollte etwas erwidern, doch dann schwieg er. Tom wartete ab. Er wusste, dass er die besseren Argumente hatte, aber vielleicht hätte er sie doch weniger patzig vorbringen können.

»Du hast ja recht, Junge«, murmelte Welf plötzlich. »Modernisierung ist nicht gerade unsere Stärke. Mimi ist die Einzige von uns, die sich mit Smartphones, Computern und Internet auskennt, und das, obwohl sie nicht einmal selbst klicken kann. Wir anderen hätten gerne alles am liebsten so, wie es immer war.«

Für Welfs Verhältnisse war das eine ziemlich lange Rede gewesen und sehr persönlich noch dazu. Tom brauchte einen Moment, bis er die richtige Antwort gefunden hatte. Doch dann legte er seinem Bonus-Onkel die Hand auf die kräftige Schulter und sagte: »Lass uns aufbauen.«

Ein Lächeln umspielte Welfs schmale Lippen. Dann nickte er.

»Und wie fangen wir jetzt an?«, fragte Tom.

»Sobald es hier richtig stockfinster ist, legen wir los. Und wenn es hell wird, werden wir fertig sein«, sagte Welf.

In dem Moment gingen links und rechts von ihrem Standplatz flackernd zwei Straßenlaternen an und tauchten Zirkuswagen und Truck in helles Neonlicht. Fragend blickte Tom zu Welf. Der zog nur kurz die Augenbrauen hoch und stapfte los in Richtung der ersten Laterne. Dort angekommen, sah er sich kurz verstohlen um. Kaum war er sicher, dass niemand außer Tom zu ihm hersah, hatte er mit einem einzigen Ruck die Serviceabdeckung im Sockel abgerissen.

Krass, wie kann der eine verschraubte Metallplatte einfach so abrupfen?, fragte sich Tom.

Noch erstaunter war er, als Welf einfach in das Kabelgewirr fasste. Es blitzte und britzelte kurz, dann ging die Laterne aus. Nur Sekunden später erlosch auch das Licht der anderen Laternen links und rechts von ihrem Standplatz.

Tom zuckte zusammen, als der Werwolf urplötzlich wieder neben ihm stand. »Wie kannst du so verdammt schnell sein?«, staunte er. »Und was hast du verdammt noch mal für Fingernägel?«

Welf hob seine Hand, und Tom sah, wie sich die dicken, spitzen Nägel wieder in die Finger zurückzogen. Er schluckte. »Wie macht man denn da Maniküre? Mit einer Flex?«

Der Werwolf lachte heiser. »Nein, tatsächlich kann ich sie nur mit den eigenen Zähnen stutzen. Die sind noch härter.«

Tom grinste. »Cool, eine Ausrede zum Nägelkauen. Und jetzt?«

»Jetzt ist es dunkel genug, dass wir beide nicht alles alleine aufbauen müssen.«

Welf stieß einen lauten Pfiff aus, und kaum war der Ton verklungen, bemerkte Tom, dass sich in den Schatten rund um ihren Truck etwas bewegte. Die Ladeklappe öffnete sich, und für wenige Sekunden glaubte er, die Schemen des Vampirs zu erkennen, der ein paar seltsame Bewegungen mit den Händen vollführte.

Doch da schien die Luft zu flimmern, und alles war wieder wie vorher. Auch der Truck war plötzlich wieder verschlossen, und nichts rührte sich mehr. Tom wollte sich gerade an Welf wenden, doch der sah ihn geheimnisvoll an und grinste. »Bleib einfach hier stehen und zähl bis hundertvierundzwanzig. Wenn jemand kommt, ruf mich, okay?«

Tom nickte. »Okay. Aber …« Er stockte, als der Werwolf nach wenigen Schritten einfach verschwunden war. Wie konnte das sein? Welf war zwar schnell, aber nicht SO schnell. Verwundert starrte Tom in die Dunkelheit hinein. Aber dort war nichts zu sehen, was nicht die ganze Zeit zu sehen gewesen war. Der Zirkuswagen, der Truck und jede Menge Dunkelheit.

Mussten die jetzt nicht mal irgendwas ausladen? Und das Ausgeladene dann zusammenbauen und festschrauben und …

Na ja, er würde das bestimmt alles gleich erfahren. Tom zuckte mit den Schultern und begann, leise zu zählen.

Ein bisschen doof kam er sich schon vor, hier zählend in der Dunkelheit zu stehen und dabei auf einen Lastwagen zu starren, um den sich nichts – aber auch wirklich gar nichts – bewegte.

»Hundertachtzehn, was soll’s, hundertneunzehn, gleich weiß ich ja, hundertzwanzig, was sie sich dabei ged– AH!«

Der Werwolf war wie aus dem Nichts direkt vor ihm erschienen! »Oh Mann, Welf, musst du mich so erschrecken, ey!«

»Komm«, sagte Welf nur und winkte Tom zu sich heran.

Sein Onkel gab sich alle Mühe, es zu verbergen. Trotzdem bemerkte Tom, dass er es kaum erwarten konnte, ihm zu zeigen, was auch immer er ihm zeigen wollte.

Neugierig und auch ziemlich aufgeregt ging Tom ein paar Schritte auf seinen Onkel zu, doch plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen und staunte sich das Hirn aus dem Kopf.

Direkt vor ihm stand von einem Wimpernschlag zum nächsten die Geisterbahn – fertig aufgebaut und betriebsbereit!

»W… wie … aber … das …«, stotterte Tom und blinzelte in das Licht der unzähligen Glühbirnen an der Fassade.

Mimi war im Licht der vielen Lampen kaum zu erkennen, aber ihre Stimme erklang direkt neben ihm. »Hihi, cool, oder?«

»Obersupermegacool!«, brachte Tom hervor.

»Wenn du wissen willst, wie das geht, tritt mal ’nen halben Meter zurück«, forderte Mimi ihn auf.

Tom nickte und machte einen Schritt rückwärts. Urplötzlich stand er wieder im Dunkeln, und von der Geisterbahn war nichts mehr zu sehen. Einer Ahnung folgend ging er wieder ein Stück vorwärts, und da stand sie wieder, als wäre sie nie weg gewesen! Wie war das möglich?

Inzwischen hatten sich auch die anderen bei ihm eingefunden, und vor allem Vlarad war anzusehen, wie er den Moment genoss. »Na, was sagst du, Tom?«, fragte er neugierig und grinste so breit, dass seine spitzen Eckzähne im Schein der tausend Glühbirnen blitzten.

»Moment noch«, antwortete Tom. »Ich komm drauf.« Nun war sein Ehrgeiz geweckt, und er wollte unbedingt selbst herausfinden, wie seine untoten Freunde das angestellt hatten.

Tom probierte den verrückten Effekt noch ein paarmal aus und verringerte dabei jedes Mal die Größe seines Schritts. Schnell hatte er genau die Stelle gefunden, an der er nur den Kopf vor- und zurückbewegen musste, um die Schreckensfahrt erscheinen oder verschwinden zu lassen.

»Okay, ich glaub, ich hab’s«, sagte er schließlich. »Ihr habt einfach ein Foto vor die Kamera gepackt, stimmt’s?«