Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Blutflecken auf dem Designerteppich? Da kann eine Leiche schnell zur Nebensache werden! Nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub finden Martin Bloch und seine Frau Evelyn einen fremden Mann im heimischen Wohnzimmer - ungünstigerweise ist er tot. Doch statt die Polizei zu rufen, setzt Evelyn lieber auf den vermeintlichen Ermittlungsinstinkt ihres großmäuligen Bruders Uwe. Als dann auch noch Martins streitlustige Mutter und weitere Familienmitglieder auftauchen, eskaliert die Situation zu einem absurd-komischen Familiendrama – und Martin fragt sich, ob der Tote nicht noch am besten davongekommen ist.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 100
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
J.P. Conrad
GIRAFFENMORD
Ein tödlich komisches Familiendrama
Suspense Verlag
»Giraffenmord«
© 2025 J.P. Conrad, alle Rechte vorbehalten.
Covergestaltung: Perpicx Media Design, www.perpicx.de
Veröffentlichung:
© 2025 Suspense Verlag
Höhenstraße 18, D-61267 Neu-Anspach
E-Mail: [email protected]
Die Familie ist ein Ort, wo die größten Dramen im kleinsten Kreis stattfinden. George Bernard Shaw
1
Stellen Sie sich vor ... nein, ich fange besser anders an und stelle erst einmal mich selbst vor: Mein Name ist Martin Bloch, ich bin achtundvierzig Jahre alt, verheiratet und habe einen Sohn. Von Beruf bin ich Architekt, oder – wie es meine Mutter einmal einer Nachbarin erklärt hatte: ›Leider hat er nicht Medizin studiert‹. Ich bin in meiner Arbeit recht erfolgreich und habe schon einige Preise abgeräumt. Das klingt alles nach Angeberei, ich weiß. Aber meine Frau Evelyn hat mich dazu gedrängt, das zu erwähnen. Sie ist vierundvierzig, was ich wiederum nicht erwähnen sollte, und wir sind schon seit sechsundzwanzig Jahren verheiratet. Langen, langen Jahren.
Wir wohnen in einem kleinen Vorort von Frankfurt. Nicht das im Osten – das echte. Unser Sohn Philip ist vierundzwanzig und bereits vor zwei Jahren in eine Wohngemeinschaft gezogen. Er studiert ebenfalls Architektur, was mich sehr freut.
Klingt alles perfekt, oder? Tja, die Idee für den neuen Berliner Flughafen hat sicher in der Theorie auch gut geklungen. Aber ich will mich jetzt nicht über meine Familie beschweren, das wäre zu früh. Im Laufe dessen, was ich Ihnen erzählen werde, bekommen Sie genug Gelegenheit, sich selbst ein Bild von ihr zu machen. Ich entschuldige mich deshalb schon einmal vorab.
Worum es in meiner Geschichte geht? Kurz gesagt: um meine dysfunktionale Familie und eine Giraffe, die in unserem Haus aufgetaucht ist und für eine Menge Wirbel gesorgt hat. Ach, ja – beinahe vergessen – da war auch noch diese lästige Leiche in unserem Wohnzimmer. Bevor Sie sich jetzt aufregen: Nein, Tiere sind nicht zu Schaden gekommen!
Okay, wo fange ich an? Richtig – stellen Sie sich vor: Meine Frau und ich kommen von einer zweiwöchigen Rundreise aus Italien zurück. Wohlgemerkt: Rundreise – das Wort ›Urlaub‹ wäre hier fehl am Platz, denn es würde fälschlicherweise suggerieren, dass ich mich erholt habe. Während andere entspannt am Strand lagen, schleppte mich meine kulturell hyperaktive Frau bei durchschnittlich 26 Grad im Schatten durch unzählige Städte, Kathedralen und Museen. Insgesamt sind wir fast 1.800 Kilometer gefahren, wobei ich, bis auf circa drei Meter, die gesamte Strecke alleine bewältigen durfte, nachdem Evelyn gleich zu Beginn beim Ausparken am Mietwagenverleih ein anderes Auto touchiert hatte. Ob das Absicht war, sei mal dahingestellt.
Jedenfalls erinnerte ich mich an die letzten Worte meines Vaters, des passionierten Hobby-Elektrikers: ›Wenn du willst, dass etwas funktioniert, mach es selbst!‹. Er sagte sie unmittelbar, nachdem er physischen Kontakt mit der abisolierten Starkstromleitung des heimischen Küchenherds hatte, weil meine Mutter ihm versichert hatte, die entsprechende Sicherung rausgedreht zu haben. Doch ich will hier niemandem etwas ankreiden. Obwohl sich meine Eltern nie sonderlich sympathisch waren. Aber ich schweife ab.
Unser Flieger war nach fast anderthalbstündiger Verspätung in Frankfurt gelandet. Starker Gegenwind hatte uns ordentlich durchgeschüttelt. Manche Passagiere hatten ihren kleinen Snack – ein in gefühlt zwei Meter Frischhaltefolie verpacktes Sandwich, dessen Belag meinem Geschmack nach aus in Kerosin getränkter Presspappe mit einem Salatblatt bestand – nicht bei sich behalten können. Ich hoffe nur, die Flecken gehen aus meinem Hemd wieder raus.
Nachdem wir an der Gepäckausgabe waren und im Büro für vermisste Gepäckstücke ein zwölfseitiges Formular ausgefüllt hatten, nahmen wir ein Taxi. Es hat ja auch etwas Befreiendes, wenn man keine Koffer schleppen muss – fand zumindest unser Fahrer. Der zog sofort ein breites Grinsen, als ich ihm unsere Adresse nannte. Wir wohnen nämlich in einer der etwas gehobeneren Gegenden – dort, wo die SUVs fast so groß sind wie die Häuser, vor denen sie stehen, und es gefühlt mehr Überwachungskameras gibt als in einem Hochsicherheitsgefängnis. Waren wir eben noch die armen Urlauber, die sich nicht mal Gepäck leisten konnten, malte sich unser indischstämmiger Chauffeur nun sicher ein ordentliches Trinkgeld aus.
Das Taxi kommt vor unserem Haus zum Stehen, ich bedanke mich für die doch recht ausgedehnte Sightseeingtour durch zwei Industriegebiete und das Rotlichtviertel, in dem ihm erstaunlich viele Menschen freundlich winkend grüßten, und bezahle. Das Trinkgeld fällt moderat aus und ich versuche ihm klarzumachen, dass ich für die zusätzlichen 27 Kilometer eigentlich von ihm Geld bekommen müsste.
Wir steigen aus, der Wagen fährt sofort wieder an und ich will noch reflexartig ›Unser Gepäck!‹ rufen, aber dann fällt es mir doch rechtzeitig wieder ein, dass wir ja, dank der Fluggesellschaft, von dieser Last befreit worden waren.
Es ist sehr warm und schwül hier, stelle ich jetzt fest. Am Vormittag hatte es wohl geregnet. Der Busch neben dem Eingang trägt noch ein paar Wasserperlen, was mich daran erinnert, dass ich auf jeden Fall gleich duschen will. Ich halte meiner Frau die flache Hand entgegen.
»Was?«
»Den Hausschlüssel, bitte!«
»Den hab’ ich nicht. Ich dachte, du hättest ihn.«
Stirnrunzelnd taste ich die Taschen meiner Jacke und der Hose ab und versuche parallel, geistig einzuordnen, wo ich ihn zuletzt gehabt habe. Insgesamt achtmal fasse ich mir in die Klamotten, als versuchte ich, ein entlaufenes Frettchen zu fangen. Meine Brieftasche ist da, ein paar Taschentücher in verschiedenen Graden der Benutzung, und ein Glückscent, den ich gefunden hatte – kurz bevor uns mitgeteilt wurde, dass man unser Gepäck versehentlich nach Kapstadt geschickt hat. Bei dem Gedanken daran, werde ich wieder etwas neidisch. Wer hätte gedacht, dass meine Unterhosen lange vor mir Südafrika besuchen würden? Der Hausschlüssel ist jedenfalls nicht da. Aber mir fällt etwas ein. Ich gehe zum schmalen Fenster neben der Tür und lege meine linke Backe an die Scheibe.
»Das gibt Fettflecken!«, schimpft Evelyn, doch ich winke ab. Aus diesem schrägen Winkel kann ich die Alarmanlage sehen. Daneben hängt das Schlüsselbrett.
»Gute Nachricht«, verkünde ich. »Wir haben ihn nicht verloren.«
»Super!«, raunt meine Frau, und ich kann ihr Augenrollen förmlich hören; wie zwei Glasmurmeln, die in einer Holzschale rotieren.
»Keine Panik!« Ich sehe auf die Uhr. Dann schaue ich Evelyn grinsend an. Im nächsten Moment betätige ich den Klingelknopf. »Olivia wird uns aufmachen«, erkläre ich.
»Ach so, ja.« Auch meine Frau wirft jetzt einen Blick auf ihre Uhr. »Stimmt, ist ihre Zeit.«
Wir gönnen uns bereits seit ein paar Jahren den Luxus einer Haushaltshilfe, die uns die ungeliebtesten Arbeiten wie Staubwischen, Staubsaugen und alle anderen Dinge, die mit Staub zu tun haben, abnimmt.
Nichts rührt sich im Haus. Meine verhasste, vertikale Stressfalte, die sich im Laufe der Jahre gut ausgeprägt hatte, steht mir auf der Stirn. Ich klingele noch mal, aber es bleibt still. »Sie scheint nicht da zu sein.«
»Komisch.«
»Ich hab’ schon mehr gelacht.« Allerdings nicht über die Witze meiner Frau. Jetzt hole ich mein Telefon aus der Jacke.
»Was machst du? Ruf bloß nicht den Schlüsseldienst oder deine Mutter an!«
»Nein, Olivia.«
Es tutet in der Leitung. Nach einem kurzen Moment höre ich die Stimme unserer Haushälterin.
»Ja?«
»Hallo, Olivia. Hier ist Martin Bloch.«
»Oh, ich muss Entschuldigung machen«, kommt sofort die bedauernde Reaktion in ihrem kantigen osteuropäischen Akzent. »Ich wollte lange bei Ihnen sein und alles für Ankunft hinrichten.«
Ich hoffe, sie meint ›herrichten‹.
»Aber mir ging nix so schön. Viel auf Klo.«
»Ach so? Das tut mir leid. Dann bleiben Sie doch lieber heute zuhause.« Und stecken uns nicht mit irgendwas an.
»Nein, nein«, unterbricht sie mich. »Bin gleich mit Bus schnell da! War Urlaub schön?«
»Ja«, lüge ich und würge den Smalltalk sofort ab. »Dann bis gleich, wir warten.«
Ich lege auf, seufze und schaue Evelyn an.
Ihr stehen mehrere Fragezeichen im Gesicht. Sicher nicht die letzten für heute.
Ich erkläre ihr: »Sie ist noch nicht da, aber sie fährt jetzt los.« Olivia wohnt mit dem Bus zwanzig Minuten entfernt. Es würde also etwas dauern, bis sie eintrifft.
Ich hocke mich auf die Treppe vor der Tür. Evelyn rührt sich nicht, schaut stur in Richtung Straße, als hätte ihr Hirn Daten erhalten, die es nicht verarbeiten kann. Das passiert ihr öfter. Ich will nicht sagen, dass sie intellektuell unbewaffnet ist, aber manchmal kann sie mit unvorhergesehenen Situationen nicht gut umgehen. Ich erinnere mich an den Tag, als wir ins Kino wollten, um ›König der Löwen‹ zu sehen. Die Vorstellung war leider ausverkauft und wir waren stattdessen in ›Speed‹. Das Konzept mit der Bombe im Linienbus ging ihr irgendwie gegen den Strich und sie fragte mich permanent, ob denn da nicht doch noch irgendwann wenigstens ein Lied von Elton John gesungen würde.
Ich ziehe Evelyn sanft an der Hose. »Komm, setz dich! Das dauert noch etwas.«
Mit einem leisen Grummeln nimmt sie neben mir Platz. Wir schweigen. Ziemlich lange. Ich stelle fest: In den zwei Wochen Urlaub haben wir uns offenbar alles gesagt, was es zu sagen gab. Zuletzt hatte ich ihr vor lauter Verzweiflung von den Schreibfehlern in der deutschen Übersetzung der Bedienungsanleitung unseres Mähroboters erzählt.
»Wir hätten uns auf die Terrasse setzen sollen, da ist es bequemer«, stellt Evelyn nach gefühlt zehn Seufzern unterschiedlicher Intensität fest.
Ich nicke und entgegne: »Wenn ich den Schlüssel für das Gartentor hätte, gerne.«
»Wir könnten über den Zaun klettern.«
»Das ist es nicht wert, dass wir uns dafür die Klamotten oder was anderes aufreißen.«
»Ich wollte nicht diese Stahlspitzen«, meint meine Frau schnippisch.
»Du wolltest aber auch nicht, dass die Nachbarskinder immer durch unseren Garten latschen.«
Seit dem Zwischenfall mit dem elfjährigen ADHS-Ole von nebenan hatte sich tatsächlich kein einziges der Kinder mehr in unseren Garten gewagt. Ole am Spieß hatte sie anscheinend abgeschreckt.
Meine Frau zückt ihr Smartphone und versucht, sich abzulenken. Ich selbst habe mir seit einem Zwischenfall während unseres letzten Urlaubs in Dubai ein wenig Handypause verordnet.
Evelyn liest Nachrichten - oder das, was sie für Nachrichten hält, da sie ausschließlich die Regenbogenpresse konsumiert. Ich schiele rüber, während sie durch die Seiten scrollt. Jede Schlagzeile scheint größere Buchstaben zu benutzen, als die vorherige. Ich schüttle den Kopf.
»Was?«, fragt sie genervt.
»Wie kannst du nur so einen Schund lesen?«
»Tue ich nicht. Ich will wissen, was in der Welt los ist.«
Ich deute auf das Telefondisplay. »Okay. Aber bist du sicher, dass Artikel wie ›Jugendliche fotografieren Frau mit Riesenpenis im Stadtbus‹ nach seriösem Journalismus klingen?«
Evelyn hebt den Kopf. »Da ist Olivia!«
Sie hat recht: Unsere Haushaltshilfe kommt den Gehweg entlang geeilt. Ihre offenen Schuhe schmatzen bei jedem Schritt. Sie trägt eine für ihren stämmigen Körperbau zu enge graue Leggings, ein T-Shirt mit dem aus goldenen Pailletten bestehenden Logo eines sündhaft teuren Designers – der sicher keine Ahnung davon hat, dass in seinem Namen in Asien auch Shirts in Übergrößen produziert werden – und ihre obligatorische breite Korbtasche über dem Arm. Ihr Gesichtsausdruck zeigt eine Mischung aus Hetze und Entschuldigung. Es wirkt wie bei einer Darmverschlingung.
»Mir so leid tun!«, sagt sie außer Atem und klimpert mit dem Schlüssel. Obwohl sie schon seit fast fünf Jahren in Deutschland ist, spricht sie unsere Sprache noch recht ungelenk. Das liegt unter anderem daran, dass sie in ihrer Freizeit mit Vorliebe Reality-TV schaut, wo bekanntlich selbst deutschstämmige Protagonisten kaum über primitive Grunzlaute hinauskommen.
Wir erheben uns von unserer Sitzblockade. Olivia schaut uns an und stellt fest: »Sie nix sehen erholt aus.«
»Was wir an Erholung getankt hatten, wurde uns durch ein ausgeklügeltes Schauspiel hinsichtlich des Verschwindens unserer Koffer wieder genommen.«
»Oh, mistig!«
»Absolut mistig«, stimme ich zu. Wir lassen sie durch und sie schließt auf.
»Mache ich jetzt schöne Tasse Kaffee!«
»Wunderbar, genau das Richtige bei der Hitze«, grummle ich. Meine Frau gibt mir einen Stoß in die Rippen – ein Manöver, das sie auf dem Rückflug in den engen Sitzen perfektioniert hatte.
Wir betreten das Haus. Alles ist wie immer – was soll ich auch anderes erwarten? Vielleicht bin ich auch einfach nur etwas empfindlich, seit ich damals mit neunzehn von einem Mallorca-Trip mit Freunden zurückkam und meine Mutter mir auf ihre sensible Art zu verstehen gab, dass es Zeit wäre auszuziehen, indem sie mein Zimmer kurzerhand in ihre Bügeloase verwandelte.
»Erst mal die Wäsche in die Waschküche«, sagt Evelyn voller Tatendrang.
»Wie?«, frage ich. »Sollen wir uns jetzt hier vor Olivia die Kleider vom Leib reißen?«
»Dafür Sie nix genug bezahlen«, sagt diese trocken.