Glaub an morgen – glaub an das Glück - Carole Mortimer - E-Book

Glaub an morgen – glaub an das Glück E-Book

Carole Mortimer

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Beschreibung

Das Meer schlägt tosend gegen die Brandung, als Jordan sie stürmisch in seine Arme zieht. Nach einer schrecklichen Ehe hätte Willow niemals geglaubt, dass ein Mann solche Gefühle in ihr wecken kann! Kaum beginnt sie, von einer glücklichen Zukunft auf der Kanalinsel Jersey zu träumen, steht ihr Exmann vor ihr - und setzt alles daran, sie zurückzugewinnen!

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IMPRESSUM

Glaub an morgen – glaub an das Glück erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 1986 by Carole Mortimer Originaltitel: „Velvet Promise“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1290 - 1999 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Dr. Susanne Hartmann

Umschlagsmotive: GettyImages_gpointstudio

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733753597

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Vivian, lass es lieber …“ Willow wollte ihre vierjährige Tochter daran hindern, das Glas Weißwein an den Mund zu heben, als sie den Mann sah, der gerade das Restaurant betrat. Sie ließ die Hand sinken und wurde blass.

Jordan St. James. Sie hatte gewusst, dass sie der Familie früher oder später gegenübertreten musste, denn sie hatte ja Vivians Großeltern von ihrem Besuch unterrichtet und mit Simone verabredet, dass Vivian und sie am nächsten Tag zu ihnen kommen würden. Aber sie hatte gehofft, dass sich bis dahin keiner von Russells Angehörigen bei ihr melden würde und sie sich in Ruhe im Hotel eingewöhnen und wieder mit Jersey, der größten der Kanalinseln, vertraut machen könnte. Schließlich waren sie erst am frühen Nachmittag aus London eingetroffen. Ihr hätte klar sein sollen, dass der arrogante Mann, der sich jetzt schnell ihrem Tisch näherte, darauf keine Rücksicht nehmen würde!

„Oh, Mom, das ist …“ Vivian hatte einen Schluck Wein getrunken, während ihre Mutter abgelenkt gewesen war. Jetzt hustete sie, und ihre Augen begannen zu tränen. „Mom!“, protestierte sie, heftig blinzelnd und rot im Gesicht.

„Ich habe dich doch gebeten, meinen Wein nicht zu probieren, Schatz.“ Willow nahm ihr das bedenklich schwankende Glas aus der Hand und klopfte Vivian behutsam auf den Rücken.

„Was ist los?“

Willow erkannte die Stimme nur allzu gut wieder. Sie blickte Jordan flüchtig an und kümmerte sich dann weiter um ihre Tochter. Jordan St. James war so eindrucksvoll wie immer. Das hatte Willow bereits festgestellt, als sie ihn hatte hereinkommen sehen. Im Licht der Kronleuchter schimmerte sein dunkles Haar wie Ebenholz. Er hatte braune Augen und einen sanften Blick, der jedoch eine Täuschung war, wie Willow wusste. Dieser Mann konnte einen Menschen liebenswürdig ansehen und ihn dabei mit Worten in Stücke reißen.

„Ist schon wieder gut“, tat sie seine Frage kühl ab und gab Vivian ein Glas Wasser, damit sie den Geschmack des Weins los wurde, den sie „grässlich“ fand, wie sie jetzt erklärte. „Ich habe dich gewarnt“, sagte Willow. Ihre Stimme wurde weicher, während sie mit ihrer Tochter sprach, und sie strich dem kleinen Mädchen zärtlich das seidige blonde Haar aus dem noch immer geröteten Gesicht.

„Bist du auch krank, Mom?“, fragte Vivian.

Willow runzelte verblüfft die Stirn. „Wie kommst du denn darauf?“

„Der Wein schmeckt wie Medizin!“

Willow unterdrückte ein Lächeln. Sie bezweifelte, dass Jordan St. James die Bemerkung ebenso amüsant fand wie sie. Er lächelte anscheinend selten, und sie hatte ihn noch nie lachen sehen. „Bleib bei Limonade, bis du so alt bist wie Mom“, riet sie ernst. „Dann schmeckt Wein nicht mehr wie Medizin.“

Jetzt, da der Hustenanfall vorbei war, interessierte sich Vivian für den großen Mann, der am Tisch stand und die neugierigen Blicke der anderen Gäste in dem eleganten Hotelrestaurant überhaupt nicht beachtete.

Das war typisch für ihn, wie Willow ihn in Erinnerung hatte. Er war so arrogant und selbstbewusst, dass er von der Reaktion anderer Leute auf ihn meistens keine Notiz nahm. Die in der Nähe stehenden Ober ignorierte er auch. Zweifellos hatten sie ihn erkannt und warteten darauf, dass der berühmte Gast einen Wunsch äußerte.

„Du siehst aus wie mein Dad auf dem Foto“, sagte Vivian.

Willow drehte sich überrascht um und betrachtete Jordan zum ersten Mal genauer. Ja, vielleicht waren sich Russell und er ein bisschen ähnlich. Beide waren sehr groß und dunkelhaarig, und die Gesichtszüge glichen sich auch ein bisschen. Was nicht weiter erstaunlich war, wenn man ihre Verwandtschaft bedachte. Im Grunde war die Ähnlichkeit jedoch geringfügig. Russell war nicht ganz so groß und muskulös wie der andere Mann, und er hatte klassisch-schöne Gesichtszüge, während Jordans eher markant zu nennen waren und Charakterstärke verrieten. Die meisten Frauen würden wahrscheinlich Russell für besser aussehend halten.

„Das kommt, weil wir Cousins sind.“ Jordan lächelte Vivian an.

Da er einen so bedrohlichen Eindruck machte, erwartete man, dass seine Stimme streng klang, aber als er mit Vivian sprach, war sie so sanft wie sein Blick und hatte etwas Hypnotisches, das Willow erschauern ließ.

„Wirklich?“, fragte Vivian lebhaft. „Weißt du …?“

„Ah, Barbara.“ Dankbar blickte Willow die Frau an, die hinter Jordan stand und versuchte, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. „Könntest du Vivian jetzt bitte nach oben in unsere Suite bringen?“

„Oh, Mom, muss ich?“, protestierte Vivian. „Ich bin überhaupt nicht müde und ich …“

„Vivian Stewart, du gähnst schon, seit wir hier unten im Restaurant sind“, redete ihr Willow gut zu. „Jetzt geh mit Barbara. Und benimm dich. Es ist ein langer Tag gewesen, und wir sind alle müde.“ Da Barbara vom Flug starke Kopfschmerzen bekommen hatte, war Willow nach dem Auspacken mit Vivian nach St. Helier gefahren, damit Barbara schlafen konnte. Sie waren durch die Fußgängerzone gegangen, und nachdem Vivian in einem Café ein Eis gegessen hatte, hatten sie den Jersey-Zoo besucht, eine für Kinder besonders interessante Sehenswürdigkeit der Insel.

Der Zoo war kein herkömmlicher zoologischer Garten. Sein Gründer wollte sich mehr um die Bedürfnisse der Tiere als um die der Besucher kümmern. Das Ziel des Jersey-Zoos war der Artenschutz. Die Zucht bedrohter Arten gelang hier wahrscheinlich deshalb so gut, weil sich die Tiere wohlfühlten. Die Gehege waren so angelegt, dass sie den Bedürfnissen der Tiere entsprachen. Obwohl der Zoo nicht auf den Geschmack des Publikums ausgerichtet war, hatte er sich zu einer Touristenattraktion entwickelt. Besonders das große Gorilla-Freigehege zog Besucher an.

Vivian war begeistert gewesen und wäre am liebsten noch viel länger dort geblieben. Als sie schließlich in das Hotel an der St. Brelade’s Bay zurückgekehrt waren, hatte Barbara noch geschlafen, und Willow war mit Vivian zum Abendessen nach unten ins Restaurant gegangen.

„Muss ich?“, wiederholte Vivian mürrisch.

„Ja“, erwiderte Willow energisch. „Ich komme gleich nach“, versprach sie.

Ihre Tochter stand widerstrebend auf und ging mit Barbara hinaus. Willow blickte den beiden nach, doch schließlich hatte sie keine andere Wahl, als den Mann anzusehen, der noch immer drohend neben ihr aufragte. Leicht fiel es ihr nicht. „Möchtest du dich nicht zu mir setzen?“ Sie deutete auf den Stuhl ihr gegenüber, auf dem Vivian gesessen hatte.

Jordan nickte und setzte sich. „Sie sieht dir sehr ähnlich.“

„Ja“, sagte Willow kurz angebunden. Sie war sicher, dass es allen Familienangehörigen Russells lieber wäre, wenn Vivian überhaupt keine Ähnlichkeit mit der Außenseiterin hätte, die sich erdreistet hatte, ihn zu heiraten.

„Das war nicht als Kritik gemeint.“ Jordan hatte ihre Verärgerung bemerkt und blickte Willow mit zusammengekniffenen Augen an.

„Ach nein?“, spottete sie.

„Nein. Du bist eine sehr schöne Frau“, sagte er ausdruckslos.

Sie wusste, dass er nicht versuchte, höflich zu sein. Jordan St. James äußerte nur das, was er auch wirklich meinte. Als sie ihn kennengelernt hatte, war sie ein naives junges Mädchen mit bis zur Taille reichendem glatten Haar und einem bestenfalls linkischen Charme gewesen. Mrs. Russell Stewart zu sein hatte ihr zumindest geholfen, sich den Anschein zu geben, eine weltkluge Frau zu sein. Sie trug nur Designermode, und ihr Haar war jetzt perfekt geschnitten. Ja, in den vergangenen Jahren hatte sie gelernt, selbstbewusst aufzutreten. Nur wenn sie sich einem Mitglied von Russells Familie gegenübersah, verschwand ihr Selbstvertrauen, und sie fühlte sich wieder so verletzlich wie damals mit siebzehn.

Jordan lehnte sich zurück und winkte ab, als der Ober Willow Kaffee brachte und ihm eine Tasse hinstellen wollte. Er trug einen maßgeschneiderten dunklen Anzug, der seine athletische Figur betonte, dazu ein cremefarbenes Hemd und eine zur Farbe des Anzugs passende Krawatte. Erst jetzt, da er ihr gegenübersaß, bemerkte Willow, dass sein Haar an den Schläfen schon ein bisschen grau meliert war. Ihr fiel ein, dass er vor Kurzem siebenunddreißig geworden war. Aber im Grunde spielte das keine Rolle. Er hatte ihrer Meinung nach niemals jung ausgesehen, und Russell hatte oft spöttisch gesagt, Jordan sei schon alt auf die Welt gekommen.

Gerade fünf Jahre alt, war er Vollwaise geworden, und die Schwester seines Vaters, Simone Stewart, und ihr Mann David hatten Jordan bei sich aufgenommen. Er und Russell waren wie Brüder großgezogen worden. Russell wollte es immer mit seinem Cousin aufnehmen, doch diese Rivalität fand bei dem beherrschten und reservierten Jordan anscheinend keinen Widerhall.

„Aber schöne Frauen sind nicht immer die besten Mütter“, sprach Jordan weiter. „Sie haben so viele andere … Interessen.“

Er erwiderte Willows Blick gleichgültig, während ihr seine Beleidigung den Atem raubte. Sie hatten sich vor etwas mehr als fünf Jahren kennengelernt, und Jordan hatte sich in dieser ganzen Zeit nicht ein einziges Mal bemüht, höflich zu ihr zu sein. Offensichtlich hatte er sofort eine Abneigung gegen sie gefasst und sie nur toleriert, weil sie Russells Frau gewesen war. Inzwischen war sie jedoch reifer und überzeugt, ebenso viel wert zu sein wie die Stewarts und dieser arrogante Mann, der sie so kalt ansah.

„Nicht mehr als jede andere alleinerziehende Mutter“, erwiderte Willow angespannt.

Jordan zuckte die Schultern. „Anders als die meisten alleinerziehenden Mütter bist du so reich, dass du nicht arbeiten musst, aber du willst nicht zu Hause bei deinem Kind bleiben“, sagte er verächtlich. „Wie gehen die Geschäfte?“

Willows grüne Augen funkelten vor Wut. „Gut. Und ich mache alle meine Entwürfe zu Hause.“

„Wer leitet dann die Läden, in denen deine Modelle verkauft werden?“

Eigentlich sollte es sie nicht überraschen, dass Jordan so viel über sie wusste. Vivian war zwar nicht der Stammhalter, auf den die Familie gehofft hatte, doch sie war das einzige Enkelkind der Stewarts, und Willow hatte das Sorgerecht für sie. Natürlich behielten sie Vivian sogar von Jersey aus im Auge – und damit auch ihre Exschwiegertochter.

„Ich habe nur einen Laden in London, einen weiteren in New York und den gerade eröffneten hier auf Jersey“, erwiderte Willow. „Alle drei werden von kompetenten Geschäftsführerinnen geleitet. Wenn du mir vorwerfen willst, eine nachlässige Mutter zu sein, musst du es wohl noch einmal anders versuchen.“

Jordan zog die Augenbrauen hoch. „Mit einer Vierjährigen abends um neun in einem Restaurant zu sitzen und ihr Wein zu trinken zu geben ist deiner Meinung nach also nicht nachlässig?“

Sie hatte Vivian keinen Wein zu trinken gegeben, aber sie würde sich nicht rechtfertigen. Weder diesem Mann noch einem anderen Mitglied der Familie musste sie noch irgendetwas erklären. „Was stört dich am meisten?“, fragte sie spöttisch. „Der Wein oder die vorgerückte Stunde?“

„Beides!“, sagte Jordan scharf.

„Vivian benimmt sich nicht gerade wie ein Kind, das an fehlender Liebe und Zuwendung der Mutter leidet.“ Gereizt seufzend nahm Willow ihre Handtasche, stand auf und nickte dem Ober zu, der sie bedient hatte, dann verließ sie das Restaurant. Sie war groß und schlank und trug ein aquamarinblaues Kleid, das sie selbst entworfen hatte. Die Farbe passte wundervoll zu ihrem schulterlangen platinblonden Haar, das durch den betont schlichten Schnitt mehr Glanz und Volumen hatte als früher. Außerdem hatte sie mit der alten taillenlangen Frisur wie Alice im Wunderland ausgesehen, und dieser neue elegante Stil unterstrich, dass sie durch die Geburt ihrer Tochter zur Frau geworden war.

Willow hatte die breite geschwungene, mit dunkelrotem Teppich ausgelegte Treppe erreicht, als Jordan ihr Handgelenk umfasste. Sie drehte sich um, und da sie schon auf der zweiten Stufe stand, war sie auf gleicher Höhe mit ihm. Dadurch war die Wirkung seiner schönen braunen Augen noch verheerender, und Willow hielt den Atem an, denn zum ersten Mal seit langer Zeit erwachte wieder ihr Interesse an einem Mann.

Es versetzte sie in Panik, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte, und sie riss sich hastig los. „Ich habe mit Simone abgemacht, dass Vivian und ich sie und David morgen Nachmittag besuchen“, sagte Willow energisch. „Ich verstehe wirklich nicht, warum du heute Abend hierher gekommen bist.“ Es sei denn, er wollte mich einfach nur aus der Fassung bringen, dachte sie. Genau das hatte er nämlich getan!

Jordan schob die Hände in die Hosentaschen. „Simone und David haben mich gebeten, dich zu fragen, ob du nicht doch lieber bei ihnen wohnen willst. Schließlich ist ihr Haus nur eine halbe Meile entfernt.“

Nach der Scheidung von Russell im vergangenen Jahr hatte sich Willow mit Simone und David darauf geeinigt, dass die beiden ihre Enkeltochter so oft wie möglich sehen sollten, und diese Geschäftsreise war eine gute Gelegenheit für ein Treffen, ohne dass Vivians Leben allzu sehr durcheinander geriet. Als Willow vor drei Jahren aus dem Haus der Stewarts ausgezogen war, hatte sie sich jedoch geschworen, niemals wieder dort zu wohnen. Und sie würde diesen Schwur jetzt nicht brechen.

„Das Hotel ist bequemer …“

„Als eine Luxusvilla, in der du und Vivian eine Zimmerflucht ganz für euch allein hättet?“, spottete Jordan.

In dieser Luxusvilla hatte sie achtzehn Monate lang wie in einem Gefängnis gelebt, und ihr Wärter hatte sie häufig besucht! Dort zu wohnen würde bedeuten, Tag und Nacht von quälenden Erinnerungen verfolgt zu werden. „Wir haben hier im Hotel eine Suite.“ Willow trat beiseite und ließ eine Frau und einen Mann vorbei, die gerade aus dem Restaurant gekommen waren.

Jordan ärgerte sich sogar über diese kleine Störung. „Lass uns nach draußen gehen. Dort kann uns niemand belauschen“, sagte er kurz angebunden.

„Ich muss zu Vivian.“

„Ist Miss Gibbons nicht imstande, auf sie aufzupassen?“, fragte Jordan sarkastisch. „Ich dachte, dazu hättest du ein Kindermädchen eingestellt.“

Willow presste die Lippen zusammen. „Vivian wartet darauf, dass ich sie zudecke.“

„Na schön, dann hole ich mir einen Drink aus der Bar und gehe schon vor.“

Willow blickte nach draußen. An diesem späten Septemberabend war der Himmel mondhell und mit einer Million funkelnder Sterne geschmückt. Es war ein Abend für Liebende, wie gemacht für einen Strandspaziergang. Während sie hier gelebt hatte, war es oft so schön gewesen wie jetzt, aber sie war niemals mit Russell im Mondschein am Strand entlanggegangen, obwohl sie direkt an der weiten Sandbucht der bei Surfern und Schwimmern beliebten St. Brelade’s Bay gewohnt hatten.

„Wie du willst“, sagte sie kühl. „Es wird eine Weile dauern. Ich lese Vivian vor dem Schlafengehen immer eine Geschichte vor.“

„Übertreibst du die Rolle der hingebungsvollen Mutter nicht?“, fragte Jordan betont gelangweilt.

„Ich bin eine hingebungsvolle Mutter!“, erwiderte Willow scharf. „Vivian und ich freuen uns beide auf diesen Moment am Abend.“

„Es überrascht mich, dass eine viel beschäftigte Frau wie du die Zeit erübrigen kann.“

„Jordan …“

„Tut mir leid“, sagte er gespielt reumütig. „Bleib so lange bei Vivian, wie du willst. Ich warte draußen.“

Willow drehte sich wütend um und ging nach oben. Sie nahm ihm sehr übel, dass er angedeutet hatte, Vivian komme nicht an erster Stelle in ihrem Leben. Ja, sie arbeitete hart, das gab sie zu. Mit dem neuen Laden wollte sie reiche Einwohnerinnen und Urlauberinnen auf dieser bezaubernden kleinen Insel ansprechen, und der Umsatz war höher, als sie es jemals für möglich gehalten hätte. Vivian hatte jedoch unter dem Erfolg ihrer Mutter nicht zu leiden. Sie verbrachte jede freie Minute mit Vivian. Das stand offensichtlich nicht in den Berichten, die Jordan über sie erhielt. Sonst wüsste er, dass sie Charakter hatte und ihrer Tochter eine achtsame und liebevolle Mutter war, auch wenn sie mit dreiundzwanzig schon eine der erfolgreichsten Designerinnen Englands war. Aber Jordan kannte sie nicht wirklich und hatte keine Ahnung, was geschehen war.

„Geht es dir besser?“, fragte sie, als sie in die Suite kam.

Barbara nickte. „Viel besser. Jordan St. James?” Sie blickte Willow mitfühlend an.

Die Begegnung mit ihm hatte sie so mitgenommen, dass sie noch immer blass war. „Ja.“ Sie legte die Handtasche auf einen Tisch. „Ist Vivian im Bett?“

„Das schon, aber sie will unbedingt noch ihre Geschichte hören“, erwiderte Barbara. Sie war fünfunddreißig, ruhig und tüchtig und kümmerte sich seit drei Jahren um Vivian.

Willow lächelte. Ganz gleich, wie müde ihre Tochter war, sie würde wach bleiben, bis sie eine ihrer Lieblingsgeschichten gehört hatte, und es war zwecklos, die Geschichte abzukürzen, damit sie schneller einschlief. Vivian kannte alle Wort für Wort! Nicht, dass es Willow störte. Ihr waren diese ruhigen, friedlichen Minuten am Ende eines ereignisreichen Tages ebenso wichtig wie Vivian.

Sobald Willow ins Zimmer kam, setzte sich Vivian im Bett auf. Sie war klein für ihr Alter und machte einen zerbrechlichen Eindruck, der jedoch täuschte. Die Vierjährige ging ausgelassen und begeistert an das Leben heran, und ihre Augen funkelten immer vor Übermut.

Willow setzte sich auf die Bettkante, umarmte ihre Tochter und lachte, als ihr Vivian die Arme um den Nacken legte und sich an sie klammerte. Sie kitzelte sie, um wieder freizukommen, und Vivian ließ sie kichernd los. Es war ein Spiel, das sie jeden Abend spielten, und trotzdem hörten sie beide niemals auf, Spaß daran zu haben.

Vivian lehnte sich zurück. „Der Mann da unten …“

„Onkel Jordan“, warf Willow ein. Sie hatte keine Ahnung, was er davon halten würde, so genannt zu werden. In Wirklichkeit war er ja Vivians Cousin zweiten Grades.

„Ja. Kannte ich ihn, als ich noch ein Baby war?“

Vivian machte gerade eine Phase durch, in der es sie faszinierte, dass sie früher auch einmal so klein gewesen war wie die Babys in den Kinderwagen im Park nicht weit von ihrem Zuhause. „Nur ein bisschen“, erwiderte Willow. „Ich glaube, Onkel Jordan fühlt sich nicht so recht wohl mit Babys.“ Das war nett gesagt. Jordan hatte Vivian kaum beachtet, bis sie ein Jahr alt gewesen war und ihm über die Füße hatte trampeln können, um dahin zu kommen, wohin sie wollte!

„Jetzt mag er mich“, sagte Vivian nachdenklich. „Wohnt er bei Grandma und Granddad?“

Willow schüttelte den Kopf. „Onkel Jordan hat ein eigenes Haus in der Nähe von ihrem.“

„Aber …“

„Zeit für deine Geschichte“, unterbrach Willow ihre Tochter energisch. „Wir können morgen dann weiter über Onkel Jordan sprechen.“

Natürlich protestierte Vivian, doch sie beruhigte sich schnell, als Willow begann, ihr die Geschichte über einen ziemlich frechen Bären vorzulesen. Nach der ersten Hälfte des Kinderbuchs schlief Vivian ein. Da das so gut wie nie vorkam, fühlte sich Willow schuldig, weil sie ihre Tochter nicht früher ins Bett gebracht hatte. Allerdings hatte Vivian vor dem Abflug Mittagsschlaf gehalten, was auch ungewöhnlich war, und deshalb hatte sie ihr erlaubt, später aufzubleiben. Und war dafür scharf kritisiert worden! Aber Kritik von Russells Familie war nichts Neues.

„Glaubst du noch immer, dass es gut war, deinen dritten Laden hier auf Jersey zu eröffnen?“, fragte Barbara besorgt, als Willow ins Wohnzimmer zurückkehrte.

Sie verzog das Gesicht. Natürlich hatte sie zuerst an Paris gedacht, nach reiflicher Überlegung war sie jedoch zu der Überzeugung gekommen, dass der Standort zu naheliegend war, und die Machbarkeitsstudie über Jersey hatte vielversprechend geklungen. Sie hatte gedacht, es sei an der Zeit, sich von der Vergangenheit zu lösen, nur war ihr nicht klar gewesen, wie schwierig das sein würde! „Ich bin Geschäftsfrau“, sagte sie energisch. „Meine Entscheidung war richtig. Jersey ist ideal.”

„Das finden die Stewarts anscheinend auch“, erwiderte Barbara spitz.

Sie war Vivian und Willow eine gute Freundin und war gleich zu Anfang über Willows Beziehung zur reichen Familie Stewart informiert worden. „Dann muss ich sie eben eines Besseren belehren, stimmt’s?“ Willow nahm die Handtasche. „Ich brauche dich wohl nicht zu bitten, auf Vivian zu achten …“

„Nein.“ Barbara erwiderte Willows Lächeln. Die beiden waren sich völlig einig, was das Wohl des kleinen Mädchens betraf.

Vor dem Hotel blieb Willow stehen und betrachtete Jordan einen Moment lang. Er hatte sich nicht an einen der Tische gesetzt. Mit einem Glas in der Hand stand er an der Mauer, die den Vorplatz von der Straße und dem Strand abgrenzte. Im Mondlicht sah er sogar noch bedrohlicher aus, groß, dunkel und ungeheuer stark.

Als würde er ihren Blick spüren, drehte sich Jordan langsam um, und Willow ging sofort weiter. Sie wollte nicht dabei ertappt werden, wie sie ihn beobachtete.

„Auch?“, fragte er kurz angebunden.

Sie nahm stirnrunzelnd das Glas, das ihr die Serviererin brachte. Offensichtlich hatte Jordan ihr den Drink schon vorher bestellt. Wenn sie nach dem Abendessen noch etwas trank, dann meistens einen trockenen Martini, und sie war erstaunt, dass sich Jordan an eine so unbedeutende Kleinigkeit noch erinnerte. „Wie bitte?“

„Vivian hat dich im Restaurant gefragt, ob du auch krank seiest“, sagte Jordan grimmig. „Ist sie krank?“

„Barbara hatte vom Flug Kopfschmerzen bekommen. Ich habe es für das Beste gehalten, sie schlafen zu lassen, deshalb sind Vivian und ich zusammen zum Abendessen nach unten gegangen.“ Zu spät wurde Willow klar, dass sie ihm jetzt doch noch erklärte, warum Vivian so spät mit ihr im Restaurant gewesen war.

Jordan ahnte anscheinend, wie verärgert sie darüber war, sich vor ihm gerechtfertigt zu haben. „Geht es Barbara jetzt besser?“, fragte er spöttisch lächelnd.

„Viel besser. Worüber wolltest du sonst noch mit mir reden?“ Willow lag viel daran, dieses Gespräch so schnell wie möglich hinter sich zu haben.

„Über dasselbe Thema wie vorhin“, sagte Jordan scharf. „Ist dir eigentlich klar, in welche Verlegenheit du Simone und David bringst, indem du in einem Hotel wohnst?“

Willow erwiderte Jordans Blick herausfordernd. Sie hatte feine Gesichtszüge, große grüne Augen und einen aufreizend sinnlichen Mund. „Vivian ist ihre Enkeltochter, aber ich bin nicht mit ihnen verwandt. Und ich lasse Vivian nicht allein bei ihnen wohnen.“

„Du bist ihre Schwiegertochter!“

„Exschwiegertochter. Mich in ihrem Haus zu haben würde Simone und David bestimmt ebenso in Verlegenheit bringen! Sie haben mich niemals akzeptiert, und ich will Vivian und mir nicht zumuten, ‚Gast‘ bei ihnen zu sein!“

„Du hast ihnen niemals eine Chance gegeben …“

„Sie haben mir niemals eine gegeben! Wer war wohl verletzlicher? Die reichen Stewarts oder das junge Mädchen, das ihren Sohn geheiratet hat?“

„Simone war bestürzt darüber, wie schnell ihr geheiratet habt …“

„Ich auch! Aber je länger man wartet, desto deutlicher zeigt sich eine Schwangerschaft.“

Jordan presste die Lippen zusammen. „Du hast dir einen reichen Ehemann besorgt, stimmt’s?“

Die Anschuldigung raubte Willow den Atem. Oh ja, sie hatte den reichen Russell Stewart bekommen. Und sie war bei der Heirat in einem Londoner Standesamt im dritten Monat gewesen. Das hatten Simone und ihre versnobten Freunde sie niemals vergessen lassen. „Die Situation wird nicht weniger unangenehm, wenn wir zu Beleidigungen greifen“, sagte sie gespielt gelassen.

„Mir war nicht klar, dass ich dich beleidigt habe“, erwiderte Jordan. „Ich dachte, ich würde nur die Tatsachen anführen.“

Dieser Mann wusste immer genau, was er tat. Natürlich war ihm klar, dass er sie gerade beleidigt hatte. Es stimmte, dass die Schwangerschaft der Grund für die Heirat gewesen war. Aber Jordan irrte, wenn er glaubte, sie hätte Russell in die Ehe gelockt. Er hatte sie in einer Falle gefangen. „So, wie du sie kennst“, sagte sie ruhig.

„Wie sie sind“, widersprach Jordan scharf. „Russell ist völlig verzweifelt gewesen, als du ihn verlassen und Vivian mitgenommen hast. Die Scheidung hat ihm dann fast den Rest gegeben.“

Willow war sich der Gefühle Russells sehr wohl bewusst. Und ihrer eigenen. Sie war bei der Scheidung nur erleichtert gewesen. „Ich bin nicht nach Jersey gekommen, um über die Vergangenheit zu sprechen.“

„Warum bist du zurückgekommen?“

„Ich bin geschäftlich hier und habe Vivian mitgebracht, damit sie ihre Großeltern wiedersieht.“

„Wirst du Vivian begleiten, wenn sie Simone und David besucht?“

„Natürlich. Ist etwas dagegen einzuwenden?“

„Überhaupt nichts“, erwiderte Jordan sanft. „Wie lange bleibst du?“