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Alles hat angefangen mit dem Auffinden von alten Briefen und dem Eintauchen in Geschichten einer unbekannten Familie. Dann entdeckt Karin B. die Möglichkeit, via «simultane Fenster» in andere Zeiten zu reisen und doch im Jetzt zu sein. Unsinnig. Wirr. Doch sie bleibt unbeirrt und deckt zusammen mit Gustav Aans, einem Wiener Kommissar, den Mord an einem Freund auf. Die unbekannten Familienmitglieder werden zu Freundinnen und Freunden und legen ihre Geschichten offen. Manchmal berührend, manchmal unverständlich, immer jedoch mit viel Wärme und Freude am Leben. Nur eine Gestalt bleibt im Dunkeln. Und dann gibt es noch drei Namenlose, die ihre Vergangenheit suchen. Das alles ist drin, in der Fortsetzung rund um die Geschichten der Familie Baumgarten, die sich über Generationen auf die ganze Welt verteilt hat.
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Seitenzahl: 342
Veröffentlichungsjahr: 2020
© 2020 Karin Barz Dieterle
1. Auflage 2020
Illustration und Cover: Karin Barz Dieterle
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand, Norderstedt
Zur Geschichte:
Kommissar Gustav Aans aus Wien ist rekonvaleszent und besucht Karin B. in Winterthur.
Auch Mitglieder der Familie Baumgartner suchen die Winterthurerin auf und schon bald stolpern alle gemeinsam über neue Rätsel, alte Todesfälle und verquickte Verbrechen.
Wieder führen die Recherchen rund um den Globus.
Zur Autorin:
Karin Barz Dieterlewurde 1963 geboren. In ihrem Lebenslauf bezeichnet sie sich unter anderem als passionierte Geschichtensammlerin.
Sie lebt in Winterthur und arbeitet als kaufmännische Angestellte. Daneben schreibt sie Kurzgeschichten, Kolumnen und Reiseblogs (z. B. www.winnethur.ch).
Oft werde ich gefragt, wie man ein Buch schreibt. Ich kann dazu nur sagen, ich weiss es nicht. Ich kann aber erzählen, was mir beim Schreiben widerfährt.
Ein Beispiel: Mein Schwiegervater überreichte mir, nachdem er die ersten Seiten von Teil 1 gelesen hatte, einen Zettel. Darauf in Handschrift ein paar Zeilen: «Liebe Karin, hier ein kleiner Beitrag für Deinen Muschelsammelkasten.» und ein Gedicht. Er meinte, sich zu erinnern, dass der Text von Gottfried Keller sei und dass Brahms ihn vertont habe. Gemeinsam recherchierten wir im Internet und sein 95jähriges Gedächtnis hat ihn nicht im Stich gelassen. Wir fanden den vollständigen Text sowie die zusätzlichen Angaben: Opus 86 Nr. 1 (Therèse); Sechs Lieder für eine tiefere Stimme mit Begleitung des Pianoforte von Johannes Brahms, Entstehungszeit 1878, Text von Gottfried Keller. Die beiden berühmten Künstler lernten sich in Zürich kennen und schätzten sich gegenseitig sehr.
Mit einem Traum (s. Seite 177) danke ich meinem Schwiegervater für seinen Input – alles weitere überlasse ich meinen Figuren aus dem Roman, sie werden schon wissen, was sie wann und wo zu tun haben. Und wenn nicht dieses Mal, vielleicht in einem nächsten Buch.
Wiederum danke ich allen, die mich inspiriert haben, sei es mit Anekdoten aus ihrem Leben oder beim Abhören meiner Ideen.
Mitglieder der Familie Baumgartner
Peruanischer Zweig
Consuelo Ochorios, Enkelin von Konrad Baumgartner
Concha Árbol y Jardín, Urenkelin von Konrad Baumgartner
Österreichischer resp. italienischer Zweig
Silvia Oblonsky geb. Pichler, Tochter von Ruth Pichler geb. Baumgartner
Brigitte Curtoni, Enkelin von Silvia Oblonsky
Carla Curtoni, Brigittes Tochter
Maya Curtoni, Brigittes Tochter
Thomas Pichler, Enkel von Silvia Oblonsky
Deutscher Zweig
Michaela Hartl, Urenkelin von Liselotti Hartl geb. Baumgartner
Petra Hartl geb. Huber, Schwägerin von Michaela
Regina Green geb. Hartl, Urenkelin von Liselotti Hartl-Baumgartner
Wayne Green, Reginas Gatte
Jonathan Green, Reginas Sohn
Genfer Zweig
Luise Hellberg geb. Baumgartner
Magnus Hellberg, Luises Gatte
Albert Hellberg, Luises älterer Sohn
Konrad Hellberg, Luises jüngerer Sohn
US-Amerikanischer Zweig
Gun Johnson, Sohn von Margrit Johansson geb. Baumgartner
Albert Johnson, Enkel von Margrit und Sohn von Gun
ausserdem
weitere Baumgartners
Gustav Aans
Karin B.
Ihr Mann
Menschen aus aller Welt und aus Teil 1
Kommissar Gustav Aans und Susanne standen in der Albertina, diesem berühmten Museum von Wien.
Seit seinem Herzinfarkt hatte Gustav viel Zeit, die er gerne mit seiner Lebenspartnerin verbrachte. Das abgelaufene Jahr war voller Aufregungen gewesen.
Seit vor ein paar Jahren ein Mann in einem Gemälde, ganz in Schwarz gehalten, verschwunden war, ging es in seinem Leben drunter und drüber. Der Verschwundene, Jonas Altmann, ist der Spross eines weltberühmten Vaters, gleichwohl steht in seiner Geburtsurkunde «Vater unbekannt». Gustav Aans hatte den Auftrag, den Fall zu lösen, aber auf keinen Fall Details an die Öffentlichkeit durchsickern zu lassen.
Aber wie sollte eine Person, die der Spurenlage zufolge eindeutig in einem schwarzen Bild verschwunden war, gefunden werden? Und wer sollte dafür verantwortlich gemacht werden? War es ein Unfall gewesen? Lag allem ein Verbrechen zu Grunde? Jahrelang hatte der Kriminalist diesen Fall vor sich hergeschoben, bis er dann zwar eine Antwort gefunden hatte, aber im Prinzip noch immer keine schlüssige Lösung. So lag die Akte «Jonas Altmann» weiterhin bei den ungelösten Fällen.
Aber das interessierte Gustav nicht mehr. Zur Zeit war er krankgeschrieben und ihm war klar, er würde früher oder später seinen Beruf an den Nagel hängen. Er kam langsam in ein Alter, da ihm so verworrene Affären – Verbrechen war es ja keines – schlicht zu viel wurden.
Jetzt stand er also mit seiner Lebenspartnerin in dem Museum, in dem alles begonnen hat. Gerade bogen sie um die Ecke und betraten den Ausstellungsraum, in dem sich damals der Vorfall ereignet hatte.
«Du, Gustav, schau mal! Dieses schwarze Bild ist ja gar nicht von Fontana.» Ganz aufgeregt zeigte Susanne auf die Beschilderung neben besagtem Gemälde.
«Du hast recht. Wie konnte Karin das nicht bemerkt haben?»
«Na ja, dieses gelbe Bild hier gleich daneben, das mit den Schnitten darin, das ist ein Fontana.»
Gustav lachte los. Karin B. ist die Schweizerin, die ihn im Altmann-Fall unterstützt hatte. Irgendwann war sie gekommen und behauptete, sich via simultane Fenster an andere Orte transferieren zu können. Gustav hörte all ihre Erklärungen dazu noch genau. Sie faselte irgendetwas von Raumkonzepten und davon, dass Werke allein durch die Vorstellungskraft der Betrachter wirkten. Das wäre des Künstlers Intention. Während sie sich in diese Denkweise hineinversetzt hätte, sei es ihr gelungen, an einem anderen Ort zu sein. Und nun dies! Das schwarze Bild ist nicht von Lucio Fontana, womit seine Absicht auch gar nicht auf dieses Gemälde zu übertragen wäre.
«Wenn ich das Karin erzähle, geht sie in die Luft.»
Nun lachte auch Susanne: «Genau, und zwar wortwörtlich! Doch Spass beiseite. Egal, von wem dieses Gemälde hier ist, Karin konnte dank ihrer besonderen Fähigkeit simultane Fenster nutzen, was schliesslich dazu geführt hat, dass du im Altmann-Fall den Durchbruch geschafft hast.»
«Ja, zumindest aus meiner Sicht. Wir kennen die Lösung, nur gilt diese nicht offiziell, weil sie realistisch betrachtet, keine Lösung ist. Zum Schluss hat mir alles höchstens einen Herzinfarkt eingebracht.»
«Und bald schon deine Frühpension.»
Susanne brachte immer alles so schön pragmatisch auf den Punkt.
Gustav Aans spielte tatsächlich mit diesem Gedanken. Und probehalber besuchte er nun Museen, Märkte, Theater und Konzerte. Das machte zwar Spass. Zwar. Irgendwie konnte er sich doch nicht vorstellen, so ganz ohne Job zu sein. Er war Polizist mit Leib und Seele. Das Leben geniessen: Ja. Aber nicht mehr arbeiten? In diesem Punkt hegte er noch Zweifel.
Susanne fotografierte mit ihrem Handy die beiden Gemälde und die dazugehörenden Info-Schilder ab.
«Warum machst du das?»
«Ich werde sie Karin senden. Bin gespannt, was sie dazu meint.»
Ich leerte meinen Briefkasten. Das Übliche fand sich darin. Ein paar Rechnungen, Werbung und … eine Ansichtskarte. Wow. Ich staunte. Eine solche hatte ich seit der Verbreitung des Handys nicht mehr bekommen. Heute schreiben uns unsere Freunde per WhatsApp und schicken uns ihre Grüsse so. Oder noch rationeller, sie posten auf einer Social Media Seite, wo sie zur Zeit stecken und was sie gerade unternehmen.
Das gab mir Gelegenheit, direkt mitzureisen, Bilder zu liken und mit meinem Kommentar die Freude über den Besuch im Loch Ness, auf Mauritius oder in der Schweizer Bergwelt sofort kundzutun. Ich war stets auf dem Laufenden. Trotzdem freute ich mich immer auf das Wiedersehen danach und darauf, ein paar ergänzende Episoden persönlich zu hören.
Aber eine Ansichtskarte, ja, das hatte ich schon lange nicht mehr erhalten. Diese hier kam aus Carcassonne und stammte von meiner Schulfreundin Bärbeli. Ich betrachtete das Bild auf der Vorderseite. Es zeigte das alte Stadttor mit den dicken Mauern rund um das Städtchen im Süden Frankreichs in der Dunkelheit. Die Nachtaufnahme wirkte etwas grobkörnig, mutete irgendwie veraltet an. Wie kam Bärbeli dazu, mir diese Karte zu schreiben? Wir hatten seit der Schulzeit gar keinen Kontakt mehr. Bärbeli zog noch vor der vierten Klasse mit ihrer Familie weg in die Welschschweiz. Neuenburg, glaubte ich mich zu entsinnen. Und nun diese nostalgisch anmutende Karte mit dem damals üblichen Wortlaut: «Liebe Grüsse aus dem schönen Carcassonne. Die Sonne scheint jeden Tag.» Die Schrift wirkte sehr kindlich.
Ich hielt die Karte in der Hand und bemerkte die Adresse erst in diesem Augenblick. Es war diejenige meiner Eltern, von Hand korrigiert, wie die Post das macht, wenn sie einem eine Sendung nachschickt. In diesem Moment fühlte ich mich bemüssigt, den Stempel zu studieren. Er war leicht verschmiert, aber die Jahreszahl war deutlich zu lesen. 1973. 1973? Damals war ich zehn, Bärbeli wohnte noch in Winterthur.
Nun las ich das «PS». Ich erinnerte mich lächelnd daran, wie wir im Schulunterricht erfahren hatten, was das mit diesem «PS» auf sich hatte. Post Scriptum. Nicht Pferdestärke, wie die Jungs unserer Klasse vermuteten. Und einen «PS-Satz» in Briefen und auf Karten anzufügen, war dann bei uns gross in Mode.
Bärbeli schrieb also «PS: Ich wollte, du wärst auch hier. Mein Bruder ist seit zwei Stunden verschwunden und meine Eltern spinnen total.»
Nach und nach fiel mir alles wieder ein. Nach den grossen Sommerferien kam Bärbeli nicht mehr in unsere Klasse zurück. Die Familie zog nach Neuchâtel. So gesehen war diese Karte ein Abschiedsgruss.
Ich liess mir einen Kaffee heraus und setzte mich in den Garten. Diese alte Karte, die über 40 Jahre unterwegs war, lag vor mir. Ich erinnerte mich an einen Zeitungsbericht, in dem nachzulesen war, dass jemand eine Karte erhielt, die ewig gebraucht hatte, um den Empfänger zu erreichen. So etwas war früher noch eine Schlagzeile wert. Und nun widerfuhr mir eben solches. Bärbelis Karte musste irgendwo in Südfrankreich in eine Warteschlaufe gerutscht sein – zwischen weiss der Kuckuck was versteckt die Jahre überdauert haben, und irgendeine gute Seele entdeckte sie wieder. Und der Correctness entsprechend wurde mir der wieder aufgetauchte Feriengruss doch noch zugestellt. Ich schwankte zwischen Freude und Ärger. Freude über diesen Zufall und diese unerwartete Post aus alten Zeiten. Ärger über die verstrichene Zeit und die Chance, vielleicht mit Bärbeli in Kontakt geblieben zu sein, wenn mich ihre Zeilen anno dazumal erreicht hätten.
Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen. Ich kannte Carcassonne, war mit meinem Mann auch mal dort. Diese guterhaltene Stadt mit ihrem mittelalterlichen Ensemble gefiel uns ausnehmend gut. Unvermittelt sassen wir beide wieder auf diesem kleinen Platz im Zentrum des Städtchens und assen die Spezialität der Gegend: Cassoulet. Genauer gesagt, ich bestellte diesen währschaften Eintopf aus dicken, weissen Bohnen, Speck und Würstchen. Mein Mann mag Hülsenfrüchte nicht besonders. Er zog weniger Deftiges vor und orderte ein Fischgericht.
Ich öffnete die Augen und sass tatsächlich inmitten der alten Gemäuer. Um mich herum flanierten Menschen, deren Kleidung eindeutig in den 1970er Jahren modern waren. Mein Mann war nicht mehr da. Vor mir stand eine halbleere Keramikschale eben einer solchen Cassoulet. Ich hatte also hier gegessen. Oder war noch dabei. Ich realisierte, dass ich mich direkt von unserem Gartentisch nach Carcassonne versetzt hatte. Aufgrund des Poststempels datierte ich das Jahr 1973.
In diesem Moment rannte ein Mann vorüber, er rief: «Elmar, Elmar! Wo bist du?» Ihm folgten eine Frau und ein zehnjähriges Mädchen mit dunklem Haar und einer frechen Stupsnase. Bärbeli. Ich erkannte sie sofort wieder. Auch sie und ihre Mutter riefen nach diesem Elmar. Das musste der Bruder sein. Seit zwei Stunden verschwunden.
Seit ich die simultanen Fenster entdeckt hatte, konnte ich mich an andere Orte transferieren. Im vergangenen Jahr nutzte ich diese Fähigkeit, um Spuren zu suchen nach einer Grossfamilie, die sich im Laufe eines Jahrhunderts über die ganze Welt verteilt hatte. Vereinzelt hatte ich sogar Gespräche mit verstorbenen Mitgliedern geführt, die mir aus ihrem Leben erzählt hatten.
Aber ich war mir nicht bewusst, dass ich mich einfach so in ein anderes Jahr begeben konnte, lediglich aufgrund einiger Zeilen auf einer Ansichtskarte. Aber es machte den Anschein, als sei ich genau in den Zeitpunkt eingetaucht, in dem die Karte geschrieben worden war. Bärbeli erblickte mich, natürlich ohne mich zu erkennen. Ich war für sie eine fremde Frau. In der Hand hielt sie eine Ansichtskarte. Da entdeckte sie rechts neben mir einen Briefkasten an der Wand. Schnell warf sie die Karte ein und rannte ihrer Mutter und ihrem Vater hinterher.
Ich rief den Kellner herbei und wollte mein Essen bezahlen. Die Bedienung starrte die Euro-Note an und sagte: «Bedaure, Madame, aber dieses Geld akzeptieren wir nicht. In Frankreich bezahlt man mit Francs.» Oh, stimmt, ich befand mich ja im Jahr 1973. Und ich hatte demnach keinen einzigen Franc in meiner Tasche. Ich würde die Euros nicht mal auf der Bank wechseln können. Bis dieser als Währung eingeführt werden würde, da müssten noch ein paar Jährchen vergehen. Zum Glück hatte ich auch Schweizer Franken im Portemonnaie. Diese Währung hatte Bestand. Darauf vertraute ich. Ich machte mit dem Kellner aus, dass ich rasch auf die Bank zum Wechseln ginge. Als Pfand überliess ich ihm mein Handy, das er skeptisch anstarrte: «Ist das auch 50 Francs wert?» Knapp so viel machte meine Konsumation aus. Zum Glück war ich mal Bankangestellte und konnte mich noch erinnern, dass ich anno dazumal beim Franc einfach durch fünf teilte und so in etwa den Betrag in Franken eruieren konnte. Zehn Franken, ja, doch, das würde mein Handy schon Wert haben. Also nickte ich und ging rasch in die nächstgelegene Bank. Leider wurde aus meinem Wechselgeschäft nichts. Man kannte zwar den Schweizer Franken, aber nicht diese merkwürdigen Noten, die ich am Schalter vorlegte. 1973 sah das Schweizer Geld noch anders aus. Bevor man mich für eine Geldfälscherin hielt, packte ich meine Scheine zusammen und verzog mich wieder. Da sass ich aber schön in der Klemme. Ich brauchte doch mein Handy.
Noch während ich die Noten in meiner Handtasche verstaute, nahm ich einen Jungen wahr, der sich hinter einem alten, mit Blumen bepflanzten Holzfass versteckte. Um die Strassenecke hörte ich weitere «Elmar-wo-bist-du-Rufe». Der Junge zog den Kopf ein.
Ich ging auf ihn zu.
«Hallo, Elmar, was machst du hier?»
Verdutzt blickte mich der Knabe an.
«Weshalb versteckst du dich? Machst du das schon lange?»
«Ich bin vor ein paar Stunden weggelaufen. Ich will nicht mehr mit Mami und Papi nachhause», brach es aus ihm heraus.
«Willst du mit mir darüber reden?»
«Papi hat eine neue Stelle und muss nach Nööschatell. Und wir müssen mit. Aber ich will nicht weg von meinen Freunden und vom Kindergarten und überhaupt.»
Innerlich musste ich schmunzeln. Aha, das war also der verlorene Bruder, und die Eltern, die spinnen, waren lediglich Eltern, die umziehen wollten oder aus welchen Gründen auch immer mussten. Wenn ich Geld gehabt hätte (also Geld, das ich hätte nutzen können), hätte ich dem Kleinen ein Eis spendiert und ihn davon überzeugt, dass so ein Umzug zwar lästig sei und viele Veränderungen mit sich bringen würde, aber letzten Endes auch sein Gutes haben würde. So musste ich den Knirps ohne süsse Bestechung dazu bringen, sich seinen Eltern wieder zu zeigen. Ich erzählte ihm von einer Schulfreundin, die in der vierten Klasse mit ihren Eltern weggezogen sei und wie wir über Jahre Brieffreundinnen geblieben wären, den Kontakt nie verloren hätten. Das könne doch für ihn ein Ansporn sein, seine Freunde in der alten Heimat nicht aus den Augen zu verlieren. «Und wenn ich gross bin, gehe ich zurück.» – «Genau das wirst du tun. Und schau, dort kommt dein Vater. Gehst du zu ihm?» – «Nur, wenn du mitkommst!» Meine kleine Flunkerei erfüllte also ihren Zweck.
So brachte ich den kleinen Ausreisser zurück zu seinen Eltern. Die Mutter war mittlerweile auch erschienen. Sie schloss Elmar sofort in die Arme. Der Vater stotterte auf Französisch irgendetwas von Dank und nie vergessen und drückte mir eine 50-Franc-Note in die Hand. «Pour vous», «Für Sie».
Im Prinzip hatte ich keine Heldentat vollbracht, hatte den Jungen lediglich und völlig zufällig in seinem Versteck entdeckt. Normalerweise hätte ich dafür auch kein Geld angenommen. Nur diesmal brauchte ich genau diese 50 Francs dringend. Somit konnte ich mein Handy auslösen. Ich liess die wiedervereinte Familie also allein und ging zurück zum Restaurant, wo ich meine Schulden beglich und sogar das Rückgeld einsackte. Ich wollte noch ein paar Schritte in dieser wirklich malerischen Altstadt unternehmen und würde vor meiner Rückkehr in meinen Garten einen Espresso trinken. Dafür reichte das Geld gerade noch.
Ich schlenderte also durch die alten Gassen, atmete den Duft des Mittelalters ebenso ein wie die sanfte Brise, die durch die Gemäuer strich. Eine merkwürdige Stimmung breitete sich aus. Die Gebäude versetzten mich in eine längst vergangene Zeit und ich, als Mensch des 21. Jahrhunderts, war unterwegs im Jahr 1973 und gleichsam im Mittelalter. Ich fühlte mich wie in Trance und gleichzeitig völlig angespannt, war quasi eine hellwache Traumwandlerin.
Da entdeckte ich eine romantische Ecke mit ein paar Bistrotischchen. Perfekt, um meine letzten französischen Francs in einen Espresso zu investieren. Ich setzte mich hin und versuchte zu ergründen, was gerade vor sich ging.
Klar war mir, ich hatte mich wieder einmal via ein simultanes Fenster an einen anderen Ort begeben, aber diesmal nicht in der gleichen Zeit, sondern zurück ins Jahr 1973. Ich war eingetaucht in eine Ferienbegebenheit einer Familie, die ich nur am Rande kannte. Ausgelöst hatte dies eine Ansichtskarte, die über 40 Jahre lang unterwegs gewesen war. Was mir überhaupt nicht klar war, war, wie ich dies bewerkstelligt hatte. Es war mir einfach passiert. Während des Studierens einer Postkarte, die unversehens noch ihren Weg zur Empfängerin gefunden hatte. Diese lesend sass ich in unserem Garten und schloss die Augen. Sekundenbruchteile später war ich in Carcassonne.
Im 8. Jahrhundert war Carcassonne von den Sarazenen besetzt. Im Mittelalter entstand um diesen Hintergrund dann die Legende um den Stadtnamen.
Kaiser Karl der Grosse belagerte die Stadt, die damals von einer muselmanischen Prinzessin Namens Carcas beherrscht wurde. Die Bevölkerung hungerte. Die Vorräte erschöpften sich bis auf ein Schwein und ein paar Mass Weizen. Die schlaue Prinzessin setzte auf eine List und liess das Schwein mit dem letzten Weizen mästen, schickte dann das nunmehr fette Tier den Belagerern. Karl der Grosse schluckte den Köder und glaubte die Stadt noch mit reichlich Lebensmitteln versorgt. Eine weitere Belagerung erschien ihm Zeitverschwendung. Schon wollte er sich entfernen, da liess die edle Dame die Glocken läuten und machte dem Kaiser ein Friedensangebot.
Auf französisch übersetzt heisst läuten «sonne», die Dame hiess Carcas, daraus bildete sich – so schliesst die Legende – der Name «Carcassonne», «Carcas läutet».
Während meiner Espresso-Pause fiel mir diese Geschichte wieder ein. Just in diesem Augenblick schlugen die Kirchenglocken drei Mal. Ich blinzelte gegen die Sonne, wollte einen Blick erhaschen auf den Turm, von dem der Stundenschlag ertönte.
Als ich die Augen richtig öffnete, sass ich wieder in unserem Garten. Im Hier und Jetzt.
Schade, ich hätte gerne noch ein bisschen in Südfrankreich geweilt. Ich ärgerte mich, weil es mir nicht gelungen war, meine Zeitreise zu steuern. Meine Exkurse waren immer irgendwie von Zufall geprägt.
«Liebe Karin
Gestern war ich mit Gustav in der Albertina, wir wollten uns den schwarzen Fontana anschauen. Dabei machte ich die Entdeckung, dass der Fontana gar nicht von Fontana ist (s. angehängte Bilder).
Gustav geht es immer besser. Was meinst du, sollen wir euch mal in Winterthur besuchen? Die Wiener Museen haben wir bald alle durch und Winterthur soll ja auch den einen oder anderen Kunstschatz beherbergen.
Liebe Grüsse
Susanne»
Ich las die E-Mail von Susanne mindestens vier Mal durch und schaute mir die angehängten Bilder an. Verflixt. Das war mir tatsächlich entgangen. Das Bild, von dem ich mehrere Jahre glaubte, es stamme von einem Italiener namens Lucio Fontana, war von einem Amerikaner namens AD Reinhardt. Zum Glück sass ich allein im Garten, so dass ich diese Schmach unbeobachtet verdauen konnte.
Wer war dieser Mann, der mir mit seinem schwarzen Gemälde beinahe mein Weltbild zerstörte?
1913 kam Reinhardt in Buffalo zur Welt und galt als Vorläufer des Minimalismus in der Malerei. Das konnte ich bestens nachvollziehen. Zwar war das mir bekannte schwarze Bild gross, aber halt einfach schwarz, und somit nach meinem Verständnis maximal minimalistisch. «Nicht-gegenständlich, nicht-darstellend, nicht-figurativ, nicht-imagistisch, nicht-expressionistisch, nicht-subjektiv. Der einzige und eine Weg, zu sagen, was abstrakte Kunst ist, liegt darin zu sagen, was sie nicht ist.» Dieses Zitat von Reinhardt fand ich im Internet und es half mir genauso wenig weiter, wie damals, als ich versuchte, Lucio Fontana zu verstehen.
In den letzten Jahren vor Reinhardts Tod 1967 entstanden die sogenannten «Black Paintings». Ganz bewusst soll er die abstrakte Kunst an ihre Grenzen getrieben haben. Er verbannte die Farben, es blieb nur noch schwarz, zwar mit Schattierungen (hat Schwarz überhaupt Schatten?), aber eben halt doch farblos.
Egal, was Kunsttheoretiker über Reinhardt schreiben und sagen, ich kam zu einem einzigen Schluss: er stellte das schwarze Loch dar, worin sich ein Kunststudent so sehr hineinversetzen konnte, dass er sich schliesslich darin verlor.
Und meine persönlichen Ansichten zu diesem Gemälde, das ich in der Albertina Fontana zuordnete und mit dessen Intensionen verknüpfte, verhalfen mir zur Erkenntnis, mich via simultane an andere Orte versetzen zu können.
Seit meinem Erlebnis mit der Ansichtskarte war mir erneut bewusst geworden, dass ich in andere Zeiten eintauchen konnte. Nur, ich wusste nicht, wie ich das bewerkstelligte und was ich genau zu tun hatte. Ich wusste einfach, dass es mir passierte.
Und nun, nach Erhalt von Susannes E-Mail und dem Aufdecken meines Fauxpas‘, schien es mir an der Zeit, endlich herauszufinden, wie meine Fähigkeit konkret angelegt war. Hierbei konnte mir nur eine Person helfen. Concha.
Concha war die Nachfahrin eines Schweizers, Konrad Baumgartner, der in den 1920er Jahren nach Peru auswanderte und sich dort in eine Indígena verliebte. Auf den ersten Blick mutete es an, dass das geheime Wissen um das «Fensterln» (so nannte ich mittlerweile die Nutzung der simultanen Fenster) von Seiten dieser indianischen Priester- und Heilerdynastie stammte. Aber dieser Theorie widersprach die Tatsache, dass auch andere Nachfahren dieser Baumgartners über die Fähigkeit verfügten. Und natürlich ich. Und gemäss Concha noch mehr Menschen. Einzelne wussten um ihre Anlagen, andere nicht.
Ich überlegte, wie ich mit Concha Kontakt aufnehmen sollte. Ganz prosaisch mit Handy oder perE-Mail oder auf diese andere, für mich noch immer geheimnisvoll-unerklärliche Weise?
Zuerst aber beantwortete ich Susannes E-Mail:
«Kommt! Wir würden uns sehr freuen. Winterthur ist immer eine Reise wert.»
Da sass ich also in unserem Garten, hatte mir mittlerweile einen weiteren Kaffee aus der Küche geholt und betrachtete erneut die Ansichtskarte aus meiner Vergangenheit. Was half mir diese bei meinem Versuch, mit Concha Kontakt aufzunehmen? Nichts. Ich überlegte, was wohl passieren würde, wenn ich ins Jahr 1989 zurückginge nach Cusco in Peru, an jenen Ort, an dem Concha mich ihrer Aussage zufolge auserkoren hatte, ihr bei den Recherchen rund um die Baumgartner-Familie zu helfen. Wäre ich dann wieder jung oder würde ich als «Frau von heute» dort ankommen? Würde ich Concha erkennen? Sie wäre im Jahr 1989 eine junge Frau. Nach der Carcassonne-Erfahrung müsste das so sein. Aber ich kannte sie ja damals noch nicht. Ich müsste also mit der heutigen Concha in Verbindung treten. Und da ich keine Ahnung hatte, wo sie sich gerade aufhielt, musste ich das «Fensterln» lassen und die üblichen Kommunikationswege nutzen. Ich schrieb ihr eine WhatsApp-Nachricht.
Prompt kam die Antwort: «Würde dich auch gerne wieder treffen. Schaue in den nächsten Tagen bei dir vorbei.» Das war wiederum so eine typische Concha-Antwort. Sie bestimmte das Wann. Ich blieb in der Warteschlaufe. Es kam mir vor, wie mit der Nutzung der simultanen Fenster. Es passierte einfach und ich wusste weder konkret wie und warum.
Also wartete ich und beschloss, mich um meinen normalen Alltag zu kümmern. Ich sass im Garten und trank Kaffee. Dann trank ich Kaffee und sass im Garten. Ehrlich gesagt, wusste ich nicht, was ich mit mir anfangen sollte.
Etwa neun Monate lang hatte ich eine Mission gehabt. Ich wollte (und musste) Baumgartners finden, weil ich alte Briefe entdeckt hatte und weil sich während diverser Ferienreisen mit meinem Mann in unserer Nähe immer wieder tödlich verlaufende Unfälle ereignet hatten. Es stellte sich dann heraus, dass alle Opfer zu dieser Familie gehörten und ich als Zeugin die Unfälle bestätigen sollte. Briefe, Todesfälle und die Familiengeschichte der Baumgartners, die längst nicht mehr Baumgartner hiessen, alles hing zusammen. Es gelang mir mit Hilfe von Gustav Aans, diesem Kriminalkommissar aus Wien, nach und nach Spuren aufzudecken und Familienmitglieder zu finden. Ein Teil davon lernte sich im Sommer kennen und freute sich aufrichtig über diese Familienzusammenführung.
All diese Geschehnisse aufzudecken und die rätselhaften Zusammenhänge zu einem Bild zusammenzufügen, füllten mich aus. Mit dem grossen Familienfest schloss sich aber diese Aufgabe. Was sollte ich nun tun? Mir kribbelte es unter der Haut, ich fühlte mich unausgeglichen. Mir fehlte ein Ziel. Mein Drang, Rätsel zu lösen, wurde nicht befriedigt. Wieder in einem Büro zu arbeiten, konnte ich mir nicht mehr vorstellen. Ich brauchte eine neue Herausforderung. Nicht einfach einen 0-8-15-Job. Schon gar nicht einfach Kaffee-Trinken und abwarten. Bis Concha auftauchte oder der Besuch von Susanne und Gustav erfolgte. Ich langweilte mich so vor mich hin und überlegte, was ich tun könnte. Ich kam mir vor, wie ein Raubtier in einem Käfig. «Mir ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt.» Wie Rilkes Panther schleppte ich mich durch meine eigene, innere Welt. Aber ich wollte nicht gefangen sein.
Die Ansichtskarte aus Carcassonne lag noch immer da. Dank ihr war ich kurz im Jahr 1973 und half Bärbelis Eltern, den widerspenstigen Bruder zu finden. Wenigstens etwas.
Es ist nicht das Finden, es ist das Suchen, das reizt. Also beschloss ich, einen bewussten Versuch mit diesem geheimnisvollen Abtauchen in die simultanen Fenster zu wagen.
Wo hatte ich nur all die Ansichtskarten aufgehoben, die mich bisher erreicht hatten? Das waren nicht wenige und zumindest einen Teil davon hatte ich irgendwo aufbewahrt. Ich durchsuchte unseren Estrich und fand tatsächlich eine Bananenschachtel voll mit alten Papieren: Schulhefte, Zeugnisse, ein paar Briefe und ein paar Ansichtskarten aus aller Herren Länder und zum Teil fast 50 Jahre alt. Unter den Briefen fanden sich solche aus Griechenland, Ghana und Trinidad. Meine Brieffreundinnen waren über die ganze Welt zerstreut. In einem Umschlag fand ich verblasste Fotos des Karnevals von Trinidad. Diese schickte mir Mary. Ein Besuch jenes Karnevals, reizte der mich? Ich schloss die Augen, versuchte mich in die späten 1970er Jahre hineinzudenken. Nichts geschah. Als ich die Augen öffnete, lag das Foto noch immer auf dem Tisch und das darauf abgebildete Sujet – es war ironischerweise ein Totenkopf – schien mich hämisch anzugrinsen. Es war mir nicht gelungen, via simultanes Fenster in die Karibik einzutauchen.
Mein Handy surrte. Concha hatte geschrieben. «Es funktioniert nur, wenn du mit dem Herzen dabei bist.»
Concha, die Muschel – manchmal war sie offen, manchmal verschlossen, immer aber wirkte diese Frau auf mich geheimnisvoll unheimlich. Oder unheimlich geheimnisvoll. Im Moment war sie mir unheimlich. Wieso wusste sie um meinen vergeblichen Versuch, nach Trinidad zu gelangen? Und – das machte mir beinahe Angst – sie hatte Recht. Ich war mit dem Herzen nicht dabei, konnte keinen Bezug zu Trinidad herstellen.
Auch wenn Concha mich in die Warteschlaufe geklickt hatte, war sie anscheinend doch da. War das tröstlich oder bedrohlich? Ich konnte mir das nur so erklären, dass auch sie gerade simultan unterwegs war und mich bei meinem Versuch gespürt haben musste. Ich hoffte inständig, dass sie nicht aus der Ferne in meine Gedanken würde eindringen können wie Lord Voldemort bei Harry Potter im Film «Der Orden des Phönix». Nicht mal der Held unter den Zauberlehrlingen war fähig, Abwehr gegen das Gedankenlesen korrekt anzuwenden und sich umfassend vor dem Eindringen in seine Gedanken zu schützen.
So sass ich also noch immer im Garten und fühlte mich leer. Ich brauchte dringend eine neue Herausforderung. Oder eine zündende Idee, was ich mit mir anfangen könnte. Wie entspannt waren doch die Zeiten, als ich davon träumte, einfach «nur» einen Roman zu schreiben. Dann entdeckte ich diese Familiengeschichte und das «normale Leben» schien plötzlich reizlos. Ich sass vor dem geöffneten Laptop und versuchte – das war mir früher leichtgefallen – zumindest eine Kurzgeschichte zu schreiben. Aber mir fiel absolut nichts ein. Der Bildschirm mit dem Word-Dokument blieb weiss. Ich tippte ein paar Wörter – nichtssagend. Also löschte ich sie wieder. Wagte einen erneuten Versuch. Nichts als Blödsinn. Test, Test, Test. Mehr fiel mir nicht ein. Rein gar nichts.
Die Bananenschachtel stand am Boden, dutzende Briefe lagen darum verstreut. Darunter war einer von einer Schulfreundin, die ein Austauschjahr in Neuseeland verbrachte. Damals war ich gerade 16. Ich weiss noch, wie ich dachte, dass ich auch gerne nach Neuseeland reisen würde. Bis heute war ich nie dort. In den frühen 2000er Jahre wurde die Herr-der-Ringe-Trilogie von John Ronald Reuel Tolkien verfilmt. In Neuseeland. Wunderschöne Landschaften dienten als Kulisse. Warum nicht dort eintauchen? Neuseeland schien wirklich eine Reise wert. Aber was sagte mein Herz? Concha zufolge musste das ja dabei sein, wenn man «fensterln» will. Zuerst sollte ich wohl mal nachlesen, was Sandra mir damals geschrieben hatte.
«Liebe Karin
Ich bin nun schon einen Monat hier in Christchurch. Neuseeland ist super. Meine Gastfamilie sehr nett. Der Sohn, Seamus, spielt Rugby. Ein merkwürdiger Sport. Ich verstehe den überhaupt nicht. Würde eigentlich lieber ein Fussballspiel sehen, aber das interessiert hier kaum jemanden. Rugby ist hier fast so etwas wie der Nationalsport. Das Nationalteam nennt sich «All Blacks», weil es ganz in schwarz gekleidet spielt. Interessant finde ich, dass in diesem Team viele Maoris spielen. Das sind die Ureinwohner Neuseelands und im Rugby werden sie wegen ihrer physischen Fähigkeiten sehr geschätzt. In diesem Sport findet eine wirkliche Integration statt, während ich in vielen anderen Bereichen sehr wohl wahrnehme, dass die Farbigen hauptsächlich am Rand der Gesellschaft leben. Besonders spannend finde ich auch, dass vor einem Spiel – wegen der Rugby-Besessenheit meiner Gastfamilie habe ich schon mal ein Match im Stadion mitverfolgt – ein Tanz aufgeführt wird. Seamus hat mir erklärt, dass dieser «Haka» heisse und von den Maoris stamme. Damit beschwöre die Mannschaft Energie herauf. Vor allem beim Nationalteam, eben den «All Blacks», sei dies sehr wichtig, gelten die Neuseeländer doch als beste Rugby-Mannschaft der Welt.
In der Schule, die ich hier besuche, gibt es eine grosse Bibliothek, wo alle jeweils ihre Hausarbeiten erledigen. Dort habe ich über dieses Haka nach Literatur gesucht. Wirklich eine interessante Sache. Zuerst dachte ich, es sei ein Volkstanz, aber soweit ich das verstanden habe, ist es vielmehr ein Ritual – je nach Situation angewendet: Mal als Mutmacher im Krieg (diese Tänze werden dann mit Waffen getanzt und soll dem Gegner Angst einjagen; ich stelle mir aber vor, der Gegner macht denselben Tanz und so werden die Spiesse wieder gleich lang), mal dient er als Zeremonialtanz und wird mit allen Körperteilen dargestellt. Hände, Arme, Beine, Füsse, selbst Kopf und gar Zunge werden eingesetzt und drücken durch ihre Bewegungen die unterschiedlichsten Gefühle aus.
Einer Sage zufolge geht die Entstehung auf das Sommermädchen Hine-Raumati zurück, die an einem heissen Tag in der Luft erschienen sei. Hine-Raumati sei eine der beiden Frauen des Sonnengottes, ihre Schwester, das Wintermädchen sei die andere Frau. Jede lebe während ‚ihres‘ Halbjahres mit dem Sonnengott zusammen.
Du siehst, ich lerne hier viel über meine derzeitige Heimat. Ich finde das eine spannende Ergänzung zum Schulstoff und natürlich dem Englischen, das ich doch schon recht gut beherrsche.
Zuerst war ich ja enttäuscht, dass ich nicht nach Amerika konnte für dieses Austauschjahr, aber mittlerweile finde ich Neuseeland eine wirklich gute Sache. Auch ohne Indianer. Liest du noch immer Karl-May-Bücher? Überhaupt, schreibe mir bald zurück und erzähle, wie es in «good old Switzerland» so läuft. Gefällt dir deine Lehre? Hast du noch Kontakt zu anderen aus unserer Klasse?
Bin gespannt auf deine Antwort.
Best regards and a big hug, Sandra»
Ach ja, es fiel mir wieder ein. Sandra war meine liebste Freundin, wenn es um das Lesen von Karl May Büchern ging. Stundenlang quatschten wir beide über die Abenteuer im Wilden Westen und im Orient. Wir planten sogar, unsere erste Reise nach Amerika gemeinsam zu unternehmen. Daraus wurde nie etwas. Wann und warum verloren wir uns überhaupt aus den Augen?
Ich suchte nach weiteren Briefen aus Neuseeland. Was ich fand, war eine Ansichtskarte mit einer spektakulären Berglandschaft. Sandra schrieb darauf, dass sie mit der Schule einen Ausflug dorthin unternehmen würde und dass sie sich darauf freue.
Mehr fand ich nicht. Ich begann zu grübeln. Schrieb sie wirklich nur diesen einen Brief? Eigentlich fast nicht vorstellbar, wir waren wirklich eng befreundet.
Ich schloss meine Augen, sah Sandra deutlich vor mir. Sie sass … in einer mir unbekannten Bibliothek, ich sah Schülerinnen und Schüler, alle in einer Schuluniform, wie das an angelsächsischen Schulen üblich ist. Die Jugendlichen tuschelten und lachten leise. Um Sandra herum hatte sich ein Kreis gebildet. Alle klopften ihr anerkennend auf die Schultern. Was war geschehen?
Eines der Mädchen kam direkt in meine Richtung – ich konstatierte, dass ich tatsächlich in dieser Schulbibliothek in Christchurch gelandet war. Es schaute mich völlig überrascht an und fragte, was ich hier suche. Darauf war ich nicht vorbereitet. Ich stammelte in unsicherem Englisch, ich sei eine Besucherin aus der Schweiz und wolle die Schule für meine Tochter anschauen, die ein Austauschjahr plane. «Ah, das trifft sich gut. Wir haben grad eine Schweizerin hier. Wollen Sie Sandra befragen? Sie kann Ihnen sicher bestens Auskunft geben.» Und schon rief das Mädchen Sandra herbei.
Ach du grüne Neune, worauf hatte ich mich hier wieder eingelassen. Ich müsste das mit der Nutzung der simultanen Fenster endlich besser beherrschen lernen.
Sandra steuerte auch schon auf mich zu und sprach mich auf Schweizerdeutsch an. «Grüezi. Frances hat mir erzählt, Sie wollen eventuell Ihre Tochter auf diese Schule schicken. Das kann ich nur empfehlen. Ich fühle mich wirklich wohl und die Mitschülerinnen und Mitschüler nehmen einen herzlich auf.» Sie zeigte auf die Gruppe Mädels und Jungs, die sie zuvor umringt hatte. Sie winkten mir fröhlich zu. Sandra lachte: «Sehen Sie, sie freuen sich für mich. Ich habe einen Aufsatz über die Antarktis geschrieben und der ist mir so gut gelungen, dass ich an einem Rundflug teilnehmen kann. Am 28. November startet ein Sightseeing-Flug über die Antarktis begleitet von Experten. Und ich darf mitfliegen.» Ich gratulierte Sandra und dankte für ihren kurzen Input. Gerne würde ich meiner Tochter von der Schule hier erzählen. Es mache alles einen guten Eindruck auf mich. Schon wollte ich mich entfernen, als Sandra mich nochmals aufhielt. «Sie kommen mir irgendwie bekannt vor. Kommen Sie aus Winterthur?» – «Nein, gar nicht. Ich bin aus …» Bern wollte ich gerade sagen, aber mein Dialekt liess diese Lüge auf kurzen Beinen stehen, Basel ginge ebenso wenig, also «… Zürich. Ich wüsste nicht, wo wir uns schon mal begegnet sein könnten.» Das tönte schrecklich arrogant, ich konnte es aber nicht ändern. Beim Weggehen spürte ich noch lange Sandras forschenden Blick auf mir. Ich drehte mich nochmals um und hoffte, dass mein liebevolles Winken meinen abrupten Abgang etwas entschärfen möge.
Da hatte ich also meine Schulfreundin Sandra nochmals gesehen. Ich wusste allerdings noch immer nicht, warum der Kontakt abgebrochen war. Was geschah nach dem 28. November? Warum sollte ich gerade diese Information erhalten? Ich verliess also die Bibliothek und überlegte, wie ich zurück in die Gegenwart transferieren konnte, als die Schuluhr drei Uhr schlug. Unwillkürlich wendete ich meinen Kopf gegen den kleinen Glockenturm und blinzelte gegen die Sonne.
Als ich die Augen wieder richtig öffnen konnte, sass ich in unserem Wohnzimmer, noch immer Sandras Kartengruss in den Händen. Dieser stammte vom September 1979, zwei Monate später hatte sie an diesem Rundflug teilgenommen. Das war ja eine grandiose Ausbeute. Da mir nichts anderes einfiel, gab ich das Datum zusammen mit den Suchwörtern «Neuseeland» und «Antarktis» in die Suchmaschine ein. Der Treffer erschütterte mich. «Touristenflugzeug zerschellt in der Antarktis». Sofort klickte ich ein paar der Links an und es war Tatsache. Der Flug Air New Zealand 901 stürzte ab und alle 57 Insassen kamen dabei ums Leben.
Sandra musste unter den Opfern gewesen sein und ich hatte das all die Jahre über nicht gewusst. Ich dachte immer, sie hätte mich einfach vergessen.
Traurig klappte ich mein Laptop zu.
Um mich auf andere Gedanken zu bringen, las ich die Aufzeichnungen durch, die zu notieren ich vor gut einem Jahr begonnen hatte. Auch bei der weitverzweigten Familie der Baumgartners kam es immer wieder zu traurigen Unfällen. Aber ich hatte auch Geschichten aufgedeckt, die mich fröhlich stimmten. Ich dachte spontan an Luise, das Verdingkind. Sie verschlug es als Erwachsene nach Genf, wo sie einen kleinen Bücherladen eröffnete und sich damit ihren Lebenstraum erfüllte.
1933 kam Luise Baumgartner nach Genf. Zuerst arbeitete sie als Kindermädchen für eine Anwaltsfamilie aus der Deutschschweiz und lernte an der Abendschule Französisch. In dieser Zeit lernte sie Magnus Hellberg, ihren späteren Gatten, kennen. Er war es auch, der sie immer darin bestärkte, sich ihren Traum von einem kleinen Bücherladen zu verwirklichen.
Wir schreiben das Jahr 1938.
Luise stand vor ihrem Laden. Stolz betrachtete sie ihre beiden Schaufenster.
Links war das kleinere der zwei, dasjenige für die Erwachsenen. Eine stark bespielte Holzlokomotive mit ein paar reichlich ramponierten Wagons stand darin. Aus zusammengeknülltem Papier hatte sie eine Schneelandschaft gestaltet, eine grössere Papierkugel stoppte den Zug. Das war eine Anspielung auf den Inhalt des seit ein paar Jahren populären «Murder on the Orient Express» mit dem schrulligen Hercule Poirot. Agatha Christie schilderte darin den Mord an einem Amerikaner in dem berühmten Zug von Istanbul nach Calais, der irgendwo im Balkan in einer Schneeverwehung steckenblieb. Der belgische Detektiv musste all seine kleinen, grauen Zellen bemühen, um den komplexen Fall zu lösen.
Luise faszinierte diese Geschichte, auch wenn sie der wahre Hintergrund – die Entführung und nachfolgende Ermordung des knapp zwei Jahre alten Sohnes des Flugpioniers Charles Lindbergh – traurig stimmte. Liebevoll strich sie über ihren Bauch. Unter ihrem Mantel verbarg sich ein kleines Babybäuchlein. Magnus und sie konnten es kaum erwarten, bis in rund fünf Monaten ihr erstes Kind zur Welt kommen würde.
Der Kriminalroman von Agatha Christie stand in Englisch und auf Deutsch – hier lautete der Titel «Die Frau im Kimono» – in der papierenen Winterlandschaft. Daneben hatte sie ein eben erst erschienenes Buch von Erich Kästner drapiert.
Erich Kästner war im Deutschen Reich seit 1933 verboten, seine Bücher wurden im selben Jahr von den Nazis den Flammen übergeben. Bei diesem Gedanken erschauerte Luise. Dieses neue Buch mit dem Titel «Georg und die Zwischenfälle» wurde von einem Schweizer Verlag herausgegeben. Für Luise war es Ehrensache, diesen Titel zu vertreiben. Das politische Geschehen in Deutschland verfolgte sie mit grosser Besorgnis. Die ungewöhnliche Liebesgeschichte des Titelhelden Georg aber berührte sie. Sein tägliches Pendeln mit dem Zug von Bad Reichenhall nach Salzburg las sich herrlich leicht in dieser düsteren Zeit, und das nicht ohne ein ironisches Augenzwinkern über das Weltgeschehen vermissen zu lassen.
In einem Punkt allerdings hatten die politischen Ereignisse den Buchinhalt überholt. Während im Buch Georg wegen der Deviseneinfuhrregelung zwischen dem Deutschen Reich und Österreich gezwungen war, auf der deutschen Seite zu nächtigen und als Tagesausflügler auf die andere Seite der Grenze zum Besuch der berühmten Festspiele zu pendeln, war dies aktuell hinfällig. Im März 1938 war es zum Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich gekommen.
Egal, was die Tagespolitik auch brachte, Luise mochte Erich Kästner und seine Bücher und verkaufte sie in ihrem «Book Corner».
Das grosse Schaufenster rechts der Eingangstüre gehörte ihrem Hauptgeschäftsfeld, den Kinderbüchern aus aller Welt. Auch hier hatte sie sich neben anderem für die unverwüstlichen Werke Kästners entschieden. «Emil und die Detektive» begeisterte seit bald zehn Jahren nicht nur Kinder. Die Schneebälle in Form von Papierkugeln hatte sie auch in diesem Fenster eingefügt, passten sie doch bestens zu Kästners zweitem grossen Wurf, dem «Fliegenden Klassenzimmer», in dem eine legendäre Schneeballschlacht zwischen den Internatsschülern und den «Externen», also denen, die in der Stadt wohnten, ausgetragen wurde.
Im Zentrum der Dekoration aber stand das aufgeschlagene Geschichtenbuch, das sie einst von ihrem Müetti geschenkt bekommen hatte. Diesmal zeigte das nostalgisch wirkende Bild einen Winterwald mit herzigen Tieren. Ein Eichhörnchen hockte an einer Nuss knabbernd im Vordergrund, ein Schneerutsch vom Ast einer Tanne hatte dem putzigen Tierchen eine weisse Mütze verpasst. Dazu passend hatte Luise ein paar Stofftiere zwischen die Bücher platziert und Nüsse, Eicheln und Tannzapfen verstreut. Gleich wollte sie in den Laden treten und die Kerze in der ebenfalls aufgestellten Laterne anzünden. Das flackernde Licht sollte in der anstehenden Winterzeit Licht und Wärme ausstrahlen und hoffentlich viele Kinderherzen erfreuen und Eltern und Kindermädchen zum Eintreten bewegen.
Seit sie vor zwei Jahren ihren «Book Corner» eröffnet hatte, setzte Luise hauptsächlich auf Kinder- und Jugendbücher sowie auf Bilderbücher aus aller Welt. Ihr Angebot hatte sich unter der internationalen Einwohnerschaft von Genf bald herumgesprochen und das Geschäft lief von Anfang an erfreulich. Vor allem zu den Kindermädchen hatte sie einen guten Draht und konnte dank ihrer eigenen Erfahrungen mit Rat und vielen wertvollen Tipps den jungen Frauen nicht nur Bücher verkaufen, sondern ihnen auch Geschichten mit auf den Weg geben. Seit ein paar Monaten betrieb Luise eine Kaffee-Ecke, die sich rasch zu einem lebendigen Treffpunkt entwickelt hatte. Sie liebte es, wenn ein Deutschschweizer Au-Pair-Mädchen in noch unsicherem Französisch mit einer amerikanischen oder englischen Nanny Erfahrungen austauschte.
«Ja, die beiden Schaufenster sind mir gut gelungen», befand Luise und wollte die Ladentüre aufschliessen. Dabei stellte sie fest, dass diese einen Spalt breit geöffnet war. Stirnrunzelnd betrat sie das Ladenlokal. Hatte sie vergessen abzuschliessen? Unwillkürlich stoppte sie ihre Schritte. War gar eingebrochen worden? Womöglich war der Einbrecher noch hier! Sie horchte in die Stille des dunklen Raumes. Nichts war zu hören als ihr eigenes Atmen, also betätigte sie den Lichtschalter und blickte herum. Alles sah so aus, wie sie das Geschäft gestern verlassen hatte. Die Kasse war verschlossen, eine unausgepackte Kiste stand noch immer auf der Verkaufstheke. Nach Einbruch wirkte das also nicht. Hätte dem Dieb auch nicht viel gebracht, da sie jeden Abend die Einnahmen zur Bank brachte, so dass nur wenig Wechselgeld im Laden blieb. «Du hast sicher einfach das Abschliessen vergessen und ein Windstoss hat die Türe aufgedrückt.», machte sie sich selbst Mut und schritt auf den kleinen Raum im Hintergrund zu, in dem sie ihr Büro eingerichtet hatte und das ihr auch als Garderobe diente. Sie hängte den Mantel auf und begab sich wieder in den Verkaufsraum, wo sie nun noch die Kiste auspacken wollte. «Heidis Lehr- und Wanderjahre» und «Heidi kann brauchen, was es gelernt hat». Aus Erfahrung wusste sie, dass die Heidi-Bücher von Johanna Spyri in der kommenden Weihnachtszeit besonders gefragt sein würden. Die Geschichte des Schweizer Bergkindes war seit Jahren weltweit beliebt und wurde gerne als Geschenk überall hin verschickt. Dieses Jahr, so hatte sie beschlossen, wollte sie zusätzlich einen Versandservice anbieten – und die Heidi-Bücher, die sie in rund zehn Übersetzungen anbot, würden sich sicher wiederum gut verkaufen.
Luise trat hinter den Verkaufstisch und erstarrte. Da lag eine junge Frau am Boden, getrocknetes Blut klebte an einer Kopfwunde und hatte auf dem dunklen Holzboden einen noch dunkleren, grossen Fleck hinterlassen. Während ihrer Zeit bei den Doktors in Zürich hatte sie Erste Hilfe gelernt, sie wusste auch, wie man den Puls fühlte. Also kniete sie sich nieder und tastete nach einem Lebenszeichen. Aber sie spürte nichts, blickte in die leblosen Augen einer jungen Frau. Luise erkannte sie, es war Annuschka, das Kindermädchen einer russischen Migrantenfamilie.
Schwer atmend setzte Luise sich hin. Das war nun doch etwas viel am frühen Morgen. Eine Leiche in ihrem Laden. All die gelesenen Kriminalromane geisterten durch ihren Kopf, was ihr aber nicht weiterhalf. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte.
«Lilla Lou, bist du da?»
Luise atmete erleichtert durch. Magnus war unverhofft aufgetaucht. Wie meist rief er sie mit ihrem Kosenamen «Lilla Lou», kleine Luise.
«Hier bin ich, im Hinterzimmer.»
«Ich bringe dir dein Essen, du hast es auf dem Küchentisch stehen lassen. Es stimmt schon, was man über Schwangere sagt, du bist wirklich ein bisschen zerstreut in letzter Zeit.»
«Magnus, komm rasch nach hinten.»
Magnus war sofort alarmiert, Luises Stimme tönte wie die eines verletzten Hündchens.
«Was ist geschehen?» Magnus eilte in das kleine Büro seiner Frau. Dort sass sie aufrecht und völlig erstarrt auf dem Stuhl. Verstört blickte sie ihm entgegen.
«Lilla, was ist passiert?»
