Glücklich gestrandet - Katie Fforde - E-Book

Glücklich gestrandet E-Book

Katie Fforde

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Beschreibung

Als Dora nach ihrer geplatzten Hochzeit moralischen Beistand bei ihrer Freundin Jo sucht, die auf einem Hausboot lebt, ist der Traum vom großen Glück erst mal ausgeträumt. Doch das turbulente Leben auf dem Wasser zieht Dora schnell in seinen Bann. Und noch ehe sie weiß, wie sie am besten ihre Netze auswirft, scheint ihr bereits jemand zuvorgekommen zu sein ...

Eine heitere Liebesgeschichte mit viel Charme und Humor von Bestsellerautorin Katie Fforde.

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EPUB

Seitenzahl: 591

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmungDanksagungKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28

Über dieses Buch

Als Dora nach ihrer geplatzten Hochzeit moralischen Beistand bei ihrer Freundin Jo sucht, die auf einem Hausboot lebt, ist der Traum vom großen Glück erst mal ausgeträumt. Doch das turbulente Leben auf dem Wasser zieht Dora schnell in seinen Bann. Und noch ehe sie weiß, wie sie am besten ihre Netze auswirft, scheint ihr bereits jemand zuvorgekommen zu sein …

Über die Autorin

Katie Fforde wurde in Wimbledon geboren, wo sie ihre Kindheit verbrachte. Heute lebt sie mit ihrem Mann, drei Kindern und verschiedenen Katzen und Hunden in einem idyllisch gelegenen Landhaus in Gloucestershire, England. Erst vor wenigen Jahren begann sie mit dem Schreiben romantischer, heiterer Gesellschaftskomödien, die stets sofort die englischen Bestsellerlisten eroberten.

Katie Fforde

Glücklich gestrandet

Aus dem Englischen von Michaela Link

beHEARTBEAT

Digitale Neuausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2007 by Katie Fforde

Titel der englischen Originalausgabe: »Going Dutch«

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2010/2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Umschlaggestaltung: Kirstin Osenau unter Verwendung von Motiven © shutterstock: Kozhadub Sergei; © iStock: Akabei

eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-4823-1

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Für Desmond, ohne den dieses Buch

wirklich nicht möglich gewesen wäre.

In Liebe, wie immer.

Danksagung

Ich danke der DBA, der Barge Association, für die Rallye und anderes im Zusammenhang mit Binnenmotorschiffen, einschließlich eines freundlichen Herrn namens Alan, dem ich den Titel dieses Buches verdanke.

Dank auch an Jonathan Early für die Einführung in die Technik der Blattvergoldung, die wirklich magisch war; an B J Wood & Sons, eine außergewöhnliche Bootswerft; an Harriet Jones für vieles, unter anderem ihre rosafarbene Maschine; und nicht zu vergessen an unsere eigene, geliebte Accacia, die zumindest in meinen Augen hier die Hauptrolle spielt.

Ein Dankeschön dem wunderbaren Team bei Random House mit Kate Elton und Georgina Hawtrey-Woore, der Grafikabteilung, dem ebenso ideenreichen wie kühnen Vertrieb und der wunderbaren Charlotte Bush, die sich durch brillante Ideen und einen erstklassigen Geschmack bei der Auswahl von Hotels auszeichnet. Ohne jeden von euch wäre das alles nicht möglich oder doch kein so großer Spaß gewesen.

Die liebe Richenda Todd bewahrt mich ebenso taktvoll wie häufig davor, mich selbst in Verlegenheit zu bringen. Danke.

Danke auch an Sarah Fisher und alle anderen bei A M Heath, Sarah Molloy eingeschlossen, die immer noch meine Freundin ist!

Es ist ein Privileg, mit so talentierten, tüchtigen Menschen zusammenzuarbeiten!

Kapitel 1

Dora stellte ihre Taschen ab und betrachtete die Frau, die ihr quer übers Wasser hinweg zuwinkte. Wie angewiesen, hatte sie vom Bahnhof des hübschen Themsestädtchens aus ein Taxi genommen und sich am Zugang zu den Liegeplätzen absetzen lassen. Dann hatte sie telefoniert, um ihre Ankunft mitzuteilen. Ihre neue Vermieterin sollte sie hier abholen und einlassen.

Sie erkannte sie natürlich, aber die Mutter ihrer besten Freundin hatte sic niform des kleinstädtischen Englands getragen, wie Doras Mutter und so viele andere es immer noch taten: Rock, Seidenbluse oder vielleicht einmal ein tailliertes T-Shirt mit einer Kaschmir-Strickjacke kombiniert. Ihr Haar, das früher so ausgesehen hatte, als wäre sie ein Mal die Woche zum Friseur gegangen, wuchs jetzt ziemlich wild. Sie lächelte jedoch herzlich, und Dora kam der Gedanke, dass es vielleicht doch keine so schlechte Idee gewesen war, bei ihr Zuflucht zu suchen.

»Wie bist du bloß mit so viel Gepäck im Zug zurechtgekommen?«, fragte Mrs Edwards, als sie die Brücke überquert und Dora erreicht hatte. Sie griff nach einer Reihe von Jutetaschen, die überquollen von Wollpullovern. »Und wozu brauchst du all diese Pullover? Es ist Mai!«

»Meine Mutter meinte, auf Booten sei es immer kalt«, erklärte Dora entschuldigend. »Und die Leute im Zug waren sehr hilfsbereit«, fuhr sie fort und dachte an die Freundlichkeit der fremden Menschen, die sie beinahe zum Heulen gebracht hätte. Sie war so fertig, dass die kleinste Kleinigkeit sie umhauen konnte.

»Ich glaube wirklich, dass die Menschheit im Großen und Ganzen netter ist, als man es ihr zutraut«, sagte Mrs Edwards, die die Bemerkung über Kälte und Boote höflich ignorierte. »Also, komm mit.«

Dora hievte sich ihren Rucksack auf den Rücken und folgte ihr den Weg entlang, der zu einem hohen Stahltor führte. Mrs Edwards drückte mit der Brust gegen eine Metallplatte. Die Tür piepte, und die Mutter ihrer Freundin drückte sie auf.

»Ich steck mir den Transponder immer in den BH«, erklärte sie. »Im Allgemeinen habe ich die Hände voll. Ich werde dir auch einen geben, dann kannst du kommen und gehen, wie du willst.« Sie warf Dora einen Blick zu. »In Ordnung?«

Dora nickte und folgte Mrs Edwards den Gehweg hinunter zu den Schwimmbrücken. An jeder davon war irgendein Kanalboot festgemacht. Obwohl sie sich diese Boote gern angesehen hätte, war Dora doch dankbar, dass Mrs Edwards nicht stehen blieb – der Rucksack war so schwer. Nachdem sie an vier solchen Schiffen vorbeigegangen waren, machte Mrs Edwards vor einem stattlichen, dunkelgrün gestrichenen Schiff halt.

»Das ist die Drei Schwestern. Ursprünglich hieß sie so auf Holländisch, aber das konnte niemand aussprechen, und deshalb hat Michael, ihr Besitzer, den Namen übersetzt. Für ein holländisches Plattbodenschiff ist das ein recht häufiger Name.«

Mit einem Schwung beförderte Mrs Edwards die Taschen an Bord und folgte ihnen dann mit erstaunlich fließenden Bewegungen. Dora überlegte, dass ihre eigene Mutter erheblich mehr Aufhebens darum gemacht hätte. Aber sie machte ja stets um alles viel Aufhebens – einer der Gründe, warum Dora jetzt hier war.

Mrs Edwards drehte sich um, um ihr die Hand zu reichen. »Gib mir dein Zeug, und wenn du dort auftrittst, kommst du ziemlich bequem an Bord. Das wird dir bald in Fleisch und Blut übergehen, und du wirst kommen und gehen wie eine Katze.«

»Da bin ich mir nicht sicher«, sagte Dora, während sie unbeholfen an Bord kletterte. Dann folgte sie Mrs Edwards einige Metallstufen hinauf und durch eine Tür.

»Dies ist natürlich das Ruderhaus«, erklärte Mrs Edwards und deutete auf das riesige Steuerrad. »Es dient aber gleichzeitig als Gewächshaus.« Neben einer Reihe von Blumentöpfen mit Tomaten und Geranien entdeckte Dora auch Töpfe mit Basilikum und Petersilie. »Wenn wir jemals irgendwohin fahren würden, was wir Gott sei Dank nicht tun, müssten wir natürlich all die Töpfe irgendwo anders hinstellen.«

»Von hier aus hat man eine schöne Aussicht«, bemerkte Dora, während sie sich umsah. »Und wahrscheinlich jede Menge Sonne.«

»Ja, es ist wirklich hübsch hier. Normalerweise liegen hier nicht so viele Boote, doch im Moment haben wir jede Menge Besucher wegen der Rallye. Sie fängt morgen an.«

»Oh, bin ich zu einer ungünstigen Zeit gekommen?«

»Ganz und gar nicht! Es wird schön sein, ein wenig moralische Unterstützung zu haben.«

»Macht die Rallye denn keinen Spaß?«, fragte Dora. Sie war sich nicht sicher, was genau zu einer Rallye gehörte, beschloss jedoch, alles mitzumachen, was Jo – Mrs Edwards – vorschlug. Im Augenblick war ihr noch nicht danach zumute, eigene Entscheidungen zu treffen.

»In gewisser Weise.« Jo Edwards war vorsichtiger. »Aber am Sonntag findet eine Bootsparade statt, und das bedeutet, dass jedes Boot allen Interessenten zur Besichtigung offen zu stehen hat.« Sie wirkte besorgt. »Ich finde die Vorstellung von Fremden, die in meinem Zuhause herumtrampeln, absolut grauenhaft! Ich werde eine gewaltige Aufräumaktion starten müssen.«

Jetzt erinnerte Dora sich wieder vage daran, dass der Mutter ihrer Freundin Karen in puncto Ordnung stets eine lässigere Einstellung eigen gewesen war als ihrer eigenen Mutter. Sie hatte sich nie aufgeregt, wenn sie in der Küche ein Chaos hinterlassen hatten, weil sie mit Rezepten für Karamell, Fondant und später auch Pfannkuchen experimentiert hatten. »Hm, ich werde Ihnen natürlich helfen.«

»Lass uns jetzt nicht darüber nachdenken. Stattdessen sollten wir nach unten gehen und ein Glas Wein trinken. Ich weiß, es ist erst halb sechs, aber soweit es mich betrifft, steht die Sonne bereits unter der Rah«, sagte Mrs Edwards.

»Was bedeutet das?«

»Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich weiß, es heißt, dass man sich einen Drink genehmigen kann. Ich denke, wenn du eine lange Reise und keine besonders tolle Zeit hinter dir hast, hast du dir einen Drink verdient. Und ich muss dir Gesellschaft leisten.« Sie lächelte. Wie gut sie aussah!, dachte Dora. Natürlich in mittleren Jahren, doch immer noch recht attraktiv.

Sie erwiderte das Lächeln und folgte ihrer Vermieterin eine Holztreppe hinunter.

Als Doras beste Freundin Karen von Kanada aus angerufen und gesagt hatte: »Fahr zu Mum auf ihren Kahn«, war Dora zögerlich gewesen.

»Sie wird nicht wollen, dass ich mich selbst einlade. Sie hat schließlich auch eine schreckliche Zeit hinter sich!«

»Ich werde es ihr erzählen. Sie muss ohnehin erfahren, was passiert ist; sie war schließlich zu der Hochzeit eingeladen. Aber sie würde sich bestimmt über deinen Besuch freuen. Sie braucht Gesellschaft. Was immer sie sagt, sie muss einsam sein, und du kannst sie vielleicht daran hindern, allzu exzentrisch zu werden.«

Dora war nicht annähernd so herrisch wie Karen und hatte nicht die Absicht, Mrs Edwards auf den Pfad konventionelleren Verhaltens zurückzuführen, aber da sie wirklich eine Unterkunft brauchte, stimmte sie schließlich zu. »Da ich jetzt gesellschaftlich eine Paria bin, habe ich keine große Wahl«, hatte sie erwidert.

»Du bist keine gesellschaftliche Paria! Du hattest dich in einen Mann verliebt, der wirklich ziemlich langweilig war, und dann hast du dich entliebt und deine Meinung, was die Hochzeit betrifft, geändert. So etwas passiert ständig. Es ist keine große Sache.«

Dora hatte stotternd ihrer Ungläubigkeit Ausdruck verliehen. »Doch, ist es wohl! Wir hatten diese Hochzeit seit etwa fünf Jahren geplant.«

»Seit deinem siebzehnten Lebensjahr? Bestimmt nicht! Um Gottes willen, du hast John doch nicht schon mit siebzehn kennengelernt.«

»Es kommt mir aber so vor. Ich habe meine Mutter definitiv mit einem Brautmagazin gesehen, kurz nachdem sie und Dad Johns Eltern vorgestellt worden waren.«

Karen hatte geseufzt.

»Und es gibt keine Menschenseele im Dorf, die nicht entweder mit John oder mit mir befreundet oder verwandt ist!« Dora schauderte bei dem Gedanken an all die missbilligenden Blicke und unverblümten Kommentare, die sie hinter sich gelassen hatte. »Und da sie alle sagen, ich hätte John das Herz gebrochen – was vielleicht auch stimmt –, bin ich jetzt der Schwarze Peter und werde gemieden.«

»Die Schwarze Petra.«

»Wie auch immer.«

»Fahr zu Mum. Du kannst sie im Auge behalten, und sie wird auf dich aufpassen. Sie liebt es, auf Leute aufzupassen.«

»Sie genießt vielleicht ihre Freiheit«, hatte Dora bemerkt.

»Freiheit ist etwas, für das man sich selbst entscheidet. Mum wurde wegen einer jüngeren Frau sitzengelassen. Sie wird sich grässlich fühlen.« Karens Entrüstung war über etliche tausend Meilen hinweg durch die Ätherwellen deutlich zu vernehmen. »Ich weiß, dass Dad sie nicht verlassen hätte, wenn ich in der Nähe gewesen wäre. Er hat lediglich gewartet, bis ich aus dem Weg war. Dieser Bastard!«

Dora hatte mit der Zunge geschnalzt. »Karen! So darfst du nicht über deinen Vater reden!«

»Aber Dora, was würdest du über deinen Dad denken, wenn er deine Mutter nach fast dreißig Jahren verlassen hätte?«

Dora hatte nachgedacht. »Ja, in Ordnung, ich verstehe, was du meinst.«

Jetzt sah sie sich um, während Karens Mutter Gläser und eine Flasche Wein hervorholte. Sie hatten ihre verschiedenen Taschen in der Kabine abgesetzt, die Dora gehören sollte, »solange sie sie brauchte«. Der Salon war viel größer, als sie erwartet hatte, mit einem Sitzbereich an einem Ende und einer Küche – oder sollte das eine Kombüse sein? – und einem Essbereich am anderen. Die Wände waren weiß gestrichen, und die Decke war mit Holz vertäfelt. In einer Ecke befanden sich eine Art Herd sowie eine gepolsterte Bank und Stühle. Es war sehr gemütlich, aber nicht schrecklich ordentlich.

»In diesem Schrank liegt eine Tüte Chips«, sagte Mrs Edwards. »Sei so lieb und hol sie heraus, ja? Irgendwo müsste auch eine Schale stehen.«

»Soll ich die Porzellanschale nehmen oder die aus Holz, Mrs Edwards?«

Jo Edwards sah Dora mit entsetzter Miene an. »Oh, nenn mich Jo und sag Du, bitte! Wenn mich jemand noch Mrs Edwards nennt, denke ich immer, meine Schwiegermutter sei aus dem Grab auferstanden und stände hinter mir.«

Dora war verlegen. »Haben Sie – hast du denn deinen Mädchennamen wieder angenommen? Ich würde dir keinen Vorwurf machen …«

»O nein, das heißt, ich werde es vielleicht tun, es ist nur so, dass alle mich Jo nennen. Du musst es auch tun.«

»In Ordnung, Jo. Welche Schale?« Jetzt, da sie Jos Vornamen benutzte, hatte Dora ihre Scheu verloren. Es schuf eine vertraulichere Atmosphäre.

Jo zeigte auf die Holzschale, reichte Dora ein Glas, setzte sich auf die Bank und suchte sich zwischen Papierstapeln, Rezeptbüchern und einem Schminkbeutel Platz für ihr eigenes Glas. »Stell die Chips irgendwohin, während ich darüber nachdenke, was wir zu Abend essen werden. Morgen findet ein Galadinner statt. Ich habe dir auch eine Karte besorgt.«

»Du musst mir erlauben, dir das Geld dafür zurückzugeben«, erwiderte Dora und nahm ihrer neuen Vermieterin gegenüber Platz. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass ich dir auf der Tasche liegen werde. Ich bezahle, was ich brauche.«

»Ich werde eine kleine Miete annehmen«, meinte Jo, »weil man in diesen Dingen vernünftig sein muss, aber nicht, bevor du einen Job hast.«

»Ich habe Ersparnisse«, protestierte Dora. »Sie waren für die Flitterwochen gedacht.« Dann wurde ihr bewusst, dass sie ein Wort ausgesprochen hatte, das eine Explosion von Tränen auslösen konnte. Ihr Job hatte ihr gefallen, und es war ihr schrecklich gewesen zu kündigen, als sie aus dem Dorf hatte fliehen müssen.

Jo, die Doras potenziellen Tränenausbruch wahrscheinlich spürte, erklärte schnell: »Wir werden dergleichen Dinge später regeln. Jetzt trink einfach deinen Wein und entspann dich für einen Moment. Wir könnten nachher irgendwo hingehen und Fisch und Pommes frites essen«, fügte sie hinzu.

Dora schnüffelte tapfer. »Das wäre schön.«

»Wenn ich an all die ordentlichen Mahlzeiten denke, die ich für meinen Mann gekocht habe, obwohl ich die meiste Zeit genauso gern Rührei und Salat gegessen hätte, wird mir klar, was für eine absolute Zeitverschwendung die Ehe sein kann. Es war sehr vernünftig von dir, die Hochzeit nicht durchzuziehen.«

Dora nahm einen Schluck Wein, um die Tränen herunterzuspülen, die noch immer drohten. »Du hättest hören sollen, was meine Mutter zu dem Thema zu sagen hatte. So, wie sie sich aufgeführt hat, hätte ich eine Hure sein können, die ihre sechs hungernden Kinder im Stich lässt, um Puffmutter zu werden.«

Jo seufzte. »Es war bestimmt ausgesprochen harte Arbeit, die Hochzeit zu organisieren, und sie abzusagen, war bestimmt noch schlimmer.«

»Ich habe angeboten, mich selbst darum zu kümmern, aber sie hat einfach die Zügel in die Hand genommen.«

Doras Mutter traute ihr nicht zu, etwas so Erwachsenes zu übernehmen wie die Organisation einer Hochzeit, obwohl sie in ihren Augen mit zweiundzwanzig Jahren zum Heiraten erwachsen genug war.

»Sie ist eine sehr tüchtige Frau.«

»Hm«, murmelte Dora in ihr Glas.

»Aber es wäre vollkommen falsch gewesen zu heiraten, nur um nicht das Gesicht zu verlieren, wenn du das Gefühl hattest, dass es nicht das Richtige war.«

»Das denke ich auch, doch Mum war anderer Meinung. Sie sagte, sie könne nie wieder erhobenen Hauptes durchs Dorf gehen, und sie hat mir nicht einmal erlaubt, die Hochzeitsgeschenke zurückzuschicken! Sie war so wütend, dass sie mich einfach nur aus den Augen haben und sich um alles selbst kümmern wollte.«

»Wenn Karen hier gewesen wäre, hättest du zu ihr gehen können«, meinte Jo, »aber da sie es nicht ist, hattest du vollkommen recht, stattdessen zu mir zu kommen.«

»Ganz bestimmt.« Dora nippte abermals an ihrem Wein. Irgendwie fühlte sie sich schon besser, einfach weil sie hier bei Jo war.

»Wir laufen im Grunde beide weg«, bemerkte Jo nachdenklich. »Ich vor den Trümmern einer Ehe und du vor einer Hochzeit.«

»War es schlimm, als dein Mann dich verlassen hat? Entschuldigung!«, bat Dora. »Das klingt so dumm. Natürlich war es das! Ich denke nur darüber nach, wie John sich gefühlt haben muss.«

»Er kann sich unmöglich genauso gefühlt haben wie ich«, antwortete Jo. »Ich meine, er ist noch keine dreißig und hat sein ganzes Leben noch vor sich. Er wird bestimmt jemand anderen finden. Ich bin fünfzig, und niemand wird mich noch wollen.«

»Oh, das ist bestimmt nicht wahr …«

Jo lachte. »Es ist schon in Ordnung! Ich möchte auch keinen anderen, nicht jetzt. Jahre und Jahre meines Lebens habe ich meinem Mann und meinem Kind gewidmet – und habe ich dafür auch nur einen Orden für langjährige Verdienste bekommen? Nein, habe ich nicht. Ich bin wegen einer jüngeren Frau sitzengelassen worden. Was für ein Klischee! Er hätte wenigstens den Anstand besitzen können, mich aus einem weniger demütigenden Grund zu verlassen. Aber nein.« Sie runzelte die Stirn. »Er hatte den Nerv zu sagen: ›Wenn du sie kennenlernst, wirst du mich verstehen. Sie ist einfach genauso wie du, als du jung warst.‹«

Dora verdaute diese Bemerkung langsam. »O mein Gott!«

»Es war so, als hätte er mich aufgebraucht und würde jetzt eine neue Version meiner selbst benötigen.«

»Ich hätte ihn ermordet!« Dora war geziemend entrüstet.

»Ich hätte es auch getan, wenn ich damals eine Waffe zur Hand gehabt hätte, aber glücklicherweise ist der Moment verstrichen.« Jo kicherte. »Obwohl ich immer noch fuchsteufelswild bin, wenn ich darüber nachdenke, habe ich doch eine Menge Spaß gehabt, seit ich auf das Boot gezogen bin. Es war wunderbar, von Neuem anfangen zu können.«

»Karen dachte, du würdest in dem Haus bleiben wollen, wo all deine Freunde waren.«

»Das Problem ist, dass ich keine Rolle mehr habe. Philip wollte das Haus, und die Perle – so nennen Karen und ich sie – schien mit dem Gedanken recht glücklich zu sein.«

»Das überrascht mich nicht! Es ist ein hübsches Haus. Ich habe so viele glückliche Erinnerungen an meine Besuche dort.« Dora dachte an ihre frühen Experimente mit Make-up und verrückten Frisuren und an die kleinen Theaterstücke, die Karen und sie aufgeführt hatten. »Erinnerst du dich an die Seifenoper, die wir mit der Videokamera aufgenommen haben?«

»Pitrevie Drive? Natürlich! Die Bänder liegen noch oben auf dem Dachboden. Ihr zwei wart hysterisch.«

»Es hat Spaß gemacht. Ich vermisse Karen sehr.«

»Ich auch, aber ich rufe mir immer wieder ins Gedächtnis, dass sie nicht für immer fort ist, nur für einige Jahre.«

»Ich wette, sie wollte nach Hause kommen, als dein Mann dich verlassen hat!«

»Natürlich. Ich musste ihr allerdings androhen, nie wieder mit ihr zu sprechen, wenn sie es täte. Ich konnte nicht zulassen, dass nicht nur mein Leben verpfuscht wurde, sondern auch ihre Karriere.«

»Du bist sehr stark. Ich bin davon überzeugt, dass meine Mum zerbrochen wäre.«

Jo nippte an ihrem Wein. »Ich hatte meine Momente, doch jetzt bin ich eine starke, unabhängige Frau, die nicht die Absicht hat, jemals wieder eine wie auch immer geartete Beziehung einzugehen.« Sie sah Dora an. »Das soll auf keinen Fall auch für dich gelten! Aber du wirst schnell herausfinden, dass es auch andere Dinge im Leben gibt, als einen Freund zu haben.«

Dora lachte gequält. »Oh, das weiß ich. Ich hatte ja so viele Jahre einen! Es gibt sehr viele andere Dinge.«

Jo kicherte und nahm sich einige Chips.

»Warum hättest du denn nicht in dem Haus bleiben können? Die Leute wären schon damit klargekommen und nett zu dir gewesen, nicht wahr?« Dora dachte an das hübsche georgianische Haus mit dem Garten, den Jo so schön gestaltet hatte. Der Umzug auf das Kanalboot musste sich wie ein Abstieg angefühlt haben – oder zumindest wie ein Kleinersetzen.

Jo beruhigte sie. »O ja, alle waren sehr hilfsbereit, als ich noch dort war. Sie haben mich ständig zu Mittagessen im Freundinnenkreis eingeladen und für mich nach ledigen Männern Ausschau gehalten, aber ich konnte das Mitleid nicht ertragen. Als ich hierher zog, wusste niemand irgendetwas über mein früheres Leben, und ich hatte das Gefühl, dass ich anfangen konnte, jemand anderer zu sein.« Sie runzelte die Stirn. »Eigentlich nicht jemand anderer, sondern die Person, die ich die ganze Zeit über war, während ich vorgab, eine gute Frau zu sein, die Basare organisierte und in Ausschüssen saß.«

»Hat dir all das denn nicht gefallen?« Doras Mutter liebte nichts mehr, als mit einem Glas Wasser und einem Klemmbrett am Kopfende eines Tisches voller Leute zu sitzen.

»Manches schon«, räumte Jo ein. »Ein Großteil davon war jedoch ziemlich langweilig.« Sie seufzte. »Jetzt sitze ich in keinem einzigen Ausschuss. Es ist die reinste Wonne!« Dann biss sie sich auf die Unterlippe. »Nur dass ich morgen helfen muss, die Tische für das Galadinner zu dekorieren. Ich habe noch nicht ganz den Bogen raus, wie ich mich vor freiwilliger Mitarbeit drücken kann.«

»Und wir müssen das Boot für diese Parade aufräumen?«

»Ja.«

»Ich bin ziemlich gut im Aufräumen. Meine Mutter hat mich dazu gezwungen, ein ordentlicher Mensch zu werden.«

»Huh! Dann hatte sie mehr Glück als meine Mutter! Sie hat auch versucht, mich zur Ordnungsliebe zu erziehen, doch sie hat es nicht geschafft. Deshalb habe ich Karen auch nie gedrängt, ihr Zimmer aufzuräumen.«

Dora sah sie ungläubig an. »Was, nie?«

»Hm, nein, denn ich habe niemals erlebt, dass ihr Zimmer schlimmer aussah als meins.« Sie seufzte abermals. »Ich denke, das könnte einer der Gründe sein, warum Philip mich verlassen hat, obwohl er es nie ausgesprochen hat.«

»Soll ich dir helfen? Du würdest das nicht als Einmischung ansehen?«

Jo legte ihr eine Hand aufs Knie und lachte. »Wenn man eine Tochter hat wie ich, kommt niemand auch nur ansatzweise an die Sparte ›Einmischen‹ heran. Außerdem bin ich dankbar für jede Hilfe, die ich bekommen kann.«

Dora liebte Karen fast so sehr, wie Jo sie liebte, war aber, was die erste Bemerkung betraf, vollkommen ihrer Meinung. »Sollen wir Musik auflegen? Ich habe eine CD, die mir immer Energie gibt. Sie ist natürlich alt. Es ist eine von Dads CDs, aber ich liebe sie.«

Jo stand lachend auf. »Mir soll’s recht sein. Der CD-Player ist da drüben.«

Die Rockmusik brachte Jo tatsächlich in die richtige Stimmung zum Aufräumen. Natürlich hatte sie das eigentlich vor Doras Ankunft erledigen wollen, doch nachdem sie mit dem Bad und Doras Schlafzimmer fertig gewesen war, war keine Zeit mehr für den Salon und die Küche geblieben.

Dora hatte bereits den Staubsauger an sich gerissen und widmete sich dem Boden. Jo versuchte, den Tisch aufzuräumen, eine weitaus weniger befriedigende Aufgabe, da sie Entscheidungen verlangte. Und Jo hasste es, Entscheidungen zu treffen! Eher unbewusst schob sie die Hand in ihre Tasche und fand ein Band. Es hatte sich von einem Stoß Geschirrtüchern gelöst, die sie Dora zu Ehren gekauft hatte. Jo schob einen Stapel Papiere und Zeitschriften zusammen und verschnürte sie mit dem Band. Dann legte sie den Stapel neben die Obstschale und dachte nach. Nicht gerade ein künstlerisches Statement, aber es sah doch so aus, als müssten die Papiere dort liegen.

Das Alleinsein hatte es ihr ermöglicht, noch unordentlicher zu werden. Verheiratet mit einem ordentlichen Mann, war sie früher gezwungen gewesen, in langweilig regelmäßigen Abständen zu putzen und aufzuräumen. Jetzt, da sie frei war, hatte sie die Dinge ziemlich schleifen lassen. Jo füllte die Spülmaschine mit ihrer gewohnten Blitzgeschwindigkeit. Die Rockmusik weckte in ihr das Verlangen zu tanzen, und sie ließ tatsächlich ein wenig die Hüften kreisen, während sie die Theke in der Küche abwischte. Aber wenn sie sich wirklich hätte gehen lassen, hätte Dora vielleicht befürchtet, jetzt mit einer Irren zusammenzuleben. Und schlimmer noch, sie könnte Karen berichten, dass ihre Mutter endgültig den Verstand verloren hatte.

Sie putzte mit einem Lappen, den sie mit Bleichmittel befeuchtet hatte, die Fassungen der Luken und deren Umgebung, wo sich gern Kondenswasser und später Schimmel sammelte. Es war nicht ihr Boot, sie hatte es nur gemietet, doch es war ihr Zuhause. Als Michael, ein alter Studienfreund von Philip, ihr das Boot angeboten hatte, hatte sie mit spontaner Begeisterung reagiert.

Philip war absolut gegen diese Idee gewesen. »Du kannst doch niemals auf einem Boot leben!«, hatte er gesagt. »Es ist eine lächerliche Idee! Warum mietest du dir nicht irgendwo eine Wohnung oder ein Haus?«

Jegliche Zweifel an der Idee, auf einem Kanalboot zu leben, hatten sich bei seinen Worten in nichts aufgelöst. Ein Leben in einer bescheideneren, kleineren Version dessen, woran sie gewöhnt war, wäre demütigend gewesen. Eine vollkommen andere Lösung zu finden, schien Jo eine viel bessere Idee zu sein. »Weil ich auf einem Kanalboot leben will«, hatte sie entschieden erklärt, »und du kannst nichts tun, um mich daran zu hindern!«

Philip hatte die Neigung gehabt, andere zu beherrschen, und die Erkenntnis, dass er das Recht verwirkt hatte, seiner Frau zu sagen, was seiner Meinung nach das Beste für sie sei, hatte ihn für einen Augenblick zum Schweigen gebracht. »Nun, komm nicht zu mir gelaufen, wenn alles schiefgeht!«, hatte er schließlich erwidert.

»Philip, du hast mich wegen einer jüngeren Frau verlassen. Wenn ich irgendwann irgendetwas von dir brauchen werde, werde ich darum bitten!« Sie hatte tief Luft geholt. »Fast dreißig Jahre lang habe ich mich um dich und Karen gekümmert; ich habe meine Karriere aufgegeben; ich habe das Haus und den Garten in Schuss gehalten; ich habe mich in der Gemeinde engagiert und deine langweiligen Geschäftsfreunde bewirtet. Du stehst in meiner Schuld!«

»Du bist eine wunderbare Köchin«, hatte er eingeräumt, in dem Bemühen, die Frau zu beschwichtigen, die viel stärker geworden war, als sie es während ihrer Ehe gewesen war.

»Ich weiß! Aber ich bin nicht mehr deine wunderbare Köchin!«

»Oh, Jo, ich fühle mich wirklich mies deswegen! Du weißt, dass ich das tue …«

»Hm, was glaubst du, wie ich mich fühle! Ich werde es dir sagen: ausgemustert. Wie ein alter Teppich, der jahrelang hervorragende Dienste geleistet hat und dann auf die nächste Müllkippe verfrachtet wird! Genauso fühle ich mich. Und wenn ich auf einem Kanalboot leben will, dann werde ich es tun.«

Michael hatte sich sehr darüber gefreut, einen Mieter für sein Boot zu haben. Sie hatte sich mit ihm getroffen, und er hatte sie herumgeführt.

»Ich werde mindestens ein Jahr lang außer Landes sein, und Boote haben es nicht gern, wenn man sie allein lässt, ohne jemanden, der sich um sie kümmert. Du wirst mir einen Gefallen tun.«

»Es war sehr lieb von dir, an mich zu denken«, hatte Jo geantwortet.

»Nun, ich hätte nicht an dich gedacht, wenn Philip mir keine E-Mail geschickt und mir erzählt hätte, was geschehen ist.«

»Hat er das? Wie eigenartig! Ich hätte nicht gedacht, dass ihr euch dafür häufig genug gesehen habt.«

»Oh, wir haben uns jahrelang nicht getroffen, aber wir haben irgendwann mal unsere E-Mail-Adressen ausgetauscht, und er hat eine Mail an jeden in seinem ›Alte Freunde‹-Ordner in seinem Adressbuch geschickt.«

»Das hat er nicht getan!«

Michael hatte genickt. »Ich glaube nicht, dass er stolz darauf ist, Jo. Er hatte nur das Gefühl, es allen mitteilen zu müssen.«

Jo hatte geseufzt und versucht, sich nicht abermals betrogen zu fühlen.

»Oh, hm, wie sich herausstellt, war es zu meinem Vorteil. Es ist ein schönes Boot, und ich werde mit Freuden hier leben.« Vor allem nachdem sie herausgefunden hatte, dass sie nach wie vor in der Lage sein würde, Karen E-Mails zu schicken und ihr Handy zu benutzen, zumindest in gewissen Teilen des Bootes.

»Du kommst in eine freundliche Nachbarschaft«, hatte Michael hinzugefügt. »Hier leben Menschen aus allen Gesellschaftsschichten. Einige von ihnen sind die meiste Zeit hier, andere nur übers Wochenende, aber es ist eine nette Truppe. Wenn nötig, werden sie dir unter die Arme greifen.«

Das wird nicht nötig sein, hatte Jo erwidern wollen, aber dann war ihr klar geworden, dass sie noch eine Menge über das Leben auf einem Boot lernen musste und wahrscheinlich von Zeit zu Zeit Hilfe brauchen würde. Daher hatte sie geschwiegen.

Drei Wochen später war sie auf das Kanalboot gezogen. Philip hatte ihr ihre Sachen gebracht, und wegen seiner Schuldgefühle war er äußerst hilfsbereit gewesen. Nach geringen anfänglichen Problemen – die vor allem die Abwasserpumpe und die Seeventile betrafen – hatte sie begonnen, sich auf dem Plattbodenschiff pudelwohl zu fühlen.

»Ich werde blendend zurechtkommen – solange ich nirgendwo hinfahren muss«, hatte sie Michael am Telefon erklärt, als er angerufen hatte, um sich davon zu überzeugen, dass sie sich eingelebt hatte.

Und jetzt hatte sie Dora. Wenn die Situation der Jüngeren nicht so verzweifelt gewesen wäre, hätte sie ihre Tochter Karen verdächtigt, ihr Dora untergeschoben zu haben. Obwohl Jo nicht direkt einsam gewesen war, war sie doch darauf programmiert, sich um Menschen zu kümmern. Eine Ersatztochter mit gebrochenem Herzen war genau das, was sie brauchte.

Schon bald würde sie darüber nachdenken müssen, wie sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen konnte. Philip hatte ihr eine ziemlich große Summe Geld gegeben, und sie betrachtete dies als eine Art Abfindung. Sie hatte keine Bedenken gehabt, das Geld anzunehmen. Wenn die Scheidung über die Bühne gegangen war, würde ihr wahrscheinlich zumindest ein Teil des Wertes zustehen, den das Haus hatte, aber bis dahin wollte sie ihr Kapital möglichst unangetastet lassen. Und obwohl Dora ihrem Leben eine Art Mittelpunkt gab, brauchte sie noch so etwas wie eine Beschäftigung. Seit ihrer Ankunft auf dem Boot hatte sie ihre Freizeit damit verbracht, die ursprünglich dem Schiffer zustehende Kabine – jetzt ihr Schlafzimmer – neu zu streichen. Dies war eine mühsame Beschäftigung, der sie meistens dann nachging, wenn etwas Gutes im Radio lief. Zuerst hatte sie in größerem Umfang abschleifen, schmirgeln und spachteln müssen. Mit dem eigentlichen Streichen hatte sie erst kürzlich begonnen. Sie betrachtete diese Arbeit als Entschädigung für die ziemlich niedrige Miete, die Michael von ihr verlangte. Aber irgendwann, das wusste sie, würde sie sich einen Job suchen müssen.

Das Problem war, dass sie mit ihren fünfzig Jahren buchstäblich unvermittelbar war. Sie hatte nicht die Universität besucht, sondern hatte stattdessen an einem Sekretärinnenkursus teilgenommen. Anschließend hatte sie Bürojobs gehabt. Aber ihre damals erworbenen und in der Praxis geübten Fertigkeiten waren heute nichts mehr wert. Selbst wenn sie zuerst einen Computerkurs besuchte, würde niemand sie einstellen, weil ihr letzter praktischer Arbeitseinsatz im Büro über fünfundzwanzig Jahre zurücklag. Damals hatte sie um eine elektrische Schreibmaschine betteln müssen.

Jo besaß jetzt seit einigen Jahren einen Computer und hatte ihn benutzt, um Protokolle zu schreiben, sich etwas zu notieren und, in jüngerer Zeit, übers Internet einzukaufen. Aber sie konnte weder ein Programm zur Tabellenkalkulation bedienen noch irgendeins der Buchhaltungsprogramme, die in einem modernen Büro verlangt werden würden.

»Und selbst wenn ich es könnte«, hatte sie zu Karen gesagt, »würde mich in meinem Alter niemand einstellen.«

Ihre Tochter hatte mit der Zunge geschnalzt, die Wahrheit dieser Bemerkung jedoch anerkannt.

Also würde sie ihren eigenen Job schaffen und selbstständig arbeiten müssen, doch fürs Erste hatte sie Dora, um die sie sich kümmern konnte. Und sie mussten beide an einer Rallye teilnehmen.

»Ich bin fix und fertig«, rief sie Dora zu, die mit einer Zahnbürste den Bodensatz aus den Fugen zwischen den Küchenkacheln schrubbte. »Hast du schon Hunger?«

»Hm. Eindeutig. Soll ich Fisch und Pommes frites holen?«

»Wir werden zusammen gehen, und ich werde dir die Läden zeigen. Du hast eine Belohnung verdient. Ich bin wirklich dankbar für deine Hilfe, vor allem an deinem ersten Abend hier.«

Als sie am Duschblock vorbeikamen, blieb Jo plötzlich stehen. »Oh, Dora, es tut mir so leid! Ich habe einen Brief für dich. Hier holen wir unsere Post ab, deshalb ist es mir gerade wieder eingefallen.« Sie stöberte in ihrer Handtasche und gab Dora einen Umschlag.

»Das ist Dads Schrift«, bemerkte sie.

»Du brauchst ihn nicht jetzt zu öffnen«, bemerkte Jo nach einem kurzen Schweigen, als sie den Ausdruck auf Doras Gesicht sah. »Du kannst es ein andermal tun. Lass uns gehen. Ich kann den Essig beinahe riechen.«

Den größten Teil ihres Abendessens verzehrten sie auf dem Heimweg. »Schließlich wollen wir nicht noch einmal sauber machen«, erklärte Dora, die, wie Jo feststellte, ein Mädchen ganz nach ihrem Herzen war.

Kapitel 2

Ich sollte dich warnen: Ich bezweifle, dass irgendjemand da sein wird, den du auch nur annähernd interessant findest«, sagte Jo zu Dora, als sie an den Anlegern entlanggingen. Sie hatten sich am Nachmittag den Manövrierwettbewerb angesehen und waren jetzt auf dem Weg zum Abendessen. Es war ein warmer Abend, und die Lichter der Boote spiegelten sich im Wasser. »Auf einem der Boote am Ende der Reihe wohnen junge Leute, aber sie sind dieses Wochenende nicht da. Ich nehme an, es werden nur alte Knacker kommen. Wahrscheinlich in Blazern und weißen Hosen. Und sogar mit Halstüchern.«

Dora lachte. »Das macht mir nichts aus. Ich bin definitiv nicht auf der Suche nach einem neuen Freund.«

»Das weiß ich, doch es wäre schön, wenn irgendjemand unter fünfzig dabei wäre, mit dem du reden könntest. Du sollst dich schließlich nicht zu Tode langweilen. Karen hätte mir stundenlang etwas vorgejammert, wenn ich sie zu einer Veranstaltung mitgeschleppt hätte, die ihr keinen Spaß gemacht hat.«

»Früher hätte ich das wahrscheinlich auch getan, aber jetzt wünsche ich mir nichts mehr, als mit Leuten, die alt genug sind, um meine Großeltern zu sein, über das Wetter zu plaudern. Wirst du viele von den ›alten Knackern‹ kennen?«

Jo kicherte. »Ich glaube nicht, dass ich wirklich jemanden kenne, auf den diese Beschreibung zutrifft. Ich kenne die Leute von hier, doch es sind auch viele Boote von auswärts da. Und es werden Gäste kommen, die selbst kein Boot haben, aber sich eins zulegen wollen. Tilly von der Appalachia – das ist das Boot mit dem hölzernen Deck und den Blumenkübeln neben unserem – wird auf jeden Fall da sein. Sie ist eine tolle Frau. Du wirst sie mögen. Ihre Maschine ist rosafarben gestrichen.«

»Wow!«

»Dann ist da noch das Ehepaar von der Blackberry. Sie sind entzückend. Schon ziemlich alt und nicht die ganze Zeit hier, doch unheimlich nett. Doug hat mir geholfen, als ich mir das erste Mal Gas besorgen musste.«

»Ich werde mir bestimmt nicht alle Namen merken können.«

»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Ich werde dich ohnehin nicht vielen Leuten vorstellen, weil ich auch ein hoffnungsloser Fall bin, wenn es um Namen geht. Ich werde einfach nur sagen, dass du Dora bist.«

»Und was noch?« Dora blieb stehen und griff nach Jos Arm, weil ihr plötzlich klar wurde, dass sie ihren Aufenthalt bei Jo irgendwie würden erklären müssen.

Verblüfft von der Eindringlichkeit ihrer Worte, drehte Jo sich zu ihr um. »Wie meinst du das?«

»Nun, du wirst ihnen einen Grund nennen müssen, warum ich hier bin, nicht wahr?«

Jo schüttelte den Kopf, als sie begriff, wovon Dora sprach. »Ganz und gar nicht. Ich werde einfach sagen, dass du für eine Weile versuchen willst, in der Nähe von London zu leben, und dass du bei mir wohnst, weil es billig ist.«

»Hm, das ist wahr. Bisher war es kostenlos.«

Jo machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du bist erst gestern angekommen, und wenn du einen Job hast, kannst du mir Miete zahlen. Also, findest du, dass ich gut aussehe?«

Natürlich wäre es besser gewesen, wenn Jo diese Frage auf dem Boot gestellt hätte, als sie notwendige Veränderungen noch hätte vornehmen können, überlegte Dora, aber aus irgendeinem Grund hatte Jo das nicht getan. Daher war es sinnlos, jetzt noch Puder vorzuschlagen oder darauf hinzuweisen, dass sie Farbflecken auf ihrer Hose hatte. »Du siehst prächtig aus.«

»Findest du dieses Top nicht ein wenig grell?« Jo zupfte daran.

Dora dachte darüber nach und log. »Ähm. Eigentlich nicht.«

»Das bedeutet, du findest es tatsächlich grell.« Jo stieß einen frustrierten Seufzer aus. »Ich habe all meine geschmackvollen Kleider bewusst zurückgelassen. Ich wollte einen neuen Anfang.« Sie gingen weiter.

»Klar.«

»Und ich wollte nicht unsichtbar sein.«

»Warum um alles in der Welt solltest du unsichtbar sein?«, entgegnete Dora überrascht.

»Frauen in meinem Alter sind unsichtbar. Das ist ein wohlbekanntes Phänomen.«

Dora räusperte sich. »Nun, du wirst ganz bestimmt nicht unsichtbar sein, nicht in diesem Top.«

Jo griff sich an den Ausschnitt, der ziemlich tief war. »Es ist nicht zu offenherzig und zu glitzerig, oder?«

»Eigentlich nicht. Ich meine, es ist ziemlich glitzerig, aber es sind sehr dezente Ziermünzen und Glasperlen.«

»Und was ist mit der Offenherzigkeit?«

»Es ist absolut respektabel. Selbst meine Mutter würde etwas mit so einem tiefen Ausschnitt tragen.«

Jo lachte erleichtert. »Karen würde sich nicht einmal tot mit mir sehen lassen, wenn ich ein solches Top trüge.«

»Aber ich.« Dora versuchte, beruhigend zu klingen.

Jetzt, da der Weg breiter war und sie nebeneinanderher gehen konnten, hakte Jo sich auf freundschaftliche Weise bei Dora unter. »Als Philip mich verlassen hat, habe ich mir eine Menge sehr bunter Kleider gekauft, damit die Leute nicht einfach an mir vorbeischauten. Kein Purpur natürlich.«

»Warum kein Purpur?« Dora stand vor einem Rätsel.

»Wegen des Gedichts über alte Frauen, die Purpur tragen.«

»Ich verstehe«, sagte Dora, die gar nichts verstand. Doch sie beschloss, dass es leichter sei, sich Jo anzupassen – sie war so anders als ihre Mutter.

»Ich will keine neue Beziehung, Gott behüte, aber ich will nicht, dass die Leute es nicht bemerken, wenn ich einen Raum betrete. Das wäre einfach zu erniedrigend.«

»Das passiert nicht. Da bin ich mir sicher. Ich meine, die Leute werden dich bestimmt bemerken.«

Jo lachte. »Wenn ich dieses Top trage, bleibt ihnen auch nichts anderes übrig.«

Obwohl sie das Dora gegenüber nicht zugeben wollte, war Jos Angst davor, unsichtbar zu werden, zum Teil Furcht vor der Menopause. Dieses Damoklesschwert hatte sich bereits auf viele ihrer Freundinnen herabgesenkt, von denen einige jünger waren als sie. Es konnte jetzt nicht mehr lange dauern, das wusste sie, und sie freute sich wirklich nicht darauf. Sie wollte nicht asexuell werden und befürchtete, dass dieses Schicksal unvermeidbar war – vor allem jetzt, da sie Single war.

Philip und sie hatten während der letzten Jahre sehr viel seltener miteinander geschlafen. Anfangs hatte sie es vermisst, aber später hatte sie es gemütlich gefunden, gemeinsam im Bett zu sitzen mit ihren Büchern, und wenn es auch kein Ersatz war für körperliche Berührung, war es durchaus angenehm gewesen.

Jetzt war ihr klar, woran es gelegen hatte: Philip hatte sie nicht länger begehrt und einen anderen, jüngeren Körper zur Verfügung gehabt. Er hatte also nicht aufgrund des Fortschreitens der Jahre aufgehört, sie an sich zu ziehen und ihr zu sagen, dass sie ein hübsches Mädchen sei. Die Perle war Ende zwanzig. Sie wäre nicht glücklich damit gewesen, neben ihm im Bett ein Buch zu lesen. Wenn hinter Philips Widerstreben, mit ihr, Jo, zu schlafen, mehr gesteckt hatte als Jos Alter und die Konkurrenz der Jüngeren, stand er jetzt vor einem echten Problem. Oder er würde diese blaue Pille nehmen müssen.

Jetzt bereute Jo, ihr scharlachrotes Top angezogen zu haben. Sollte die Menopause auf die Idee kommen, während des Dinners mit einer sprichwörtlichen Hitzewelle zuzuschlagen, würde sie aussehen wie eine Chilipeperoni. Und was immer Dora über ihre Mutter gesagt hatte, Jo war nicht davon überzeugt, dass das Top nicht zu viel von ihrem Dekolleté preisgab.

Dora fragte sich, ob man ihr Fragen stellen würde, die sie höchstwahrscheinlich wieder zum Weinen bringen würden. Aber vermutlich hatte Jo recht; sie brauchte nur zu sagen, dass sie einen Tapetenwechsel nötig hatte und sich vielleicht in London einen Job suchen würde. Sie würde versuchen, den Eindruck zu erwecken, ein ehrgeiziges, lediges Mädchen auf der Suche nach Abenteuern zu sein. Wenn man bedachte, wie wenig Abenteuer sie bisher in ihrem Leben erlebt hatte, sollte sie sich vielleicht ernsthaft auf die Suche nach einem Abenteuer machen. Obwohl sie sich vor ihrer Ankunft bei Jo ziemlich mutig vorgekommen war, würde die Tatsache, dass sie bei der Mutter ihrer besten Freundin Unterschlupf gesucht hatte, wahrscheinlich nicht als Abenteuer durchgehen.

Ihre Ankunft in dem Pub setzte ihren jeweiligen Gedanken ein Ende, und sie gingen zu dem Raum im oberen Stock, der für das Dinner reserviert worden war. Sie waren früher am Tag dort gewesen und hatten die Tische arrangiert und geschmückt. Um den Sitzplan hatte sich jemand anderes gekümmert; daher wussten sie nicht, wo sich ihre Plätze befanden.

Sie gehörten zu den Ersten, die eintrafen. Viele Leute kamen in großen Gruppen, und Dora war ein wenig verlegen; doch vermutlich ging es Jo genauso. Aber irgendjemand erkannte Jo ziemlich bald und zog sie beide in seine Gruppe. Jo stellte Dora vor, und niemand fragte: »Wer ist denn dieses entlaufene Mädchen?« oder etwas Ähnliches. Logischerweise war dies ja auch wirklich sehr unwahrscheinlich, doch während der letzten Woche daheim war sie ständig Menschen begegnet, die sich bemüssigt gefühlt hatten zu bemerken, dass ihr jede »Vorstellung von anständigem Benehmen« abgehe. Daher erwartete Dora jetzt solche Kommentare.

Dann ging auch schon die allgemeine Suche nach dem eigenen Namensschildchen los, und Dora hoffte inbrünstig, dass sie neben Jo saß oder zumindest ganz in ihrer Nähe. Aber sie hatte Pech. Die freundliche Seele, die die Sitzordnung festgelegt hatte, hatte ihr einen Platz auf der anderen Seite des Tisches zugewiesen. Dort saß bereits ein junger Mann, der in sein Bier starrte, als bereitete er sich auf einen langweiligen Abend vor.

Dora las ihren Namen aus einiger Entfernung und zögerte, bevor sie zu ihrem Platz neben dem jungen Mann ging. Er hatte gewelltes Haar und schräg stehende Augen. Als sie näher kam, blickte er auf, sah sie und lächelte. In seinen Augen stand ein schelmisches Zwinkern. Wer immer den Sitzplan erstellt hatte, musste geglaubt haben, Dora einen Gefallen zu tun. Aber sie war ganz und gar nicht dankbar. Ihr war nicht im Entferntesten nach Gesellschaft zumute, und obwohl sie es fertiggebracht hätte, mit einem freundlichen Ex-Marineoffizier oder seiner Frau Smalltalk zu machen, wollte sie nichts mit diesem – zugegebenermaßen attraktiven – jungen Mann zu tun haben, der vielleicht gewohnheitsmäßig mit ihr flirten würde.

Sie schaute zu Jo hinüber und überlegte, ob sie vielleicht eine Ausrede finden konnte, um sich zu ihr zu gesellen. Aber Jo saß neben einem nett aussehenden Paar, das etwa in ihrem eigenen Alter war. Sie schien einen geselligen Abend zu erwarten.

»Hi, ich bin Tom«, sagte der junge Mann und schüttelte ihr die Hand, obwohl Dora sie ihm nicht hingehalten hatte. Dabei sah er ihr in die Augen. Seine waren dunkelbraun.

»Dora«, erwiderte sie und setzte sich neben ihn.

»Ungewöhnlich. Ich bin noch keiner Dora begegnet.«

»In Dickens’ David Copperfield kommt eine Dora vor, obwohl sie eine ziemliche Niete ist.«

»Sind Sie eine ziemliche Niete?«, gab er zurück.

Dora lachte überrascht. »Ja, da Sie schon danach fragen.«

»Nun, die Nieten werden gemeinhin auch unterschätzt. Ohne Nieten hätte keines der alten Stahlschiffe sich über Wasser gehalten. Und für eine Niete sehen Sie wirklich gut aus. Sie haben bestimmt immer Oberwasser, oder?«

»Solange ich nicht herunterfalle, ja.«

»So, dann wohnen Sie also auf einem Kanalboot? Oder sind Sie nur eine Besucherin?«

»Ähm – ich wohne auf einem Kanalboot.«

»Sie scheinen sich da nicht ganz sicher zu sein.«

»Ich bin erst gestern eingezogen, aber ich werde eine Weile hierbleiben.«

»Auf welchem Boot?«

»Auf der Drei Schwestern.«

»Oh. Auf dem Klipper.«

»Was?«

»Es ist ein Klipper oder ein Klipperaak. Das ist eine Art Aak, ein Plattbodenschiff. Sie sind noch nicht lange hier, nicht wahr?«

»Nein. Das habe ich schon gesagt.« Dora spielte mit ihrem Besteck herum; ihr Mangel an Wissen war ihr peinlich.

»Und interessieren Sie sich für Aake und andere Plattbodenschiffe?«

Sie sah ihn an. »Keine Ahnung! Ich hatte bisher kaum Gelegenheit herauszufinden, was überhaupt das Besondere an diesen Booten oder Schiffen ist!«

»Sie sind jedenfalls für ein Boot verdammt groß«, erklärte Tom feierlich.

Jetzt lachte Dora. »So viel habe ich auch schon mitbekommen.«

»Also, wenn Sie keine Bootsfanatikerin sind, warum sind Sie dann hier?«

»Ich wohne bei der Mutter meiner besten Freundin. Ich war auf der Suche nach einer Wohnung, die näher an London ist, und sie hat mir ein Zimmer angeboten. Es ist ziemlich billig.« Es würde ziemlich billig sein, das wusste sie, und sie war recht zufrieden mit dieser Version ihrer Geschichte. Es klang ganz und gar nicht so, als wäre sie auf der Flucht.

»Klar. Wem gehört die Drei Schwestern?«

»Hm, Jo – das ist die Frau, bei der ich wohne – hat das Boot gemietet, daher weiß ich es nicht. Jo sitzt dort drüben.«

»Sie sieht nett aus.«

»Das ist sie auch.« Dora hielt inne. »Also, warum sind Sie hier?«

»Ich arbeite auf einer Bootswerft, doch ich versuche immer, Jobs an Bord zu finden. Ich verbringe viel Zeit auf Booten, aber nicht genug Zeit auf See.«

»Verstehe.«

»Darf ich Ihnen einen Drink holen? Ich denke, zum Dinner wird es Wein geben, doch da bisher noch nichts von dem Essen zu sehen ist, werden Sie vielleicht vorher etwas brauchen.«

Dora überlegte nicht lange. Sie hatte Durst gehabt, als Jo ihr einen Drink spendiert und sie sich für einen Henry entschieden hatte. Jetzt schien ihr etwas Stärkeres als Orangensaft mit Soda angebracht zu sein. »Ein Glas Rotwein wäre wunderbar.«

Tom stand bereits. »Hausmarke?«

»Gern.«

Während er fort war, beugte Jo sich über den Tisch. »Ist alles in Ordnung bei dir? Ich meine, von hier aus wirkt er recht süß, aber wenn du nicht glücklich bist, könnte ich mit dir tauschen.«

Dora, die inbrünstig hoffte, dass dieses Bühnenflüstern nicht so deutlich vernehmbar war, wie es schien, antwortete: »Mir geht es gut. Er ist witzig. Kein Problem.«

»Dann wäre das also geregelt.« Jo setzte sich wieder hin und beugte sich dann abermals vor. »Habe ich dich eigentlich gewarnt? Es wird ein Quiz geben.«

»Oh. Das geht schon in Ordnung. Ich werde nichts wissen. Ich werde einfach dasitzen und zusehen.«

Jo lächelte. »Ich kann nur Fragen über Gartenarbeit und Kochen beantworten, und ich wette, davon wird es keine geben.«

Sie beide lehnten sich wieder zurück, und Dora ordnete ihre Messer und Gabeln neu an.

»Also, sind Sie auf der Suche nach einem Job?«, hakte Tom nach, als er mit den Drinks zurückkam.

»Ja, ich denke schon. Ich meine, ab Montag werde ich es sein. Ich wollte mir das Wochenende Zeit lassen, um mich einzuleben.«

Er ignorierte ihre sanfte Ironie. »Was machen Sie denn beruflich?«

Das war eine Frage, die Dora hasste. »Büroarbeit. Nichts allzu Aufregendes.«

»Wo haben Sie früher gearbeitet?«

»Bei einem Makler. Es hat Spaß gemacht.« Tom war wahrscheinlich zu jung, um unangenehme Erinnerungen an Makler zu haben.

»War das Büro sehr Hightech?«

»Nicht übermäßig. Im Grunde kann ich es nicht beurteilen. Ich habe dort gearbeitet, seit ich mit dem College fertig war.«

»Waren Sie nicht auf der Uni?«

Dora schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe an einem Sekretärinnenkurs teilgenommen. Was ist mit Ihnen?« Bisher hatte Tom allein die Fragen gestellt und seine Existenz nicht im Mindesten rechtfertigen müssen.

»Ich bin auch aufs College gegangen. Falmouth. Ich bin Schiffsbauer. Eigentlich noch in der Ausbildung. Ich übernehme Gelegenheitsarbeiten, um zusätzlich Geld zu verdienen.«

»Das klingt interessant.«

»Finden Sie es wirklich interessant, obwohl Sie sich eigentlich gar nicht für Boote interessieren?«

»Wer sagt, dass ich mich nicht für Boote interessiere?«

»Sie wohnen nur deshalb auf einem Boot, weil die Miete erschwinglich ist.« Er grinste.

»Wohnen Sie auch auf einem Boot?«

»Ja, allerdings. Aber nicht auf einem Plattbodenschiff.«

»Oh, müssen Sie wegen Ihres Jobs auf einem Boot leben?«

»Nein, aber wie Sie schon sagten, es ist billig. Die Werft, auf der meine Freunde und ich oft arbeiten, überlässt uns einen Liegeplatz, wenn es uns nichts ausmacht, uns an einen anderen Platz zu verholen, wenn der, wo wir gewöhnlich liegen, wegen eines Auftrags gebraucht wird. Im Augenblick liege ich aber nicht dort. Kein Platz. Vorübergehend habe ich etwas anderes hier in der Nähe gefunden. Es ist sehr praktisch, wenn man mit seiner Wohnung umziehen kann.«

»Ja, wahrscheinlich.«

»Klingt das für Sie sehr eigenartig?«

»Ja. Ich meine, ich komme aus einem kleinen Dorf, in dem alle in Häusern leben.«

»Dies ist auch wie ein Dorf. Der einzige Unterschied ist, dass die Leute auf Booten leben. Ich habe nur für eine Weile die Dörfer getauscht.«

Da Dora vor der Behaglichkeit des Dorflebens geflohen war, wollte sie nicht den ganzen Abend darüber reden und wechselte das Thema. »Was unterscheidet Plattbodenschiffe von anderen Booten, technisch gesehen, meine ich?«

Tom nippte an seinem Bier. »Das ist ziemlich kompliziert, und ich glaube nicht, dass Ihr Interesse so weit geht.« Er sah sie an und lächelte. Tom hatte tatsächlich ein recht nettes Lächeln, jungenhaft und gleichzeitig charmant.

Dora hatte das Gefühl, für kurze Zeit Interesse heucheln zu können, aber nicht allzu lange. Andererseits würde er keine forschenden Fragen stellen, solange sie über Boote sprachen. Sie schwieg, während sie nachdachte.

»Schauen Sie«, sagte er. Wahrscheinlich war er es müde, auf eine Antwort zu warten. »Die Leute stehen auf. Das Essen wird serviert. Langsam kommt Schwung in den Laden.«

Jo beobachtete Dora unbemerkt. Ihre Mitbewohnerin wirkte glücklich. Sie und der gut aussehende junge Mann neben ihr schienen sich bestens miteinander zu amüsieren. Sie war so ein hübsches Mädchen, und es wäre eine Schande gewesen, wenn sie jemanden geheiratet hätte, den sie seit einer Ewigkeit kannte. Jo hatte selbst jung geheiratet, und jetzt kam es ihr so vor, als hätte sie ihr gutes Aussehen und ihren Frohsinn an den ersten Mann vergeudet, der ihr einen Antrag gemacht hatte.

Philip und sie waren Teil einer Clique gewesen, die alle möglichen Dinge unternommen hatte – Ausflüge in Pubs, ins Kino, zu Partys. Dann hatten sie geheiratet, und das wirkliche Leben hatte begonnen.

Michael, der Besitzer ihres Bootes, hatte ebenfalls dazugehört. Auch er hatte ziemlich jung geheiratet, und Jo hatte angenommen, sie hätten den Kontakt mit ihm verloren. Aber anscheinend war Philip mit ihm in Verbindung geblieben und hatte gewusst, dass er inzwischen verwitwet war und mit einer sehr glamourösen, jüngeren Frau in Südfrankreich lebte.

Jo nahm es Michael nicht übel. Theoretisch nahm sie es niemandem übel, wenn er seinem Herzen folgte – sie verübelte es nur Philip, denn immerhin war er mit ihr verheiratet gewesen.

Früher einmal, vor vielen, vielen Jahren, hatte sie sich in einen anderen Mann verliebt. Sie hatte nicht geglaubt, dass Philips Glück im Wesentlichen wichtiger war als ihres, aber sie hatte Rücksicht auf Karen nehmen müssen, auf ihre Eltern, ihre Schwiegereltern und eine ganze Horde anderer Leute, die zutiefst verstört gewesen wären, wäre sie mit jemand anderem davongelaufen. Also war sie geblieben.

Jo hatte noch jahrelang an den Mann gedacht, doch schließlich war die Erinnerung an ihn verblasst, und jetzt konnte sie nicht einmal mehr sein Gesicht heraufbeschwören.

Als Philip sich dann mit der Perle (die wahrscheinlich ein absolut nettes Mädchen war, das lediglich einen Hang zu älteren Männern hatte) eingelassen hatte, war der Verrat doppelt schmerzhaft gewesen, weil sie selbst ihn nicht betrogen hatte, als sie es sich so sehr gewünscht hatte.

Jetzt wandte sie ihre Aufmerksamkeit der Frau zu, die mit ihr redete. Eins der Dinge, die ihr seit ihrem Umzug auf das Kanalboot aufgefallen waren, war der Umstand, dass Gespräche erheblich leichter waren, wenn man etwas Entscheidendes gemeinsam hatte.

»Sie müssen unbedingt einmal zu uns kommen und sich unser Boot ansehen«, sagte die Frau namens Miranda gerade. »Wir haben eine Menge daran getan.«

»Die Drei Schwestern ist ziemlich einfach«, meinte Jo entschuldigend, obwohl sie die Bootsmannskabine für sich selbst renoviert hatte und Dora zu Ehren das Badezimmer, »aber da das Boot nicht mir gehört, kann ich nicht viel deswegen unternehmen.«

»Werden Sie Kreuzfahrten mit dem Boot unternehmen?«, fragte Miranda, während sie sich mit gutem Appetit ihrem Essen widmete.

»Oh nein, das könnte ich nicht. Ich wäre viel zu ängstlich, ganz davon zu schweigen, dass ich seekrank würde.«

»Ich bin auch immer ein wenig nervös, wenn wir aufbrechen, aber dann gewöhne ich mich daran. Vielen von uns Frauen geht es genauso. Wir leben natürlich nicht auf unserem Boot, doch wir verbringen so viel Zeit wie möglich darauf.«

»Wie in einem Wochenendhäuschen?«

Miranda nickte. »Nur dass wir jetzt, da Bill im Ruhestand ist, manchmal mehrere Wochen hier verbringen, wenn ich abkömmlich bin.«

»Was machen Sie denn beruflich?«, erkundigte Jo sich mit echtem Interesse.

»Ich bin Mitbesitzerin einer kleinen Antiquitätenhandlung. Ich brauche nicht oft dort zu sein, da sich die Verkäufer im Laden abwechseln, aber ich arbeite als Einkäuferin. Lilian – das ist meine Partnerin – meint, es hätte keinen Sinn, nur andere Händler zu beliefern. Wir müssen selbst verkaufen.«

»Das klingt so, als würde es Spaß machen.«

»Oh, ja. Ich finde es herrlich. Wir verdienen zwar nicht viel Geld, doch es ist eine sehr abwechslungsreiche Tätigkeit.« Miranda hielt inne. »Und was machen Sie? Oder sind Sie ebenfalls im Ruhestand?«

Mit dieser Frage hatte Jo nicht gerechnet. Im Gegensatz zu Dora, die sich eine Antwort zurechtgelegt hatte, musste sie improvisieren. »Ich denke nicht, dass ich im Ruhestand bin, ich befinde mich eher zwischen zwei Karrieren.«

»Wirklich? Wie wunderbar! Sosehr ich meine Arbeit liebe, fände ich es doch großartig, die Chance zu haben, noch einmal von vorn anzufangen. Meinen Sie nicht auch?«

Mirandas Begeisterung war verblüffend, und Jo musste einen Moment lang nachdenken, bevor sie antwortete. »Ja, da haben Sie wahrscheinlich recht.«

Miranda hob die Hand. »Tut mir leid, Sie empfinden wahrscheinlich ganz anders, doch ich möchte mich immer am liebsten für jeden Job bewerben, den ich sehe. Und ich weiß, dass man mich in meinem Alter nicht als Stallmädchen engagieren würde, auch wenn ich alles über Pferde wüsste.«

»Trinken Sie doch noch ein Glas Wein«, sagte Jo. Sie unterhielt sich prächtig.

»Also, was machen Sie in Ihrer Freizeit?«, fragte Tom Dora, als sie mit vollen Tellern zu ihrem Tisch zurückkehrten.

»Ähm – wie meinen Sie das?« Dora wusste genau, was Tom meinte, aber sie brauchte Zeit, um sich etwas auszudenken. John und sie hatten sich die Zeit damit vertrieben, mit den Hunden seiner Mutter spazieren zu gehen und in den Supermarkt zu fahren. Sie glaubte nicht, dass Tom diese Beschäftigungen besonders beeindruckend finden würde.

»Sie wissen schon, Hobbys und so etwas. Haben Sie sich ein freies Jahr gegönnt?«

»Nein. Sie?«

»Nein. Ich werde reisen, wenn ich genug Geld gespart habe.«

»Das wollte ich auch. Als ich den Job bei dem Makler bekam, dachte ich, es sei nur für den Sommer, doch irgendwie bin ich einfach dort hängen geblieben.«

John hatte nicht reisen wollen, und sie hatte ihn geliebt, daher war sie zu Hause geblieben, um mit ihm zusammen zu sein. Jetzt musste sie sich einen Grund dafür ausdenken, der nichts mit John zu tun hatte.

»Oh? Warum? War es so faszinierend?«

»Seltsamerweise, ja. Ich liebe Häuser.«

»Und ich liebe Boote.«

Sie lachte. »Dann ist es ja gut, dass wir nicht vorhaben, uns zusammenzutun!« Sie verstummte abrupt, denn ihr wurde bewusst, dass sie eben das Thema aufgebracht hatte, das sie so unbedingt hatte vermeiden wollen.

Tom wirkte jedoch vollkommen gelassen. »Oh, ich weiß nicht. Tatsächlich hatte ich vor, Sie mal auf einen Drink einzuladen.«

»Ach ja?«

»Ich werde es Sie wissen lassen, wenn ich beabsichtige, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen«, erklärte er ernst.

»Warnen Sie mich frühzeitig, damit ich mir eine Ausrede ausdenken kann, wenn ich es nicht will.« Sie war plötzlich entspannter. Sie hatte den Männern nicht für alle Zeit abgeschworen, sie wollte nur einfach keine neue Beziehung. Tom machte nicht den Eindruck, als würde er sich wie John mit einer Hypothek, einem Labrador und einer Doppelhaushälfte niederlassen wollen. Er wollte auf Reisen gehen. Das bedeutete, dass er ungefährlich war. Außerdem gefiel ihr sein gewelltes Haar. John hatte strähniges Haar. Ihre Mutter fand, dass er wie Hugh Grant aussah, und in gewisser Weise stimmte es auch. Er trug die gleiche Art von Kleidern. Tom trug Jeans und ein T-Shirt mit einer subversiven Botschaft.

»Kommen Sie, lassen Sie mich Ihr Glas noch einmal auffüllen«, meinte Tom mit einem schiefen Grinsen.

»Okay«, erwiderte Dora.

»Welches ist der längste Fluss der britischen Inseln, Irland eingeschlossen?«, fragte der Quizmaster später am Abend.

Zu Doras Erleichterung hatte sich das Ehepaar neben ihnen mit ihr und Tom zusammengetan, sodass Tom die Fragen nicht ganz alleine beantworten musste.

»Die Themse«, entschied die männliche Hälfte des Paares selbstbewusst. Er hieß Derek.

»Nein! Das muss der Severn sein!«, protestierte Sheila, seine Frau.

Derek und Sheila diskutierten so lange mit Tom über diese Frage, bis Dora sich gezwungen fühlte, das Wort zu ergreifen. »Er sagte, Irland eingeschlossen. In welchem Fall es der Shannon ist.«

»Sind Sie sich sicher?« Drei erstaunte Gesichter musterten sie.

Sie nickte. »O ja. Ich weiß nicht viel, doch was ich weiß, das weiß ich.«

»Aber es muss doch gewiss …«, begann Derek.

»Schreiben Sie’s auf«, sagte Tom. »Wir haben keine Zeit mehr, darüber zu diskutieren. Hier kommt die nächste Frage.«

Doras Beitrag fand allgemeine Anerkennung. Da John Quizsendungen liebte, hatte sie sich viele davon im Fernsehen angesehen. Auf diese Weise verfügte sie über einen Fundus spezialisierten, wenn auch nicht übermäßig nützlichen Wissens. Die drei anderen stellten fest, dass der Sieg ihres Teams ihr zu verdanken sei.

»Das war brillant!«, meinte Tom und küsste sie nachdrücklich auf die Wange.

»Ja!«, stimmten die anderen zu und küssten sie ebenfalls. »Jetzt gehen Sie und wählen Sie einen Preis für uns aus. Wenn möglich, etwas zu trinken.«

Dora kam mit einer Flasche Rum zurück.

Derek und Sheila freuten sich so sehr darüber, gewonnen zu haben. »Normalerweise gewinnen immer die Leute von der Cinderella das Quiz. Sehen Sie sie sich jetzt nur an, die armen Hunde! Und jetzt gehen wir zurück auf die Avocet und machen einen Rumpunsch.«

»Gute Idee«, fand Tom. »Haben Sie Limonen da?«

»Ich fürchte, ich kann nicht mitkommen«, wandte Dora ein. »Ich bin mit Jo hier. Der Frau dort drüben in dem roten Top.«

»O ja«, bemerkte Derek. »Sehr attraktiv. Nun, laden Sie sie ebenfalls ein.«

Seine Frau warf ihm einen scharfen Blick zu. »Sie scheint schon mit ihrer Mannschaft verabredet zu sein. Sie haben, glaube ich, den dritten Platz gemacht.«

»Ich sollte besser zu ihr gehen«, sagte Dora.

Tom sprang auf, um ihr zu folgen. »Laufen Sie nicht weg! Kommen Sie mit und trinken Sie ein Glas Rumpunsch, dann bringe ich Sie nach Hause. Ich würde mich gern noch ein Weilchen mit Ihnen unterhalten.«

»Hören Sie, ich bin im Augenblick wirklich nicht auf irgendeine Art von Beziehung aus.«

Tom grinste. »Ich auch nicht! Ich will nur wissen, ob Sie gern für eine Bootswerft arbeiten würden.«

Dora, der ihre übereilte Bemerkung peinlich war, hoffte, dass er ihre geröteten Wangen nicht bemerkte. »Was?«

»Machen Sie nicht so ein entsetztes Gesicht, ich meinte eine Stellung im Büro. Aber die Werft ist ganz in der Nähe, und die Arbeit würde Ihnen vielleicht gefallen.«

Erleichtert, dass er ihr Erröten nicht mit ihrer Bemerkung über eine Beziehung in Verbindung gebracht hatte, entgegnete sie entspannt: »Sie können mir doch gewiss keinen Job anbieten?«

»Nein, doch ich kann Sie dazu bringen, sich dafür zu bewerben. Und jetzt lassen Sie uns Jo Bescheid geben, dass Sie getrennt nach Hause gehen.«

»Dora war einfach genial in dem Quiz«, sagte Tom, als sie sich Jos Gruppe anschlossen. »Ich bin übrigens Tom.« Er schüttelte Jo auf so ziemlich die gleiche Art die Hand, wie er sie zuvor Dora geschüttelt hatte. »Wir gehen noch auf die Avocet, um unseren Preis zu trinken. Ich werde sie sicher nach Hause bringen. Muss sie zu einer bestimmten Uhrzeit zurück sein?«

Zuerst verstand Jo nicht recht, was er meinte, dann fand sie die Vorstellung zum Schreien komisch. »Nein, muss sie nicht! Sie ist erwachsen und kann tun, was sie will. Lassen Sie sie nur auf dem Rückweg nicht ins Wasser plumpsen. Wo liegt die Avocet? Liegt sie im Bootshafen oder draußen?«

»Draußen«, antwortete Tom, »bei den anderen Besucherbooten.«

»Dann wirst du einen Transponder brauchen«, meinte Jo. »Hier ist mein zweiter, den wollte ich dir vorhin schon geben«, fügte sie hinzu, während sie in ihren BH griff.

»Sie ist große Klasse!«, bemerkte Tom, während er Dora die Treppe hinuntergeleitete. »Und Sie wohnen erst seit einem Tag bei ihr?«

»Ich kannte sie schon als Kind«, antwortete Dora. »Aber Sie haben recht. Sie ist große Klasse.«

Nachdem sie auf der Avocet ihren Preis getrunken hatten, hatte Tom sie noch auf das Boot mitnehmen wollen, auf dem er lebte, um weiterzutrinken, aber Dora hatte sehr entschieden protestiert. Sosehr sie diesen Abend überraschenderweise genossen hatte, es war doch ziemlich spät. Und so zauberhaft Jo zweifellos war, würde sie vielleicht nicht begeistert sein, wenn Dora am nächsten Tag einen höllischen Kater hatte, vor allem, da die Putzarbeiten weitergehen würden.