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Tanja Penninger

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Beschreibung

**Ein Kuss so rein wie Silber** Endlich hat sich die entschlossene Inga ihren Kindheitstraum erfüllt: Als neues Mitglied in den Reihen der Goldenen Schwestern darf sie ihrer ehrwürdigen Königin dienen. Sie ist jedoch keine gewöhnliche Kriegerin, denn in Zeiten des Aufruhrs muss sie als persönliche Leibwächterin das Leben des attraktiven Constantin beschützen – eines Prinzen, mit dem sie tiefe Gefühle verbinden. In einem Land, das von Lügen und Intrigen beherrscht wird, fällt es Inga zunehmend schwerer, ihrem Herzen zu folgen. Schon bald muss sie sich zwischen ihrer Berufung und der Liebe zu Constantin entscheiden … Im Herzen des Kampfes Eine willensstarke Kriegerin, deren Berufung ihr zum Verhängnis wird, ein gut aussehender Prinz, der seiner Rolle gerecht werden muss, und ein zerrüttetes Königreich, das es zu retten gilt. Die perfekte Geschichte für alle starken Frauen und ihre Verbündeten. //Dies ist der zweite Band der packend-romantischen Buchserie »Golden Heart«. Alle Bände der Fantasy-Liebesgeschichte bei Impress: -- Golden Heart 1. Die Kriegerin des Prinzen -- Golden Heart 2. Die Auserwählte der Königin// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Tanja Penninger

Golden Heart 2: Die Auserwählte der Königin

**Ein Kuss so rein wie Silber**Endlich hat sich die entschlossene Inga ihren Kindheitstraum erfüllt: Als neues Mitglied in den Reihen der Goldenen Schwestern darf sie ihrer ehrwürdigen Königin dienen. Sie ist jedoch keine gewöhnliche Kriegerin, denn in Zeiten des Aufruhrs muss sie als persönliche Leibwächterin das Leben des attraktiven Constantin beschützen – eines Prinzen, mit dem sie tiefe Gefühle verbinden. In einem Land, das von Lügen und Intrigen beherrscht wird, fällt es Inga zunehmend schwerer, ihrem Herzen zu folgen. Schon bald muss sie sich zwischen ihrer Berufung und der Liebe zu Constantin entscheiden …

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Vita

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© privat

Tanja Penninger wurde 1992 in Ried im Innkreis (Oberösterreich) geboren, hat Lehramt für Volksschule studiert und arbeitet nun als Lehrerin. In ihrer Freizeit spielt sie Querflöte in einem Musikverein und schreibt Geschichten. Derzeit wohnt sie mit ihrem Mann im Bezirk Braunau (Oberösterreich).

»IHR MÜSST MIR NICHTS BEWEISEN …«

Im Inneren des Gefährts war es dunkel, nur spärliches Licht drang durch die winzigen Fenster an den Seitenwänden.

»Brr«, machte der Kutscher und brachte die Pferde zum Stehen. Ein letztes Mal ruckelte es, dann verharrte die Karosse an Ort und Stelle. Den Gerüchen nach zu urteilen befanden sie sich im Wald. Es duftete nach Kiefern und feuchter Erde.

»Was geht hier vor sich?« Ivan lugte durch die Öffnung und sah Bauern, die sich um das königliche Gefährt versammelt hatten. Sie waren in Lumpen gekleidet, ihre Gesichter zu wütenden Grimassen verzerrt. Zwei Männer hielten Mistgabeln in den Händen und fuchtelten damit vor der Königswache herum.

Der Monarch wollte die Tür öffnen, zu seinen Untertanen sprechen, als …

Patsch!

Erneut donnerte etwas gegen die Kutschenwand. Diesmal erkannte Ivan, worum es sich handelte: eine faule Tomate.

Was zum Unheiligen Urian …

»Mörder!«, schrie eine Frau und schleuderte erneut altes Gemüse an sein Gefährt.

Ivan keuchte. Je mehr er sich der gondrischen Grenze näherte, desto schlimmer wurden die Attacken gegen ihn. Die Leute versammelten sich, um ihn zu beschimpfen … ihn für den Tod von Königin Valerie Vanhaag verantwortlich zu machen. Begriffen diese Menschen nicht, dass er seinen Ehefrauen niemals ein Haar krümmen würde? Er war nicht wie sein Vater, der Agnes erdrosselt hatte. Im Gegenteil. Er sehnte sich nach Liebe!

Die Königswache bedrohte die Bauern, zwang sie das Weite zu suchen. Ihre Klingen funkelten im Sonnenlicht. Tatsächlich ließ sich das Gesindel verscheuchen, doch der Frust in Ivan blieb. Breitete sich aus wie ein Schattenmonster, das ihn auffressen wollte.

Ein paar Meilen mussten sie noch zurücklegen und er war extra in der Nacht schon aufgebrochen. Valerie war zwar erst am Vortag von ihnen gegangen, doch Ivan musste schnellstmöglich bei Herzog Johannson um weiteres Gold bitten. Er brauchte dringend Kapital, um erfolgreich Krieg gegen Noredellä führen zu können. Außerdem wurden die Aufstände der Bürger langsam lästig und es konnte nicht schaden, in einigen Städten Silberne Brüder zu postieren.

Wie schnell sich der Tod der Königin herumgesprochen hatte!

Doch die Unruhen waren im Moment seine geringste Sorge. Würde ihm der Herzog keinen weiteren Kredit gewähren, wäre Kandlot dem Untergang geweiht.

König Ansgars Land im Norden war noch stärker, als er gedacht hatte – trotz des Ausschlusses aus der Kontinentalen Wirtschaft. Was die Zukunft seines eigenen Reiches betraf … Im Moment zögerte er seinen Sohn Niklas zu legitimieren. Er hatte andere Pläne.

***

Ich wollte die Pergamentblüte zerstören, die den Namen von Constantins Auserwählter trug. Nicht meinen gelesen zu haben riss ein klaffendes Loch in meine Brust. Eine Leere, die sich mit brennendem Schmerz füllte. Natürlich war mir bewusst gewesen, dass der Prinz nicht mein Gemahl hätte werden können, doch nach unserer gemeinsamen Nacht hatte ich Hoffnung geschöpft, er würde sämtliche Regeln und Gesetze brechen. Für uns. Für die Liebe. Aber dem war nicht so gewesen. Doch weshalb nicht?

Ich wusste doch, dass er mich liebte! Oder war ich eine Närrin mir das einzubilden?

Meine Lippen bebten. Mit zitternden Fingern riss ich das Papier in Stücke. Jedes weitere Ratschen war wie ein Schnitt tief in mein Herz.

Die Überbleibsel des kleinen Zettels überließ ich dem Wind, der die einzelnen Fetzen davontrug wie Blütenblätter. Mit Tränen in den Augen blickte ich ihnen nach und sah auch meine Zukunft mit Constantin davonfliegen.

Sei stark, mahnte ich mich, an die Worte Schwester Odines denkend. Lass nicht zu, dass ein Mann deinen Stolz bricht.

Ich seufzte tief und wischte mir zarte Tropfen der Trauer von den Wangen.

Auch der Tod der Königin erschütterte meine Welt. Feinsäuberlich errichtete Konstrukte in mir waren ins Wanken geraten, bis sie schließlich gebrochen waren und ein Chaos hinterlassen hatten. Ich war eine Goldene Schwester, ausgebildet, um die Königin zu beschützen. Doch was war ich jetzt?

Mercedes hatte für heute am späten Nachmittag eine Besprechung unter uns Schwestern einberufen. Nachdem sie am Vorabend Ivan Isgehart noch beim Fest der reinen Blüte vor versammeltem Adel des Mordes bezichtigt hatte, war sie verschwunden. Laut Kestrall hatte sie sich in ihrem Zimmer eingeschlossen.

Ich hatte damit gerechnet, dass Ivan sie für diese Frechheit vom Hof jagen würde, doch ihn hatten wir kaum zu Gesicht bekommen. Gerüchten zufolge hatte er sich mit anderen Angelegenheiten auseinandersetzen müssen. Was war wohl dringlicher als der Tod der Königin, seiner Gemahlin?

Dass wir nicht zurück nach Gondra geschickt worden waren, machte meine Befürchtung, Ivan könnte uns zum Schutz der zukünftigen Gemahlin seines Sohnes Niklas einteilen, immer wahrscheinlicher.

Wir Schwestern trafen uns in den Räumlichkeiten der Königin, um unser weiteres Vorgehen zu besprechen. Kestrall schenkte uns zur Beruhigung Wein ein und Finja hatte bereits den Kamin angeheizt. Das prasselnde Feuer besänftigte die Panik in meinem Bauch und der Alkohol beruhigte mein zorniges, tief trauriges Gemüt.

Nachdem wir uns um die knisternden Flammen versammelt hatten, ergriff Mercedes das Wort. Sie war totenblass, doch ihre Stimme erschallte kräftig. »Wir müssen umgehend Sabita informieren, das übernehme ich!«

Selbstredend war es unsere Aufgabe, unverzüglich der Schwester unserer Königin in Gondra Bescheid zu geben. Falls sie nicht schon längst informiert worden war, da sämtliche Spatzen nur noch diese Geschichte von den Dächern pfiffen.

»… und eine Trauerzeremonie organisieren. Nachdem Schwester Tia zu ihrer Nichte eilen musste, erledige ich auch das.«

Finja räusperte sich, zwirbelte ihr dunkles Haar und ließ ihre »Rs« heute härter denn je erklingen. »Ist der Vertrag zwischen Königin Sabita und König Ivan denn nun noch gültig? Muss sie ihm ihre Krieger zur Seite stellen?«

Mercedes nickte. »Ja, der Pakt, Soldaten zu schicken, sollte Kandlot der Krieg erklärt werden, muss eingehalten werden. Andernfalls wäre Sabita als Vertragsbrecherin bekannt und niemand würde mehr mit ihr verhandeln …«

Während die Schwestern besprachen, welche Maßnahmen getroffen werden mussten, stand ich wie eine Statue unter ihnen. Ich hatte das Gefühl, dass ich mit jedem zusätzlichen Schritt, mit jedem Gedanken weiter auseinanderfallen würde. Mein Versagen saß mir tief in den Knochen.

Ich hatte Mutters Tod nicht verhindern können, Vater – durch meine Anwesenheit? – ins Verderben gestoßen und nun auch die Königin im Stich gelassen.

Beim Fest der reinen Blüte war ich abgelenkt gewesen. Zu abgelenkt. Anstatt mir überhaupt Gedanken um die wichtigste Frau des Landes zu machen, hatte ich mich lediglich auf die Ermordung des Königs konzentriert. Kestrall und ich waren gescheitert. Anstatt Ivan würde Valerie in wenigen Tagen begraben werden.

Doch auch Mercedes und Finja fühlten sich miserabel. Jedenfalls ihren Gesichtszügen nach zu urteilen. Finja ballte permanent die Fäuste und knirschte mit den Zähnen, Mercedes wirkte wie gerädert. Zwar versuchte sie alle Fäden zu ziehen und einer geschickten Puppenspielerin gleich alles ins Lot zu rücken, doch ich sah ihr an, dass sie durcheinander war. Hektisch leerte sie ein Weinglas nach dem anderen. Kein Wunder. Ihre Liebste war vor ihren Augen tot umgefallen.

»Was ist denn nun unsere Aufgabe?«

Finja sprach aus, was auch in meinem Kopf herumspukte. Die Königin war gefallen. Ich stellte mir ein Schachbrett vor, auf dem eine weiße Damen herumkullerte. Sollten wir abwarten, bis uns der König eine Aufgabe zuwies?

»Schwestern«, setzte Kestrall ruhig an, »überlegt, was war das Wichtigste im Leben Königin Valeries?«

Mercedes nickte, als wäre ihre Mitschwester mit den graubraunen Haaren eine kluge Schülerin. Dabei war es Mercedes, die wesentlich jünger wirkte.

Die Eisstarre fiel von meinen Schultern. Ich riss wachsam die Augen auf. Mir war die Antwort bewusst. Sie schimmerte so kristallklar wie der Veronikasee im Morgenlicht.

Ich trat einen Schritt vor, hob die freie Hand, um mir Gehör zu verschaffen. »Der Prinz!«

Constantin war das einzige Kind der Königin. Ich erinnerte mich noch genau an ihre Worte, damals, als sie mir den Dienst, ihn zu beschützen, aufgetragen hatte: »Als Königin und Mutter gibt es Wertvolleres als das eigene Leben, Schwester Inga. Die Zukunft meines Sohnes. Du könntest mir keinen bedeutenderen Dienst erweisen, als Prinz Constantin vor Unheil zu bewahren.«

»Schwester Inga hat recht«, pflichtete mir Kestrall bei. Sie leerte ihr Glas, stellte es am Kaminsims ab. »Wir werden alle für seinen Schutz sorgen, Schwestern! Inga, du …«

Es klopfte.

Wir drehten gleichzeitig unsere Köpfe zur Tür. Der unangetastete Wein in meinem Glas schwappte, fast hätte ich etwas auf den Teppich vor dem Kamin geschüttet.

Ein Bote des Königs lugte herein.

»König Ivan lässt ausrichten, dass am Abend eine Ratssitzung abgehalten wird. Es gibt Neuigkeiten zu verkünden.«

Mein Herz wurde schwer. Was hatte sich nun wieder zugetragen?

Wie und wann würde die Brautschau enden? Nur Constantin und ich wussten, wessen Name die Pergamentblüte geziert hatte. Der Gedanke daran war Gift für mein Herz. Ich musste es verschließen, eine Mauer darum ziehen. Warten, bis sich die passende Gelegenheit ergab, Constantin deshalb zur Rede zu stellen. Er wusste ja nicht, dass ich die Blüte gelesen und damit meinen inneren Untergang heraufbeschworen hatte.

***

Katga drehte sich glückselig im Kreis. Sie hatte ein süßes Geheimnis, eines, das den Lauf der Dinge für immer verändern würde.

Vor seiner Reise zu Herzog Johannson hatte sich der König bei ihr angekündigt. Katga war sehr nervös, machte sich mithilfe ihrer Dienerin hübsch, flocht ihr goldenes Haar zu einem Zopf und strich sämtliche Falten im pfirsichfarbenen Rock glatt. Das Kleid entsprach der neuesten Mode, war eine Sonderanfertigung aus einer von Großherzog Pendelös Webereien. Ihre Freundschaft zu Lady Calla war durchaus von Vorteil! Dass Ivan am Tod Valerie Vanhaags schuld sein sollte, glaubte Katga nicht. Ein zärtlicher Liebhaber wie er könnte niemals zu solch grausamen Taten fähig sein.

»Liebste Katga«, hauchte der König und gab ihr einen Kuss auf den Handrücken. Vor Wonne ging ihr Herz fast in Flammen auf und am liebsten wäre sie ihm um den Hals gefallen. Dass sie, um an Ivans Seite zu bleiben, den zu legitimierenden Sir Niklas ehelichen sollte, störte sie nicht. Im Gegenteil. So würde sie Königin werden! Das war es, was sie sich sehnlichst gewünscht hatte – schon immer.

Doch das Schicksal hatte einen anderen Plan für sie. Denn kaum befand sich Ivan zehn schwere Herzschläge lang in ihrem Gemach, rückte er auch schon mit der Sprache heraus. »Katga«, sagte er, »der Tod meiner Gemahlin hat mich zum Witwer gemacht. Noch sind meine besten Jahre nicht gezählt. Ich bin nach wie vor dazu imstande, Erben zu zeugen …«

Katga senkte den Blick, kicherte. Dass in dem König noch genug Feuer loderte, um seinen Lenden eine ganze Schar an Nachkommen zu entlocken, glaubte sie ihm sofort.

»Daher«, fuhr er fort, »habe ich beschlossen erneut zu heiraten. Eine junge Dame, die mir besonders am Herzen liegt.«

Vor Schreck stockte ihr der Atem.

»Euch«, hatte Ivan gewispert und sie so strahlend angelächelt, dass Katga vor Rührung die Freudentränen gekommen waren.

Sie würde Königin werden. An der Seite des Mannes, den sie liebte und begehrte.

Das Glück war ihr hold.

***

Finja und Mercedes gingen ihrer Wege, doch ich wollte noch etwas mit Kestrall besprechen. Ihr konnte ich vertrauen, schließlich hatte sie mir nicht nur das Leben gerettet, sondern mir auch geholfen meinen guten Ruf als Goldene Schwester aufrechtzuerhalten, als ich zu schwach gewesen war den Dämonenträger zu töten. Prinzessin Britta zu töten.

Ich verriet ihr, was ich am Tag des Festes der reinen Blüte gesehen hatte.

»Du denkst, dass ein weiterer Dämonenträger am Hofe weilt, Inga?«, fragte Kestrall und nippte an ihrem Weinglas.

»Zwei leuchtende Augen starrten mich an«, bestätigte ich flüsternd.

Kestrall runzelte ihre Stirn und bedachte mich anschließend mit einem langen sinnierenden Blick.

»Lass uns wachsam sein, Inga«, meinte sie dann lediglich und senkte ihre Lider.

***

Eine Ratssitzung – und er musste teilnehmen? Constantin überlegte, was sein Vater plante.

Der Prinz verweilte in seinem Gemach, wollte allein sein und den Tod seiner Mutter verdauen – falls das überhaupt möglich war. Er begriff nicht, wie es dazu hatte kommen können.

Dass Valerie nun nicht mehr unter ihnen weilte, quälte ihn.

Plötzlich kam er sich vor wie ein elender Narr. Anstatt zu dem Krieger zu werden, den seine Mutter gern gesehen hätte, hatte er sich zu einem unfähigen Kümmerling entwickelt. Einem Hampelmann, der sich vor dem Kämpfen drückte und nicht mit Waffen umgehen konnte.

Doch noch war nicht aller Tage Abend. Er würde die Königin stolz machen – Dion hab sie selig!

Mit beiden Händen umschlang er seine dampfende Teetasse. Die duftenden Kräuter spendeten ihm Trost, beruhigten seine Nerven. Er fragte sich, was die Neuigkeit war, die sein Vater am Abend in der Ratssitzung kundtun wollte. Was führte er nun wieder im Schilde? Wollte er die Legitimation von Niklas präsentieren? Und ihn – Constantin – vom Hof jagen, um ihn bei Nacht und Nebel heimlich im Wald töten zu lassen?

Nein. Ivan war gewiss bewusst, dass es keinen Sinn hätte, dem Volk in diesen schweren Zeiten einen neuen Thronfolger zu verkaufen.

Auch Constantin selbst hatte einflussreiche Freunde um sich geschart, die in jedem Fall zu ihm und nicht zu Niklas – diesem elenden Bastard – stehen würden. Mit seinem Verhandlungsgeschick konnte er sich Gehör verschaffen und Bündnisse schmieden. Er kümmerte sich um die Cholera in Pendlet, hatte den Bauernaufstand in Rhös abgewiegelt. Zahlreiche Adelige vertrauten ihm, dem rechtmäßigen Sohn des Königs, und waren ihm Dank schuldig. Was also sollte sich heute Abend schon zutragen?

Geht es um die Brautschau?

Constantins Magen zog sich krampfartig zusammen. Er blickte aus dem Fenster hinauf zum Himmel. Wolken verdeckten gerade die Sonne. Hingen wie dunkle Schwaden über dem Kiefernwald. Ebenso dunkel und schwer wog sein Gemüt.

Er liebte Inga. Würde, wenn nötig, für sie sterben. Und doch – oder gerade deshalb – hatte er einen anderen Namen auf das Pergament geschrieben.

***

Missmutig kehrte Ivan von seiner Reise zurück. Gedankenverloren riss er sich den Pelzkragen von den Schultern und schleuderte ihn in eine Ecke seines Gemachs. Vor sich hin schimpfend entkorkte er eine Weinflasche und füllte sich ein Glas. Bis zum Rand. Dieses leerte er in nur einem einzigen Zug.

»Ah«, machte er und goss sich erneut die blutrote Flüssigkeit nach, ehe er sich in seinen Samtsessel neben dem Kamin fallen ließ. Seine beiden Hofhunde Ares und Cato lagen vor seinen Füßen und blickten fragend zu ihm empor. Seufzend bückte er sich und kraulte einen der Wolfshunde hinter dem Ohr. Mit der zweiten Hand führte er den Kristall an seine Lippen und nippte wieder am beruhigenden Alkohol.

Nicht nur, dass Herzog Johannson über die Vergabe eines weiteren Kredites nachdenken musste, nein, er hatte von Großherzog Carlson von Pendelö auch noch erfahren, dass dieser überlegte seine Tochter aus dem Wettbewerb zu nehmen. Als neuen Heiratskandidaten hatte der Webereibesitzer König Brion genannt. Pah! Ausgerechnet den Vater dieser Dämonenträgerin. Lady Calla war viel zu zart, um einen derart grobschlächtigen alten Fettsack zu ehelichen.

Vielleicht sollte er vorschlagen, Lady Calla Niklas zur Frau zu geben. Bestimmt wäre die kleine Pendelö dankbar – und das Geld ihres Vaters würde von nun an in seine Tasche wandern.

***

»Herzog Johannson muss überdenken, ob er Kandlot einen weiteren Kredit gewährt. Nun, ich bin sicher, er wird zur richtigen Schlussfolgerung kommen, er war guter Dinge!«

Mit diesen Worten eröffnete König Ivan die Ratssitzung.

In der Mitte des holzvertäfelten Saales prangte ein kreisrunder Tisch, um den sich der König, meine Goldenen Schwestern, Isidor Isgehart – des Königs Bruder – und Niklas bereits scharten.

Ich war gemeinsam mit Constantin erschienen. Während dieser schlichte Leinengewänder trug, wartete sein Halbbruder Niklas in prunkvollen Stoffen auf. Eingehüllt in feinste saphirblaue Seide thronte er neben seinem Vater und grinste frech in die Runde. Die Bandagen um sein Gesicht ließen ihn bedrohlich wirken. Eines seiner Augen würde nie mehr funktionieren. Meine Klinge hatte saubere Arbeit geleistet.

Ich hatte gehofft noch vor der Sitzung mit dem Prinzen allein sein und ungestört mit ihm sprechen zu können. Doch seit die Königin tot war, hatten weder er noch ich eine freie Minute gehabt. Sogar die Nacht hatten wir getrennt voneinander verbringen müssen.

Nervös nahmen wir auf den samtbezogenen Stühlen Platz.

Mein Blick fiel auf das Wappen Kandlots, das neben dem steinernen Kamin zur Schau gestellt wurde. Plötzlich wirkte das silberne Schwert auf dem blauen Hintergrund gefährlich, als wollte es auf mich herabstürzen und mich in zwei Teile schneiden.

»Nun, um mit offenen Karten zu spielen …«

»Pah!« Kaum ergriff der König das Wort, wurde er auch schon von Schwester Mercedes unterbrochen. Die Goldene Schwester stieß abwertend die Luft aus und verschränkte die Arme. »Das wäre ja mal etwas ganz Neues!«

König Ivan biss die Zähne zusammen. Niklas hingegen sprang auf, donnerte mit der Faust auf den Tisch und brüllte: »Halt’s Maul, du dummes Weib! Vor dir sitzt der König!«

Die Stimmung im Raum war bis zum Zerreißen gespannt. Ich fühlte mich unwohl, war müde, wäre am liebsten aufgesprungen und weggelaufen. Gleichzeitig aber brannte ich neugierig darauf, welche Botschaft der König an uns richten würde. Angeblich gab es ja Neuigkeiten!

Der König hob beschwichtigend beide Hände und schüttelte tadelnd den Kopf. »Zügle dein Temperament, Junge. Du vergreifst dich im Ton!«

Sofort ließ sich Niklas wieder in den Sessel fallen, knurrte jedoch weiterhin wie ein Bluthund, der Witterung aufgenommen hatte.

»Ich habe beschlossen«, fuhr der König fort und kratzte sich am Bart, »dich, Niklas, in den zu Krieg schicken, damit du deine Kampfgelüste in den Griff bekommst.«

Entsetzt riss der Bastard den Kopf herum. Damit hatte er offenbar nicht gerechnet.

Und ich auch nicht.

Wir Schwestern waren davon ausgegangen, dass Ivan heute die Legitimation seines Erstgeborenen mit allen Mitteln umsetzen würde, und hatten uns dementsprechend vorbereitet. Hatten Listen mit Adeligen angefertigt, die treu zu Constantin standen.

»Ein zukünftiger König«, knurrte Niklas nun und riss mich aus den Gedanken, »sollte in Sicherheit sein.«

Ein zukünftiger König! Diese Aussage war mir zu viel.

»Constantin wird irgendwann Kandlot regieren«, rief ich energisch und wäre fast aufgesprungen – wie Niklas vorhin. In letzter Sekunde konnte ich mich beherrschen und meine Fingernägel stattdessen in die samtigen Armlehnen krallen.

Der König hob eine Augenbraue, beäugte mich spöttisch. Ihm gefiel meine Weißglut offenbar.

»Ich will euch beide aus den Augen haben«, verkündete Ivan mit dumpfer Stimme und blickte erst Niklas, dann Constantin eindringlich an. »Geht nach Minsöd an die Grenze zu Noredellä. Keiner von euch soll mir den Thron rauben.«

Vor Schreck schnappte ich nach Luft. Hatte ich das gerade richtig verstanden? Schickte der König seine beiden Söhne an die Front? War er denn von Sinnen? War das seine Neuigkeit?

Nein, ich musste da etwas missverstanden haben …

Doch Ivan grinste süffisant. »Noch kann ich Kinder zeugen und es verweilen hübsche Frauen am Hof. Die Brautschau wird wie geplant fortgesetzt – nur der Junggeselle ändert sich.«

Ich blinzelte. Mehrmals. Es war, als würde sich mein Kopf strikt weigern, den Sinn dieser Worte zu erfassen.

Schwester Mercedes beugte sich über den Tisch. In ihren Augen loderte Verachtung auf.

»Was habt Ihr vor?«, fragte sie mit einer stummen Warnung im Ton.

Der König lehnte sich entspannt zurück. »Meine Gemahlin ist tot. Ich habe nicht vor lange Witwer zu bleiben.«

Jetzt hatte ich verstanden. Und war wie vom Donner gerührt. Saß da wie erfroren, unfähig mich zu bewegen.

Was geschieht hier gerade?

Konnte es sein, dass Ivan erneut heiraten und Constantin in den Krieg schicken wollte? Wäre dies sein Befehl, würde er den Prinzen ins offene Messer laufen lassen, es wäre sein sicherer Tod!

Finja schüttelte verständnislos den Kopf. »Valerie Vanhaags Körper ist kaum erkaltet und Ihr zieht es in Erwägung, die Kandidatinnen Eures Sohnes zu stehlen? Das ist grausam!«

Ich zitterte. Bebte vor Wut und Panik.

»Er ist nicht mein Sohn!«, sagte der König. »Und ein erkalteter Mann braucht niemanden, der ihm das Bett wärmt – Constantin wird im Krieg fallen.«

Worte, so eisig, dass ich mir fest auf die Zunge beißen musste, um nicht vor Schmerz zu stöhnen. Dem König war bewusst, dass er den Prinzen ins Verderben schickte. Wie konnte er nur so …

»Ihr seid herzlos, König Ivan!« Kestrall sprach meine Gedanken aus.

Der Herrscher lachte zynisch, zupfte schier beiläufig einen losen Faden von seinem Umhang. »Das wärt Ihr ebenso, würdet Ihr jetzt eine Frau an ihn binden, die wenige Wochen später schon ihren Lebensabend als Witwe fristen müsste.«

Die Schockstarre fiel von mir ab. Mein Herz klopfte rasend, schnell und fest, sodass sich meine Atmung beschleunigte. Blut rauschte mir durch die Ohren und ich schrie, um mich selbst zu hören.

»Constantin wird nicht in den Krieg ziehen!«

»Ihr irrt Euch, Lady Inga!«

Constantin!

Ich fuhr herum, wandte mein Haupt in seine Richtung. War diese Aussage aus seinem Mund gekommen? In mir drehte sich alles.

»Aber Cons…, mein Prinz?«, fragte ich und blinzelte, als könnte ich dadurch aus einem Traum erwachen. Oder wenigstens die schwarzen tanzenden Punkte vor meinen Augen verscheuchen, die mein Schwindelgefühl verstärkten.

Constantin schaute mich unverwandt an. Ich erkannte ihn kaum wieder. Plötzlich fühlten sich meine Knochen kalt an, schwer wie Blei. Am liebsten hätte ich geschrien, ihn geschüttelt. Was war los mit ihm?

»Ihr … ähm … habt mich gehört«, sagte er und wandte den Blick ab, starrte auf die Tischplatte. »Wenn der König wünscht, dass ich an der Grenze für unser Land kämpfe, dann werde ich mich seinem Willen beugen. Auch … ähm … Ihr meintet doch, ich solle endlich zum Mann werden und nach den Waffen greifen. Ich bin kein … ähm … Feigling! Ihr solltet Euch freuen …«

War Constantin von allen guten Geistern verlassen? Welche Hirngespinste trieben ihn dazu, derart wahnwitzige Entscheidungen zu treffen? Meine Finger zuckten, ich wollte nach ihm greifen, ihn zwingen, mir in die Augen zu sehen. Am liebsten hätte ich das Holz zwischen uns zerschlagen und ihn in meine Arme gezerrt. So lange festgehalten, bis er mir endlich verriet, was auf einmal in ihm vorging.

Doch das konnte ich nicht. Nicht vor all den Leuten.

Meine Stimme klang belegt, leise. Genauso zerrissen, wie ich mich fühlte. »Ihr müsst mir nichts beweisen …«

Constantin schluckte, weigerte sich noch immer mir ins Gesicht zu sehen. »Das hat absolut nichts mit Euch zu tun. Nicht all meine Entscheidungen betreffen Lady Inga.«

Die Bitterkeit in seiner Stimme versetzte mir einen Stich. Ich schluckte. Wenn die »Ähms« in seinen Worten fehlten, stachelte ihn Kummer oder Zorn an.

»Das«, wisperte ich tonlos und dachte an die Pergamentblüte, »ist mir bewusst.«

Seine Aussage verletzte mich. In mir fiel etwas in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Ein Kartenhaus, das ohnehin schon vom rauen Wind zerrüttet gewesen war. Königssohn oder nicht – Constantin hatte soeben wie ein wahrer Isgehart gesprochen.

Mit den bedeutungsschweren Worten des Prinzen war die Ratssitzung offenbar beendet, denn einer nach dem anderen erhob sich und verließ den Raum. Nur ich konnte noch nicht aufstehen. Hätte ich es getan, wäre ich gefallen und zerbrochen – wie einst Constantins Vase.

Hatte ich mir seine Liebe nur eingebildet? War ich vielleicht nie etwas anderes für ihn gewesen als einfach … ja, seine Wache?!

Außer mir blieb auch der König in seinem Stuhl sitzen. Ich schob meine verletzten Gefühle beiseite, konzentrierte mich auf den Mann mir gegenüber. Diesen grausamen, verachtenswerten Mann!

Ich wollte dem Herrscher Kandlots alle nur erdenklichen Flüche auf den Hals hetzen, ihn mit wüsten Beleidigungen kränken. Doch ehe ich dazu ansetzen konnte, stöhnte dieser auf.

Was, in Dions Namen …

»Inzwischen«, brummte er und wandte seinen Blick gedankenverloren gen Fenster, »bin ich mir unsicher, ob dieser Krieg die beste Lösung war. Vielleicht hätte ich auf Euren Vater hören und einen Handel vorschlagen sollen. Aber Niklas redete derart begeistert auf mich ein, dass ich einlenkte. Dieser Bursche kann sehr … überzeugend sein …«

Ich wusste, wovon Ivan sprach. Und dennoch … »Diese Schlacht war seine Idee?«

Ivan nickte, weiterhin jeglichen Augenkontakt vermeidend. »Bei den Ratssitzungen sprach er stets davon. Wedelte mit dem Vertrag herum, auf dem festgehalten wurde, dass – sollte Kandlot Krieg führen – Gondra verpflichtet wäre mitzuziehen. Er hat auch das nötige Gold für eine Schlacht beim Volk eingetrieben.«

Ich erinnerte mich an ein Gespräch mit Sir Niklas. Er hatte behauptet, die besten Ideen bei den Ratssitzungen zu haben.

Der König fuhr sich übers Gesicht, drehte den Kopf. Blitzartig trafen sich unsere Blicke.

Die tiefen dunklen Ringe unter seinen Augen, der Schweiß auf seiner Stirn … Was ging in ihm vor? War auch er eine Marionette seines Bastards? Zog Sir Niklas die ganze Zeit an sämtlichen Fäden? Schickte er ihn deshalb jetzt in den Krieg, um sich von ihm zu befreien?

»Nun denn«, setzte er an und riss mich damit aus meinen Gedanken. Seine Stimme klang gewohnt barsch und unnachgiebig. Ich war beinahe erleichtert. »Wir haben eine Königin zu verabschieden!«

***

Bestattet werden würde Valeria Vanhaag bei ihrer Schwester in Gondra. Mercedes veranlasste, ihre Leiche unverzüglich ins Nachbarreich überstellen zu lassen. Hier in Kandlot richteten wir eine feierliche Verabschiedungszeremonie aus.

Nachdem der Prinz von seinen Dienern dazu passend gekleidet worden war, marschierte ich zielstrebig in sein Gemach. Ich hatte mir fest vorgenommen ihn von seiner irrsinnigen Entscheidung, an die Front zu ziehen, abzubringen.

Kaum hatte ich seine Räumlichkeiten betreten, verließ mich der Mut. Die Vase auf dem Esstisch war weg! Ich schnappte nach Luft, umschlang meinen Oberkörper. Vorhin hatte ich mich mit einer zersprungenen Vase verglichen, jetzt war das Gefäß gänzlich verschwunden. Was ging in dem Prinzen vor, dass er sogar seine geliebten Kräuter vergaß?

Hatte er auch … uns vergessen?

Der fehlende Geruch der Pflanzen saugte mir die Zuversicht aus den Knochen.

Stumm wie ein Fisch stand ich da, starrte den Königssohn entgeistert an. Seine aufgeputzte Erscheinung in den blau glänzenden Prinzengewändern passte plötzlich in diesen aufgrund der fehlenden Kräuter leblos wirkenden Raum.

Constantin blickte zu mir, ohne mich wirklich anzusehen. Ich hätte genauso gut eine beliebige Dienerin des Hofes sein können. »Ist es schon so weit?«

Ich keuchte. Weshalb schuf er eine Kluft zwischen uns? In meiner Kehle bildete sich ein Kloß. Mein Herz brannte.

»Nein, aber …«

»Dann seid Ihr zu früh hier.«

Dass mich der Prinz derart barsch unterbrach, ließ mich frösteln. Wo war die Wärme im Klang seiner Stimme geblieben? Was hatte ihn verändert?

Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gesponnen, dämmerte mir die Antwort. Ich hatte eine Vermutung, was Constantin zu Stein hatte werden lassen, und bereute so vieles.

***

Inga hatte sich immer einen starken Krieger gewünscht. Jemanden, auf den sie sich verlassen konnte und der bereit war, tapfer in eine Schlacht zu ziehen. Seine Abneigung gegenüber dem Kämpfen hatte sie als »lächerlich« bezeichnet.

Für sie wollte Constantin über seinen Schatten springen und Mut beweisen. Seine Leibwächterin sollte ihn nicht länger für einen Schwächling halten und auch allen anderen würde er beweisen, dass er kein Feigling war.

All die Trauer drängte er in den letzten Winkel seiner Seele. Versuchte sie mit Selbsttäuschung zu erschlagen. Dass der Tod seiner Mutter ein Loch in sein Herz gerissen hatte, durfte niemand sehen. Keiner sollte ahnen, wie schwer ihn dieser Schicksalsschlag getroffen hatte. Ihn wie ein Hammer zerquetscht hatte! Ausgerechnet als sie sich plötzlich für ihn interessiert, sich nach seinen Wünschen und Plänen erkundigt hatte, war sie aus dem Leben gerissen worden. Sie hatte ihm noch geraten seinem Herzen zu folgen. Nun, das hatte er tatsächlich tun wollen. Wäre sein Plan mit dem vorübergehenden Todesgift gelungen, befände er sich jetzt in einer gondrischen Gaststätte und würde nach einem Weg suchen, Lady Inga zu sich zu holen. Doch dieses Vorhaben war gescheitert. Alles hatte sich geändert.

Constantin atmete tief ein und aus, schüttelte den Kopf, um sich wieder zu fangen.

Die Enttäuschung in Ingas Blick konnte er sich nicht erklären. Endlich versuchte er der Mann zu werden, den sie verdient hatte. Ein starker, edler Krieger!

Dass sie dennoch aussah, als würde sie jeden Augenblick zu weinen anfangen, musste mit dem Tod der Königin zusammenhängen. Sie hätte ihr Leben geopfert, um das seiner Mutter zu schützen. Alle Goldenen Schwestern wären dazu bereit gewesen.

»Bitte«, wisperte Inga erstickt und ging auf ihn zu, »zieht nicht in den Krieg. Kandlot braucht Euch hier!«

Constantin schluckte, verdrängte den Wunsch, nach ihren Händen zu greifen. »Kandlot … ähm … braucht einen furchtlosen Thronfolger!« Er verschränkte die Arme.

Diese Geste brachte Inga wohl dazu, stehen zu bleiben. Die Goldene Schwester runzelte die Stirn, wirkte nachdenklich. »Gewiss«, flüsterte sie und fügte kräftiger hinzu: »Einen lebenden!«

»Ihr denkt, dass ich … ähm … sterben werde?«

»Ich weiß es. Ihr seid das Kämpfen nicht gewöhnt!«

Constantin nickte, schließlich hatte sie recht. Dennoch blieb er bei seinem Entschluss. »Nun, das wird sich … ähm … ändern.«

Inga schüttelte den Kopf, als läge er falsch. Ein Schatten huschte über ihr Gesicht und Tränen glitzerten in ihren Augen. »Ich erkenne Euch nicht wieder. Bitte lasst Eure wahren Gefühle zu!«

Constantin hielt die Luft an.

Was wollte sie von ihm? Dass er sie küsste? Nein, dann würde er zusammenbrechen. Alle Emotionen würden hochkommen und ihn von seinem Entschluss abbringen.

Inga stöhnte verzweifelt, streckte erneut eine Hand nach ihm aus, zog sie jedoch gleich wieder zurück.

»Constantin«, sagte sie beschwörend, »Eure Mutter ist tot. Ich weiß, dass Ihr am Boden zerstört seid. Lasst mich Euch helfen!«

Inga durchschaute ihn. Kannte ihn inzwischen durch und durch. Dass sie wieder ihre Grenzen überschritt, interessierte sie offensichtlich gerade nicht.

Obwohl er sich nichts sehnlicher wünschte als ihren Trost, wusste er, dass er standhaft bleiben musste. Kandlot brauchte jetzt keinen weinerlichen Weichling. Das Volk sollte sehen, dass er ein würdiger Thronfolger war. Stark genug, um in den Krieg zu ziehen.

Er würde nicht fallen, würde bis zum Aufbruch das Kämpfen üben. Seine Mutter wäre stolz auf ihn gewesen! Und Inga … sie würde stolz auf ihn sein!

»Ihr … ähm … wollt mir helfen?«, fragte er und wies auf die Klinge an ihrem Gürtel. »Dann trainiert nach der Trauerfeier mit mir. Ich werde mein Bestes geben.«

Inga verzog das Gesicht, als hätte er sie geschlagen. Dabei war sie es gewesen, die ihn vor kurzer Zeit zum Bogenschießen und Schwertkampf ermutigt hatte.

»Ich übe mit Euch«, versprach sie. »Aber erst solltet Ihr angemessen Abschied nehmen und trauern. Eure Mutter ist gestorben!«

Constantin zwang die in seiner Brust aufkommenden stechenden Schmerzen in die Schranken und schloss die Augen. »Habt Ihr je den Tod Eurer Mutter beklagt?«

***

Katga ließ ihre Hände in ihr Kleid gleiten und hob den Rock vorsichtig an, um nicht über die Stufen zu stolpern. Das kostbare Gewand raschelte.

Die Trauerfeier fand im großen Speisesaal statt. Lilien zierten die Holzbalken an den Wänden und verliehen dem Raum die passende Atmosphäre. Auch das Tischgesteck bestand aus diesen Blumen. Unter den weißen Lilien steckten rote Pfingstrosen, die Lieblingsblumen der Königin. Katga hatte einmal in ihr Gemach gelugt und diese Pflanze überall entdeckt.

König Ivan hatte, wie es sich gehörte, den Stadtadel geladen und begann eine schwülstige Rede, kaum dass alle Platz genommen hatten. Die Berater – vermutlich hauptsächlich sein Bruder Isidor – mussten gute Arbeit geleistet haben, denn aufgrund der Worte hätte man tatsächlich glauben können, der Monarch bedauerte den Tod seiner Gemahlin.

Katga trug ihr schönstes schwarzes Kleid, das an den Ärmeln mit Spitzenverzierungen überzeugte. Die Perlenketten an ihrem Hals verliehen ihrem Aussehen den letzten Schliff. Der König selbst hatte ihr diese geschenkt.

Auch alle anderen Kandidatinnen waren dem Anlass entsprechend gekleidet und hielten ihre Häupter gesenkt.

Lady Ylvie prahlte mit ihren teuren Gewändern, die sie dank ihrer »Freundin Carla« – der Großherzogstochter Calla Pendelö – erhalten hatte, und schaffte es somit erneut, sich unpassend zu benehmen.

Lady Xenia verdrehte bei jedem ihrer Worte die Augen, was ebenfalls wenig damenhaft war. Nur Calla verhielt sich wieder einmal vorbildlich, sah dazu auch noch umwerfend aus. Das nachtschwarze Kleid mit den eingewobenen Perlen hob ihre silbergrün funkelnden Augen wie Sterne hervor. In ihr kastanienbraunes Haar war ein schwarzes Samtband geflochten worden, das wiederum zu dem schlichten Gürtel ihres Kleides passte. Sie fiel auf wie der Abendstern am Nachthimmel.

Dennoch würde sie, Katga, Königin werden! Ivan hatte sie gewählt. Dieses geheime Wissen zauberte ihr immerzu ein Lächeln auf die Lippen, welches nur schwer zu unterdrücken war. Es gehörte sich nicht, bei der Trauerzeremonie wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen.

Nach der Ansprache wurde ein herzhaftes Mahl aufgetragen. Katga bediente sich an den Speisen und unterhielt sich unterdessen mit dem Bruder des Königs.

Die Goldenen Schwestern standen hinter Prinz Constantin, als wären sie allesamt nun für seine Sicherheit zuständig. Katga hatte schon überlegt, was die Frauen nach dem Ableben ihrer Herrin tun würden, und hätte auf ihre Abreise nach Gondra getippt. Dass sie dennoch in Kandlot blieben, überraschte sie.

Warum schickte Ivan sie nicht fort? Würden sie in Zukunft für ihre Sicherheit sorgen?

Nach dem Essen erhob sich der König wieder. Seine Miene blieb dem Anlass entsprechend getrübt, doch Katga wusste, welche Worte gleich folgen würden. Erwartungsfroh richtete sie sich kerzengerade auf und strahlte ihren Liebsten an.

Dieser hob die Hände, sprach laut und deutlich.

»Liebe Freunde, nach dem Tod meiner Gemahlin habe ich entschieden … erneut eine Ehe einzugehen.«

Ein Raunen ging durch den Saal. Gewiss waren einige überrascht. Selbst Sven van Ijek, Lady Ylvies Vater und Freund des Königshauses, zog die Augenbrauen hoch.

Die Goldenen Schwestern mussten schon davon gehört haben, denn überrumpelt wirkten sie nicht. Also hatte Ivan sie bereits informiert. Gut so. Dann wussten sie vielleicht auch, wer den Platz ihrer geliebten Herrin einnehmen würde.

Ivan ließ seinen Blick durch den Saal gleiten. »Es ist mir eine Freude, eine der Kandidatinnen der Brautschau zur Frau zu nehmen.«

Lady Ylvie riss den Kopf hoch. »Das is ungerecht«, stammelte sie und stupste Lady Calla an, »ich hab jez son einen Mann, der is zwar sön, aber wenn ich Königin werden könnte …«

Katga blinzelte genervt. Sie wollte nicht das sinnlose Geplapper dieses Mondkalbes anhören, wollte endlich ihren Namen vernehmen!

König Ivan hob sein Glas. »Erhebt Eure Becher für meine neue Königin!«

Katga griff nach ihrem Kristallkelch. Ihre Hände bebten. Ihr Puls rauschte durch ihren Körper, als würde sie Galopp durch die Wälder reiten.

Gleich würde sie als neue Herrscherin Kandlots genannt werden. Gleich würden all ihre Träume in Erfüllung gehen!

Doch … warum schaute er sie kein einziges Mal mehr an?

Warum wich er ihren sehnsüchtigen Blicken aus?

Katga bekam eine Gänsehaut. Hier stimmte etwas nicht.

Des Königs Augenmerk wanderte zu einer anderen.

»Lady Calla von Pendelö!«

***

Ivans Herz blutete, als er Katga tränenüberströmt aus dem Raum rennen sah. Doch er hatte keine andere Wahl gehabt. Kurz vor der Trauerfeier hatte ihn ein Bote mit der Nachricht erreicht, dass Herzog Johannson keine weiteren finanziellen Mittel zur Verfügung stellen würde. Das Königreich stand vor dem Ruin!

Da er wusste, dass Carlson von Pendelö mit dem Gedanken spielte, seine Tochter an König Brion zu verheiraten, hatte er plötzlich einen interessanten Ausweg gesehen.

Eine Heirat mit der jungen Großherzogstochter löste all seine Geldsorgen mit einem einzigen Wimpernschlag. Pendelö gehörten nicht nur die Webereien, er war inzwischen auch Eigentümer sämtlicher Ländereien und dazu ein Mann, auf dessen Wort man zählen konnte.

Glücklicherweise war Carlson mit diesem Handel einverstanden gewesen. Lady Calla selbst hatte keine Wahl gehabt. König Brion war zwar ein paar Jahre jünger, dafür aber beleibt, selbstgefällig und gierig. Sie hätte mit ihm keine Freunde gehabt. Er hingegen würde versuchen der kleinen Pendelö ein guter Gemahl zu sein. Vielleicht war ihm nach Valerie endlich ein Weib vergönnt, das ihn lieben konnte.

Dass er Katga hatte fallen lassen müssen wie eine heiße Kartoffel, nagte an ihm. Er fühlte sich miserabel, schließlich liebte er sie. Die jüngste Ericson jetzt weinen zu sehen, bohrte ein klaffendes Loch in seine Brust. Alles an ihr erinnerte ihn an Silka. Ihr Geruch nach Maiglöckchen, ihr goldblondes Haar …

Und doch – das erfreute Gesicht Lady Callas linderte seinen Schmerz, auch wenn ihr Lächeln wahrscheinlich einstudiert war. Die hübsche Großherzogstochter erhob sich von ihrem Stuhl und schritt elegant wie eine Elfe auf ihn zu. Kaum trafen sich ihre Blicke, rührte sich etwas in Ivans Seele. Erweckte etwas. Zärtlichkeit.

***

Ich war entsetzt. Ivan liebte doch meine Schwester. Dass sie nun aus dem Saal gestürzt war, konnte ich verstehen. Gewiss hatte er ihr das Blaue vom Himmel vorgelogen.

Er war grausam! Warum nahm er Lady Calla zur Frau? Wegen des Geldes? Ihr Vater war ein reicher Edelmann, konnte sämtliche Schulden Kandlots begleichen und den Krieg gegen Noredellä finanzieren.

Als ich gesehen hatte, wie das Strahlen aus den Augen Katgas verschwunden war, war mir eiskalt geworden. Meine Knie fühlten sich weich an, mein Mund ganz trocken. Wie musste es da erst meiner Schwester ergehen? Plötzlich wusste ich, dass ich ihr beistehen musste. Constantin war in Sicherheit, von allen Goldenen Schwestern umgeben. So konnte ich mich um Katga kümmern.

Schnurstracks marschierte ich aus dem Raum und lief ihr die Gänge entlang bis zu ihrem Gemach hinterher. Meine Schritte hallten von den Wänden wider und ich hörte meinen goldenen Umhang flattern. In den fensterlosen Korridoren war es dunkel, doch ich schnappte mir eine Fackel aus einer Halterung, die gespenstische Schatten an die Wände warf.

Am Zielort angekommen fand ich Katga auf ihrem Bett sitzend vor. Tränen liefen ihr übers Gesicht und sie schluchzte so heftig, dass ihre Schultern bebten. Schnell steckte ich die Fackel fest und eilte zu ihr.

Kaum entdeckte sie mich, schnäuzte sie lautstark in ihr Stofftaschentuch. »Wo ist diese verdammte Burg? Dieses Gedeleen?«

Ich musste trotz der dramatischen Situation schmunzeln. Das wütende Funkeln im Blick Katgas imponierte mir. Endlich durchschaute sie, welch falsches Spiel der König mit ihr gespielt hatte.

Natürlich war ihre Frage nach meiner Ausbildungsstätte ein dummer Scherz gewesen, schließlich würde sie niemals eine Goldene Schwester werden wollen, doch ihre plötzliche Offenheit für meine Vergangenheit rührte mich.

Gerade als ich dazu etwas sagen wollte, trat der Bruder des Königs in Katgas Gemach. Mit großen Augen sahen wir uns an, keiner hatte mit dem anderen gerechnet.

Isidor Isgehart war ein hochgewachsener Mann mit gepflegtem Stoppelbart, strahlend blauen Augen und honigblondem Haar. Er sah seinem schwarzhaarigen Bruder ähnlich, doch die Güte in seinem Blick verriet, dass sein Inneres anders war.

Katga reagierte nicht, seufzte und schloss für einen Moment die Augen. Als sie sie wieder öffnete, presste sie zornig hervor: »Tatsache ist, mich hält nichts mehr in Kandlot. Vater ist tot, Tante Ida in Gondra. Und du, Inga, wirst bald mit Constantin in den Krieg ziehen. Mein Ziel war es, Königin zu werden. Doch jetzt ist dieser Traum vorbei …«

Ich verstand, was meiner Schwester durch den Kopf ging, und war froh, endlich ehrlich mit ihr sprechen zu können.

Für ihre Situation hatte Isidor einen Vorschlag.

»Dann besucht doch Eure Tante in Gondra«, sagte er und ließ sich auf der anderen Seite neben Katga nieder. »Königin Sabita schrieb mir, Ida wäre inzwischen eine Heilige Schwester.«

Katga schnaubte kopfschüttelnd. »Das Kloster der heiligen Della ist der falsche Ort für mich. Ich werde gewiss keine Nonne!«

Isidor lachte auf. Der Laut klang glockenhell. »Niemand hat das verlangt.« Er berührte sie an der Schulter, woraufhin Katga zu zittern aufhörte. »Tatsächlich gibt es in Gondra ebenso eine geraume Anzahl heiratsfähiger Edelmänner …«

Ich blickte Isidor an, als würde ich ihn zum ersten Mal wahrnehmen. Schon einmal hatte ich überlegt, wie nahe sich der Bruder des Königs und meine Schwester standen, eine Antwort darauf fand ich auch jetzt nicht.

»EUCH SCHICKT DER HIMMEL.«

Ivan lächelte. Schon lange nicht mehr war er so gelöst gewesen. Alles hatte sich zum Guten gewendet. Und würde das Volk erst erkennen, wie schön und gütig Lady Calla war, würde es schon wieder zur Vernunft kommen. Andernfalls musste er ein paar der Aufständischen töten lassen. Spätestens dann würde Ruhe einkehren.

Die Zeremonie war schlicht gewesen. In der Schlosskapelle hatten sie sich das Jawort gegeben und zu Mann und Frau erklären lassen. Lady Calla hatte zauberhaft ausgesehen, überirdisch. Ihr Haar war zwar nicht golden wie das von Katga oder Silka, dennoch hatte er das Gefühl genossen, durch ihre braunen Locken zu streichen.

Die Großherzogstochter kannte ihre Pflichten. In der Hochzeitsnacht hatte sie still gelegen und keinen Mucks von sich gegeben. Ihre Haut hatte zart und zerbrechlich wie die einer Porzellanpuppe gewirkt, weshalb Ivan vorsichtig mit ihr umgegangen war.

Die Ehe war in Valerie Vanhaags Bett vollzogen worden. Das hatte sich Ivan gewünscht. Damit triumphierte er über seine einstige Gattin und deren Schwestern und fühlte sich einflussreicher als je zuvor. Niemals wieder würden ihm diese goldenen Weiber einen Strich durch die Rechnung machen, ihn niemals wieder zum Narren halten.

Sie hatten versagt! Die Königin sterben lassen!

Valerie hatte offenbar mehr Feinde am Hof gehabt als gedacht. Feinde, die ihm einen Gefallen getan hatten – ohne dass er es hatte anordnen müssen. Jetzt brach seine Ära an. Ein neues Zeitalter des Glücks.

Kaum schlief die kleine Pendelö, zog sich der König an, schloss die Tür zu ihrem neuen Schlafgemach und ließ seinen Sohn Niklas zu sich rufen.

In dem Raum aus silbernen und blauen Tapeten fühlte sich Ivan wohler. Er setzte sich in den Samtsessel neben dem knisternden Kamin und wartete auf das Eintreffen des Bastards.

Seine beiden Wolfshunde streckten sich auf dem Bärenfell aus. Ivan beugte sich zu ihnen hinab und kraulte ihnen den Hals. Sie hatten ihn nie im Stich gelassen. Weilten in guten und schlechten Zeiten an seiner Seite, so, wie es Valerie hätte tun sollen.

Als es klopfte, setzte sich Ivan wieder auf, rückte das Papier in den Taschen seines königsblauen Mantels zurecht und rief: »Herein!«

Die Flügeltür öffnete sich und Niklas trat ins Zimmer. Die Bandagen in seinem Gesicht leuchteten weiß. Zuvor war er ein schneidiger Bursche gewesen, hatte die Damen mit seinen hohen Wangenknochen, dem gepflegten Bart und seinen funkelnden haselnussbraunen Augen überzeugt. Jetzt sah er aus wie ein Monster.

»Ihr habt mich rufen lassen, Vater!«

Selbst Niklas’ Stimme hatte an Süße verloren, klang kratzig wie ein Reibeisen. Er verzog den Mund, was aufgrund seiner genähten Verletzungen und der Binden wie eine schauderhafte Grimasse wirkte.

Der König nickte gelassen, warf einen Blick ins Feuer. Die Flammen darin loderten hell, wärmten den Raum und tauchten ihn gleichzeitig in ein schummriges Licht.

Ivan wandte seine Aufmerksamkeit wieder Niklas zu. Er erhob sich und sprach: »Ich will dich an den Krieg erinnern. Ich möchte, dass du für unser Land kämpfst!«

Niklas schnaubte. Er verschränkte die Arme und trat einen Schritt zurück. »Ich bin verdammt noch mal ein Königssohn! Sollte regieren, anstatt mich wie ein wertloser Fußsoldat im Dreck zu wälzen. Ihr verspracht mir, König zu werden – jetzt wollt Ihr neue Söhne zeugen. Welch ein Verrat!«

Der König zog eine Augenbraue hoch. Wie konnte sich Niklas erdreisten solch freche Worte an ihn zu richten?

Nun, auch er selbst war ein Meister der Redekunst. Würde ihm zeigen, wer hier das Sagen hatte.

»Du«, sagte er und zeigte mit dem Finger auf Niklas, »bist nicht mein Sohn. Bloß ein Bastard von vielen! Glaubst du, ich hatte neben der Königin und deiner Mutter keine anderen Frauen?«

Die Stimmung war zum Zerreißen gespannt. Ivan nutzte den Schock im Blick seines Erstgeborenen und zog die Legitimation aus seinem Mantel.

»Hiermit«, rief er, »zeige ich dir deinen neuen Platz in der Welt!«

Mit diesen Worten warf er das Papier ins Feuer, wo die Flammen danach griffen wie ein Verhungernder nach einem Stück Brot. Die Ränder des Pergaments wurden schwarz, das Dokument zerfiel zu Asche.

»Nein«, kreischte Niklas und stürzte auf die Flammen zu. Er versuchte das Papier zu retten, doch es war zu spät.

***

Es hieß, Sir Niklas und seine Mutter, die Mätresse Frieda Larsson, hätten den Hof verlassen. Gut so. Ich wünschte, ich würde diesen Bastard niemals wiedersehen müssen. Dass Niklas ein Feigling war, hätte ich mir gleich denken können. Er war nicht einmal Manns genug, um in den Krieg zu ziehen. Stahl sich lieber bei Nacht und Nebel vom Hof.

Constantin blieb bei seinem Entschluss. Er wollte kämpfen. Für Kandlot. Für seine Mutter. Für mich.

Obwohl ich ihm in der Nacht ins Gewissen geredet und ihn gebeten hatte im Schloss zu bleiben, stand er zu seinem Wort. Der Krieg hatte noch am Tag des Festes der reinen Blüte mit einem Überraschungsangriff in Minsöd gestartet. Kandlots Krieger hatten kaum Zeit gehabt, sich dort zu formieren oder zu wappnen. Dass ich Constantin an die Front begleitete, war selbstverständlich. Auch Schwester Mercedes schloss sich uns an, erklärte, dass sie es Valerie schuldig wäre.

Ich konnte ihre Entscheidung verstehen, schließlich waren Mercedes und die Königin mehr gewesen als nur Freunde. Außerdem hatten wir Schwestern vereint beschlossen von nun an dem Prinzen zu dienen und für seine Sicherheit zu sorgen. Jedenfalls, bis uns der König zu anderen Aufgaben zwang. Kestrall und Finja blieben im Schloss und versprachen, uns Boten zu senden, sollte sich etwas Ereignisreiches zutragen.

Kestrall am Hof zu wissen beruhigte mich auch in Anbetracht dessen, dass sich dort möglicherweise ein weiterer Dämon herumtrieb. Sie hatte mich bereits vor Prinzessin Britta beschützt. Bestimmt war sie auch dazu in der Lage, einen weiteren Dämonenträger zu entlarven und wenn nötig niederzustrecken.

***

Begleitet von Silbernen Brüdern und der eigens zusammengestellten Prinzenwache ritten wir los. Der Stadtplatz war noch vom gestrigen Hochzeitstag geschmückt und die Leute jubelten uns zu.

Viele hielten Fähnchen in den Händen und schwenkten diese zum Zeichen, dass sie uns Glück wünschten. Das Volk liebte Constantin und rief ihm motivierende Worte zu. Der Prinz winkte, lächelte höflich und bedankte sich bei einzelnen Bewohnern.

Auch Djanas Familie war erschienen. Ich erkannte sie gleich und winkte ihnen zu. In meiner Brust schmerzte es. Djanas Schwester war lungenkrank und auf Constantins Medizin angewiesen. Was würde passieren, wenn er so lange Zeit weg von zu Hause war?

***

Unsere Reise dauerte Tage. Wir übernachteten in Wirtshäusern und Schenken. Die ganze Zeit über weilten Mercedes und ich an Constantins Seite. Auch in den Nächten bewachten wir seine Gemächer. Wir vertrauten weder den Silbernen Brüdern noch der Prinzenwache genug, um uns friedlich schlafen legen zu können. In mir schlummerte die Angst, der König hätte einem der Soldaten den Auftrag erteilt, den Prinzen zu töten.

Obwohl wir ununterbrochen zusammen waren, wechselten Constantin und ich kaum ein Wort. Meistens waren zu viele Silberbrüder in der Nähe und auch neben Schwester Mercedes wagte ich es nicht, meinen wahren Gefühlen Ausdruck zu verleihen.

Wir kamen in die Stadt Rhös, in der Herzog Rhöslad den Ton angab. Ich erinnerte mich an die Brautschau und an die kläglich weinende Lady Ragna, die unbedingt zu ihrem Liebsten, einem gewissen Kal, hatte zurückkehren wollen. Constantin hatte ihr für diese Verbindung seinen Segen gegeben, doch der Herzog hatte anders gehandelt. Lady Ragna war an einen betagten Edelmann verheiratet und Kal hingerichtet worden.

Ich bekam eine Gänsehaut. Es kam mir vor, als wäre all das eine Ewigkeit her. Zu viel war seither geschehen.

Egal ob es regnete oder ob die Sonne schien – wir setzten unseren Weg an die Front unbeirrt fort. Die Brücke über die Rhös, den zweitgrößten Fluss in Kandlot nach der Senrö, wurde passiert und wir erreichten endlich die Ausläufer der Berge.

Die Mienen im Gebirge Wallak waren der Grund für den Krieg gegen Noredellä. Ivan wollte unbedingt die Erzberge zurückerobern, die sein Vater im Kontinentalen Krieg verloren hatte. Dass König Imger Ansgar diese Gebiete damals als Gegenleistung für den Frieden überlassen hatte, wollte er nicht einsehen.

Ein Bote teilte Schwester Mercedes mit, dass inzwischen auch die Soldaten aus Gondra unterwegs waren. Der Vertrag wurde von Königin Sabita also eingehalten, obwohl König Ivan selbst Auslöser der Kriegserklärung gewesen war.

Valeries Schwester musste eine starke Frau sein. Ich hatte mir schon während der Ausbildung gewünscht, sie eines Tages kennenzulernen.

Seufzend drehte ich mich um, blickte über die schier endlose Kette aus Kriegern. Was, wenn wir sie geradewegs in den Tod führten?

***

Es war nicht mehr weit bis nach Minsöd, wo die Zelte der Soldaten aufgeschlagen worden waren. Ich konnte kaum schlafen und wenn, dann träumte ich wie in vielen, vielen Nächten zuvor von einem blonden Engel, der mein Leben retten wollte.

Wer steckt hinter diesen Fantasien? Wessen Gesicht bleibt mir verborgen?

Egal wer mich da des Nachts beschützen wollte, diese Träume brachten mich dazu, Dion um Hilfe anzurufen. Ich ballte meine Hände zu Fäusten, presste sie an mein Herz und beschwor die Seelen meiner toten Eltern, uns in diesen dunklen Zeiten beizustehen. Was auch immer auf uns zukommen mochte, ich durfte Constantin nicht sterben lassen. Ich war es Königin Valerie und dem Volk Kandlots schuldig. Und mir. Denn ich liebte ihn.

***

Am letzten Tag unserer Reise machten wir in einem schlichten Wirtshaus Rast. Die Bänke waren aus morschem Holz und ich fürchtete, die Tische könnten unter der Last der Bierkrüge zusammenbrechen. Constantin trank keinen Alkohol. Er bestellte sich einen Tee, was mich innerlich aufatmen ließ. In ihm steckte noch der Kräuterliebhaber, der er immer für mich gewesen war. Scheu lächelte ich ihm zu, empfing jedoch einen leeren Blick. Mir wurde übel. Ich wünschte mir so sehr, er würde mir all seine Gedanken mitteilen, seien sie noch so schrecklich. Und ich hätte nichts lieber getan, als ihn festzuhalten und vor allem Kommenden zu beschützen.

Der Wirt setzte dem Prinzen eine Platte mit Fleisch, Käse und Wurst vor. Wir anderen bekamen Brot und Butter. Es musste gespart werden. Das Gold für den Krieg wurde hauptsächlich in die Produktion weiterer Waffen gesteckt.

Neugierig sah ich mich im Raum um. Nur wenige Kerzen erhellten die einfache Stube und außer uns waren kaum Gäste anwesend. Es stank fürchterlich, da wir seit Tagen kein Bad mehr genommen hatten. An mir klebten die Stoffe wie eine zweite Haut und ich hoffte mir hier den Schweiß von der Haut waschen zu können. Vielleicht wurde ich dann auch die Fliegen los, die ständig um mich herumschwirrten.

Gewiss empfand Schwester Mercedes ähnlich, die jedoch nach wie vor wie aus dem Ei gepellt aussah. Ihr Haar glänzte, als wäre es frisch gewaschen, während mir meines zerzaust und unfrisiert über den Rücken fiel.

Constantin hatte tiefe Ränder unter den Augen. Ich vermutete, dass er wenig schlief, und wünschte, ich könnte mich zu ihm ins Bett legen. Aber ich wagte es nicht, ihm näherzukommen. Einerseits lag das an seiner abweisenden Haltung, andererseits an der Anwesenheit der Prinzenwache und Schwester Mercedes.

Nachdem ich mein Butterbrot aufgegessen hatte – die Kruste hatte am meisten gemundet –, trank ich meinen Becher mit Wasser leer und erhob mich. Der Wirt hatte uns ein Zimmer versprochen und versichert, dass wir darin eine Waschschüssel finden würden.

Gerade als ich mich von Mercedes und Constantin verabschieden wollte, sah ich einen kleinen Jungen traurig zwischen den Tischen hervorlugen.

Sämtliches Blut wich aus meinem Gesicht und ich wäre beinahe eingeknickt. Auf der Stirn des Jungen prangte eine offene Wunde. Und das Schlimmste daran war, dass sie sich entzündet hatte. Schwer. An den Rändern klebte schmutziges getrocknetes Blut und noch immer tropfte weiter frisches heraus. Zudem glaubte ich Eiter auszumachen.

»Sie heilt nicht«, erklärte mir der Wirt, der meinen schockierten Blick aufgefangen hatte.

Wie vom Donner gerührt war ich stehen geblieben und bückte mich zu dem armen Kind hinunter. Der Bursche starrte mich matt an. Seine Pupillen funkelten. Nicht vor Freude. Fieber glänzte darin.

Ich schnappte nach Luft, griff nach dem Arm des Kleinen. »Komm«, flüsterte ich liebevoll. »Ich kenne jemanden, der dir helfen wird.«

Kommentarlos folgte er mir zurück zu den Tischen in der Gaststube. Vor Constantin hielt ich an und räusperte mich, woraufhin mich der Thronfolger kurz musterte. Sofort aber wanderte sein Augenmerk weiter und blieb an dem Buben hängen.

»Wir müssen ihm helfen«, erklärte ich unnötigerweise, denn Constantin war schon dabei, sich zu erheben.

Anstatt auf meine Bitte zu reagierten, wandte er sich an den Wirt, der neben mir stand und zwischen dem Prinzen und mir hin- und herblickte. »Wo … ähm … habt ihr euren Kräutergarten?«

Constantins Stirn lag in Falten. Gewiss ging er in Gedanken die Pflanzen durch, die er für die Heilung einer solchen Wunde verwenden konnte. Seine Hände vollbrachten Wunder, das war mir bewusst. Er hatte nicht nur das lahmende Pferd versorgt, das ich an meinem ersten Tag in Kandlot geritten hatte, sondern auch meine Verletzung am Oberschenkel geheilt.

Die Erinnerung an die Nacht, als er den Verband an meinem Bein gewechselt hatte, trieb mir die Röte in die Wangen.

Schnell schüttelte ich den Gedanken daran ab und konzentrierte mich auf das Hier und Jetzt.

Constantin, ich und der Junge folgten dem Wirt hinaus in die Nacht. Sogleich vernahm ich die Gesänge der Soldaten, die ihre Lager am Waldrand aufgeschlagen hatten. An Schlaf dachten die Männer offenbar nicht, obwohl morgen ein wichtiger Tag bevorstand.

Wir marschierten hinüber zu dem kleinen Beet, in dem nur wenige Pflanzen angebaut wurden. Die Luft roch frisch und der vertraute Duft der Kräuter entspannte mich. Gekonnt wählte Constantin einzelne aus und fragte den Jungen anschließend, wie er sich die Wunde zugezogen hatte.

Seine Antwort jagte mir einen kalten Schauder über den Rücken.

***

Constantin wusch die Kräuter und bereitete anschließend einen Verband vor. Inzwischen war er allein mit dem Jungen in dessen Zimmer und hatte die Wunde vorsichtig sauber getupft. Das Kind machte trotz der Verletzung und des Fiebers einen munteren Eindruck, beteuerte wiederholt, welch Ehre es sei, vom Königssohn verarztet zu werden.

Der Prinz musste lächeln. Und doch wurde ihm das Herz schwer.

Das arme Kind war vor wenigen Tagen von der Vorhut des Königs ins Gesicht getreten worden. Die Stiefel der Silbernen Brüder waren aus hartem Material und hatten die zarte Haut mühelos aufgerissen.

Auf die Frage, weshalb er von der Königswache so behandelt worden war, hatte er geantwortet: »Ich hab denen gesagt, dass der König die Königin vergiftet hat. Erzählen sich alle.«

Constantin war verwundert, dass selbst die Menschen hier im Norden Kandlots glaubten, der König hätte seine Ehefrau ermordet. Offenbar hatte sein Vater mehr Feinde als gedacht – oder seine Mutter mehr Freunde, je nachdem.