Golden Horses (Band 2) - Gemeinsam dem Horizont entgegen - Lauren Brooke - E-Book

Golden Horses (Band 2) - Gemeinsam dem Horizont entgegen E-Book

Lauren Brooke

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Beschreibung

Zusammen sind wir stark! An der Küste Kaliforniens liegt die Golden Horse Ranch, wo Träume wahr werden und verletzte Seelen heilen. Gemeinsam dem Horizont entgegen Belle könnte nicht glücklicher sein! Nach dem Meisterschaftssieg mit ihrer Stute Fiesta freut sie sich nun auf lange Ausritte an der sonnigen Küste. Doch da zieht ein Unwetter auf und auf der benachbarten Ranch wird Hilfe gebraucht. In letzter Sekunde gelingt es Belle und ihrer Schwester Elodie, dort ein Pferd zu retten. Aber die Sturmnacht bringt ein großes Geheimnis mit sich, das die beiden für immer verbindet … Band 2 der traumhaften Pferdereihe zum Wohlfühlen! Diese realistische Pferdereihe für Kinder ab 11 Jahren zeichnet sich nicht nur durch das Setting an der kalifornischen Küste, sondern auch durch die Thematik der pferdegestützten Therapien für Kinder und Jugendliche aus. Wichtige Themen wie Mental Health und der Umgang mit Verantwortung werden einfühlsam erzählt. Spannende Reitturniere, erste Schwärmereien und große Gefühle lassen Herzen auf dem traumhaften Reiterhof höherschlagen. Für Pferdefans von Wolkenherz und Elena. Der Titel ist bei Antolin gelistet.

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Seitenzahl: 211

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Inhalt

Kapitel 1 – »Da sind sie!« …

Kapitel 2 – Wenig später hatten …

Kapitel 3 – Als die Beaumonts …

Kapitel 4 – Die Türklingel setzte …

Kapitel 5 – Belle half Jodie …

Kapitel 6 – Als Belle und …

Kapitel 7 – Belle eilte zum …

Kapitel 8 – Als sie aufsah, …

Kapitel 9 – Beim Abendessen war …

Kapitel 10 – »War ja klar, …

Kapitel 11 – »Belle!« Patrick hatte …

Kapitel 12 – Sie kamen in …

Kapitel 13 – Sie ist wie …

Kapitel 14 – Am nächsten Morgen …

Kapitel 15 – Belle runzelte die …

Kapitel 16 – Belle legte einen …

Kapitel 17 – Nach dem Abendessen …

Kapitel 18 – Vierzig Minuten später …

Kapitel 19 – »Wow«, sagte Belle …

Kapitel 20 – »Und?«, fragte Belles …

Kapitel 21 – Als sie die …

Kapitel 22 – Von einer Sekunde …

Mit besonderem Dank an Catherine Hapka

Danke auch an Dean Dibble,

»Da sind sie!« Belle Beaumont zeigte aus dem Fenster des Trucks und ließ den Blick über die Pferde am anderen Ende der Weide schweifen. Sie hatten schon eine Weile nach der Herde gesucht und all deren gewohnte Lieblingsplätze auf der rund vierhundert Hektar großen Ranch abgefahren.

Belles zehn Jahre alte Schwester Elodie lehnte sich an ihr vorbei, um besser sehen zu können. »Sie wirken ziemlich unruhig«, bemerkte sie. »Liegt bestimmt am Sturm.«

Kaum hatte ihr Dad den Wagen zum Stehen gebracht, sprang Belle hinaus und eilte zum Zaun. Das raue, felsige Terrain reichte bis zu einer niedrigen Hügelkette und die Pferde liefen nervös am Fuß des steilsten Hangs auf und ab. In der Herde waren Stuten und Wallache aller Altersgruppen, Größen und Farben, doch Belle kannte jedes Pferd beim Namen, war mit ihrem Temperament und ihrer Vergangenheit vertraut. Sie war auf der Golden Horse Ranch aufgewachsen und diese Tiere gehörten für sie genauso sehr zur Familie wie ihre Eltern und ihre beiden jüngeren Schwestern.

Belles blondes Haar flatterte im Wind, als ihr erste Regentropfen ins Gesicht peitschten. Ein Sommergewitter zog auf – Überreste eines Tropensturms, wie es in den Lokalnachrichten aus San Luis Obispo hieß. An diesem Abschnitt der kalifornischen Küste regnete es von April bis September so gut wie nie, aber den finsteren Wolken nach zu urteilen, die über dem Pazifik heraufzogen, würden sie diesmal ordentlich etwas abbekommen.

Die Pferde konnten den Wetterumschwung spüren. Sie warfen wiehernd die Köpfe zurück, schüttelten ihre Mähnen und liefen rastlos auf und ab. Die Tiere drängten sich dicht zusammen und stießen dabei immer wieder aneinander. Ab und zu ging ein Ruck durch die Herde, und die Pferde verfielen für einige Meter in hektischen Trab oder Galopp, bevor die Anspannung wieder etwas nachließ.

Belle hielt sich am Holzzaun fest, während ihre blaugrünen Augen die Weide nach einer bestimmten Fuchsstute absuchten. Ihre andere Schwester Grace, die zwölf Jahre alt war, stellte sich neben sie. »Fiesta ist irgendwo dort draußen«, sagte Belle. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als eine große Dunkelfuchsstute namens Java strauchelte und beinahe zu Fall kam. »Wenn sie sich verletzt, kann ich das Future Champions Camp vergessen …«

Das Reitercamp zog die besten Nachwuchs-Turnierreiter der gesamten Westküste an. Dies war das erste Jahr, in dem sich Belle um eine Teilnahme bewerben konnte, und ihr Sieg bei den Regionalmeisterschaften bedeutete, dass sie gute Chancen auf einen der heiß begehrten Plätze hatte.

Ihre Eltern hatten ihre Bemerkung gehört. »Da draußen sind Fiesta und der Rest der Herde sicherer als irgendwo sonst«, rief Ben Beaumont seiner ältesten Tochter ins Gedächtnis. »Pferde sind dafür gemacht, draußen zu sein. Das ist von der Natur so vorgesehen.«

»Dein Vater hat recht, Liebes.« Kate Beaumonts britischer Akzent bildete einen scharfen Kontrast zu dem amerikanischen Englisch ihres Mannes. »Fiesta kommt schon klar.« Sie legte einen Arm um Grace, während eine Windbö den nächsten kurzen Schauer in ihre Richtung wehte.

»Hast du dein Handy dabei?« Elodie pikste Belle in den Arm. »Ich möchte die Wolken fotografieren. Die sehen so cool aus!«

Belle fand die dicken eisengrauen Wolken eher beängstigend als cool, doch sie fischte ihr Handy aus der Tasche, entsperrte es und reichte es ihrer Schwester. Elodie schoss mehrere Fotos von der Gewitterfront, die noch schneller vorwärtsdrängte als die aufgebrachte Herde. Im Nu waren auch die letzten Reste des kobaltblauen Abendhimmels hinter einem grauen Schleier verschwunden und die Luft wurde merklich kühler. Der zunehmende Regen ließ das Fell der Pferde dunkler und glänzend erscheinen und drückte ihre sonst so buschigen Mähnen platt.

Wieder ging eine Woge durch die Herde und diesmal entdeckte Belle endlich ihre Stute. Fiesta war ein ausgezeichnetes Turnierpferd – erst vor Kurzem hatten Belle und sie die blaue Schleife bei den Regionalmeisterschaften gewonnen. Doch sie fügte sich nahtlos in die Reihen der zwei Dutzend wetterfesten Pferde und Ponys ein, die auf der Golden Horse Ranch zu Hause waren. Die Tiere erfüllten die unterschiedlichsten Zwecke, ob als wendige Helfer beim Zusammentreiben der Rinderherden, als geländegängiger Ersatz für die Fahrzeuge, um auch die entlegeneren Ecken der Ranch zu erreichen, oder als Therapiepferde. Während Belle ihnen zusah, schnappte eine Stute namens Diva nach Fiesta, woraufhin diese herumwirbelte und nach hinten austrat, bevor sie ans andere Ende der Herde galoppierte.

»Seid ihr sicher, dass wir sie nicht lieber reinholen sollten?«, fragte Belle, obwohl sie die Antwort längst kannte.

»Absolut sicher.« Ihr Vater drückte ihr beruhigend die Schulter. »Hier gibt es keine hohen Bäume, die auf sie stürzen könnten, und zur Not können sie sich drüben im Canyon unterstellen.« Er zeigte auf die tiefe Spalte, die die Hügelkette durchzog. Die Felswände würden den Wind und den Großteil des Regens abhalten und es gab genügend Gras und Blätter, damit die Pferde die Nacht über Nahrung fanden. Es war nicht kalt, und Belle wusste, dass das Fell der Tiere schnell trocknen würde, sobald der Regen aufhörte. Trotzdem war es kein schönes Gefühl, sie hier zurückzulassen, während sie und ihre Familie in ihr gemütliches Haus zurückkehrten.

Plötzlich zuckte ein Blitz über den Himmel, gefolgt von einem unheilvollen Donnerschlag. Elodie schrie erschrocken auf, warf Belle das Handy zu und verkroch sich im Inneren des Pick-up-Trucks.

Die Kamera-App war noch offen und Belle beschloss, schnell ein paar Fotos von den Pferden zu machen. Ein weiterer Blitz durchschnitt das drückende Grau des Himmels und Fiesta bäumte sich am Rand der Herde auf. Belle gelang es gerade noch, ein Foto zu schießen, bevor die Herde kehrtmachte und den Hügel hinaufgaloppierte, um im Canyon Zuflucht zu suchen.

»Wir sollten gehen.« Kate Beaumont hielt ihr dichtes rotes Haar mit beiden Händen zurück, damit der Wind es ihr nicht ins Gesicht wehte. »Die Pferde sind hier draußen vielleicht am sichersten, aber wir definitiv nicht!«

Wenig später saßen alle wieder im Truck. Ben legte den Gang ein und schaltete die Scheibenwischer an, während der Himmel sämtliche Schleusen öffnete. Zum Glück hatte die Familie bereits nach den Rindern gesehen, die auf einer der anderen Weiden standen, sodass sie sich nun auf direktem Weg nach Hause begeben konnten. Sie folgten den Feldwegen, die das Gelände kreuz und quer durchzogen. Als sie die flachere Gegend nahe der Küste erreichten, regnete es so stark, dass Belle nur mit Mühe die Umrisse der Gebäude vor ihnen ausmachen konnte. Ihr Vater parkte so dicht wie möglich an der Veranda des weitläufigen einstöckigen Wohnhauses, konnte damit jedoch nicht verhindern, dass alle auf dem kurzen Stück bis zur Tür völlig durchnässt wurden.

»Ach herrje, ihr seht ja aus wie ein ganzes Rudel begossener Pudel!«, begrüßte sie Della Marcus, die lebhafte deutsche Haushälterin der Beaumonts. Sie stand hinter dem Küchentresen und stellte gerade ein paar frisch gebackene Muffins auf einen Teller. »Nur gut, dass ich eben eine frische Kanne Tee gekocht habe.«

»Danke, Della.« Kate lief durch das große offene Wohnzimmer zur Garderobe an der Hintertür und streifte ihren Regenmantel ab.

Elodie folgte ihr und hinterließ dabei eine Spur aus kleinen Pfützen auf dem Fliesenboden. »Kann ich auch einen heißen Kakao haben?«

»Na klar, Schätzchen«, sagte Della. Sie bückte sich und holte einen Topf aus dem Schrank. »Du auch, Grace?«

Grace nickte. Die mittlere der drei Schwestern hatte mit einer sozialen Angststörung und anderen Ängsten zu kämpfen, durch die es ihr schwerfiel, mit anderen zu reden, selbst mit Menschen, die ihr nahestanden. Ihre Familie und Freunde waren darauf eingestellt und versuchten, Grace die Möglichkeit zu geben, so zu kommunizieren, wie sie sich wohlfühlte.

Della hob gerade rechtzeitig den Kopf, um Grace nicken zu sehen, und schenkte ihr ein warmes Lächeln. »Kommt sofort«, verkündete sie, während sie zum Kühlschrank ging, um Milch zu holen. »Ich mach auch einen für dich, Belle«, fügte sie hinzu.

»Super, danke. Bin gleich wieder da«, antwortete Belle. Die klitschnasse Jeans klebte an ihren Beinen und sie wollte sich dringend etwas Trockenes anziehen.

Sie eilte in den Flur hinaus und von dort weiter in ihr Zimmer. Als sie sich aus der Jeans schälte, fiel ihr das Handy aus der Tasche. Belle hob es auf und vergewisserte sich, dass es weder durch den Sturz noch durch den Regenguss etwas abbekommen hatte. Sie konnte nicht widerstehen, einen kurzen Blick auf die Fotos zu werfen, die sie geschossen hatte. Am besten gefiel ihr das, auf dem Fiesta sich gerade aufbäumte. Vor dem dramatischen Hintergrund sah die Stute stark und wunderschön aus und der über den Himmel zuckende Blitz ließ ihr Fell rötlich golden leuchten.

Sie postete es schnell auf Instagram und schrieb dazu: Fiesta im Sturm. Während sie in Shorts und ein T-Shirt schlüpfte, gab ihr Handy ein leises Ping von sich. Bestimmt hatte ihre beste Freundin Nicole Marshall ihr Foto kommentiert.

Zu ihrer Überraschung stammte der Kommentar jedoch nicht von Nicole, sondern von Patrick Lewers, den sie von ihren zahlreichen Turnierteilnahmen kannte. Bei den Regionalmeisterschaften hatten Patrick und seine talentierte Stute Darcy hinter Belle und Fiesta den zweiten Platz belegt. Belle kannte ihn nicht besonders gut, respektierte ihn aber für seine reiterischen Fähigkeiten. Er hatte das Foto gelikt und geschrieben: Wow! Ein richtiges Wildpferd!

Belle lächelte. Obwohl sich Fiestas Abstammungslinie über mehr als sechs Generationen Appendix Quarter Horses, die speziell für den Reitsport gezüchtet worden waren, zurückverfolgen ließ, musste Belle zugeben, dass sie auf dem Foto tatsächlich ein bisschen wie die wilden Mustangs aussah, die noch durch den Westen der USA streiften.

»So wild wie ihre Besitzerin, meinst du?«, erwiderte sie und fügte ein lächelndes Emoji hinzu.

Patricks Antwort kam sofort: »Das hast jetzt du gesagt! Aber im Ernst, sieht ziemlich heftig aus da draußen. Passt auf euch auf!«

Belle war überrascht. Machte Patrick sich etwa Sorgen um sie, oder war das bloß eine höfliche Floskel?

Wahrscheinlich Letzteres, dachte sie. Wir kennen einander ja kaum …

Bevor sie sich überlegen konnte, ob und wie sie darauf reagieren sollte, waren im Wohnzimmer laute Stimmen zu hören. Im nächsten Moment hämmerte Elodie an Belles Tür.

»Mom hat gerade einen Anruf von der Cortez-Ranch gekriegt!«, rief sie. »Dort ist die Scheune eingestürzt!«

»Was?«, entfuhr es Belle. Sämtliche Gedanken an Patrick waren mit einem Schlag verflogen. Den Cortez gehörte die Buena Vista Ranch, ein mehrere Hundert Hektar großes Areal mit sanften Hügeln und Tälern, auf dem sich Olivenhaine und weitläufige Weiden aneinanderreihten. Neben einer Herde California-Red-Schafe waren dort auch einige Pferde zu Hause. Buena Vista und Golden Horse waren direkte Nachbarn, was in den Maßstäben von San Luis Obispo County bedeutete, dass sie etwa fünfzehn Kilometer voneinander entfernt lagen. Paulo Cortez und Ben Beaumont kannten sich seit der Highschool, aber ihre Familien lebten schon weitaus länger auf der jeweiligen Ranch.

Als Belle aus ihrem Zimmer geflitzt kam, sah sie, wie ihre Eltern wieder in ihre Regensachen schlüpften. »Fahren wir helfen?«, fragte sie und schnappte sich ihre Stiefel, die auf der Fußmatte neben der Tür standen.

»Euer Dad und ich, ja.« Belles Mutter warf Ben einen Blick zu, der mit finsterer Miene am Telefon hing. »Ihr bleibt hier bei Della. Ruft Jodie an und sagt ihr, sie soll für alle Fälle ein paar Boxen bereit machen …«

Sie sprach nicht weiter, doch Belle wusste auch so, was sie dachte. Die Cortez besaßen rund ein halbes Dutzend Pferde, die sie nutzten, um das Land zu bewirtschaften und Besucher auf Touren durch die malerischen Olivenhaine zu führen. Die Boxen befanden sich in der alten Holzscheune und da die Weiden dort nicht den gleichen natürlichen Schutz boten wie die der Golden Horse Ranch, waren die Pferde während des Sturms vermutlich drinnen geblieben. Belle schloss einen Moment die Augen und versuchte, sich nicht das Allerschlimmste auszumalen.

»Ich komme mit«, verkündete sie und griff nach ihrem Regenmantel.

»Ich auch!«, rief Elodie.

Ihre Mutter zögerte und wechselte einen Blick mit ihrem Mann, der soeben das Telefonat beendete. Ben nahm seinen Hut vom Haken neben der Tür und setzte ihn auf. »Wir werden jede Hand gebrauchen können«, meinte er.

Della klopfte Grace auf die Schulter. »Wie wär’s, wenn du bei mir bleibst?«, schlug sie vor. »Wir können Jodie helfen, die Boxen fertig zu machen.«

Grace nickte. Ihr herzförmiges Gesicht war kreidebleich. Insgeheim war Belle erleichtert. Ihre jüngere Schwester konnte mit Stress nicht immer gut umgehen und durch die Dunkelheit und den Sturm wurde es nicht gerade leichter, draußen mit ihr zu kommunizieren. Belle wusste, dass Della, die schon länger zur Familie gehörte, als Elodie überhaupt auf der Welt war, sich gut um Grace kümmern und ihr das Gefühl geben würde, zu Hause genauso nützlich zu sein.

»Dann mal los, Leute!«, drängte Belle und marschierte zur Tür.

Wenig später hatten sie den Hänger angekoppelt und Ben trat aufs Gas. Diesmal nahmen sie keine Feldwege, sondern fuhren auf kürzestem Weg durch das schmiedeeiserne Tor am Eingang der Ranch und von dort auf die Landstraße. Belle saß mit Elodie auf dem Rücksitz, doch beide lehnten sich so weit vor, wie sie konnten, und blickten unruhig in den Regen hinaus, der sie wie ein Vorhang umhüllte.

»Vorsicht!«, rief Belle, als der Truck durch ein Schlagloch holperte und eine gewaltige Wasserfontäne unter ihnen aufspritzte.

»Entschuldigt«, brummte ihr Vater, der mit beiden Händen das Lenkrad umklammerte. Sie konnte an seinen Schultern sehen, wie angespannt er war. »Der Wind hat jede Menge Zeug auf die Straße geweht.«

Schließlich erfassten die Scheinwerfer das Schild der Buena Vista Ranch, das durch den strömenden Regen nur schwer zu entziffern war. Behutsam steuerte Ben den Wagen die kurvige Auffahrt hinauf. Normalerweise endete die schmale Straße in einem aufgeräumten quadratischen Hof vor einer traditionellen Holzscheune. Der Ort hatte einen altmodischen Charme, als könnten jeden Moment Cowboys aus einem Fünfzigerjahre-Western auftauchen.

Der Anblick, der sich ihnen nun im regenverschleierten Scheinwerferlicht bot, war ein ganz anderer.

»O mein Gott …«, flüsterte Belle erschüttert. Der Hof war voller Trümmer, darunter auch eine lebensgefährlich aussehende Drahtrolle. Und die Scheune … Die Scheune war kaum wiederzuerkennen. Mehr als die Hälfte des Gebäudes war eingestürzt und der Rest hielt sich gerade noch aufrecht. Jeder Windstoß brachte die Wände bedrohlich zum Schwanken.

Kaum hatte ihr Vater den Wagen zum Stehen gebracht, sprang Belle hinaus und rannte auf die Scheune zu. Elodie war ihr dicht auf den Fersen. »Wartet!«, rief ihre Mutter und eilte ihnen nach.

In dem Moment erschien Paulo Cortez mit einer kräftigen Pinto-Stute im halb eingestürzten Tor der Scheune. Sobald die Stute die offene Fläche erblickte, riss sie sich los und galoppierte in den prasselnden Regen hinaus.

»Ich hol sie!« Kate Beaumont machte auf dem Absatz kehrt und sprintete hinter der Stute her.

Wie aus dem Nichts kam Paulos Frau Anita angejoggt. »Die anderen beiden sind im Paddock beim Haus«, rief sie Kate zu, die im Vorbeilaufen beide Daumen hob. »Wenn du sie einfängst, kannst du sie dorthin bringen!«

»Wie viele sind noch dadrin?«, brüllte Ben, um gegen das Tosen des Sturms anzukommen.

Paulo schüttelte sich die tropfnassen dunklen Haare aus dem Gesicht. »Drei«, antwortete er. »Zwei sind gleich hier vorne, aber ein Balken versperrt ihnen den Durchgang. Rich versucht, ihn beiseitezuräumen.«

Belles Herz setzte vor Angst um Rich, den Ranch Manager, und die eingesperrten Pferde kurz aus. Ein panisches Wiehern kam von irgendwo aus dem Inneren des beschädigten Gebäudes.

Ihr Vater war bereits auf dem Weg. »Ich packe mit an«, verkündete er.

»Ich auch.« Belle folgte ihrem Vater zum eingeknickten Tor, doch er hielt sie auf.

»Nein«, sagte er entschlossen. »Das ist zu gefährlich. Bleib hier draußen und mach dich bereit, die Pferde einzufangen, sobald wir sie befreit haben. Wir wollen nicht, dass sie auf die Weide laufen, wo wir sie dann nicht mehr finden.«

Belle wusste, dass es zwecklos war, mit ihrem Vater zu diskutieren, wenn er in diesem Tonfall sprach. Also blieb sie, wo sie war, während er mit Paulo und Anita in der Scheune verschwand. Belle konnte ihren Instinkt, hinterherzurennen und den Pferden zu helfen, die dort drin in der Falle saßen, nur schwer unterdrücken.

Sie zuckte zusammen, als ihre Schwester sie anstupste. »Hat Paulo nicht gesagt, es seien noch drei Pferde in der Scheune?«, meinte Elodie. »Wo ist das dritte?«

»Gute Frage.« Zwei steckten Paulo zufolge hinter dem Balken fest. Wo war dann Nummer drei?

Belle legte den Kopf schief und ließ den Blick über die Umrisse der Scheune schweifen, die in diesem Moment vom Flackern eines Blitzes erhellt wurden. Dabei fiel ihr auf, dass der hintere Teil des Gebäudes nicht komplett eingestürzt war, wie sie zunächst gedacht hatte. Halb hinter einigen Zypressen verborgen, gab es eine Ecke, die noch stand.

»Lass uns da mal nachsehen«, sagte sie.

Mit gesenkten Köpfen, um sich halbwegs vor dem strömenden Regen zu schützen, machten die Schwestern sich auf den Weg. Der Wind heulte wie ein wildes Tier, verstummte jedoch abrupt, als sie das hintere Ende der Baumgruppe erreichten. Elodie packte Belles Arm. »Hörst du das?«, rief sie. »Das sind doch Tritte, oder?«

Belle hörte es auch – das Donnern von Hufen, die auf Holz trafen. »Das muss das letzte Pferd sein«, sagte sie.

Elodie zeigte auf etwas. »Da ist eine Tür!«

Ein weiterer Blitz flammte auf und jetzt sah Belle sie auch: eine menschengroße Türöffnung in der hinteren Ecke der Scheune. Die Tür selbst war vom Wind aus den Angeln gerissen worden und zur Seite gekippt, sodass sie den Durchgang teilweise versperrte.

Belle blinzelte, um durch den wogenden Regen etwas zu erkennen. Vorsichtig bahnte sie sich einen Weg durch die herumliegenden Holzbalken und Trümmer zur Tür. Die Tritte kamen von drinnen und nun war auch ein gedämpftes Wiehern zu hören.

»Dadrin ist ein Pferd!«, rief Elodie, rannte an Belle vorbei und kletterte über die umgefallene Tür, die unter ihrem Gewicht gefährlich knarrte.

»Pass auf!«, warnte Belle. »Vielleicht wartest du besser hier draußen, während ich …«

Weiter kam sie nicht, denn ihre Schwester war bereits im Inneren der Scheune verschwunden. Einen Moment später ertönte Elodies Stimme: »Ich hab ihn gefunden! Er sitzt in der Sattelkammer fest!«

Belle krabbelte über die Tür, wobei sie versuchte, nicht darauf zu achten, wie diese unter ihr wackelte und rutschte. Trotz ihrer Stiefel fand sie auf dem nassen Untergrund nur mühsam Halt. Drinnen war es dunkel. Sie holte ihr Handy hervor und öffnete die Taschenlampen-App.

Die Sattelkammer war vollkommen verwüstet. Westernsättel waren aus den Haltern an den Wänden gefallen und lagen überall herum. Satteldecken, Zaumzeug und Putzutensilien hatten sich über den gesamten Holzboden verteilt, der an einigen Stellen aufgebrochen war. In einer Ecke stand ein kleines braunes Pferd, dessen Huf sich in einem der Löcher verkeilt hatte. Elodie ging behutsam auf das Tier zu, während sie leise und beruhigend mit ihm redete. Der Wallach sah noch jung aus. Er war ausgesprochen hübsch, mit einem schiefen weißen Stern auf der Stirn. Belle kannte die meisten Pferde der Cortez, aber dieses war ihr fremd. Das Pferd rollte seine Augen, bis das Weiße darin zum Vorschein kam, und hatte die Ohren flach zurückgelegt.

»Warte, El!«, rief Belle. »Er sieht ziemlich panisch aus.«

Kein Wunder, dachte sie. Er musste aus seiner Box ausgebrochen und hierhergeflohen sein, als die Scheune eingestürzt war. Ein großes Stück Holz, das früher einmal Teil des Heubodens gewesen sein musste, blockierte den Durchgang zum Rest der Scheune. Von der anderen Seite waren gedämpfte Stimmen zu vernehmen, daher vermutete Belle, dass ihr Vater und die anderen irgendwo dort damit beschäftigt waren, die beiden eingesperrten Pferde zu befreien.

Der kleine Braune schnaubte und verlagerte sein Gewicht. Im nächsten Moment trat er mit dem Hinterbein aus und sein Huf krachte donnernd gegen die Außenwand.

»Ruhig, Süßer«, brummte Elodie und streckte behutsam die Hand nach ihm aus.

Er riss den Kopf zurück und starrte sie verängstigt an. Belle drängte sich an ihrer Schwester vorbei und klaubte ein Halfter vom Boden. »Lass mich mal«, sagte sie, während sie das feststeckende Bein des Wallachs musterte. Es war bis zur Fessel im Boden versunken. »Wenn wir ihn erschrecken, könnte er eine falsche Bewegung machen und sich das Bein brechen.«

Ein weiterer Windstoß ließ die Wände erzittern. Die Stimmen der Erwachsenen im vorderen Teil der Scheune wurden laut und der kleine Braune wieherte ängstlich. Belle schluckte und hoffte inständig, dass das Gebäude noch etwas länger durchhalten würde.

»Hi, mein Kleiner«, flüsterte sie. »Wir holen dich hier raus …« Sie hob das Halfter, doch er schnaubte und warf den Kopf zurück.

Da schnappte sich Elodie das Halfter. »Ich mach das«, sagte sie. »Bitte. Ich war gerade dabei, ihn zu beruhigen, als du reingekommen bist.«

Belle war unsicher. Aber es stimmte: Elodie hatte ein Händchen für Pferde, mehr noch als der Rest der Familie. Abgesehen von Kates Assistentin Jodie Fallon war sie bislang die Einzige, die alle vier Beine von Wish, der Appaloosa-Stute, die wenige Monate zuvor aus schlechter Haltung gerettet und auf die Ranch gebracht worden war, berühren und anheben konnte. Also überließ Belle ihr das Feld.

»Wir müssen die kaputte Tür aus dem Weg räumen, wenn wir ihn hier rauskriegen wollen«, sagte sie. »Ich fang schon mal an. Sei vorsichtig, ja?«

Sie watete durch das Meer aus Sätteln und Gerümpel zurück zum Eingang. Die Holztür hatte sich in der Öffnung verkeilt, und als sie versuchte, sie zu verrücken, ging ein besorgniserregendes Knarren durch die gesamte Sattelkammer. Belle drehte sich nach Elodie um, die sachte auf den kleinen Braunen einredete. Er hatte den Kopf gesenkt und schien ihr zu lauschen. Seine Ohren drehten sich nach vorn, was bedeutete, dass sich seine Aufmerksamkeit vom Sturm weg und hin zu Elodie gewandt hatte, doch die Muskeln an seinem schweißnassen Hals zitterten immer noch vor Anspannung.

Belle versetzte der Tür einen erneuten Stoß. Ihre Hand glitt von dem glatten, nassen Holz ab und sie spürte, wie sich ein Splitter in ihren Daumen bohrte.

»Hab ihn!«, rief ihre Schwester.

Als Belle sich umblickte, trug der kleine Braune das Halfter und Elodie befestigte soeben einen Führstrick daran. »Warte«, erwiderte Belle und eilte zu ihr zurück, so schnell es in dem Durcheinander eben ging. »Halt ihn fest, dann versuche ich, sein Bein zu befreien.«

Der Wallach beäugte sie misstrauisch, als sie neben ihm in die Hocke ging. Doch er wehrte sich nicht, als sie seine Fessel mit einer Hand umfasste, so als wollte sie seine Hufe reinigen. Stattdessen hob er gehorsam das Bein und Belle musste es nur ein wenig hin und her bewegen, um es sicher aus dem zerklüfteten Loch zu befreien.

»Puh!«, seufzte sie. In dem Moment war ein weiteres lautes Knarren zu hören und die Rufe auf der anderen Seite der Scheune wurden drängender. »Okay, und jetzt raus hier.«

»Die Tür ist im Weg!« Elodie musste schreien, um den Donner zu übertönen. »Da passt er niemals durch!«

»Ich weiß.« Belle lief zur umgestürzten Tür und stemmte sich dagegen. »Ich versuche, sie beiseitezuschieben. Haltet euch bereit! Ich weiß nicht, wie lange die Wand danach noch standhält. Eins, zwei, drei …«

Mit aller Kraft wuchtete sie die Tür hoch und zur Seite, während sie stolpernd in den Regen hinaustaumelte. Hinter ihr ließ das Bauwerk ein alarmierendes Ächzen und Knarzen hören.

»Beeilt euch!«, brüllte sie und wirbelte herum, wobei sie sich das nasse Haar aus dem Gesicht strich.

Die kleine, blasse Gestalt ihrer Schwester erschien im Durchgang, dicht gefolgt von dem braunen Pferd. Die beiden schafften es gerade so, sich zwischen den Zypressen in Sicherheit zu bringen, als die Scheune ein entsetzliches Kreischen von sich gab.

»Sie stürzt ein!«, rief eine Stimme aus dem Inneren. Sie ging im Tosen des Sturms und dem Bersten der Scheune unter, daher konnte Belle nicht erkennen, ob sie ihrem Vater, Paulo oder Rich gehörte. Ihr schlug das Herz bis zum Hals. Sie packte Elodie und zog sie weiter von dem Gebäude weg. Der kleine Braune wieherte und bäumte sich auf, wobei das Halfter riss. Das Pferd verschwand hinter den Bäumen, während Elodie mit dem schlaffen Führstrick in der Hand zurückblieb. Gleichzeitig sackte die Scheune mit einem ohrenbetäubenden Ächzen in sich zusammen. Zerborstene Balken ragten aus dem Schutt auf, während Bruchstücke der Wände und Fenstersplitter in alle Richtungen geschleudert wurden. Alles schien wie in Zeitlupe abzulaufen und Belle fühlte sich seltsam unberührt, als wäre das alles nur ein Film.

Eine merkwürdige, unnatürliche Stille senkte sich über das eingestürzte Gebäude. Selbst der Wind verstummte für einen Augenblick. Die Sattelkammer, in der der kleine Braune festgesessen hatte, war nicht mehr zu sehen, genauso wenig wie der Durchgang oder auch nur die Tür, die Belle beiseitegewuchtet hatte. Der Sturm hatte die gesamte Scheune dem Erdboden gleichgemacht. Und wir hätten dadrin sein können!, schoss es Belle durch den Kopf. Ihr gefror das Blut in den Adern.

Sie blinzelte, als ihr der Regen ins Gesicht schlug. »Komm!« Sie nahm ihre Schwester bei der Hand und zog sie zur Vorderseite der Scheune.