GREAT WAR GAMES - The Warrior DK - E-Book

GREAT WAR GAMES E-Book

The Warrior DK

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein Spiel. Ein Jahr Sibirien. 120.000 Euro. Als Markus Windmüller die Nachricht bekommt, dass er von seinem Lieblings-TV-Sender auserwählt wurde, an einem Abenteuerspiel teilzunehmen, kann er es kaum fassen. Er und 90 andere junge Erwachsene sollen in der sibirischen Wildnis überleben und in Teams gegeneinander antreten. Das ist die Chance auf das Abenteuer seines Lebens, er muss zusagen. Im Flugzeug malt er sich noch erwartungsfroh aus, wie die kommenden Wochen wohl werden könnten. Doch schon kurz nach seiner Ankunft fragt er sich, wie er sein Team überhaupt zusammenhalten soll.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 325

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über den Autor

The Warrior DK

Im Dezember des Jahres 1998 kam ich in der Kleinstadt Singen am Hohentwiel auf die Welt. In meiner Kindheit war ich sehr naturfixiert, was jedoch während meiner Schulzeit zugunsten von technischen Vergnügungen nachließ.

Nichtsdestotrotz nahm ich mit großer Freude an naturnahen Events, die an der Schule stattfanden, teil. Einige Jahre lang befand ich mich in einer Kajakgruppe und engagierte mich zudem eine Stunde pro Woche im Ziegengehege. Auch war ich bei Wanderungen stets einer der Ausdauerndsten.

Ich war beim benoteten Sport nie eine Sportskanone - im Gegenteil, doch konnte ich stets eine enorme Kraft und Mut für besondere Projekte mobilisieren. So ließ ich mich zusammen mit drei anderen Jungs über Nacht mitten im Schwarzwald aussetzen - mit dem Ziel, den Weg (mehr als 20km) mit zuvor angelernten Orientierungstipps über Stock und Stein zur Schule zurückzufinden und dabei verschiedene Aufgaben zu bewältigen. Das war im Jahr 2017.

So naturnah, wie bei dieser Aktion, war ich nie wieder in meinem Leben. Ich hoffe, dass ich in der Zukunft nocheinmal beweisen kann, dass ich nicht so verweichlicht bin, wie es manchmal scheint…

Ich widme dieses Buch in allererster Linie meiner Heimat, meiner Familie und meinen Bekannten. Ich habe eine schöne Kindheit und Jugend verbracht und schätze als Familienmensch meine Angehörigen sehr. Auch die weitere Sozialsphäre ist nicht zu vernachlässigen.

Des Weiteren widme ich das Werk Antje und Andreas, die die Entwicklung meiner Persönlichkeit am Meisten beeinflusst hatten. In der Schule hatten sie die Aufgabe, Tag und Nacht auf uns Jugendliche aufzupassen. Während Andreas mir das Übernehmen von Verantwortung beibrachte und mich politisch enorm bildete, gab Antje mir und den anderen Jungs emotionale Skills. Sie besaß die Fähigkeit, aus gefühlsmäßigen Holzfällern empathische Menschen zu machen.

Viel zu verdanken habe ich auch Frau Gerspacher, der besten Lehrerin auf diesem Planeten, Frau Auerbach, Herr Fiederlein und Jacobs sowie Frau Arnold, meiner ehemaligen Deutsch- und Französischlehrerin, die bereits zu Schulzeiten ein Manuskript für ein Buch korrigiert hatte (welches ich jedoch am Ende nicht veröffentlichen wollte).

Da ich in dieser Widmung nur Leute erwähnt habe, denen ich übermäßig viel verdanke, so möge es mir als gläubiger Mensch erlaubt sein, meine Geschichte darüber hinaus meinem Vater im Himmel zu widmen, auf, dass er mir die Gabe vermachen möge, in meinem Leben stets die richtigen Entscheidungen zu fällen.

© 2022 The Warrior DK

Lektorat: Maria Engels (https://www.lektorat-rohlmann-engels.com/)

Coverdesign von: © 2022 Jennifer Schattmaier (https://schattmaier-design.com/)

ISBN Softcover: 978-3-347-66227-8

ISBN Hardcover: 978-3-347-66243-8

ISBN E-Book: 978-3-347-66235-3

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

The Warrior DK

GREAT WAR GAMES

Band I: DAS SPIEL BEGINNT

 

Twitter:@The_Warrior_DK

Fanpost: [email protected]

https://www.youtube.com/channel/UClZlfqQKm-O60gW6r20OmqQ/featured

Youtube-Kanalname: The Warrior

https://discord.gg/brD968FSHC

Discord-Servername: The Warrior – GWG

TAG NULL - 0 - DER BEGINN.

Markus Windmüller freute sich, sein Herz klopfte. Er konnte nicht still sitzen. Denn er war von seinem Lieblings-TV-Sender auserwählt worden, an einem Abenteuerspiel teilzunehmen, das ihn sein ganzes Leben lang prägen würde. Markus konnte sich nicht einmal vorstellen, wie es sein würde. Er war sich sicher, dass er noch im Rentenalter seinen Enkeln von diesem einzigartigen Erlebnis erzählen würde. Er wusste, dass es kein Zurück mehr gab, seit er in den Zug nach Stuttgart eingestiegen war. Von dort aus würde es mit dem Flugzeug in die Weiten Sibiriens gehen. Irgendwo in der Abgeschiedenheit musste er mit neunzig anderen jungen Erwachsenen ein Jahr lang in der Wildnis auskommen. Sieben Teams sollten um den Sieg kämpfen. Den Siegern würde ein Preisgeld von 120.000 Euro und Ruhm im deutschsprachigen Raum winken.

Ein letztes Mal winkte er seiner Familie, als sich der Zug in Bewegung setzte. Ein letztes Mal blickte er auf den Maggi-Schriftzug gegenüber des Bahnhofs. Ein letztes Mal grüßte er den Hausberg seiner Stadt, den in der Abendsonne rot glänzenden Hohentwiel.

--- --- ---

„Aufstehen!“

Unsanft wurde Markus von dem Piloten des Steppenfliegers geweckt. Er hatte den ganzen mehrstündigen Flug zum Schlafen verwendet, um die Nacht zu nutzen und mit voller Energie starten zu können. Markus' Schädel brummte.

„Sind wir bereits da?“, fragte er den Piloten.

„Allerdings. Ab jetzt musst du dich anstrengen. Sobald du dieses Flugzeug verlässt, stehst du unter der ständigen Beobachtung von Millionen Zuschauern. Los jetzt!“

Mit der Strenge vonseiten des Personals war er überhaupt nicht einverstanden. Er fragte sich, ob die anderen Angestellten der Produktionsfirma ebenfalls so unhöflich waren. Der Anweisung folgend verließ er den Flieger und marschierte, von in Büschen versteckten Kameras beobachtet, in Richtung Eingang des Camps Lager Elfauge. Das brennende Tor, welches er passierte, glich dem Auge eines kampfwütigen Biestes. Diese Optik beeindruckte ihn sehr, und er fragte sich, wie er diese Optik zu interpretieren hatte. Jedoch war er von Natur aus eher unerschrocken, weshalb er sich hinter dem Tor mit voller Neugier umsah.

Hinter dem Tor stand ein mehrstöckiges Haus auf Holzbasis, im Schwarzwaldstil gebaut. Es hatte ein Walmdach und die langgezogenen Balkone jedes Stockes waren mit den typischen roten und weißen Blumen verziert. Markus bekam eine digitale Uhr, die er anziehen musste. Eilig wurde der soeben Angekommene in den Garten getrieben, wo bereits eine Menschenmenge wartete. Jugendliche und junge Erwachsene, Mädchen und Jungs aus allen deutschsprachigen Gebieten Europas. Die Meisten standen bereits sich munter austauschend in kleinen Gesprächskreisen, zu denen er sich gesellen könnte. Er selbst war einer der Letzten, die ankamen.

Markus hielt inne, ließ die neuen Eindrücke zunächst auf sich wirken und wusste nicht, was er nun machen sollte, wie er mit der Situation umgehen sollte, da schallte eine Stimme aus den im Garten des Hauses verteilten Lautsprechern: „Achtung, hier spricht die Spielaufsicht, hört alle mal zu!“

Das Geraune der Menge verstummte sofort. Die Spannung, die in der Luft lag, schien förmlich zu knistern, denn das Spiel, für welches sich die Mitspieler Monate zuvor beworben hatten, ging los. Alle blickten aufgeregt zu dem blumengeschmückten Balkon, von wo aus der Aufseher seine Ansprache hielt.

„Ihr habt euch entschieden, ein Jahr lang an den erstmalig stattfindenden Sibirienspielen hier im Lager Elfauge teilzunehmen. Nur dreizehn von fast 100 Spielern werden siegreich nach Hause fliegen. Die Konkurrenz ist also groß! Jedem Sieger und jeder Siegerin winkt ein Preisgeld von 120.000 Euro, der Rest erhält nur 36.000 Euro. Doch Achtung! Ihr werdet in sieben Teams aufgeteilt, jedes Team bekommt eines der auf der Tafel unter mir eingezeichneten Gebiete zugewiesen. Jedes Team hat in seinem Lager eine Kommandohütte, auf der eine Fahne weht. Ihr müsst gegnerische Fahnen stehlen, und nach drei Nächten Besitz auf der Lichtung aufstellen, um einen Punkt zu bekommen. Wenn ihr eure Fahne verliert, bekommt ihr zwar eine neue, jedoch auch einen Minuspunkt. Wer am Ende die meisten Fahnen erobert hat, siegt.“

Markus konnte sich nicht zurückhalten rief entgeistert laut aus: „Das ist doch einfach! Das sollen wir 12 Monate lang machen?“

Der Aufseher pfiff in eine Trillerpfeife und fuhr fort: „Niemand unterbricht mich! Noch so eine Frechheit und dein Team erhält eine Strafe!“

Markus fuhr vor Schreck zusammen, während der Aufseher die Teilnehmenden weiter in die Regeln einwies.

„Die Aufsicht kann Regelverstöße jederzeit bestrafen. Die Regeln stehen auf den laminierten Flyern, die ihr habt. Es wird nicht einfach, denn: Eure Gruppen werden mit Paintballgewehren und anderen Hilfsmitteln kämpfen. Jederzeit kann ein Überfall stattfinden. Seid ihr getroffen, verliert ihr Lebenspunkte. Habt ihr keine mehr, könnt ihr nicht mehr weiterkämpfen und werdet auf der Stelle wartend von der Aufsicht abgeholt. Nur unter engen Voraussetzungen kommt ihr wieder frei und könnt euer Team unterstützen.“

Markus dachte sich: „Die sind aber mal so gar nicht locker, aber mal sehen, wie es nachher in den Teams wird. Mit dem Vollbärtigen neben mir will ich jedenfalls nicht in einem Team sein, der schaut mir ziemlich unsympathisch aus!“

„Es wird außerdem davon abgeraten, das Sperrgebiet Wolfswald zu durchqueren. Dort lauern Gefahren, die Grenzen sind mit Zäunen befestigt, in denen sich Durchgangsschleusen befinden. Inmitten des Sperrgebiets ist ein freies Gebiet, mehr sage ich hierzu erst einmal nicht. Des Weiteren müsst ihr euch vor den Räubern in Acht nehmen. Sie hausen in den südöstlich gelegenen Räuberhöhlen und können zufällig Waffen jeder Gruppe entwenden. Dort könnt ihr auch Fahnen erbeuten, die Räuber sind jedoch nicht für Abmachungen zu haben! Sie werden ab dem siebten Tag aktiv. Haltet euer Ansehen im Blick, denn die Zuschauer entscheiden, gegen wen die Räuber als Nächstes vorgehen!“

Der Aufseher machte eine kurze Pause.

„Jedes Team erhält zu Beginn 12.000 Schuss Paintballmunition und eine Million Kriegsmark. Pro Tag gibt es weitere 50.000 Kriegsmark für jede Gruppe. Mit Kriegsmark könnt ihr neue Munition, Luxusartikel, Gewehre, Pferde und noch einiges mehr kaufen. Setzt euer Geld klug ein oder euch werden irgendwann die Mittel ausgehen, um zu kämpfen oder eure Verbündeten zu unterstützen.“

„Oh man!“, schoss es dem jungen Mann durch den Kopf. „Wann hält der Aufseher endlich die Klappe, wann geht es denn mal los?“

Doch die Aufsicht fuhr fort, um die Spieler in das Game einzuführen: „Eure Teams haben mir bis morgen durch die Kommunikationsdrohnen mitzuteilen, wie ihr euch organisiert. Jedes Team hat einen Anführer, der bereits durch die Spielleitung vorbestimmt wurde. Zudem zwei Händler, einen Diplomaten, sowie einen Spion, die ihr allesamt selbst bestimmen müsst. Die acht anderen Mitglieder jedes Teams sind normale Krieger. Die Teilnehmer, die einen Sonderrang haben, haben gewisse Privilegien, die sie einsetzen können, um einen Vorteil für ihr Team herauszuholen.

Falls noch Fragen sind, lest die Flyer. Bei jedem Teilnehmer leuchtet jetzt auf seiner Camp-Uhr eine Farbe auf. Die Farbe bestimmt, zu welchem Team ihr gehört und welches Gebiet ihr zugewiesen bekommt. Ordnet euch, dann werdet ihr von Geländewägen abgeholt, die euch in euer Lager fahren. Während der Fahrt herrscht Stille und ihr bekommt Augenbinden.“

Das Geraune der Menge begann wieder und wurde immer lauter, als sich die Teilnehmer zusammenfanden.

Markus blickte auf seine Uhr, die blau leuchtete. Er ordnete sich etwas schüchtern in die Gruppe ein, studierte die Gesichter, um einen ersten Eindruck von dem ihm zugewiesenen Team zu erhalten und setzte sich in einen blauen Geländewagen, ehe er eine Augenbinde übergezogen bekam. Doch seine Motivation, einmalige Abenteuer zu erleben, wurde von dem Gefühl getrübt, möglicherweise einen Fehler gemacht zu haben, als er sich aus Langeweile wegen der verweichlichten bürgerlichen Welt für die Reise entschieden hatte.

--- --- ---

Als Markus die Augenbinde abgenommen bekam, stand er auf dem Podest einer Hütte, die auf dem Lagerplan hinter ihm mit „Kommandohütte“ beschrieben war, und blickte auf zwölf Menschen um die zwanzig Jahre. Zehn Männer und zwei Frauen.

„Offenbar bin ich hier der Anführer“, murmelte er vor sich hin, während die Fahrer von der Aufsicht wieder in ihren Geländewagen davonfuhren.

Etwas eingeschüchtert wegen dieser großen Aufgabe blickte Markus den verschwindenden Autos hinterher, während er sich fragte, wie er aus dreizehn zusammengewürfelten Personen ein einziges Team machen sollte.

Er blickte noch mal in die zwölf Gesichter seiner Kameraden, die im Halbkreis vor ihm saßen und sich bereits ohne ihn miteinander unterhielten, bevor er um Aufmerksamkeit bat: „Hey, Leute, lasst uns uns mal gegenseitig vorstellen, damit wir uns kennenlernen. Danach müssen wir überlegen, wie wir unsere Sonderränge verteilen. Seid ihr damit einverstanden?“

„Hört sich nice an!“ sagte das blonde Mädchen, das auf einem Baumstumpf neben der Feuerstelle saß.

Ein rothaariger, etwas dickerer Junge meinte: „Sicher. Müssen doch wissen, mit wem wir unsere Zeit verbringen werden. Aber bevor wir die Sonderränge verteilen, solltest du erst mal erklären, was die Sonderränge bedeuten!“

„Und du musst erst mal trainieren gehen und ein bisschen abnehmen!“, scherzte Markus, um auf das Hinterfragen seiner Entscheidung zu antworten, ehe schallendes Gelächter in der Runde einsetzte.

Der rothaarige Junge vorzog seine Miene und blickte beleidigt zu Boden.

„Gibt es qualifizierte Widersprüche zu meiner Idee?“, fragte der verwunderte Markus in die Runde.

Nach einer kurzen Pause fuhr er verunsichert fort: „Ich bin der Markus und bin im schönen Singen geboren. Ein 21 Jahre alter Student des Rechtswesens und kommunalpolitisch aktiv. Ich habe mich dazu entschieden, hier mitzumachen, um dem verweichlichten Alltag, in welchem wir aufgezogen worden, zu entfliehen. Offenbar bin ich hier der Anführer unseres Teams, ich denke, gemeinsam werden wir den Sieg erringen! Was ich nicht haben kann, ist, wenn mir jemand in den Rücken fällt. Wenn was ist, wendet euch an mich, aber entscheidet nicht über meinen Kopf hinweg. Ansonsten wünsche ich uns allen viel Spaß hier.“

Das blonde Mädchen übernahm: „Damit ihr‘s wisst, ich bin die Natalie, 20 Jahre alt. Wie ihr seht, ich schaue sehr gut aus und denke, ich habe meine Qualitäten, um den Sonderrang der Diplomatin gegenüber den gegnerischen Anführern einzunehmen. Ein süßes Schwarzwaldmädel mit Köpfchen…“

„Wir reden noch nicht über die Sonderränge, aber zugegebenermaßen, genau so eine Einstellung, sich für das Team einzusetzen, brauchen wir. Ich denke, du bist nun unsere Diplomatin, Natalie!“, fiel ihr Markus ins Wort. „Diplomaten werden einen gelben Hut mit Feder tragen und dürfen auf fremdem Gebiet weder beschossen noch ausgeraubt werden. Sie dürfen auf fremdem Gebiet keine feindlichen Aktionen durchführen und sind die meiste Zeit auf Reisen in anderen Gebieten. Natalies Job wird es sein, mit anderen Teams zu verhandeln, um Wegerechte, Bündnisse und Frieden zu besprechen.“

Die Vorstellungsrunde fuhr mit dem rothaarigen Jungen fort: „Hallo, ich bin der Kevin, 19 Jahre alt und aus Siebenbürgen.“

„Wo ist denn Siebenbürgen überhaupt?“, fragte ein anderer Junge namens Adrian, welcher sich bereits vor allen Anderen und von Markus unbemerkt auf dem Eingangsplatz vorgestellt hatte.

„Siebenbürgen liegt in Rumänien. In der Nähe von Rümnick lebe ich.“

Frech grinsend entgegnete Adrian: „Rümnick ist doch Hackerville, da, wo die ganzen Internetbetrüger herkommen. Wir sollten Kevin zum Händler machen, der zockt die alle ab!“

Die gesamte Gruppe lachte laut, während Kevin, bereits von der vorherigen Breitseite vonseiten Markus emotional angeschlagen, kurz vor dem Weinen stand.

„Es ist unter aller Sau, dass du anfängst, Kevin aus irgendwelchen Vorurteilen heraus zu mobben! Du kennst Kevin doch noch gar nicht!“, schimpfte Markus. „Dich, Kevin, machen wir gleich mal zum Händler, um zu zeigen, dass wir es nicht tolerieren, dass du fertig gemacht wirst. Und Adrian wird dir dabei helfen – als zweiter Händler! Und, für den Fall, dass er dich noch mal so angeht, gib mir Bescheid.“ Markus schaute erst zu Kevin, dann zu Adrian. Zuletzt ließ er seinen Blick über die Runde schweifen, wo er in von der schnellen Eskalation erschrockene Gesichter blickte. „Es kann nicht sein, wir haben noch nicht mal Tag eins, und schon wird hier Unruhe gestiftet!“

Er trat vor Wut über das Verhalten seiner Leute heftig gegen die Außenwand der Hütte, vor der er stand.

Nach Beendigung der Vorstellungsrunde wurde ohne großes Aufsehen noch ein Junge namens Kian als Spion bestimmt, der versprach, stets verschwiegen und loyal zur Gruppe zu sein. Markus verschwand für zehn Minuten in der Kommandohütte, um die Drohne loszuschicken.

Er trat kurz darauf wieder heraus, diesmal verspürte er etwas mehr Selbstvertrauen. „Soeben habe ich die Besetzung der Sonderränge bekannt gegeben. Des Weiteren habe ich mir mal das Regularium und unsere Karte genau angesehen. Ich finde, wir sollten nun beginnen, uns vorzubereiten. Schon morgen könnten Angriffe auf uns erfolgen. Jetzt gilt erst einmal, dass wir unser Territorium sichern, indem wir uns die Umgebung ansehen und uns dann Gedanken über Strategien machen werden.“

Beifall ertönte von den zwölf anderen Mitgliedern der Gruppe.

„Nun zu unserem Team. Wir sind die Tiger. Ab morgen früh wird über der Kommandohütte eine Flagge mit einem gelben Tigerkopf auf blauem Grund wehen. Die gilt es zu beschützen, komme, was wolle!“, fuhr er von seiner Entscheidung überzeugt fort.

Luisa, ein braunhaariges Mädel, unterbrach und fragte den Anführer: „Weshalb ein Tiger? Mein Lieblingstier ist ein Pferd!“

„Ganz einfach!“, entgegnete Markus. „Die Flagge ist unser Symbol. Das Leben ist kein Ponyhof – und das Leben im Lager noch weniger. Darum brauchen wir ein starkes Symbol. Ein Symbol, das uns entspricht. Der Tiger ist das gefährlichste und zugleich schönste Landraubtier der Welt. Er schlägt jeden seiner Feinde, wie auch wir es tun werden! Eine schöne Raubkatze!“

„Ich hätte Pferde besser gefunden, aber du scheinst ja nur an Katzen zu denken. Schade.“, beklagte sich Luisa.

„Katzen sind halt extrem coole Tiere!“, schwärmte Markus, der selbst eine Schildpattkatze besaß und direkt an sie dachte.

„Du bist eine Katze!“, scherzte Natalie.

„Wenn dann ein Kater.“, korrigierte sie der Katzenfan mit einem Zwinkern.

„Stimmt. Dann bist du jetzt der Kater.“, setzte die Diplomatin nach. „Markus ist der Kater!“

„Kater, Kater, Kater!“, begannen seine Leute zu skandieren.

Markus musste schmunzeln und fühlte sich direkt um Einiges wohler in dieser lockeren Atmosphäre, da die Gruppe langsam auftaute.

„Gut, dann bin ich halt der Kater!“, gab der Anführer schließlich nach. „Wie dem auch sei, es ist schön, zu wissen, dass du reiten kannst, Luisa. Ich kann es noch nicht – wie sicherlich auch einige andere von uns. Würdest du uns das Reiten beibringen?“

Luisa lachte laut auf und drehte ihren Kopf betont auffällig in alle Richtungen. „Gerne, aber siehst du hier Pferde?“

„Jedes Lager besitzt einige Pferde, wir haben fünf Stück. Am anderen Ende des Lagers befindet sich der Pferdestall mit Platz für bis zu acht Tieren. Wir können Pferde erbeuten oder sie für 100.000 Kriegsmark von der Spielleitung kaufen.“, erklärte Markus. „Wenn ich von etwas rede, so ist immer etwas dahinter. Merkt euch das!“, ergänzte er, ehe er alle ansah, um sicherzugehen, dass die Botschaft bei allen angekommen ist.

„Oh süß!“, schwärmte das braunhaarige Mädchen und klatschte in die Hände.

Natalie schaltete sich ein: „Luisa, Pferde sind sicherlich süß, aber wir haben hier keine Zeit, einen Streichelzoo zu eröffnen. Bringst du uns jetzt das Reiten bei oder nicht? Ich kann auch noch nicht reiten. Wäre toll, wenn ich es könnte.“

Luisa klatschte wieder entzückt in ihre Hände. „Ja, klar! Auf jeden Fall bin ich dabei!“

„Vielen Dank hierfür. Das ist das Erste, was du machen wirst, wenn wir hier fertig sind. Du gibst Natalie als Allererstes einen Intensivkurs, sie muss als Diplomatin sehr mobil sein. Morgen wird sie direkt nach der Besprechung ausreiten müssen. Mir schwebt bereits ein militärischer Move gegen das in der südlichen Heide gelegene Lager der Adler vor, der uns bereits übermorgen zur ersten erbeuteten Fahne führen könnte. Doch dafür brauchen wir einen freien Rücken. Wir müssen uns vor den Leuten im nördlichen Hügelgelände absichern. Näheres morgen früh.“, brachte sich Kater wieder ein.

„Okay, Chef!“, meinte Kian zustimmend.

„Wir bekommen durch eine Drohne wöchentlich 28kg gesalzenes Mehl geliefert. Die Aufsicht darf uns aus rechtlichen Gründen nicht verhungern lassen. Mehl ist auch nicht plünderbar, daher können wir das lagern, wo wir wollen. Des Weiteren liegt in unserer Schlafhütte zurzeit unsere gesamte militärische Ausrüstung. Wir haben fünfundzwanzig Paintballgewehre mit 12.000 blauer Munition, zwei Holzleitern, einen Rammbock, einen Pferdewagen, sowie 50 Handschellen und fünf Kommunikationsdrohnen. Das sind unsere Waffen, die wir offensiv, sowie defensiv einsetzen können. Da sowohl Räuber als auch andere Gruppen diese Dinge stehlen können, sollten wir einen Teil verstecken und den Rest auf verschiedene Posten verteilen.“

„Welche Posten denn?“, wandte Marvin ein.

„In unserem Territorium haben wir verschiedene Wachtkabinen. Das sind hölzerne Unterstände, die von allen Seiten geschlossen sind und nur einige Gucklöcher und Schießlöcher im Holz haben. Unser vom Fluss eingegrenztes Land hat vier Brücken, an jeder Brücke steht eine Wachtkabine. Dort ist man vor feindlichem Beschuss weitgehend geschützt, während man selbst gut zielen kann, allerdings können wir nicht alle zeitgleich besetzen, da wir ansonsten von der Personaldecke her ziemlich ausgedünnt sind. Im Lager befindet sich noch ein Unterstand an beiden Enden. Hier steht zum Beispiel einer.“, erklärte Markus, während er auf die Wachtkabine direkt hinter der versammelten Mannschaft zeigte. Im ruhigen Ton fuhr er fort: „Zudem liegen ein Waffenlager, sowie ein Nahrungslager im Wald versteckt ohne direkten Zugang zum Weg. Dort können wir einen Teil unserer Waren einlagern, in der Hoffnung, dass sie nicht entdeckt werden. Unser Nahrungslager hat nebenan einen Wächterraum mit einem Hund. Dort wirst du eventuell Wache halten, solltest du nichts anderes zu tun haben. Vielleicht gibt es auch ein flexibles Wachsystem, das muss ich mir noch überlegen. Jedenfalls sollten wir in jeder Wachtkabine Munition einlagern, ebenso an verschiedenen Stellen im Lager.“

Adrian sprang auf und ging seinen Anführer an: „Was laberst du da für einen Mist? Wieso sollten wir unsere Munition überall verstecken, anstatt sie auf einem Haufen im Lager zu beschützen? Was bist du denn für ein Stratege, ey!“

Markus sprang von dem Podest herunter und landete direkt vor Adrian. Er hielt seinen Zeigefinger drohend direkt vor dessen Augen. Denn was er hasste, war, wenn jemand ihn respektlos behandelte. Erst recht, da er sich noch festigen musste.

„Du wirst es nicht noch einmal wagen, mich in dieser Weise anzugehen und zu beleidigen! Kapiert?“, drohte der Kater.

Überrascht trat Adrian zurück und setzte sich schließlich kleinlaut zurück auf seinen Platz.

Markus atmete tief ein und aus, bevor er ruhiger fortführte: „Munition ist teuer. Sie darf auf keinen Fall entdeckt und geklaut werden. Zumindest nicht alles auf ein Mal. Stell dir vor, wir werden angegriffen und verlieren eine Schlacht. Der Gegner kann alles stehlen und wir stehen mit leeren Händen da. Genauso verhält es sich mit den Paintballgewehren. 400 Schuss Munition kosten eintausend Kriegsmark. Das klingt nicht viel, wenn ihr euch jedoch die restliche Preisliste ansehen würdet, wärt ihr geiziger als Dagobert Duck!“

Gelächter fuhr durch die Runde.

Markus wartete, bis das Gelächter verklang. „Zudem wissen wir noch nicht, was Angriffe und Verteidigung an Munition und Material kosten. Wir wissen noch nicht einmal, wie ein Angriff abläuft. Ich denke, jedes Team wird eine eigene Vorgehensweise entwickeln. Auf Erfahrung können wir erst bauen, wenn wir ein paar Wochen lang gekämpft haben. Wir müssen haushalten!“

„Das ist also der Grund, weshalb wir alles verstecken müssen?“, hakte Kevin nach.

„Genau!“

Adrian fuhr Kevin an: „Hör doch mal zu, du taube Nuss!“

Kevin sah beleidigt weg.

Kater betrachtete die beiden argwöhnisch. Er fragte sich, wie er die schlechten Vibes zurückdrängen könnte, bevor der Disput innerhalb seines Teams zu einem Dauerbrenner werden würde. Allerdings spürte er, dass ihm dies nicht gelingen würde.

„Adrian, jetzt ist gut. Jeder kann doch mal mit den Gedanken woanders sein und noch mal nachfragen. Das ist besser, als Fehler zu begehen. Die Umwelt toleriert keine Fehler.“, schaltete sich Natalie ein.

Froh über die Schützenhilfe von seiner Diplomatin fuhr Markus mit dem Programm fort: „So, genug geredet, jetzt geht es ran an die Arbeit. Adrian und Kevin, ihr könnt zum Glück schon reiten. Nehmt euch eine Drohne, zwei Gewehre und hundert Schuss mit, hängt den Wagen an zwei Pferde und geht zusammen in Richtung Aufsicht. Dort befindet sich der Lagerladen Elfaugenkauf. Ich habe euch eine Liste mit allem gemacht, was ihr dort kaufen sollt. Wir brauchen drei Knüppel, eine Kiste voll Luxusartikel – insbesondere Gemüse, Obst, Nudeln und Süßigkeiten, aber auch Rindsrouladen. Ihr holt drei Pakete Schlafsachen mit Decken und Kissen, außerdem dreizehn Pakete Kleidung. Dann nehmt noch 84 Pakete blaue Munition und zwölf Rucksäcke mit. Das kostet insgesamt 700.000 Kriegsmark. Seid am Abend zurück. Wenn ihr verstanden habt, antwortet mit Jawoll!!“

Kevin rief sogleich: „Jawoll!“

Kurze Stille.

Markus gab Adrian entnervt eine Extraeinladung: „Adrian, verstanden?“

„Jawoll!“, antwortete der zögerlich.

„Sehr gut. Luisa, du bringst Natalie das Reiten bei!“

„Jawoll!“, antworteten beide im Kanon.

„Marvin, du wirst heute einige Kilometer laufen müssen. Du musst nämlich fünftausend Munition und acht Paintballgewehre in das Waffenlager tragen. Zusätzlich kommen 1.400 Munition in die Wächterhütte des Nahrungslagers. Nimm meinen Rucksack mit, das macht es leichter.“

„Jawoll!“

„Kian, du schaust nach, wohin die Wege durch die südliche Heide führen, sprich du wirst das Feindesgebiet erkunden. Schau nach, wo deren Lager und deren Verteidigung steht. Sobald du an einem markanten Punkt bist, meldest du dich per Positionsknopf auf deiner Drohne. Geh zu Fuß, nimm ein Gewehr und 100 Munition, sowie ein Beutelchen Mehl mit, um Stockbrot zu produzieren. Ich rechne damit, dass du im Feindesgebiet übernachten wirst, denn alleine bis zur Grenze sind es ungefähr zehn Kilometer.“

„Und weshalb kriege ich kein Pferd? Wir haben doch noch eins übrig.“

„Ganz einfach: Pferde verursachen Lärm, der vermeidbar ist. Ich gehe davon aus, dass du nicht bemerkt werden möchtest. Und ein Pferd sollte außerdem immer hier bleiben, damit wir notfalls schnell Hilfe schicken können. Jawoll?“

„Jawoll!“

„Der Rest verteilt je 500 Munition in die Wachtkabinen, und 700 Munition an die beiden Standgewehre an der Palisade. 300 Munition nehme ich in die Kommandohütte, den Rest steckt ihr ins Notlager in der Schlafhütte. Was wo ist, bekommt ihr alles im Folgenden anhand der Karte mitgeteilt.“

Ein mehrfaches „Jawoll!“ antwortete ihm.

„Nachdem ihr eure Arbeit getan habt, meldet ihr es mir. Danach könnt ihr euch im Lager und in unserem Gebiet umsehen und eure Ausgabe der Regeln lesen. Das werde ich auch machen, sobald ich ein Lagerfeuer entfacht habe. So waltet nun eures Amtes, nachdem ihr die Karte studiert habt!“

Alle zwölf Teammitglieder erhoben sich und begannen, ihrer Arbeit nachzugehen. Markus fing an, sich um die Beschaffung von Brennholz zu kümmern. Er war gespannt, wann die anderen fertig sein würden, und fragte sich, ob die beiden Händler es bis zum Abend zurück schaffen würden. Falls die Luxusgüter nicht pünktlich eintreffen würden, müsste er seine Mitstreiter mit Stockbrot verköstigen. Außerdem hatte er Angst, dass sich Adrian und Kevin wieder in die Wolle bekommen würden.

Er nahm eine Axt aus dem Notlager, schritt durch das Tor der dünnen Holzpalisade in den Wald hinein und suchte sich eine vertrocknet aussehende Tanne mit armdünnem Stamm, um sie zu fällen. Die Angst vor dem Versagen war ihm dabei ein treuer Begleiter. Er hoffte, dass seine bisher umgesetzten Ideen nicht scheitern würden und sein Team die nächste Zeit bestehen würde.

--- --- ---

Die Sonne stieg immer höher den Himmel hinauf, als Kevin und Adrian auf ihren Pferden den Wagen zogen. Auf einem landwirtschaftlichen Weg erreichten sie irgendwann die lange Holzmauer. Der mehrere Zentimeter dicke, aus mehreren Schichten Holzbrettern bestehende Holzwall zog sich zweieinhalb Kilometer lang wie ein Bogen durch den Wald. Die offiziellen Wege zu drei Flussbrücken kreuzten diesen Wall.

Nachdem sie das nördliche Tor durchritten hatten, fasste sich Kevin ein Herz. Wegen seines Gegenübers fühlte er sich schon seit dem Morgen unwohl.

„Weshalb bist du so gemein zu mir?“

Adrian wiederholte die Frage und äffte ihn dabei nach.

„Was habe ich dir getan?“, hakte Kevin nach.

Adrian machte Kevin abermals nach, bevor er sich zu einer Antwort herabließ: „Du nervst, du halber Zigeuner!“

„Warum nennst du mich so?“

„Weil du ein Zigeuner bist!“

„Bin ich nicht!“

„Doch, das bist du. Aber nur zur Hälfte, denn niemand ist vollkommen.“

„Bitte höre damit auf, das verletzt mich!“

„Zigeuner, Zigeuner, Zigeuner!“, rief Adrian süffisant und lachte schallend.

Kevin versuchte, Adrians beleidigende Art zu ignorieren, während sie weiter vorwärtsritten.

Einige Minuten und erfolglose Zigeuner-Rufe später versuchte es Adrian mit einer anderen Masche: „Weißt du, was letztes Jahr passiert ist bei uns zu Hause?“

„Was denn?“, hakte Kevin neugierig nach. Er hoffte, Adrian wäre nun doch an einer normalen Konversation interessiert.

„Na, rate mal. Ich gebe dir einen Tipp: Haus, Fenster, Schmuck und Geld.“

„Was ist damit passiert?“

„Raffst du es immer noch nicht?“, meinte Adrian ungläubig.

Kevin schüttelte den Kopf.

„Bei uns wurde eingebrochen. Durch das Fenster kam der Einbrecher rein und hat eine Menge Schmuck und Geld gestohlen. Meine Mutter ist seither psychisch völlig labil.“

„Das ist ja schlimm! Ich hoffe, der Täter sitzt im Knast!“, meinte Kevin einfühlsam.

„Das tut er nicht! Der Täter konnte nicht ermittelt werden. Und weißt du, warum?“

„Warum denn?“

„Weil das eine Zigeunerbande war. Unter dem Briefkasten war so ein Zeichen gemalt worden, dass in diesem Haus etwas zu holen sei.“

„Die gingen also ziemlich professionell vor“, schloss Kevin.

„Genau. Und die Zeichen lassen sich immer an Häusern finden, die von einer bestimmten rumänisch-bulgarischen Großbande ausgeraubt wurden – in ganz Mitteleuropa. Hat die Bullerei gesagt. Ihr kommt nur her zum Klauen und brecht überall ein. Haut ab!“

„Ich versichere dir, ich bin niemals irgendwo eingestiegen. Ich habe ganz normal die Schule besucht und eine Lehre gemacht.“

„Die dir deine Eltern von unserem deutschen Geld finanziert haben.“ Er spuckte aus.

„Meine Familie hat einen eigenen Bauernhof in Siebenbürgen und sich alles hart erarbeitet. Hör auf mit deiner rassistischen Art!“

Adrian stoppte das Wagengespann, drehte sich zu Kevin und sprach in ungewohnt leisem und ruhigem Ton: „Was hast du gesagt?“

Stille.

„Was hast du gesagt?“, schrie Adrian. „Ich bin ein Rassist?“

Kevin zuckte zusammen und bereute sofort, in die Wildnis gereist zu sein. In ihm machte sich eine Angst vor den nächsten zwölf Monaten breit. Er dachte schon ans Aufgeben und fühlte sich, als ob er Drachenlord, der durch ganz Deutschland gejagte Youtuber, höchstpersönlich wäre.

„S-s-so ha-habe ich das doch nicht gemeint!“, stotterte Kevin verängstigt.

„Sei froh, dass ich dich nachher noch brauche!“, drohte Adrian ihm. „Sonst wärst du schon im Krankenhaus!“

„Schon gut, schon gut, sorry“, versuchte Kevin ihn zu beruhigen. Er machte sich ganz klein auf seinem Pferd und zog seinen Kopf ein Wenig ein.

„Es heißt nicht sorry, sondern es heißt Entschuldigung. Ent – schul – di – gung! Auf Deutsch! Wir sind hier nicht bei den Amis! Und merk dir eines, mein Freund: Ich bin kein Rassist!“

Schon klar …, dachte sich Kevin, ließ sich aber nichts anmerken und nickte nur.

In ihm brodelte es, er traute sich jedoch nicht mehr, offen zu seinen Gefühlen zu stehen.

--- --- ---

Natalie und Luisa ritten über die Wiese. Da Natalie noch recht unsicher zu Pferde war, ließen sie sich Zeit. Doch sie hatte das Pferd gut unter Kontrolle.

Luisa fragte Natalie: „Und, wie fühlt es sich an, das erste Mal auf einem Pferd zu reiten?“

„Wunderbar. Es ist eine völlig neue Erfahrung.“, antwortete sie begeistert.

„Cool. Weißt du, Reiten ist mein Hobby.“

„Meines bald ebenfalls!“, meinte Natalie.

Beide Mädels lachten.

„Pferde sind so toll, ich habe daheim ein eigenes Pferd!“

„Echt?“

„Klar, sonst könnte ich nicht so gut reiten! Ich reite täglich, und das Pferd zu striegeln, gefällt mir!“

„Dem Pferd bestimmt auch.“

„Klar doch, und du kannst bald dein eigenes Pferd hier striegeln. Ein Jahr lang!“

„Mit Vergnügen! Aber den Stall miste ich sicher nicht aus!“

„Musst du aber!“

„Höchstens zusammen mit dir!“

„Werden wir sehen. Wollen wir mal etwas schneller reiten?“

„Hm, ich weiß nicht, ich bin noch nicht so sicher. Ich würde mich lieber erst mal daran gewöhnen.“

„Egal!“, rief Luisa und gab ihrem Pferd das Kommando, loszugaloppieren.

„Warte doch auf mich!“, schrie Natalie verzweifelt, doch Luisa hielt nicht an.

Natalie musste einen Zahn zulegen, um Luisa einholen zu können. Sie hatte das Gefühl, das Pferd nicht mehr unter Kontrolle zu haben, sie hüpfte förmlich auf dem Pferd herum. Sie schrie, so laut sie konnte.

„Hilfe! Hilfe!“

Doch Luisa reagierte nicht auf die verzweifelten Hilferufe ihrer Kameradin. Das Pferd galoppierte aufgescheucht durch die hüpfende und schreiende Natalie noch schneller. Der Wind pfiff ihr um die Ohren. Sie musste einem Ast ausweichen. Der Wald wurde immer dichter, die Äste der Tannen hingen immer tiefer.

„Aua!“, rief Natalie, als ihr ein Zweig direkt ins Gesicht peitschte. Sie hatte Angst um ihr Leben und versuchte, sich auf dem Pferd zu ducken. Äste schlugen auf ihrer Haut auf und rissen an ihren Kleidern, verfingen sich in ihren Haaren. Das Pferd tobte förmlich durch den Wald und versuchte, Natalie abzuwerfen. Natalie wiederum klammerte sich am Sattel fest und versuchte, dieses wild gewordene Pferd zu verlangsamen.

Vor Schmerz schrie sie noch lauter auf. Ein Zweig riss eine längliche Wunde in den Arm. Es brannte fürchterlich, Blut sickerte heraus. Sie hielt sich noch fester.

Ihr Oberkörper bewegte sich wie in einem schnellen Tanz hin und her um Ästen auf beiden Seiten auszuweichen. Vor lauter Adrenalin sah sie alles wie in Zeitlupe, allmählich spürte sie die Erschöpfung. Schweiß tropfte ihr von der Stirn.

Als sie wieder seitwärts einem Ast auswich, flog sie in hohem Bogen über das Pferd. Sie wusste nicht, wie ihr geschah. Das Pferd hatte plötzlich angehalten und sie nach vorne geschleudert. Sie schloss die Augen, rechnete schon mit mehreren Knochenbrüchen und hatte Angst um ihr Leben. Was, wenn sie sich das Genick brach?

Überraschenderweise knallte Natalie nicht auf den Boden, sondern auf die Wasseroberfläche. Vor Schreck schluckte sie Wasser, als sich das eisige Nass um sie schloss. Sie strampelte und musste erst einmal checken, ob sie auch Richtung Oberfläche schwamm, den Hustenanfall konnte sie gerade so unterdrücken.

Erleichtert kämpfte sie sich an die Oberfläche und spuckte Wasser. Ihr Pferd lief unruhig auf der Lichtung hin und her. Anscheinend hatte es direkt vor dem Graben gehalten, da es keine Lust hatte, selbst baden zu gehen. Luisa kam auf sie zugeritten und hielt neben ihr, sie hatte den Ritt ohne Blessuren und Kratzer überstanden. Um das Pferd ihrer Begleiterin kümmerte sie sich nicht, stattdessen sah sie ihre badende Kollegin an.

„Was hast du dir denn dabei gedacht?“, schrie Natalie die Reiterin wutentbrannt an und kämpfte sich an Land.

„Ich wollte dich doch nur …“

„Halt die Klappe, ich bin hier fast gestorben! Sieh nur, was passiert ist!“

„… ein bisschen herausfordern …“, fuhr Luisa kleinlaut und innerlich ihre Schuld anerkennend fort.

„Das ist ja mal gründlich schiefgegangen! Vielen Dank auch! Schau mal, da oben an der Schulter habe ich Kratzer. Ebenso unten am Bein. Noch dazu bin ich nass. Aber naja, wir haben jetzt eine andere Sorge. Weißt du, wo wir sind?“, wunderte sich Natalie. Mit einer Hand deutete sie auf die Lichtung. Sie wusste, dass sie sich beruhigen sollte.

„Keine Ahnung, aber schau mal, da hinten!“ Luisa zeigte auf eine Wand mit Zielscheiben wenige hundert Meter entfernt. „Was soll das sein?“

„Zielscheiben. Und dort hinter dem Becken ist eine Sandgrube.“

„Sehr merkwürdig.“

Natalie hatte sich inzwischen wieder abreagiert und schlug vor: „Lass uns mal rübergehen!“

„Gerne! Zieh vielleicht die Schuhe aus. Da ist alles voller Gras, das tut deinen Füßen gut!“

„Du weißt schon, dass meine Füße am Wenigsten gelitten haben. Gib lieber mal Tipps, was meiner Schulter, meinen Armen und Beinen gut tun würde!“

Nachdem sich Natalie die Schuhe ausgezogen hatte, liefen die beiden jungen Frauen barfuß in Richtung Wand und erblickten eine auf die Wand gemalte Erklärungstafel, die mit Trainingslager beschriftet war. Die Wall of Text wurde jedoch nicht durchgelesen. Vielmehr drehten sie wieder um. „Wahrscheinlich, damit wir hier unsere Schießfähigkeiten, sowie Schwimm- und Sprungtechniken lernen und trainieren können.“

„Das müssen wir umgehend Markus melden!“

Natalie ergänzte: „Das ist ein super Fund. Ich wette mit dir, dass Einige bei uns im Lager verweichlicht sind!“

„Genau! Sieh dir nur mal den Rumänen an, wie hieß er noch mal?“

„Nicht Rumäne, siebenbürgener Sachse.“, korrigierte Natalie augenzwinkernd. „Kevin heißt er. Aber recht könntest du haben!“

„Komm, lass uns zurückreiten. Geht das körperlich?“

Die gebeutelte Natalie antwortete, als sie wieder auf die Pferde stiegen: „Ich werd das schon irgendwie schaffen. Aber diesmal in normalem Schritttempo!“

„Geht klar. Aber du, weißt du, welche Richtung wir einschlagen müssen?“

„Du bist doch die, die zu schnell geritten ist, deinetwegen haben wir die Orientierung verloren!“

„Ja, ich weiß, tut mir leid. Trotzdem müssen wir wieder zurück! Zu dumm, dass wir keine Kommunikationsdrohne mitgenommen haben, wir hätten sonst Markus fragen können.“

„Ich weiß auch nicht mehr, in welche Richtung wir gehen sollten. Aber eines kann ich dir sagen: Wir haben ein Randgebiet zugeteilt bekommen. Da das Spielfeld abgezäunt ist, würden wir notfalls an die Außengrenze der Karte stoßen, wenn wir nur in eine Richtung reiten würden. Von dort aus könnten wir an der Grenze der Spielkarte entlangreiten bis zum Fluss, der die Grenze zu den Nachbarteams darstellt.“

„Und dann? Dann stehen wir am Fluss und wissen immer noch nicht, wohin! Hast du eine Idee?“

„Nun, dann reiten wir einfach, bis wir einen der offiziellen Wege finden. Von dort aus finden wir schon zurück ins Lager.“

„Geniale Idee!“

So ritten die beiden Mädchen schnurgerade in eine zufällige Richtung los.

--- --- ---

Kevin und Adrian traten an das Flussufer, die Brücke lag links von ihnen. Sie erblickten den kleinen Fluss, der ihr Gebiet von denen der Nachbarteams trennte: Im Süden lag das Gebiet des Teams Adler, im Osten das Territorium Nördliches Hügelgelände, dessen Bewohner noch kein Zeichen ausgewählt hatten.

„Wie schnell mag das Wasser wohl sein?“, fragte Kevin. „Der Fluss sieht ruhig, aber kraftvoll aus. Wie eine Kleinversion der Donau.“

„Das wissen wir nur, wenn wir etwas hineinwerfen, was auf der Oberfläche schwimmt.“

„Wart mal, ich hole mir ein Blatt von dem Baum da vorne und werf es in die Flussmitte.“

„Ich hab da ‘ne viel bessere Idee!“, bemerkte Adrian spöttisch und versetzte Kevin einen kräftigen Stoß, der ihn mitten in den Fluss schubste. Er rief hinterher: „Fett schwimmt oben!“

Kevin konnte nicht auf den Angriff reagieren, da er schon im kalten Wasser eingetaucht war. Die Strömung riss ihn mit. Er konnte nicht einmal schreien, da er vollends damit beschäftigt war, an der Oberfläche zu bleiben. Jeglicher Versuch, zum Ufer zu schwimmen, schlug fehl, weil ihn immer wieder ein Strudel erfasste, aus dem er sich befreien musste.

Kevin bekam Panik, als er gerade Luft holen wollte und Flusswasser schluckte. Er versuchte, zu stehen, doch sein Fuß sank ins Leere. Hastig stieß er wieder nach oben. Das hellbraune, kalte Wasser entfernte ihn mit atemberaubender Geschwindigkeit von der Brücke.

Adrian erkannte mittlerweile, in welchen Gefahren er sein Teammitglied ausgesetzt hatte. Er befürchtete, vom Anführer aus dem Team ausgeschlossen zu werden, sollte Kevin petzen oder nicht mehr auftauchen. Adrian rannte er am Ufer entlang, das an dieser Stelle Gott sei Dank nur von Gras bewachsen war, um Kevin zu folgen. Er war nur der Meinung, dass Zigeuner es verdient hätten, schlecht behandelt zu werden. Doch nicht um den Preis eigener Probleme.

Kevin hatte sich endlich gefangen und schaffte es durch ruhiges, kraftvolles Schwimmen mit der Strömung immer näher in Richtung Ufer. Als Kajakpaddler wusste er, dass eine Stelle mit Kehrwasser ihm dabei helfen konnte, an Land zu gelangen. Kehrgewässer fanden sich häufig hinter Steinen oder hineinragenden Bäumen. Dort floss das Wasser entweder gar nicht oder sogar leicht stromaufwärts. Doch um hineinzukommen, musste man Kehrwässer rechtzeitig erkennen und direkt in sie hineinschwimmen – ohne zuvor in einen Strudel zu geraten.

Kevin erspähte einige dutzend Meter entfernt eine weit ins Wasser reichende Trauerweide und bereitete sich auf das rettende Schwimmmanöver vor, während sein Peiniger noch immer planlos am Ufer mitrannte und nach einem Stock suchte, den er ihm reichen könnte.

Kevin gab sich einen Ruck und sammelte seine gesamte Kraft für den Abstoß ins Kehrwasser. Stieß er sich zu früh in Richtung Ufer ab, würde er aufgrund der enormen Kräfte des Wassers an der Trauerweide schwer verletzt werden. Würde er es jedoch zu spät machen, würde er lediglich am Kehrwasser vorbeischwimmen. Des Weiteren musste er sich darauf vorbereiten, zügig einen Ast zu packen, denn auch wenn die Hälfte des Körpers sich im Kehrwasser befände, so würde der Strom die andere mitreißen. Kevin wusste ganz genau, was passieren könnte, ging die Szenarien durch, um nicht in Panik zu geraten. Er überlegte sich, ab wo er seinen Schwimmkurs ruckartig ändern musste und wartete auf den richtigen Zeitpunkt.