Grün ist der Tod - Kristina Hortenbach - E-Book + Hörbuch

Grün ist der Tod Hörbuch

Kristina Hortenbach

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Beschreibung

Mörderisches Grün

Rosa Reich genießt ihr neues Dasein als Gartenplanerin. Ihr Team ist eigenwillig, aber tüchtig, Mops Archie freut sich seines Lebens, und sogar eine neue Liebe ist in Sicht. Alles scheint perfekt, bis Rosa den Auftrag erhält, den Außenbereich des Clubrestaurants eines Bonner Golfplatzes zu verschönern. Ausgerechnet während ihrer Arbeitszeit wird die Leiche eines Golfspielers gefunden. Zu Rosas Bestürzung ist der Tote ein ehemaliger Schüler von ihr, weshalb ihr der Fall keine Ruhe lässt. Undercover ermittelt sie auf dem Golfplatz. Verdächtige für den Mord gibt es genug: überambitionierte Spieler, den grimmigen Greenkeeper, die eifersüchtige Fitnesstrainerin, den spanischen Golflehrer … Als Archie einen wichtigen Hinweis erschnüffelt, bekommt der Fall eine neue Wendung. Um den Mörder zu enttarnen, muss Rosa alles aufs Spiel setzen …

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Zeit:10 Std. 52 min

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Das Buch

Rosa Reich genießt ihr neues Dasein als Gartenplanerin. Ihr Team ist eigenwillig, aber tüchtig, Mops Archie freut sich seines Lebens, und sogar eine neue Liebe ist in Sicht. Alles scheint perfekt, bis Rosa den Auftrag erhält, den Außenbereich des Clubrestaurants eines Bonner Golfplatzes zu verschönern. Ausgerechnet während ihrer Arbeitszeit wird die Leiche eines Golfspielers gefunden. Zu Rosas Bestürzung ist der Tote ein ehemaliger Schüler von ihr, weshalb ihr der Fall keine Ruhe lässt. Undercover ermittelt sie auf dem Golfplatz. Verdächtige für den Mord gibt es genug: überambitionierte Spieler, den grimmigen Greenkeeper, die eifersüchtige Fitnesstrainerin, den spanischen Golflehrer … Als Archie einen wichtigen Hinweis erschnüffelt, bekommt der Fall eine neue Wendung. Um den Mörder zu enttarnen, muss Rosa alles aufs Spiel setzen …

Die Autorin

Kristina Hortenbach wurde 1969 in Bonn geboren, wo sie auch ziemlich lange studierte. Durch ein Volontariat landete sie beim Südwestrundfunk in Baden-Württemberg. Als »Frl. v. Hochtenbach« brachte sie den Hörern Schwäbisch bei. Seit vielen Jahren ist sie als Promireporterin für Radio und Fernsehen unterwegs und jeden Freitag in der TV-Sendung »Kaffee oder Tee« zu sehen. Seit ihrer ersten selbst gezogenen Möhre im Reihenhausgarten liebt sie alles, was wächst und blüht. Obwohl sie eher die grüne Faust hat, begleiten sie seit Jahren ein Olivenbaum, ein Oleander und ein Hibiskus.

Lieferbare Titel

Um die Hecke gebracht

Kristina Hortenbach

Grünist der Tod

Ein Garten-Krimi

Wilhelm Heyne VerlagMünchen

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

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Originalausgabe 05/2024

Copyright © 2024 dieser Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die litmedia.agency, Germany.

Redaktion: Michelle Stöger

Umschlaggestaltung: zero-media.net unter Verwendung von Alamy Stock Foto (Ron Sunners), FinePic®, München

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-64130618-2V001

www.heyne.de

Beim Golfen geht es nicht um Leben und Tod – es geht um mehr!

Schottische Weisheit

Wenn es im Inneren eines Menschen eine dunkle Stelle gibt – beim Golf tritt sie zutage!

Paul Gallico, amerikanischer Schriftsteller

Watt soll dä Quatsch?

Willy Schmitz zitiert das Rheinische Grundgesetz, Artikel 10

Kapitel 1

Rosa trat auf die Bremse und bog mit Schwung von der Landstraße auf den unbefestigten Feldweg ab. Ihr Mops Archie auf dem Beifahrersitz hüpfte wie Buddha auf dem Trampolin. Hier musste es irgendwo sein.

»Gleisch hinter der Belustijungsgrünfläsche für Besserverdienende«, blökte Willy aus dem Smartphone in der Handyhalterung.

»Wenn du den Golfplatz meinst, da bin ich gerade dran vorbei.«

Rosa parkte am Wegesrand, nahm Archie an die Leine und ihr Smartphone ans Ohr.

»Und vergiss den Korb nicht«, rief ihre Mutter Roswitha aus dem Telefon. »Bloß keine Plastiktüte, wegen der Giftstoffe!«

»Ja, Mama, weiß ich doch. Ich bin schließlich Biologielehrerin und nicht zum ersten Mal unterwegs. Ich war Biologielehrerin«, verbesserte sich Rosa lächelnd. »Ich glaube, hier bin ich richtig, ich sehe schon den Wald, bis später!« Sie hörte noch Willys »Studieren jeht über krepieren!«, bevor sie ihr Handy wegsteckte. Eine gefühlte Schulstunde blieb ihr noch vor ihrem Termin nebenan im Golfclub, hoffentlich genug Zeit, um ihr Herzstück für das Abendessen zu finden: Morcheln. Der Name dieser Frühlingspilze erinnerte Rosa jedes Mal an ihre zweite große Leidenschaft neben der Natur: Krimis! In den Büchern, die sich auf ihrem Nachttisch stapelten, war allerdings eher vom Meucheln die Rede. Sie zückte ihr Pilzmesser. Gleich würde es den Speisemorcheln an ihr Hütchen gehen. Mit etwas Glück warteten dort im Wald auch die kleineren Käppchenmorcheln auf sie, und wenn es ein richtig leckeres Essen für ihren ehemaligen Kollegen Karl werden sollte, dann müsste sie, den schnuppernden Archie zu ihren Füßen, gleich auch noch Morchelbecherlinge finden, diese dunkelbraunen Wülste mit dem hellen Rand, die aussahen wie Ohrmuscheln – oder halt Becher. Die rochen zwar fies nach Aufsicht beim Schulschwimmen, aber schmeckten so lecker würzig nach dunkler Soße, dass sie eine Bereicherung für jedes Essen waren.

Rosa bog in den Wald ein, das Schild ›Privatweg‹ hatte sie fast gar nicht gesehen. Und damit sie auch niemand auf unbefugtem Gelände erwischen konnte, kam sie lieber freiwillig vom rechten Weg ab und stiefelte gleich in den dichteren Wald, während sie Ausschau nach Ulmen hielt, unter denen sich die Meuchel-Morcheln besonders gern versteckten. Da war doch schon was! Kann das ein früher Maipilz sein? Rosa griff nach dem bräunlichen runden Kopf, der sich erstaunlich hart anfühlte. Aber wo kommen diese Einbuchtungen auf der Oberfläche her? Rosa nahm das Objekt in die Hand und betrachtete es eingehend. Reingefallen, dachte sie und musste beim Anblick des goldenen Golfballs grinsen. Als eine Stimme an ihr Ohr drang, steckte sie den Ball schnell in ihre Jackentasche, zog einen Hundekeks aus der anderen, um Mops Archie abzulenken, und verbarg sich hinter einem Baum, den ihr ehemaliges Lehrerinnenhirn als Esche identifizierte.

»Das kannst du doch nicht machen. Mitten im laufenden Projekt. Was soll ich den Kunden erzählen?«

Rosa lugte hinter dem Baum hervor. Vorne auf dem Weg, einige Bäume vor ihr, stand ein Mann in Sportkleidung und rief aufgeregt in sein Smartphone, so laut, dass Rosa kein Problem hatte, jedes Wort mitzuhören.

»Was? Ab sofort? Spinnst du? Halt, halt, warte, ich …« Er hatte sein Handy vom Ohr genommen und war einen Moment still, bevor er »Verdammte Scheiße!« brüllte. Fast hätte Rosa rübergerufen, ob er gerne nachsitzen möchte. Archie schaute zu erschrocken, um einen Mucks von sich zu geben, als eine zweite Person auftauchte. Sie trug Hut und Jacke und hatte ein langes Gerät in der Hand, das in Rosas Augen weniger nach Gewehr als nach Gartenwerkzeug aussah. Wenn er etwas gesagt haben sollte, so war es zu leise, um es zu verstehen. Der Sportler drehte sich zu dem Mann um und schien zu diskutieren. Rosa hörte ›Privatweg‹, ›Geht Sie gar nichts an‹ und immer wieder ›Verdammte Scheiße‹ heraus. Sie rührte sich nicht. Das roch nach Ärger. Der Sportler machte einen Schritt auf den Mann mit Hut zu und stieß ihn weg. Der andere stolperte und hob den Arm.

»Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe!«

Die letzten Worte hatte die kurze Sporthose gebrüllt. Rosa hielt die Luft an und streichelte mechanisch Archie. Kannte sie diesen Mann? Vorsichtig lugte sie hinter dem Baum hervor. Der Mann im Sportdress fauchte noch ein »Ich warne Sie!«, dann drehte er sich um und rannte weg. Der Hutträger mit dem Gartengerät sah ihm noch einen Moment nach, dann verschwand auch er, wie er gekommen war. Erleichtert holte Rosa Luft, während Archie sein Bein hob.

»Halt«, rief sie leise und zog ihren Hund vom Baum weg. Denn zwischen den Blättern hatten ihre kurzsichtigen Augen etwas Braunes ausgemacht. Wenn das keine Meuchel-Morcheln waren!

Kapitel 2

»Die strahlen wie das blühende Leben. Ich kann gar nicht verstehen, warum sie Totenblumen genannt werden.«

Andreas Krawinsky kniete am Fuße eines Kugelahorns und schaute zu seiner Kollegin rüber. Rosa steckte bis zu den Ellenbogen im hölzernen Blumenkasten, während ihr Mops Archie an den gelben Blüten in den Töpfchen schnupperte, die darauf warteten, ebenfalls eingepflanzt zu werden.

»Dann sag doch einfach Studentenblumen. Ich habe die schon geliebt, als ich selbst noch Studentin war.«

»Was höchstens drei Tage her sein kann.«

Mit einem Lächeln erwiderte Rosa das Kompliment des Baumschulbesitzers, ihr Samenlieferant und Berater für Großhölzer. Sie hatte noch keine Zeit gehabt, ihm von ihrem morgendlichen Erlebnis im Wald zu berichten, gerade noch rechtzeitig hatte sie es zu ihrem gemeinsamen Pflanztermin im Golfclub geschafft.

»Ich habe noch nie verstanden, warum ausgerechnet Blumen für den Tod stehen sollen. Mich erinnern einige Sorten eher an diese puscheligen Pompons der Funkemariechen.« Andreas trat ein paar Schritte zurück und betrachtete seine zwei neu gesetzten Ahorne vor dem Restaurant des Golfclubs. Die alten hatte der letzte Sturm zerlegt.

»Manche riechen auch wie ein Funkemariechen an Aschermittwoch. Daher nennen sie einige Leute liebevoll Stinker.« Rosa kicherte. »Aber ihr wissenschaftlicher Name ist Tagetes. Die Mexikaner nehmen die gerne für ihren Totentag. Als ich meinem alten Freund Karl von unserer heutigen Arbeit berichtete, erzählte er mir, dass die Toten das Gelb der Tagetes besonders gut sehen können. Es zeige ihnen den Weg zu den Totengaben. Behaupten jedenfalls die Mexikaner. Die machen eine richtige Party mit den Toten! Dagegen ist unser Allerheiligen eine lahme Veranstaltung.«

»Die Lehrerin in dir hast du noch nicht abgelegt, was?« Andy grinste sie an. Rosa richtete sich auf.

»Das wird wohl noch eine Weile dauern. Was ich eigentlich sagen wollte: Ich dachte einfach, dass sich Gelb am besten vor dem großen Grün hier macht.« Rosa blickte über die in ihren Augen perfekt getrimmte Rasenfläche, die sich vor ihnen ausbreitete. »Was bin ich froh, dass ich heute nur das Restaurant aufpeppe und nicht den Rasen mähen muss. Am Wochenende steigt hier ein großes Turnier, da sollen Restaurant und Tische für die Siegerehrung hübsch aussehen, meinte die Clubchefin am Telefon.« Rosa zog ihren Autoschlüssel aus den Tiefen ihrer grünen Latzhose und lief zurück zum Auto, um weitere Blumen aus ihrem Mini zu holen. Ihre Mutter Roswitha hatte die Gestecke heute früh in der Gärtnerei fertig gemacht, lachsfarbene Rosen und himmelblaue Vergissmeinnicht, passend zu den Clubfarben.

»Das ziehe ich dir vom Lohn ab.« Die grauhaarige Frau, die eine große Kiste aus dem Kofferraum eines SUVs hievte, sah zerknirscht aus. Sie beschimpfte auf dem Parkplatz ein junges, blondes Mädchen, das sich nervös die blonden Locken aus dem Gesicht strich. Waren denn heute alle auf Streit programmiert? Sie musste ihre Mutter fragen, ob die Sterne ungünstig standen. Rosa packte die Palette mit den Tischgestecken aus ihrem Wagen und lief zurück zur Terrasse des Clubrestaurants. Sie pfiff ihren Mops mit dem Namen aus dem britischen Königshaus zurück, bevor der hier draußen den wenigen Restaurantbesuchern an den ordentlich gedeckten Tischen noch die Füße ableckte. Oder – noch schlimmer – die Golferinnen und Golfer aus ihrer Ruhe brachte.

»Wie groß ist eigentlich die Wahrscheinlichkeit, von einem Golfball getroffen zu werden?« Rosa stellte die Kiste mit den Blütengestecken auf einen der Restauranttische und blickte fragend in das Gesicht ihres Kollegen, als befinde sie sich noch im Klassenzimmer. Der Bart steht ihm gut, fuhr es ihr durch den Kopf, endlich haben wir mal wieder einen gemeinsamen Termin! »Nur so als Frage«, schob sie hinterher, »dann bringe ich nächstes Mal meinen Fahrradhelm zur Arbeit mit.«

»Vermutlich größer, als wir denken. Ich habe gelesen, dass Golf eine der gefährlichsten Sportarten der Welt ist.« Andreas Krawinsky zog die Arbeitshandschuhe aus und schien sich sichtlich darüber zu freuen, dass er endlich andere Themen hatte als das Vertreiben von Stinkwanzen und die Herstellung von Brennnesselsud.

»Weil sich Golfer zu Tode ärgern, wenn sie verlieren?«

»Eher, weil sie vom Blitz getroffen werden. Du läufst schließlich den ganzen Tag durch die Pampa, und die Schläger leiten sehr gut. Ein kleines, plötzliches Sommergewitter und schon wirst du dahingerafft. Ist vor einigen Jahren einer Damenrunde mitten in Deutschland passiert. Keine schöne Vorstellung.«

»Verstehe. Wenn du jemanden loswerden willst, schickst du ihn auf den Golfplatz.« Rosa grinste. »Donald Trump spielt doch auch Golf. Vermutlich hat das seine Frau eingefädelt.«

Schweigend arbeiteten sie eine Weile nebeneinander, bis Andy seine Sachen zusammenpackte. »Ich fühle mich zwar gerade mit dir wie Adam und Eva im Garten Eden, aber ich glaube nicht, dass es hier immer so friedlich zugeht.« Das Thema Gewalt und Golf schien ihn nicht loszulassen. »Wer weiß, vielleicht hauen sich Golfspieler auch die Schläger um die Ohren.«

»Und das weißt du so genau, weil du nicht nur Bäume pflanzt und Gitarre spielst und dein Haus selbst baust, sondern nebenbei auch noch Golfprofi bist.«

»Nee, ich hatte mal ’ne Freundin …«

»Ah ja.« Dass Andy geschieden war und eine erwachsene Tochter hatte, wusste Rosa. Über weitere Frauen in seiner Vergangenheit wollte sie sich nicht den Kopf zerbrechen. Zumindest jetzt nicht. Auch Andy wechselte plötzlich das Thema.

»Ob wir hier schon was zu essen bekommen? Ich könnte ein Pferd verdrücken. Oder wie der Rheinländer sagt: Sauerbraten.«

Rosa versuchte mit zusammengekniffenen Augen die Tagesangebote auf der Tafel neben dem Eingang zu entziffern, vor der gerade die junge, blonde Frau kniete und mit Kreide etwas ans Ende schrieb.

»›Weiner Schnitzel mit Bommes‹? Na, als Lehrerin ist mir auch gleich nach Weinen zumute bei solchen Rechtschreibfehlern. Willy würde sagen, die sollten hier mehr Buchstabensuppe essen. Ich glaube allerdings, hier ist eher die Gegend für Fitnesssalate. Damit die Golfer anschließend wieder munter über die Wiese springen und ihr Täschchen tragen können.«

»Das heißt Bag. Dafür gibt’s die Trolleys, Wägelchen würdest du sagen. Sieht aber doch gut aus, was die da auf dem Teller hat.« Andy deutete unauffällig auf die Frau im lachsfarbenen Poloshirt, die allein am großen Tisch beim Essen saß.

»Schweinemedaillons mit Kartoffelpüree und dicken Bohnen. Kann ich empfehlen«, rief die Frau rüber, als sie bemerkte, dass sie beobachtet wurde, und prostete ihnen mit einem Glas Weißwein zu, das ihr die junge Bedienung mit den blonden Locken gerade gebracht hatte.

»Danke!« Rosa hob grüßend die Hand und murmelte dann ein »Die spielt heute aber auch nicht mehr« in Andys Richtung, während sie die frisch bepflanzten Blumenkästen wässerte und ihr Gartenwerkzeug zusammenpackte.

»Du würdest dich wundern, wie viel beim Golfen gesoffen wird.« Andy griff nach ihrem Sack Erde. »Ich glaube ja sowieso, dass Golfen nur erfunden wurde, um sich zwischen den ganzen Mahlzeiten und Trinkgelagen die Beine zu vertreten. Vorschlag: Ich trage schon mal unsere Sachen ins Auto und du fragst den Koch, ob es ein Mittagsangebot gibt, sonst verfuttern wir gleich unser ganzes schwer verdientes Geld. ›Weiner Schnitzel‹ oder so.« Beim Stichwort Futter begann Archie mit dem Schwanz zu wedeln. Rosa steuerte mit ihm auf den Mann mit den strubbeligen grauen Haaren zu, dessen Bauch so dick war, dass die schwarze Kochjacke spannte. Er schien den gesamten Eingang zum Restaurant einzunehmen.

»Sie sehen mir nach Gambas-Teller aus, junge Frau. Frisch eingetroffen. Gibt’s auch mit grünem Spargel an der Nudel, hahaha.«

Hat der Kerl einen Büttenredner gefrühstückt, oder atmet er in seiner Küche giftige Dämpfe ein? Rosa tadelte sich insgeheim für ihre zynischen Gedanken, die eindeutig von zu viel Zeit mit Willy zeugten.

»Ihr Sportskollege sieht mir mehr nach Rievkooche mit Sauerrahm aus. Getrüffelt natürlich.« Er zwinkerte ihr zu. »Reibekuchen, wie der Immi so sagt, also der Zugezogene, hehehe.«

»Winnie, jetzt bring unseren Gästen erst mal die Speisekarte. Und hast du schon mal einen Golfer in Latzhosen und Gummistiefeln gesehen? Eben. Frau Reich, setzen Sie sich doch zu mir, das ist zwar der Golfers Table, aber heute ist nicht viel los.« Die Frau im Poloshirt rückte auf der Bank zur Seite und winkte Rosa zu sich. »Sie hatten heute früh sicherlich mit Silvia Görgen, der Frau des Kochs zu tun. Aber von mir haben Sie den Auftrag bekommen, wir hatten telefoniert, Schäfer-Schlaffer.« Die Frau reichte Rosa die Hand über den Tisch. Die Gläser ihrer Sonnenbrille, die sie in die halblangen, braunen Haare geschoben hatte, leuchteten in Regenbogenfarben. »Aber sagen Sie einfach Tanja zu mir. Wunderschön sehen Ihre Blumenkästen aus. Und endlich haben wir neue Bäume, Herr …«

»Andreas Krawinsky, für Sie Andy.« Rosas Kollege war zurück mit einer Gesichtsfarbe, die der Clubfarbe ähnelte, bemerkte Rosa überrascht, was vermutlich nicht am festen Händedruck der Frau lag. Sie hatten also die Chefin des Golfclubs vor sich.

»Wir suchen übrigens immer neue Mitglieder«, fuhr Tanja Schäfer-Schlaffer fort und blickte Andy dabei tief in die Augen. »Golf ist ein Sport, den man bis ins hohe Alter ausüben kann, wie Sie sehen«, wandte sie sich an Rosa und wies dann zu der Gestalt, die sich ihnen von der weiten Rasenfläche her näherte. Rosa kniff die Augen zusammen und erkannte, dass sie wild mit den Armen fuchtelte. Sie schien etwas zu rufen, das allerdings nicht verständlich war.

»Das ist Fritz, einer unserer ältesten Spieler. Schauen Sie, wie der noch laufen kann. So aufgeregt habe ich ihn allerdings das letzte Mal gesehen, als er 1975 den Herrencup gewonnen hat. Auf einem Foto natürlich, das war vor meiner Zeit. Er wird doch kein Hole-in-One gespielt haben?«

»Mit nur einem Schlag eingelocht«, warf Andy ein. »Oder wenigstens ein Birdie.«

»Mit einem Schlag weniger eingelocht als vorgegeben«, ergänzte die Clubpräsidentin. »Oder vielleicht sogar ein Eagle? Haben wir nicht so oft.«

»Zwei Schläge weniger als auf der Bahn vorgesehen«, erklärte Andy, »das nennt man Adler.«

»Danke, des Englischen bin ich durchaus mächtig.« Für Rosas Geschmack wurde es langsam doch ein bisschen zu viel Insider-Golf-Pingpong, das Andy hier mit dieser Tanja spielte.

»Das weiß ich doch. Apropos England – wann geht’s mit Karl wieder auf Musicalreise nach London?«

Aber Rosa hatte keinen Sinn für Freizeitgeplauder, sie starrte auf das Männchen, das über den weiten Rasen gestolpert kam, so schnell es seine dünnen Beine trugen.

»Vielleicht ist etwas passiert?« Sie sprang auf und ging Fritz entgegen, der schwer atmend mit seinem Sonnenhut wedelte und rief: »Schnell, schnell, da hinten … da … da liegt einer …«

»Waaas?« Jetzt sprang auch Tanja Schäfer-Schlaffer auf, während Archie aufgeregt kläffte.

»Neben Bahn zwei, kurz hinterm Abschlag«, keuchte der alte Mann, den Rosa spontan in die gleiche Altersklasse wie ihre Mutter steckte. Aber modisch war er ihr in seinen rot karierten Hosen weit voraus. »Da neben dem Weg … ich weiß doch auch nicht … Hana und Manfred sind noch da …«

»Ist was mit Manni?« Die Clubchefin wurde blass unter ihrer Golferinnenbräune. »Er hat doch immer zu hohen Blutdruck.«

»Was? Nein. Da, da …« Das Männchen zeigte mit zitternden Armen über die Wiese. »Da liegt ein Mensch. Ich … ich glaube, der … der … der ist tot.«

»Was? Wer? Ein Spieler? Hat ihn der Schlag getroffen?«

»Nein!« Spieler Fritz wirkt nach seinem Sprint um Jahre gealtert, wenn man das in seinem Alter überhaupt noch sagen kann, dachte Rosa. »Nein«, wiederholte Fritz und ließ sich auf den nächstbesten Stuhl sinken. »Ich glaube, das ist einer aus dem Club. Und den hat nicht der Schlag getroffen, sondern Mannis Ball!«

Kapitel 3

»Ist zufällig ein Arzt hier?«, rief Clubchefin Tanja Schäfer-Schlaffer ins Restaurant, das bei dem schönen Wetter mitten in der Woche allerdings menschenleer war. Die wenigen Gäste auf der Terrasse schauten nur betroffen.

»Ich kenne mich mit Erster Hilfe aus,« meldete sich Rosa zu Wort und überlegte, wann sie das letzte Mal einen Erste-Hilfe-Kursus an ihrer Schule mitgemacht hatte. Während einer der Projektwochen musste das gewesen sein. Hoffentlich versagte sie nicht bei einer Herzdruckmassage. Ach was, eine Lehrerin vergisst nichts, beruhigte sie sich.

»Also gut, kommen Sie mit. Ich hole nur schnell den Defibrillator, der hängt draußen am Büro.« Die Clubchefin griff ihre Kappe und sprintete los. »Winnie, du rufst den Notarzt!« Wenig später folgte ihr Rosa über die akkurat geschnittene Rasenfläche, Archie auf dem Arm, Andy im Schlepptau. Es ist nie verkehrt, einen starken Mann dabeizuhaben. Nach einem Spurt, wie ihn Rosa zum letzten Mal hingelegt hatte, als sie Finja aus der 9c beweisen wollte, dass man auch mit Plattfüßen durchaus in der Lage war, schnell zu laufen, erreichten sie hohes Gras. Mit einem Hüpfer über Wiesenkerbel landete Rosa auf einem Bett aus Waldmeisterpflanzen und vertrieb den Gedanken, dass es mal wieder Zeit für ihren Waldmeister Secco wurde – bei einer ihrer abendlichen Scrabble-Runden mit Karl.

Dann sah sie auch schon den Mann auf dem Boden. Er lag auf dem sandigen Fußweg, der direkt neben dem Golfplatz entlangzuführen schien, auf dem Bauch. Sein Kopf war seitlich verdreht, sodass Rosa in seine aufgerissenen stumpfen Augen sehen konnte. Sie erschrak. Das war der Weg, von dem sie heute Vormittag aus in den Wald gestiefelt war. Und das war der Mann, den sie heimlich beobachtet hatte. Rosa war entsetzt. Gerade eben hatte dieser Mensch noch lautstark geschrien und sich gestritten. Jetzt war er eindeutig tot. Und nicht nur das. Sie bückte sich. Die kurzen blonden Haare des Mannes hatten am Hinterkopf eine dunkelrote Färbung angenommen. Das sah ihr nicht nach Herzinfarkt aus. Rosa fuhr zurück. Irgendetwas an diesem Gesicht kratzte an ihrer Erinnerung. War sie diesem Mann schon einmal begegnet? Ihr Blick wanderte tiefer. Am Hals des Toten war eine schmale, rote Linie zu erkennen. So, als hätte eine Kette eine Spur, eine Verletzung hinterlassen. Aber der Mann trug keine Kette. War er etwa erdrosselt worden? Oder hatte er seine Kette verloren? Vielleicht bei einem Kampf? Rosa setzte Archie auf den Boden. Der Mops fing sofort an, den sandigen Weg entlang zu schnuppern bis zum hohen Gras am Rand, wo er an einem Buschwindröschen sein Bein heben wollte. Bloß nicht den Tatort kontaminieren, wollte Rosa ihm zurufen und zog an der Leine. Was nichts half. Genervt machte sie einen Schritt ins Gras und stockte. War das ein Pilz, oder lag dort schon wieder ein Golfball? Während alle auf die Leiche am Boden starrten, bückte sie sich und schaute sich den Ball genau an. Sie sah ein aufgemaltes blaues Kreuz auf der weißen Oberfläche. Nichts anfassen! Rosa richtete sich auf und blickte in die Runde. Wenn ihr Hirn auch gerade in ihrer Vergangenheit wühlte – noch wusste sie nicht, wer dieser Mensch war und wie er zu Tode gekommen war. Aber sie war sich sicher: Dieser Mann war ermordet worden.

. . .

»Egal, was ihr denkt, ich war das nicht.« Die Stimme kam von der menschgewordenen Neonreklame, die neben dem Toten kniete. Zum orangefarbenen Poloshirt trug der Mann eine giftgrüne Hose, die zum Schweißgeruch passte, der sich unerbittlich in Rosas Nase festsetzte. Er sah verzweifelt aus, als er sich erhob.

»Was ist passiert?« Die Golfclubchefin stürzte herbei, unterließ aber jegliche Wiederbelebungsversuche nach einem Blick auf das Opfer.

»Manfred hat endlich mal getroffen.« Schmale, stechende Augen unter einer weißen Schildkappe schauten in die Runde, triumphierend kam es Rosa vor. Wo bei einer gängigen Baseballcap das Kopfteil war, quoll bei der Frau schwarzes Haar aus der Kappe und türmte sich auf. Sie hatte noch immer einen Golfschläger in der Hand. Rosa bemerkte den Schriftzug ›No.1‹ auf ihrem Shirt.

»Um Gottes willen, Hana«, ermahnte sie die Clubchefin, »jetzt ist wirklich nicht der richtige Moment für deinen Sarkasmus. Wo bleibt denn der Notarzt?«

»Egal wie schnell, er kommt zu spät.«

Rosa unterdrückte den Impuls, sich einzumischen, und lauschte interessiert Tanja, die die Befragung aufnahm, wie sie es selbst gerne getan hätte.

»Wie konnte das passieren? Hier liegt ein … ein toter Mann neben unserem Golfplatz.« Die Clubchefin blickte der Frau mit den asiatischen Zügen entsetzt ins Gesicht. Die zuckte mit den Schultern. Der Anblick eines Toten, der plötzlich während der Ausübung ihrer Freizeitbeschäftigung auftauchte, schien sie nicht sonderlich aus der Ruhe zu bringen. Aber bekanntlich konnte sich ein Schock auf unterschiedliche Weise äußern.

»Mich musst du nicht fragen, ich war schon beim Einlochen, da sehe ich doch nicht, was die Jungs hinter meinem Rücken treiben, die brauchen ja immer so lange.«

»Manfred.« Tanjas Stimme nahm einen weichen Zug an, während sie von einem zum anderen blickte. Neben Andy kam sich Rosa vor wie eine Zuschauerin bei einem schlechten Krimidinner. Fehlten nur noch die Häppchen. Dass sie den Mann vor wenigen Stunden noch ziemlich lebendig gesehen hatte, verschwieg sie lieber erst mal. Schließlich war sie unbefugt auf Privatgelände unterwegs gewesen.

»Ich weiß doch auch nicht.« Manfred klang weinerlich, was nicht zu seiner Körpergröße passen wollte. Ein Mann wie ein Baum, aber ein Ego wie ein Bonsai, kam Rosa in den Sinn. »Ich dachte, ich hätte meine Schläge mit dem Siebener-Eisen langsam im Griff, aber wie so oft flog der Ball nicht dorthin, wo ich wollte, und als ich ihn suchen ging, da …«

»Hast du denn nicht gesehen, dass jemand auf dem Weg lief? Warum hast du nicht ›Fore‹ gerufen? Hast du die einfachsten Regeln vergessen?«

Der große, braun gebrannte Mann sah nicht annähernd so selbstbewusst aus, wie es seine grellbunte Kleidung vermuten ließ. Die Stimme seiner Chefin brachte den Baum von Mann bald zum Fallen, dachte Rosa, während Manfred immer weiter »Ich war das nicht« murmelte.

»Und wo warst du überhaupt, Fritz?« Der Angesprochene nestelte hinter seinem Ohr herum. Rosa tippte auf Hörgerät. »WOWARSTDU?«

»Der keuchte hinterher«, mischte sich Hana ein, bevor der alte Mann mit den karierten Hosen antworten konnte. »Du weißt doch – Fritz ist immer mit seinem alten schweren Bag unterwegs, aus dem letzten Jahrhundert, genau wie er selbst. Spart sich das Geld für einen Trolley vermutlich für neue Bälle, so viele wie der verschlägt. Nix für ungut, Sportsfreund, aber so ist es doch.« Hana lächelte den alten Mann an. Ein falsches Lächeln, urteilte Rosa.

»Das ist ein Erbstück«, rechtfertigte sich Fritz.

»Warum helfen Sie ihm nicht beim Tragen?« Für ihren Zwischenruf erntete Rosa einen Blick von der Asiatin, der nicht tödlicher hätte sein können als ein Golfball auf schiefer Bahn.

»So geht das Spiel nicht. Außerdem lässt er da keinen ran. Wer sind Sie eigentlich? Schon wieder ein neues Mitglied?« Hana wandte sich mit finsterem Blick an Tanja.

»Das ist Rosalinde Reich, die Gärtnerin, sie bringt gerade die Terrasse unseres Restaurants auf Vordermann, für das Turnier am Wochenende. Sie war so freundlich zu helfen. Und das ist ihr Mitarbeiter Andy.« Sie lächelte versonnen und schien für einen Augenblick den Ernst der Lage vergessen zu haben. »Ich hoffe, Sie haben keinen falschen Eindruck von unserem Club. So etwas ist hier noch nie passiert.«

Andy nickte eifrig. Rosa räusperte sich. »Das ist übrigens mein Mops Archie. Kennen Sie den Mann?« Sie wies auf den Toten.

Die Clubchefin trat näher, legte den Kopf schief und blickte der Leiche angewidert ins Gesicht.

»So enden nicht alle neuen Mitglieder.« Spieler Manfred schien sich wieder gefangen zu haben. Rosa fragte sich, ob Sarkasmus Voraussetzung fürs Golfen war. Manfreds klobige weiße Sportuhr am Arm piepste laut. Vermutlich hatte er sein Tagesziel an körperlicher Ertüchtigung für heute erreicht.

»Ich fürchte, wir alle kennen den Toten.« Manfred klang betroffen. »Das ist unser neuester Zugang David Behringer.«

»O Gott. Den hätte ich fast nicht wiedererkannt. Der war doch noch gar nicht alt.« Die Clubchefin hielt sich vor Schreck die geballte Faust vor den Mund. »Und gut gespielt hat er auch.«

»Ich hoffe, er hat den Jahresbeitrag im Voraus bezahlt.« Hana hatte die Arme vor der Brust verschränkt.

Rosa erblasste. David Behringer. Gesichter veränderten sich im Laufe der Jahre, aber an Namen erinnerte sie sich. Das hatte sie über Jahrzehnte als Lehrerin trainiert. Der schöne David. Es war lange her, zwanzig Jahre vielleicht. Da war er ein gut aussehender Junge, mit dem alle Mädchen in der 9a gehen wollten. Warum musste er so enden?

»Mochten sie ihn nicht?« Wenn Rosa die Erinnerung nicht trog, war David nicht nur ein hübscher, sondern auch ein freundlicher Mensch gewesen. Kein Wunder, dass sie ihn nicht sofort erkannt hatte, als er noch vor wenigen Stunden im Wald herumgebrüllt hatte.

Hana zuckte mit den Schultern, während Manfred ein »Doch, doch« murmelte und Fritz etwas zu laut rief: »Er war immer sehr höflich. Anders als du, Hana.«

»Und er war ein guter Spieler, wie ich heraushöre.«

»Besser als die meisten, würde ich sagen.« Manfred nickte anerkennend.

»Wenn nicht sogar der Beste.« Fritz schaute betreten.

»Pffft.«

»Man könnte also sagen, er war ein großer Konkurrent.« Rosa betrachtete kritisch die Golfspieler. Während Fritz nickte und Hana den Kopf schüttelte, sagte Tanja: »Das wollten wir beim nächsten Turnier herausfinden.« Und ich werde herausfinden, beschloss Rosa, warum mein ehemaliger Schüler neben diesem Golfplatz den Tod finden musste.

. . .

Kurz nach dem Notarzt traf auch die Polizei ein und mit ihr eine Überraschung: das Pittermännchen. Peter Klein, vor vielen Jahren auch einer von Rosas zahlreichen Schülern. Und bis vor Kurzem noch Dorfpolizist in Kappeshoven. Rosa nahm Archie wieder auf den Arm, bevor der dem offenbar frischgebackenen Hauptkommissar ans Bein sprang.

»Frau Reich, dass wir uns schon so bald wiedersehen, hätte ich nicht gedacht.« Er klang zerknirscht. Bis ihm etwas einzufallen schien. »Ach, Sie spielen jetzt Golf. Da haben Sie aber ein schönes neues Hobby gefunden.« Peter wirkte erleichtert.

»Und du? Wie ich gehört habe, bist du nach Bonn befördert worden, gratuliere! Und gleich schon wieder so ein interessanter Fall.« Rosa holte Luft. »Um es kurz zu machen: Diese drei Golfspieler haben den Mann gefunden. Und das ist die Präsidentin des Golfclubs, wir saßen auf der Terrasse des Restaurants dort hinten. Und wer der Tote ist, ist eigentlich auch schon geklärt. Ich nehme an, dass du uns alle vernehmen willst, Pitter… äh Peter?« Manchmal ging die redselige Rheinländerin mit ihr durch.

Peter beugte sich zu der Leiche auf dem Boden. »Das sieht mir auf den ersten Blick nicht nach einem natürlichen Tod aus.« Er hob seine Dienstmütze an und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich muss Sie alle bitten, ein paar Meter zurückzutreten und nichts am Tatort zu verändern. Meine Kollegin wird diesen Weg hier absperren.« Er zog rot-weißes Flatterband aus der Hosentasche und reichte es einer hübschen Schwarzhaarigen, die Rosa erst jetzt wahrnahm. Sie überragte Peter um mehr als einen Kopf. »Und auch dort hinten«, er wies Richtung Grün, wo sich einige schaulustige Golfspieler näherten. »Hier darf keine mögliche Spur niedergetrampelt werden.«

»Herr, äh, Kommissar Klein«, meldete sich Tanja Schäfer-Schlaffer. »Müssen wir etwa den ganzen Golfplatz sperren? Das wäre eine Katastrophe. Die Saison geht doch gerade so richtig los.«

»Ich habe noch jede Runde beendet. Ich lag in Führung.« Hana mit dem No.1-Shirt schaute grimmig.

»Glauben Sie mir, wenn hier gleich die Kripo Siegburg und die Mordkommission auftauchen, mit einem Team der KTU zur Spurensicherung, dann wird’s ungemütlich.«

Die Beförderung hatte Peters Selbstbewusstsein einen Schub gegeben, urteilte Rosa nicht ohne Stolz auf ihren ehemaligen Schüler.

»Er meint die Kriminaltechnische Untersuchung, ganz großes Besteck!«

»Äh ja, danke, Frau Reich. Also hier wird jeder Stein umgedreht und jede Spur gesichert, das kann Tage dauern.«

»Was?! Aber wir haben am Wochenende ein Turnier, das können wir unmöglich absagen.« Tanja baute sich vor Peter auf.

»Ein Ergebnis hätten wir ja schon mal«, meldete sich Hana zu Wort. »David Behringer wird wohl auf dem letzten Platz landen.«

»Je besser Sie mit der Polizei zusammenarbeiten, desto schneller wird es gehen. Sie halten sich jetzt bitte zu unserer Verfügung und entfernen sich nicht aus dem Golfclub. Sobald die Kripo da ist, werden Sie alle vernommen.« Peter schaute seine ehemalige Lehrerin ernst an. »Das gilt auch für Sie, Frau Reich.«

Kapitel 4

»Winnie, machst du uns die Tagessuppe noch mal warm? Ich glaube, wir können alle eine Stärkung gebrauchen.« Tanja Schäfer-Schlaffer schien vollkommen in ihrem Element. Die Golftruppe war im Clubrestaurant versammelt, Hauptkommissar Peter Klein hatte ein Hinterzimmer zum Vernehmungsraum erklärt, in den die mittlerweile eingetroffenen Kollegen der Kriminalpolizei alle Beteiligten nacheinander für eine erste Befragung hineinriefen – während draußen auf dem Golfplatz der Erkennungsdienst seine Arbeit tat. Wie Rosa aus ihren Krimis wusste, bauten die Beamten in ihren weißen Ganzkörperanzügen, die an Ärzte in der Coronakrise erinnerten, als Erstes ein Zelt rund um die Leiche auf. Diese würde noch am Ort untersucht werden – genau wie die gesamte Umgebung. Die Spurensicherung würde jeden Zigarettenstummel einsammeln, in eine Tüte stecken und mitnehmen und sicherlich so manchen verlorenen Golfball dabei finden. Und vielleicht mehr. Rosa schaute in die Runde. Bis auf einen Mann mit Hut, der mit verkniffenem Gesicht und verschränkten Armen neben der Tür stehen geblieben war, saßen alle Golfspieler stumm an ihren Tischen. So als wagten sie nicht, ein falsches Wort zu sagen, bis die junge, blasse Bedienung die Suppe servierte. Und dabei einiges verschüttete, was Archie freute. Rosa erkannte sie als die blonde, geschätzt Zwanzigjährige vom Parkplatz wieder. Sie zitterte, bemerkte Rosa, und dachte: verständlich, nach der ganzen Aufregung.

»Und«, wandte sie sich nach langem Schweigen zwischen zwei Löffeln Gulaschsuppe rheinischer Art an den in ihren Augen zugänglichsten Spieler Manfred, während Andy neben ihr schon den zweiten Teller freudig entgegennahm. »Spielen Sie oft in dieser Konstellation?«

»Sie meinen unseren Flight?« Manfred schien durch die Suppe zu neuem Leben erwacht zu sein, seine Wangen leuchteten so grellrot wie sein Poloshirt, was an zu viel Sonne, Nervosität oder aber dem Bier liegen mochte, das vor ihm stand. »Hm, ja, jede Woche gleiche Zeit, gleiche Bahn. Dazwischen üben wir allein, auf der Driving Range.« Schweiß tropfte ihm von der Stirn in die Suppe.

»Seit wann sind Sie drei miteinander befreundet?«

»Ach, wir kennen uns schon ewig, aus dem Golfclub. Es ist wohl ein bisschen so wie früher beim Schulsport, wenn immer dieselben auf der Bank sitzen blieben. Ich will nicht sagen, dass wir die Schlechtesten sind, aber wir wollen einfach in Ruhe spielen, nicht den Club neu aufmischen, wie …«

»Sie meinen den Toten?« Rosa pustete auf ihren Löffel mit Suppe, die für ihren Geschmack viel zu stark gewürzt war.

»Ach, ich kannte den eigentlich gar nicht. Wir mussten ihn ein paarmal auf der Bahn vorlassen, weil er so schnell vorbeizog.«

»Ein Angeber war das! Haute auf seinen Ball doch nur drauf, keinerlei Technik«, mischte sich Hana ein. Ihr Gesichtsausdruck war unverändert finster.

»Was ihn aber weit nach oben auf der Bestenliste gebracht hat«, wusste Manfred.

»Dann war er besser als alle anderen?« Andys Teller war schon wieder leer.

»Ja, leider. Er wollte es einfach wissen.«

»Er war halt noch sehr jung und hatte große Ziele, das kennen wir doch auch noch von früher.« Der älteste Spieler des Golfclubs, Fritz, hielt sich an seiner Fanta fest. »Als ich in seinem Alter war, wollte ich auch ständig mein Handicap verbessern.«

»Was ungefähr neunzig Jahre her ist. Heute willst du doch nur Frauen in kurzen Röckchen angucken.«

»Und Sie, Hana, was streben Sie in diesem Club an?«, wandte sich Rosa an die Frau mit den kritischen Zwischenrufen, die auch zum Essen ihre Schirmkappe nicht abnahm.

»Besser werden, jeden Tag besser werden. Nur für mich. Und für ein gutes Spiel.« Hana schaute sie finster mit zusammengekniffenen Augen an und schob verächtlich hinterher: »Soweit das mit diesen Spielpartnern möglich ist.«

»Und Sie, Manfred? Wollen Sie auch besser werden?« Rosa ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Eigentlich war eine polizeiliche Vernehmung dasselbe wie das Abfragen von Unterrichtsstoff. Nur das Thema war ein etwas anderes.

»Ich bereite mich auf meinen Ruhestand vor, dann werde ich nur noch Golf spielen.«

»Also letztens wolltest du noch dringend Clubmeister werden. Und weil das bisher nicht geklappt hat, wolltest du Präsident werden. Aber du hast dich ja von einer Frau ausbooten lassen«, giftete das No.1-Shirt. Wie aufs Wort trat Tanja Schäfer-Schlaffer an den Tisch.

»Hana, du bist die Nächste. Erzähl bloß keinen Quatsch und sei bitte höflich.« Sie setzte sich auf den frei werdenden Platz. »Sie dürfen Hana nicht so ernst nehmen, eine sehr gute Spielerin, aber meckert gerne. Sie meint es nicht so. Geht’s wieder, Manni?« Der winkte ab.

»Das ist alles nichts für mein Herz. Ich hab bestimmt 200 Blutdruck. Ich sollte mich am besten zu Hause hinlegen.«

»In meinem Büro steht auch eine Couch …«

»Wie lange sind Sie eigentlich schon die Präsidentin dieses Clubs?« Rosa nahm den Faden wieder auf, den Hana zurückgelassen hatte, bevor Manfred seine Krankengeschichte ausbreiten konnte.

»Seit zwei Jahren. Mein Mann hatte eine neue Stelle in Bonn angetreten, und da habe ich mir hier auch einen neuen Wirkungskreis gesucht. Ja, eine Zugezogene, was mir manch einer übel genommen hat. Aber ich denke, mittlerweile wissen alle, was sie an mir haben.« Ihr Blick duldete keine Widerrede.

»Um den Golfernachwuchs haben Sie sich, wie es aussieht, jedenfalls schon gekümmert«, Rosa deutete zum Nachbartisch, an dem ein gut aussehendes junges Pärchen im weißen Sportdress saß.

»Das ist unser Trainer Manuel und Fitnesstrainerin Babsi. Sollten Sie sich das mit dem Golfen überlegen, werden Sie mit den beiden zu tun haben. Vor allem Manuel ist sehr beliebt bei den Damen.« Tanja Schäfer-Schlaffer zwinkerte ihr zu. Rosa fühlte sich ertappt, konnte ihren Blick trotzdem nur schwer von dem gebräunten Mann mit den dichten, dunklen Haaren losreißen. Was für muskulöse Arme der hatte! Andy stupste sie belustigt mit dem Ellenbogen in die Seite. Er hatte ihr Interesse bemerkt, Rosa wurde rot.

»Und Sie, Herr, äh Fritz, wie lange spielen Sie schon in diesem Club?«, wandte sich Rosa mit lauter Stimme an den ältesten Spieler, der noch immer nicht viel sagte. Was an seiner Schwerhörigkeit, am Alter oder an einem gesunden Desinteresse liegen konnte.

»Was? 1974 habe ich hier angefangen, ich feiere bald Jubiläum. Wehe, wenn’s dann keine Geschenke gibt, Tanja! Ich habe vorher in Köln gespielt. Genau wie mein Vater.« Er schien in Erinnerungen zu versinken.

»Sie müssen wissen, dass unser Fritz Töpelmann aus einer alten Golferfamilie kommt«, erklärte die Clubchefin. »Sein Vater war sogar in St. Andrews erfolgreich. Der berühmte Golfclub in Schottland, die Wiege des Golfsports. Von seinem Vater stammt auch noch sein Bag, stimmt doch, Fritz?« Der Angesprochene schaute kurz irritiert hoch. »Vielleicht bekommst du zum 50. Jubiläum eine ganz neue, leichtere Golftasche von uns, das wäre doch was«, brüllte Tanja ihm entgegen.

»Finger weg von meinem Bag. Da stecken jede Menge Erinnerungen drin.«

»Da stecken wahrscheinlich Goldklumpen drin, so schwer wie das ist. Fritz, du bist dran.« Hana war aus dem Vernehmungsraum zurückgekommen. Sie klopfte ihrem Golfkollegen auf die Schulter und setzte sich auf seinen Platz.

»Und, war’s schlimm?« Manfred schaute ängstlich zu Hana, die mit den Schultern zuckte.

»Na ja, von Handicap haben die jedenfalls noch nie was gehört. Haben gedacht, ich sei behindert. Na, denen habe ich was erzählt.«

»Hast du der Polizei gesagt, dass mein Ball den Neuen getroffen hat?«

»Meiner war es jedenfalls nicht. Du bist der Einzige, der eine so krumme Flugbahn hinkriegen würde. Ich schlage gerade und bringe keine Menschen um.«

»Dann glauben Sie also, der Schlag war Absicht?« Rosa schaute Hana in die Augen, die schnell aufstand.

Im Hinausgehen murmelte sie: »Es hat auf jeden Fall den Richtigen getroffen.«

. . .

»Da haben Sie ja ein interessantes neues Hobby gefunden, Frau Reich, Golfspielen ist sicherlich sehr zeitaufwendig, was?« Peter Klein empfing Rosa mit seinem Block auf der rot karierten Tischdecke. Seine Kollegen von der Kripo und er hatten die Tische im Nebenraum des Restaurants zu Verhörinseln umfunktioniert. »Seit wann spielen Sie denn schon?«

»Ach, so richtig habe ich damit noch gar nicht angefangen, Peter.« Rosa winkte ab. »Nein, ich habe hier im Golfclub die Blumenkästen neu bepflanzt. Hast du vielleicht schon gesehen, draußen, die Tagetes, Studentenblumen. Schade, dass du nie das Studentenleben kennengelernt hast …«

»Ich …« Peter beugte sich errötend über seinen Block und machte eine Notiz.

»Aber eine solide Ausbildung ist ja auch was Wunderbares. Und du hast dich bei der Polizei doch gut gemacht. Ich habe dir noch gar nicht zu deiner Beförderung gratuliert. Das war wirklich großartig, wie wir den Fall um den toten Löwen im Schlossgarten gelöst haben, nicht wahr?« Sie lächelte ihren ehemaligen Schüler an. »Du wirst sehen, das werden wir hier auch schaukeln.« Peters Blick deutete Rosa als erschrocken bis entsetzt.

»Frau Reich.« Peter stützte seine Arme auf dem Tisch auf und beugte sich zu ihr vor. »Sie werden in diesem Fall bitte gar nichts unternehmen. Dafür ist die Polizei hier. Und was den Fall in Kappeshoven betrifft – den hätte ich auch durchaus allein …«

»Ach, Schnickschnack. Vier Augen sehen doch viel mehr als zwei. Darum habe ich euch früher in Bio auch gerne zu zweit am Mikroskop arbeiten lassen. Weißt du noch, als ich Zwiebeln zum Untersuchen mitgebracht habe? Bevor die eingefärbt waren, hattest du schon reingebissen …«

»Frau Reich …«

»Ich schweife ab, du hast recht, Peter. Du musst schließlich deiner Arbeit nachgehen. Hast du den Toten eigentlich erkannt? Er war auf unserem Gymnasium.«

Peter sah sie so irritiert an, als sei er nie auf einer Schule gewesen. »David Behringer. Ich schätze, er war ein paar Stufen über dir. Damals war er sehr beliebt. Erinnerst du dich an ihn?«

Peter schüttelte stumm den Kopf, während er etwas notierte.

»Vermutlich nicht. Für die älteren Schüler haben sich ja höchstens die Mädchen interessiert.« Rosa lächelte. Und dachte daran, dass ihr Pittermännchen in der Schule alles andere als beliebt gewesen war. Mit seinen roten Haaren und Sommersprossen war er vielmehr gehänselt worden, was sie damals schon zu unterbinden versucht hatte und was ihr heute noch leidtat. Eigentlich war Peter Klein das genaue Gegenteil von David Behringer. Vor allem, weil er lebte. »Ich hatte ihn in Erdkunde und Biologie. Soweit ich mich entsinne, war er ganz gut, ist zumindest nie negativ im Unterricht aufgefallen, das hätte ich mir gemerkt.«

»Sie kannten den Toten, Frau Reich?«

»Ja, vor zwanzig Jahren vielleicht. Seitdem er die Schule verlassen hat, habe ich ihn nie mehr gesehen. Ich kann nicht die Lebenswege aller ehemaligen Schüler verfolgen. Aber dafür sehe ich dich ja öfters.«

Peter schaute irritiert von seinen Notizen hoch.

»Eine Frage habe ich noch, Peter: Habt ihr das Auto des Toten gefunden? Wenn er auch wie ein Jogger aussah – zu Fuß wird er sicherlich nicht aus der Stadt gekommen sein, nicht wahr?«

Peter nickte. »Natürlich, Frau Reich, aber die Ermittlungen sind noch nicht …«

»Ich weiß, ich weiß, ihr fangt ja gerade erst an. Aber am Fundort habe ich kein Auto sehen können. Sicherlich kam er vom Golfplatz, oder nicht? Hier gibt’s ja einen großen Parkplatz.«

Peter seufzte und nickte wieder ohne ein Wort.

»Ich nehme an, das ist ein Ja. Sehr gut, Peter. Ihr arbeitet schnell. Was ich dir noch erzählen wollte: Bevor ich hier mit den Blumen auf dem Golfplatz angefangen habe, war ich beim Pilzesammeln ganz in der Nähe und habe Interessantes …«

»Das können Sie mir ein andermal erzählen, Frau Reich. Wir müssen schnell fertig werden. Ich fasse zusammen: Sie waren beruflich als Gärtnerin hier, vermutlich zum ersten Mal auf diesem Golfplatz.« Rosa nickte bestätigend. »Und kannten den Toten persönlich.« Rosa schüttelte den Kopf.

»Nicht ganz korrekt, Peter. Ich habe ihn gekannt, vor rund zwanzig Jahren. Das hättest du dir merken können.«

»Haben Sie beobachtet, wie jemand dem Mann Gewalt antat?«

»Nein, ich …« Peter ließ sie nicht zu Wort kommen.

»Haben Sie den Mann umgebracht?«

»Was? Natürlich nicht!« Was erlaubt der sich! »Ich bugsiere doch keine Schüler durch die Klassenarbeiten, um sie anschließend zu … nein, Peter.«

»Dann denke ich, können wir die Sache hier abkürzen. Danke, Frau Reich. Schicken Sie doch bitte den Nächsten rein.« Rosa seufzte.

»Ach, Peter. Du solltest lernen zuzuhören. Ich weiß, das fiel dir in der Schule schon schwer. Ich hätte dir noch einiges zu erzählen.«

»Ein andermal sehr gerne, Frau Reich. Aber Sie sehen ja selbst – wir haben hier einen Tatort und eine Leiche und müssen herausfinden, was geschehen ist.«

Und wer den Mann umgebracht hat, dachte Rosa. Schließlich ist der Mörder noch auf freiem Fuß. Aber das scheint außer mir ja niemanden sonderlich zu interessieren. 

Kapitel 5

»Watt denn, haste schon widder eenen um die Hecke jebracht? Da haste aber watt falsch verstanden mit dinge Ruhestand, Liebschen.«

Willy prostete ihr mit seiner Kölschflasche zu. Die neuesten Nachrichten hatte ihr ältester Mitarbeiter zu gern zum Anlass genommen, den frühzeitigen Feierabend einzuläuten – im gläsernen Café neben der Gärtnerei, das Rosa an die junge Konditorin Sarah verpachtet hatte. Heute servierte sie ihnen gefüllte Windbeutel, die Rosa entfernt an Golfbälle erinnerten und Archie eifrig mit dem Schwanz wedeln ließen. Ihre Mutter Roswitha machte ein erschrockenes Gesicht, als Rosa von dem Toten auf dem Golfplatz berichtete.

»Der lag da einfach so auf dem Spazierweg? Hat er auch Pilze gesammelt? Oder wurde er von einem Golfball getroffen? Da haben es die Sterne aber gar nicht gut mit dem jungen Mann gemeint.«

»Das ist noch nicht bestätigt, ich halte das auch für sehr unwahrscheinlich. Aber Andy …«

»Den Namen hör isch in letzter Zeit öfters …«

»… hat gemeint, dass das beim Golfsport durchaus vorkommen kann, dass jemand aus Versehen durch einen Ball getötet wird. Mit dieser Affengeschwindigkeit auf den Hinterkopf – zack, tot.«

»Soso, der Mann kennt sisch also mit kleinen Bällschen aus.«

So gern sie ihren treuen Mitarbeiter auch hatte – heute überging Rosa den Einwurf von Willy Schmitz, der gefühlt schon immer in der Gärtnerei ihrer Eltern gearbeitet hatte.

»Aber wenn der junge Mann so gut Golf gespielt hat, wie du sagst«, meldete sich ihre Mutter, »dann weiß er doch, dass es in der Nähe eines Golfplatzes gefährlich werden kann.« Und Sarah ergänzte: »Was hat er dort überhaupt gemacht?« Sie sah heute wieder entzückend aus, dachte Rosa, in ihrer pinken Schürze und mit den langen dunklen Haaren, die sie zum Arbeiten hochgesteckt hatte.

»Das wollte ich eigentlich mit Peter Klein besprechen, aber er hat mich einfach nicht ausreden lassen.«

»Datt Pittermännschen! Den haste nach oben jemordet!«

»Willy, bitte. Es war ein langer Tag.« Wie aufs Stichwort gähnte Archie und trollte sich in sein Hundekörbchen aus dem Onlineshop des Königshauses, mit dem königlichen Wappen drauf. Er liebte es, seine Plauze standesgemäß zur Ruhe zu betten.

»Wenn ihr mir sein Geburtsdatum nennt, kann ich euch sagen, ob sein Sternzeichen gefährdet war, ob er zu Waghalsigkeit neigte.«

»Ach, Mama, jetzt sieh erst mal zu, dass dein Jahreshoroskop stimmt.« Roswithas Weihnachtsgeschenk hatte für Rosa ein glückliches Händchen im Beruf und stürmische Zeiten in der Liebe vorhergesagt. Bisher sah Rosa aber nur einen toten Mann im neuen Job und tote Hose in der Liebe. Andy hatte sich ja heute gewaltig von dieser Golfclubchefin um den Finger wickeln lassen. Vielleicht sollte ich ihn doch endlich mal zu Hause besuchen, grübelte Rosa. Seine Einladung stand hoffentlich noch. Aber im Moment reizte es sie ein kleines bisschen mehr, diesen Fall zu lösen.

»Ich muss euch noch etwas gestehen. Ich habe den Toten gesehen, als ich beim Pilzesammeln im Wald war. Also, da war er natürlich noch lebendig und lief auf dem Waldweg.«

»Dann hast du den Mord beobachtet?« Ihre Mutter schaute sie verängstigt an.

»Nein, ich stand hinter einem Baum und hatte gerade Morcheln gefunden, als ich ihn hörte. Erst hat er in sein Telefon geschimpft und dann mit einem Mann gestritten. Der andere war urplötzlich aufgetaucht.«

»Hast du das der Polizei erzählt?« Die Frage kam von Sarah. Rosa schüttelte den Kopf.

»Ich wollte ja, aber immer, wenn ich ansetzte, hat Peter mich abgewürgt, als wäre ich eine irre Alte mit Mordfantasien, die zu Karneval als Detektivin geht.«

»Wo er rescht hat, hat er rescht.«

Sarah lachte laut über Willys Einwurf. »Ich glaube, er will sich von seiner ehemaligen Lehrerin nichts sagen lassen. Reine Psychologie. Er hat bestimmt ein Schultrauma. Mach dir keine Vorwürfe.«

»Apropos Schule – jetzt kommt’s: Ich kenne den Toten. Also, ich habe ihn gekannt. David Behringer war mal in meiner Klasse. Vor vielen Jahren. Damals war er sehr umgänglich.«

»Datt können privat die Schlimmsten sein.«

»Ja, ich weiß eigentlich gar nichts mehr über ihn, habe ihn aus den Augen verloren. Mir fällt auch überhaupt nicht mehr ein, was er nach der Schule gemacht hat. Darüber spreche ich doch immer ausführlich mit den Schulabgängern. Wie ausgelöscht.«

»Das Hirn sortiert im Alter einfach aus. Mach dir keine Sorgen, Rosalindchen.« Ihre Mutter tätschelte ihr den Arm.

»Peter hat recht, er wird den Fall sicherlich auch allein lösen. Nur wann? Was ich erfahren habe: David Behringer gehörte zum Golfclub, aber – er trug kein Poloshirt, als wir ihn fanden. Andy meinte, das sei beim Golfen Pflicht, immer mit Kragen auf dem Platz.«

»Watt soll dä Quatsch?«

»Etikette, kennst du nicht, Willy. Insofern könnte es sein, dass er auf dem Weg neben dem Platz joggen war, so war er zumindest gekleidet. Ich muss dazu noch mal die Clubchefin vernehmen, äh befragen«, murmelte Rosa mehr zu sich selbst. »Ich brauche nur einen Vorwand, um erneut im Club aufzutauchen. Meine Arbeit dort ist eigentlich erledigt, wobei ich mir nicht sicher bin, ob das Turnier am Wochenende überhaupt stattfindet – unter diesen Umständen.«

»Einer hat ja schon erfolgreisch einjelocht, sozusagen.«

»Ach, Willy!«

»Watt denn? Datt nennen die wahrscheinlich ›Konkurrenz beseitigen‹.« Mit seinen langen, dünnen Fingern malte er Anführungsstriche in die Luft.

»Du meinst, die bringen die besten Spieler um, weil sie selbst gewinnen wollen?« Ihre Mutter schien entsetzt, glaubte sie doch an das Gute im Menschen.

»Wenn du misch fragst: Wer freiwillisch karierte Buxen trägt, ist zu allem fähisch.«

»Da sind wir aber froh, Willy, dass nicht du die Ermittlungen leitest.« Rosa schob sich das letzte Stück Windbeutel in den Mund, aus dem die Sahnecreme nur so herausquoll.

»Nä, datt mäht ja schon unsere Expertin für kleine Bällschen.«

Rosa stand auf. »Ich glaube, ich werde Karl fragen, der hat selbst mal Golf gespielt.«

»Ah, der griechische Sprüchejott. Grüße!«

»Rosalinde!« Ihre Mutter nannte sie nur dann bei ihrem vollen Namen, wenn es ihr ernst war. »Rosalinde, versprich mir, dass du vorsichtig bist. Ich möchte nicht, dass dir etwas passiert. In deinem Horoskop heißt es heute: ›Nehmen Sie sich in Acht. Ein unvorhergesehenes Ereignis steht bevor‹.« 

Und Willy übersetzte: »Nisch, dass du für de Mörder datt Loch zwei bist.«

Kapitel 6

»GRÜN. Sechzehn Punkte, kurz, aber erfolgreich würde ich sagen. Wobei ich ausnahmsweise nicht an die Farbe meiner geliebten Bäume und Blumen denke, sondern an den Fachbegriff für die Golfbahn, so weit ist es schon gekommen.«

»Die nennt der Golfer Fairway, liebe Rosa, wenn dein Ball auf dem Grün landet, dann hat er es nicht mehr weit. Sozusagen das kurz gemähte Gras rund um das Loch.«

Rosa stöhnte, griff ins Säckchen und zog neue Buchstaben. Sie brütete mit Karl über ihrem wöchentlichen Scrabble-Spiel, neben sich einen Waldmeister Secco. Nach ihrer Rückkehr hatte Rosa gleich ihre Mutter gebeten, Waldmeister zu besorgen – den vom Golfplatz konnte sie schlecht mitnehmen, wenn die Polizei dort ermittelte.

Rosa war froh, den aufregenden Tag nicht allein ausklingen zu lassen, zu viele Fragezeichen wimmelten in ihrem Kopf. Deshalb hatte sie Karl in Kurzform von dem Toten auf dem Golfplatz berichtet.