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Selbstbestimmt arbeiten, Visionen verfolgen und in die Zukunft investieren Es herrscht ein Ungleichgewicht in der deutschen Gründungslandschaft. Der Frauenanteil aller "Neu-Selbstständigen" lag im Jahr 2020 lediglich bei knapp 40 Prozent. Der Anteil der Start-up-Gründerinnen mit 16 Prozent noch deutlich darunter, und bei den oft eigentümergeführten Familienunternehmen ist nur weniger als jede zehnte Person an der Unternehmensspitze eine Frau. Dabei leisten gerade im unternehmerischen Umfeld Frauen einen wertvollen, kreativen und komplementären Beitrag. Woran liegt es also, dass wir einen Mangel an Gründerinnen haben? Und viel wichtiger: Wie kann man ihn beheben? Mut zum Gründen Auch der Landesfrauenrat Rheinland-Pfalz hat sich zu dieser Herausforderung Gedanken gemacht und ist sicher: Es braucht vor allem Rollenvorbilder. Diese sind essenziell für Unternehmer:innen – für Gründer:innen ebenso wie für Nachfolger:innen im Familienunternehmen. Um diesen eine Bühne zu geben, haben die Herausgeberinnen Claudia Lässig, Claudia Rankers und Prof. Dr. Nadine Kammerlander Unternehmerinnen eingeladen, in diesem Buch ihre Geschichten und ihre Unternehmen vorzustellen und Tipps zur Unternehmensgründung zu geben: - Gründerinnen sprechen in ungewöhnlich offenen Worten über ihre Motivation, ihre Hindernisse und Rückschläge – und was ihnen in diesen Situationen geholfen hat. - Expertinnen komplementieren diese Innensicht mit Hinweisen, wie eine Gründung gut gelingen kann – auch in Puncto Finanzierung. - Investorinnen runden das Bild mit ihrer professionellen Perspektive und ihrem Gefühl für den wirtschaftlichen Markt ab. In mehr als 40 Einzelkapiteln werden so weibliche Talente angeregt, unternehmerisch zu denken und motiviert, den Schritt zur Gründung zu wagen. Das Buch richtet sich dabei an junge, sich noch am Karriereanfang befindenden Frauen ebenso wie an diejenigen, die sich zu einem späteren Zeitpunkt selbstständig machen möchten. Ein Plädoyer für mehr Unternehmerinnen, die Wirtschaft und Gesellschaft mit ihren Erfahrungen, Werten und Ideen bereichern können.
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Seitenzahl: 382
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Claudia Lässig (Lässig GmbH)
Claudia Rankers (Landesfrauenrat Rheinland-Pfalz)
Prof. Dr. Nadine Kammerlander (WHU – Otto Beisheim School of Management) (Hg.)
Frauen schaffen Zukunft
„Du kannst etwas verändern – jeden Tag und zu jeder Zeit!“
Jane Goodall
© Fazit Communication GmbH
Frankfurter Allgemeine Buch
Frankenallee 71 – 81
60327 Frankfurt am Main
Umschlag & Satz: Nina Hegemann
1. Auflage
Frankfurt am Main 2022
ISBN 978-3-96251-147-0
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, vorbehalten.
Frankfurter Allgemeine Buch hat sich zu einer nachhaltigen Buchproduktion verpflichtet und erwirbt gemeinsam mit den Lieferanten Klimazertifikate zur Kompensation des CO2-Ausstoßes.
Die Herausgeberinnen
Claudia Lässig, Claudia Rankers und Prof. Dr. Nadine Kammerlander
VORWORT
Dr. Katarzyna Mol-Wolf
DAS BESTE ABENTEUER MEINES LEBENS
Dr. Anna Verena Hinrichsen
MUTTER COURAGE – NEU ERZÄHLT
Vanessa Weber
GEMEINSAM MEHR ERREICHEN
Nadine Nentwig
SCHEITERN IST GEIL – WIE WIR AUS KRISEN WACHSEN
Kristin Siegel
DAS IMPACT INVESTING ÖKOSYSTEM, UND DIE BESONDERE ROLLE PRIVATER INVESTOR:INNEN
Marie-Christine Ostermann
ENTREPRENEURSHIP EDUCATION & NETZWERKEN ALS SCHLÜSSEL FÜR MEHR GRÜNDER:INNEN IN DEUTSCHLAND
Katja Ruhnke
MEHR ZEBRA WAGEN
Marcella Hansch
EIN SCHLÜSSELMOMENT ALS BEGINN
Monika Koczi
UNTERNEHMENSFÜHRUNG MIT COACHING-CHARAKTER
Hanna Grau
GEHT DOCH
Valeria de Graaff
MUT ZUM UNTERNEHMERTUM: MUT ZUM GRÜNDEN UND MUT ZUM LOSLASSEN
Heike Thompson
MUT IN DER ANGST WIRD MEISTENS BELOHNT
Anne Lemcke
NEUN JAHRE, SECHS EINSICHTEN
Dr. Maike Hora und Dr. Meriem Tazir
WER SURFEN WILL, MUSS PADDELN KÖNNEN
Claudia Lässig
ABENTEUER UNTERNEHMEN
Claudia Rankers
STARKE FRAUEN – ERFOLGREICHE GRÜNDERINNEN – TIPPS VON EINER UNTERNEHMERIN
Helen Tacke
KLIMASCHUTZ 2.0 – GRÜNDER:INNEN UND GESCHÄFTSFÜHRER:INNEN SIND DIE NEUEN ÖKOS VON MORGEN
Dominique-Chantal Pontani
MEINE „KURZ“-GESCHICHTE ODER: WIE WAR IHR WEG?
Irene Alt und Julia Weber
LEBENSLAGEN – UNTERSTÜTZT IN ALLEN LEBENSLAGEN
Guya Merkle
LUXUS UND AKTIVISMUS – DAS GEHT DOCH NICHT ZUSAMMEN. DOCH, DAS GEHT!
Johanna und Maria Daubner
JUNG GRÜNDEN
Paula Birnbaum
CALL MY AGENT: VON DER SCHAUSPIELERIN ZUR MANAGERIN
Sasha Lund
MOMPRENEUR – DAS EWIGE DILEMMA
Kristina Tröger
TRAUMBERUF UNTERNEHMERIN – EIN PLÄDOYER FÜR DAS WEIBLICHE UNTERNEHMERTUM
Christina Mathesius
WARUM ES SICH LOHNT, MIT 50 NOCHMAL BERUFLICH VOLL DURCHZUSTARTEN
Emily Erker
WEIL BUSINESS EINE MENSCHLICHE ERFAHRUNG IST
Sarah Budke
WAS WIR MIT UNSEREM HANDELN BEWIRKEN, IST DAS, WAS WIRKLICH ZÄHLT
Anna Loerzer
EINFACH MAL ANFANGEN MIT DEM GRÜNDEN. WAS GIBT ES DENN ZU VERLIEREN?
Marie-Anne Wild
SELBSTBESTIMMT ARBEITEN, VISIONEN VERFOLGEN UND IN DIE ZUKUNFT INVESTIEREN
Martina Panchyrz
KLARHEIT KOMMT BEIM MACHEN UND NICHT BEIM NACHDENKEN
Dr. Larissa Leitner und Dr. Annika von Mutius
WARUM GRÜNDEN IM TEAM EINFACH BESSER IST: DIE EMPION-GESCHICHTE
Lisa Haus und Melanie Dietz
FRAUEN GRÜNDEN ANDERS!
Ayla Haddenhorst
7 GRÜNDE, WIESO SICH INVESTMENTS IN FRAUEN LOHNEN
Carola Nahnsen
LASS DICH SEHEN – ERFOLG BEGINNT IM KLEIDERSCHRANK
Julia Kasper
ZWISCHEN SÄGESPÄNEN & STRATEGIE: EIN ANALOGES PRODUKT MIT DIGITALEM HERZ
Britta Benzenhöfer
„UM EIN KIND AUFZUZIEHEN, BRAUCHT ES EIN GANZES DORF.“
Anne Connelly
START-UP-KARRIERE NACH DER KARRIERE
Sonja Förste
ASK-ME – (M)EIN SYSTEM FÜR DEINEN ERFOLG!
Lena Schaumann
NACHFOLGE: DIE WOHL SCHÖNSTE ART DES GRÜNDENS
Hannah Helmke
GRÜNDEN: KANN ICH DAS?!
Verena Pausder
ALLER ANFANG IST (GAR NICHT SO) SCHWER: ÜBER DAS GRÜNDEN UND DEN MUT, ZU SPRINGEN
Unterstützer:innen
Kontakt für Fragen und Anregungen
Für ein Unternehmen zu arbeiten, das Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Menschlichkeit miteinander verbindet, davon hat Claudia Lässig schon immer geträumt. Ihr Herzenswunsch, einen Ort zu schaffen, an dem alle Mitarbeiter:innen sich wohlfühlen und mit Spaß und Freude zur Arbeit gehen, ist seit 2006 Realität. In diesem Jahr gründet Claudia Lässig, gemeinsam mit ihrem damaligen Mann Stefan, die Lässig GmbH. Bis heute ein liebevoll geführtes Familienunternehmen, das nachhaltige und innovative Produkte für Babys, Kinder und Eltern fertigt.
Die Verwirklichung von Claudia Lässigs Traum beginnt bereits in ihrer Elternzeit, als sie – wie so viele junge Mütter und Väter – vor der Frage steht, wie sich Kinder und Karriere harmonisch miteinander vereinen lassen. Als gut ausgebildete, kreative Frau beschließt sie, die Lösungen für ihre Bedürfnisse selbst zu entwickeln. So entsteht ein Unternehmen aus über 120 Mitarbeiter:innen, in dem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie jeden Tag aktiv gelebt wird. Mit Produkten, die den Ansprüchen moderner Eltern gerecht werden. Modisch und stylish, qualitativ und nachhaltig. Erhältlich in über 50 Ländern dieser Erde.
Zwischen Claudia Lässigs Berufsanfängen als Industriefachwirtin und der jetzigen Tätigkeit bei der Lässig GmbH liegen viele Jahre der kontinuierlichen Weiterbildung und des Lernens. Als geschäftsführende Gesellschafterin der Lässig Holding und der Lässig GmbH sowie der Lässig Ltd. in Hongkong sieht sich Claudia Lässig immer wieder mit kleinen und großen Herausforderungen konfrontiert. Herausforderungen, die sie nutzt, um sich und ihre Firma weiterzuentwickeln.
Damit auch andere von ihren Erfahrungen profitieren können, teilt sie ihr Wissen im Rahmen inspirierender Impulsvorträge und Mentoringprogramme. Als geprüfte Mediatorin und zertifizierter Businesscoach des Europäischen Hochschulverbandes ist es ihr ein besonderes Anliegen, Führungspersönlichkeiten sachkundig und empathisch durch herausfordernde Zeiten zu begleiten. Deshalb ist sie u. a. Mitglied im CeU – der Club europäischer Unternehmerinnen e. V., das internationale und weltoffene Netzwerk für erfolgreiche und motivierte Unternehmerinnen sowie des Mentoringprogramms der Zeitschrift Emotion.
Zusätzlich setzt sich Claudia Lässig im Senat der Wirtschaft Deutschland für soziale Kompetenz, Fairness und Partnerschaft im deutschen Wirtschaftsleben ein. Für ein menschliches, verantwortungsbewusstes und tragfähiges Miteinander. Sie wurde im Mai 2022 vom Handelsblatt zu einer der 50 besten deutschen Unternehmerinnen gekürt.
Seit 1994 engagiert sich die Diplom-Bankbetriebswirtin ehrenamtlich im Bereich „Frauen und Beruf“. 2014 wird sie Vorstandsvorsitzende des Landesfrauenrats Rheinland-Pfalz. 2016 beruft das Wirtschaftsministerium sie in die Gründungsallianz von Rheinland-Pfalz. Im selben Jahr startet die Finanzfachwirtin (FH) einen Thinktank. Ihr Erfolgsrezept: interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Best Practices und aktives Netzwerken sind weitere Erfolgsfaktoren und liefern konkrete Ergebnisse. 2018 initiiert Rankers den ersten bundesweiten Wettbewerb „Erfolgreiche Frauen im Mittelstand“, der 2020 zum zweiten Mal in Kooperation mit der WHU-Professorin Dr. Nadine Kammerlander stattfand (www.frauen-im-mittelstand.de).
Seit 2003 ist Claudia Rankers Inhaberin vom Rankers Family Office, einem Multi-Family- und Unternehmer-Office, das sich um alle finanziellen, betrieblichen und privaten Belange seiner Mandant:innen kümmert. Sie und Kooperationspartner:innen schätzen Claudia Rankers als pragmatische Visionärin mit Einsatz, Kreativität und Qualität. Unternehmertum ist ihre Leidenschaft. Claudia Rankers ist Expertin für Vermögensstrukturierung, Kapitalanlagen, Immobilienkäufe und Finanzierungen, Unternehmensgründungen, Kapitalbeschaffung, Wachstumsstrategien sowie Unternehmensverkauf. Darüber hinaus ist sie EFA European Financial Advisor, Certified Financial Planner (CFP), Certified Generation Advisor (CGA) und Certified Foundation and Estate Planner (CFEP). Zuvor war sie Direktorin und Führungskraft bei der Schweizer Bank UBS und der Deutschen Bank.
Claudia Rankers ist als Podiumsteilnehmerin und Referentin bei Investorenkonferenzen, Fachveranstaltungen an Hochschulen und Ministerien ebenso gefragt wie in Jurys. Sie unterstützt Autoren bei Beiträgen zu Finanzthemen und ist Co-Autorin bei einem Buchbeitrag zu „CSR im Mittelstand“. 2021 ist sie Mitherausgeberin und Autorin beim Buch „Nachhaltigkeit – Frauen schaffen Zukunft“.
Prof. Dr. Nadine Kammerlander ist seit 2015 Professorin an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Zuvor war sie als Assistenzprofessorin an der Universität St. Gallen tätig. Nadine Kammerlander ist diplomierte Physikerin (TU München) und promovierte Betriebswirtschaftswissenschaftlerin (Otto-Friedrich Universität Bamberg). Mehrere Jahre arbeitete sie bei McKinsey & Company und beriet internationale Unternehmen der Automobil- und Halbleiterbranche in Produktentwicklungsprojekten, vor allem in den USA und Mexiko.
In Lehre und Forschung beschäftigt sie sich mit den Themen Innovation, Mitarbeitende und Governance in Familienunternehmen und Family Offices. Ihre wissenschaftlichen Beiträge sind in internationalen Fachzeitschriften (u. a. AMJ, AMR, HBR, JMS, JBV, ETP, JPIM, FBR und SBE) veröffentlicht und mit renommierten Forschungspreisen ausgezeichnet worden. Sie ist Mitherausgeberin der internationalen Fachzeitschrift „Family Business Review“, Mitglied mehrerer Editorial Review Boards (u. a. AMJ, JOM, ETP, SEJ und JPIM) und arbeitet in unterschiedlichsten Projekten mit Familienunternehmen und internationalen Forschern zusammen. Unter anderem ist sie Teil des DFG-Netzwerks „Venturing Together“.
Prof. Dr. Kammerlander ist Mitglied des Zukunftsrates Nachhaltige Entwicklung Rheinland-Pfalz sowie des Innovation Advisory Committee des DESY. Darüber hinaus ist sie Mitglied des Fachbeirats des „Wirtschaftswoche Best of Mittelstand Consulting“-Wettbewerbs. Überdies ist sie Mitglied der Kommission zur Überarbeitung des Kodex für Familienunternehmen. Gemeinsam mit ihrer Familie hat sie im Jahr 2020 das Unternehmen „HoKa Inergy GmbH“ gegründet, das unter anderem Nachhaltigkeit durch Prozesseffizienz vorantreibt.
Claudia Lässig, Claudia Rankers und Prof. Dr. Nadine Kammerlander
Dass es in den Vorständen und Aufsichtsgremien mehr weibliche Talente benötigt, darüber gibt es mittlerweile Konsens. Sehr eindrücklich zeigen wissenschaftliche Studien: Diverse Teams sind besser dazu geeignet, „out of the box“ zu denken und kreative Lösungen für schwierige Herausforderungen zu finden. Frauen in diesen Gremien bringen oft andere Erfahrungen und Perspektiven ein, sie verändern die Kommunikation und auch die Kultur des Gremiums. Auch wenn es ab und an dauert, bis sich das neue Setting eingespielt hat, so ist man sich meist einig: Die neuen Sichtweisen beleben und verbessern die Zusammenarbeit.
Doch wie sieht es außerhalb des „corporate“ Kontextes in der Arbeitswelt aus? Ernüchternd. Der Frauenanteil aller „Neu-Selbstständigen“ lag im Jahr 2020 bei knapp 40 Prozent, der Anteil der Start-up-Gründerinnen mit 16 Prozent noch deutlich darunter. Bei den oft eigentümergeführten Familienunternehmen zeigt sich: Weniger als jede zehnte Person an der Unternehmensspitze ist eine Frau.
Dabei ist zu erwarten, dass gerade im unternehmerischen Umfeld Frauen einen wertvollen, kreativen und komplementären Beitrag leisten können. Dies gilt für kundenzentrierte Tech-Start-ups ebenso wie für nachhaltige Geschäftsmodellinnovationen in jungen und etablierten Unternehmen. Unternehmerinnen können Wirtschaft und Gesellschaft mit ihren Erfahrungen, Werten und Ideen bereichern. Die vielen aktuell anstehenden Krisen – gesundheitlich, weltpolitisch sowie das Klima betreffend – und die daraus folgenden Herausforderungen bedürfen eines ganzheitlichen Ansatzes und können nur mit Hilfe aller Gesellschaftsgruppen gelöst werden.
Aus dieser Herausforderung ergibt sich die Gretchenfrage: Wie motiviert und befähigt man mehr junge und nicht mehr ganz so junge weibliche Talente, unternehmerisch zu denken und handeln? Zur Lösung eines komplexen Problems wie dieses braucht es vielfältige Ansätze: Eine Erziehung der Mädchen, die weniger auf Fehlervermeidung und mehr auf Zielerreichung ausgerichtet ist; eine bessere Integration von unternehmerischem Denken in die Curricula von Schulen und Universitäten; erleichterter Zugang zu Kapital für Unternehmerinnen – der Anteil der Finanzierungsrunden von Männern bei Venture-Capital-Gesellschaften beträgt mehr als das Zehnfache, bei Business Angels das Dreifache; verbesserte Infrastruktur und Regularien – von der Kinderbetreuung hin zur steuerlichen Behandlung –, welche das Unternehmertum bei Frauen und insbesondere bei Müttern fördern. Zudem braucht es Rollenvorbilder.
Rollenvorbilder sind wichtig für Unternehmer:innen – für Gründer:innen ebenso wie für Nachfolger:innen im Familienunternehmen. Allerdings wird diesen Rollenvorbildern derzeit nicht die verdiente mediale Sichtbarkeit zuteil. Zu beschäftigt sind die Unternehmerinnen mit ihren vielfältigen Aufgaben und zu fokussiert sind viele Medien auf die klassischen – männlichen – Unternehmer.
Dieses Buch bietet Antworten auf die Herausforderungen. In mehr als 40 Einzelkapiteln stellen Unternehmerinnen ihre Geschichte und ihre Unternehmen vor und geben Tipps zur Unternehmensgründung. In ungewöhnlich offenen Worten sprechen die Gründerinnen nicht nur über ihre Motivation, sondern auch über Schwierigkeiten, Hindernisse und Rückschläge – und was ihnen in diesen Situationen geholfen hat. Expertinnen komplementieren diese Innensichten mit Hinweisen, wie eine Gründung gut gelingen kann – auch in puncto Finanzierung. Investorinnen runden das Bild mit ihrer Perspektive ab.
Es ist unser Wunsch, dass sich die Leser:innen von diesen Geschichten inspirieren lassen und selbst zu Unternehmer:innen werden – egal, ob im Familienunternehmen, als Intrapreneur:innen oder als Gründer:innen.
Claudia Lässig
Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Lässig GmbH
Claudia Rankers
Geschäftsführerin bei Rankers Family Office, Vorstandvorsitzende Landesfrauenrat Rheinland-Pfalz
Prof. Dr. Nadine Kammerlander
Co-Direktorin des Instituts für Frauenunternehmen und Mittelstand an der WHU – Otto Beisheim School of Management
Geschäftsführende Gesellschafterin INSPIRING NETWORK GmbH & Co. KG
© Christina Körte
Die letzte Wirtschaftskrise war meine Chance: Das Frauenmagazin EMOTION, für das ich im Verlag Gruner + Jahr als Verlagsleiterin verantwortlich war, sollte eingestellt werden. Ich warf meinen Hut in den Ring und bot an, das Blatt zu kaufen. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als ich dem damaligen CEO mein Angebot vorlegte. Plötzlich spürte ich, dass ich endlich auf meinem Weg unterwegs war. Ich wusste, dass ich nicht mehr in einem Konzern für etwas kämpfen wollte, was ich selbst nicht entscheiden konnte. Ich hatte Lust, das Sicherheitsnetz des Angestelltenseins gegen das Risiko der unternehmerischen Freiheit einzutauschen, um künftig selbst entscheiden zu können, wofür es sich zu kämpfen lohnt.
Trotz aller Krisen, die ich in den letzten zwölf Jahren als Unternehmerin meistern musste, habe ich es nie bereut, mich selbstständig zu machen. Ich schätze die Freiheit, etwas bewegen zu können. Denn mit unserer Marke EMOTION möchten wir nicht nur Frauen darin bestärken, ihr bestes Leben zu leben, sondern auch einen relevanten Beitrag dazu leisten, die Gleichberechtigung von uns Frauen voranzubringen.
Zudem liebe ich die Abwechslung meiner Arbeit. Denn ich entscheide, in welche Richtung wir unser Medienhaus weiterentwickeln, auf welche neuen Produkte wir setzen. Das Analysieren der Märkte, der Bedürfnisse unserer Zielgruppe und Kunden führt uns immer wieder zu neuen Herausforderungen. Ich lerne und es wird nie langweilig. Dazu mag ich die Flexibilität, meine Berufung als Mutter und als Unternehmerin unter einen Hut bringen zu können.
Als Verlegerin habe ich zudem immer wieder die große Chance, inspirierende Menschen kennenzulernen, von ihren Erfahrungen zu lernen, sie wiederum mit anderen Menschen zu vernetzen und tolle Frauen über unsere EMOTION-Kanäle in den Fokus der Öffentlichkeit zu bringen, damit sie viele weitere Frauen auf ihrem Weg inspirieren.
Das Wichtigste ist, meiner Intuition zu folgen und darauf zu vertrauen, dass sie mir den Weg weist.
Dazu kommt die persönliche Erkenntnis: Dass sich das Leben nicht kompliziert anfühlen muss. Meine Mutter hat immer gesagt: „Du musst für deine Träume kämpfen.“ Von ihr habe ich gelernt, dass ich sehr viel erreichen kann, wenn ich nur ausreichend dafür kämpfe. Dem bin ich lange gefolgt. Es fühlte sich auch vor unserem persönlichen Hintergrund richtig an. Denn wir sind 1981 als politische Flüchtlinge aus Polen nach Deutschland gekommen. Fleißig zu sein, hart zu arbeiten war für uns die einzige Möglichkeit, wirtschaftlich aufzusteigen. Als ich mich mit EMOTION in der letzten Wirtschaftskrise selbstständig gemacht habe, habe ich mich wieder an das Motto meiner Mutter erinnert und mit all meiner Kraft gekämpft.
Auf meinem Weg habe ich aber gemerkt, dass es mir mehr Energie raubt als dass es mir Energie gibt, für die Verwirklichung meines Traums zu kämpfen. Ich habe gelernt, dass ich erst dann wieder in meine Energie komme, wenn ich nach vorne, mehr an die Chancen denke, statt ständig um die Dinge zu kreisen, die schiefgelaufen sind. Aus dem, was ich nicht mehr ändern kann, sollte ich lernen, es dann aber zur Seite legen. Denn wenn sich mein Bewusstsein immer wieder um die Dinge dreht, die nicht gut gelaufen sind, verliere ich unnötig Energie an Dinge, die ich nicht mehr ändern kann.
Als ich mich vor zwölf Jahren entschlossen habe, ein Medienunternehmen zu gründen, war es ein Sprung ins kalte Wasser. Ich hatte weder das ganze Know-how für meine Unternehmung, noch wusste ich, dass ich dabei war, einen MBO (Management Buy Out) umzusetzen, ein Begriff, den ich erst später kennenlernte. Aber ich hatte ein klares Ziel vor Augen – und das sollte die Basis jeder Gründung sein. Ich wollte mit EMOTION eine moderne Marke für kluge Frauen aufbauen, die ihren Weg gehen wollen. EMOTION sollte Frauen stärken, ihr bestes Leben zu leben, privat und im Beruf. Dazu sollte die Marke eine Plattform werden, die Frauen inspiriert, unterhält, Wissen vermittelt und sie miteinander vernetzt, eine Plattform, die Frauen und ihre Erfolge sichtbar macht. Ich war mir sicher, dass ich Unternehmerin sein wollte.
Heute, viele Erfahrungen und Krisen später, weiß ich, es war die richtige Entscheidung, und das ist ein gutes Gefühl. Ich weiß aber auch, dass vor allem Frauen, die eine Gründungsidee haben, vor dem ersten Schritt zurückschrecken. Sie trauen sich nicht, sich selbstständig zu machen, weil sie Angst vorm Scheitern haben. Viele haben das Gefühl, sie müssen erst 150 Prozent aller Fähigkeiten, die sie für ihr neues Business brauchen, auf sich vereinen. Und so verlieren Frauen auf dem Weg zur Gründung oft den Mut, weil sie die Umsetzung ihrer Idee zu lange hinauszögern. Wie es eine andere Unternehmerin einmal schön formuliert hat: „Das Wasser wird nicht wärmer, wenn wir länger auf den Sprung warten.“ Das Warten führt eher dazu, dass wir auf die Gründung verzichten und damit vielleicht auf das spannendste Abenteuer unseres Lebens. Das wäre doch schade, oder? Deshalb liegt es mir am Herzen, Erfahrungen zu teilen, um potenzielle Gründer:innen auf ihrem Weg zu ermutigen, das Abenteuer zu wagen.
Als ich für meinen letzten Chef zum dritten Mal eine Vorlage schrieb, um den Vorstand von Gruner + Jahr zu überzeugen, weiter auf das junge Magazin EMOTION zu vertrauen, merkte ich: Ich hatte keine Lust mehr, für etwas zu kämpfen, über das ich nicht selbst entscheiden konnte. Ich habe mich nach der Freiheit gesehnt, EMOTION nach meinen Vorstellungen weiterzuentwickeln. So ist mein eigener Verlag entstanden – eine große Lernaufgabe als Unternehmerin, Führungskraft und als Mutter, denn in meinem zweiten Gründungsjahr bin ich mit meinem ersten Kind schwanger geworden. Heute beschäftigen wir bei INSPIRING NETWORK über 55 Mitarbeiter:innen und erreichen allein mit der Marke EMOTION jeden Monat über 3,3 Millionen Frauen.
Jede:r Gründer:in ist anders, verfolgt andere Ziele – beruflich und privat. Branchen haben eigene Dynamiken und Spielregeln, die bedacht werden wollen. Ich habe dennoch Schnittmengen von Dingen erkannt, die ich an Gründer:innen weitergeben möchte:
Jede Gründungsgeschichte beginnt mit Passion. Denn erst wenn ich für etwas brenne, kann ich damit auch andere dafür begeistern. Ich muss ein klares Ziel vor Augen haben. Wichtig ist zu wissen, wohin ich möchte (und nicht nur, dass ich irgendwo wegmöchte) und einen Plan zu entwickeln, wie ich mein Ziel erreichen will. Dabei ist es gut, auf mich selbst zu hören. Denn trotz aller Verantwortung, die ich als Unternehmerin für andere verspüre, bin ich vor allem für mich selbst und mein Leben verantwortlich. Damit geht das Learning einher, das für uns alle gilt: Wenn sich mein Weg nicht mehr richtig anfühlt, liegt es allein an mir, etwas daran zu ändern. Vor allem wir Frauen leben oft im Außen, suchen Bestätigung von anderen. Das bringt uns aber oft weg von unserem eigenen Weg. Ich habe gelernt, Verantwortung für mich zu übernehmen und das hat vieles verändert.
Dazu ist es wichtig, keine falschen Kompromisse auf dem Weg zum Ziel zu machen: Love it, change it or leave it.
Sich auf die eigenen Stärken zu fokussieren, gehört dazu. Wir kommen weiter, wenn sich jede:r von uns auf die eigenen Stärken konzentriert, statt sich damit zu verzetteln, Dinge zu machen, die andere besser können und mit mehr Leidenschaft machen. Nur wenn ich als Unternehmerin an meinen Stärken arbeite, kann ich ökonomisch erfolgreich sein. Das bedeutet auch zu erkennen, dass ich nicht die Beste in allem sein kann. Als Unternehmerin bin ich vielmehr gefordert, das bestmögliche Team für meine unternehmerischen Aufgaben zusammenzustellen, auf die Stärken des Einzelnen zu setzen und keine Angst vor herausragenden Mitarbeiter:innen zu haben. Dass Teams divers sein sollten, versteht sich von selbst. Wichtig ist auch, dass Mitarbeiter:innen selbstwirksam sein können und unternehmerisch mitdenken. Leute, die lieber mal um Verzeihung bitten, als bei allem auf Erlaubnis zu warten.
Ich kann alles erreichen, wenn ich weiß, was ich will. Und es ist nie zu spät herauszufinden, wer ich sein will. Fahrlässig ist es nur, dem eigenen Bauchgefühl nicht zu vertrauen, vor allem, wenn ich spüre, dass ich auf dem falschen Weg bin. Ich habe mit den Jahren gelernt, meiner Intuition zu folgen, und sie hat mich bisher gut geleitet.
Das geht! Aber nur, wenn ich auf mich selbst höre und weniger auf die anderen.
Im zweiten Jahr nach meiner Gründung wurde ich schwanger. Und kaum war die Nachricht über meine Schwangerschaft in der Welt, wurde mir bewusst, dass sich etwas in meinem Leben grundsätzlich verändert hatte: Es gehörte nicht mehr mir allein – und ich meine gar nicht zuerst das Kind, das in mein Leben gekommen ist. Mutter zu sein öffnet das Tor für unendliche Meinungen und Bewertungen, denen wir ungefragt ausgeliefert werden: „Wozu brauchst du jetzt noch ein Kind? Ich dachte immer, der Verlag ist dein Baby!“ – „Wie willst du das schaffen?“ – „Wer kümmert sich eigentlich um das Kind, wo Sie Ihr Unternehmen doch gerade erst aufbauen?“ – „In Ihrem Alter ein zweites Kind, na, Sie wissen ja, worauf Sie sich einlassen!“ und so weiter …
Viele Vorurteile sind für mich nicht nachvollziehbar, da ich als Kind einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen bin, die für unser Überleben arbeiten musste, und die einem Job nachging, den sie liebte. Berufstätige Mütter waren für mich ein normales Rollenbild. Dennoch wurde ich aufgrund meines Lebensmodells – mein Mann und ich arbeiten beide Vollzeit – mit vielen Kommentaren konfrontiert und musste lernen, mich von der Meinung anderer abzugrenzen. Ich habe gelernt, darauf zu vertrauen, dass ich eine gute Mutter bin – zumindest meist. Und ich habe auch gelernt, die Meinungen anderer auszublenden. Wer sagt denn, dass jüngere Frauen die besseren Mütter sind? Dass Vollzeit-Mütter besser als Teilzeit- oder Unternehmerinnen-Mütter sind? Und was ist das überhaupt: eine bessere Mutter? Ist das nicht höchst subjektiv? Vergleiche unter uns Frauen sind toxisch und verschwenden nur unsere Energie, die wir für wichtigere Dinge brauchen.
Mein Fazit: Gründerin und Unternehmerin sein lässt sich sehr gut mit der Mutterrolle vereinbaren. Tatsächlich ermöglicht die Selbstständigkeit die größte Flexibilität als Mutter. Dennoch ist es kein leichter Weg, den wir berufstätige Frauen gehen müssen, wenn wir Mütter sind und auch arbeiten müssen oder wollen. Das eine ist die Organisation an sich. Das andere ist der Gegenwind, der uns entgegenkommt – ob offensichtlich über kritische Bemerkungen oder als unsichtbarer Widerstand durch die veralteten Rollenbilder in unserer Gesellschaft.
Als Tochter einer Mutter, die immer und viel gearbeitet hat, hatte ich keine schlechtere Kindheit als Kinder mit Müttern, die zu Hause waren, sondern einfach eine andere. Und ich bin von diesem Bild meiner berufstätigen Mutter sehr positiv geprägt worden: Das Bewusstsein, dass es wichtig ist, als Frau mein eigenes Geld zu verdienen, ist für mich normal, und das gebe ich auch an meine Tochter weiter. Als Frau unabhängig zu bleiben, für sich selbst sorgen zu können, ob mit oder ohne Kind, ob mit oder ohne Mann – das bedeutet auch Freiheit.
Ich werde oft gefragt, ob ich keine Angst hätte, dass es mal nicht mehr gut geht? Ich gehe eher angstfrei durchs Leben. Ich habe da sicherlich den Vorteil meiner eigenen Geschichte; ich bin als Flüchtlingskind mit meiner Mutter nach Deutschland gekommen, wir mussten noch einmal bei Null anfangen, und ich habe erlebt: Es ist möglich. Und ich bin der Überzeugung, dass uns Angst nicht weiterbringt. Was ist das Schlimmste, was passieren kann, wenn mal etwas nicht gut geht? Entweder ich habe Erfolg oder ich lerne daraus.
Ich habe bei EMOTION in den letzten zehn Jahren vieles ausprobiert, viele richtige Entscheidungen getroffen, aber natürlich auf der Suche nach mehr Umsatz, auch die ein oder andere im Nachhinein bereut. Der Markt hat sich seit meiner Gründung anders entwickelt, als ich es mir beim Start jemals gedacht hätte. Mittlerweile gehen wir durch die zweite Wirtschaftskrise und es ist keine Erholung des Marktes in Sicht. Im Gegenteil. Dennoch würde ich immer wieder in die Selbstständigkeit springen.
Ich habe gelernt, dass ich als Unternehmerin immer wieder Hürden nehmen muss und dass es aufs Machen ankommt. Weniger reden, sondern aufstehen und weitermachen, auch wenn man mal gestolpert ist. Ich wünschte, wir hätten in Deutschland eine bessere Kultur des Scheiterns, denn das würde sicherlich Gründungen von Frauen fördern. Dazu brauchen wir mehr Menschen in der Öffentlichkeit, die uns zeigen, dass Hinfallen kein Makel ist, sondern dass es auf dem Weg zum Ziel ganz einfach dazugehört. Auch noch wichtig: Hört auf, alles perfekt machen zu wollen! Perfekt ist überhaupt ein seltsames Wort. Ein Konzept, das suggeriert, es gäbe für alle und alles eine einzige, universell anerkannte Lösung. Das stimmt aber nicht und macht uns das Leben nur schwer. Ich bin überzeugt: Fehler sind Geschenke, denn sie geben uns die Möglichkeit zu lernen. Die Angst vor ihnen sollte uns auf keinen Fall abhalten, Dinge auszuprobieren, wie vielleicht das eigene Unternehmen zu starten. Ich kann es nur empfehlen.
Gründerin und Beraterin für ESG- und Finanzkommunikation
© Marc Fippel
Den Gedanken an eine Selbstständigkeit trug ich schon lang in mir. Die Familie meines Mannes ist von Gründergeist geprägt und hat einige erfolgreiche Unternehmer:innen hervorgebracht. Ihr Mut und Optimismus hinsichtlich der Umsetzung ihrer Geschäftsideen faszinierten mich. Ich hingegen entstamme einem Umfeld, das Angestellten- und Beamtenverhältnisse prägen. Ich wollte die Chancen und Risiken des Unternehmertums richtig einschätzen können: Was ist dran an „selbst und ständig“? Wie funktioniert die Kundenakquise, wie setze ich die Liquiditätsplanung auf, was gilt es steuerlich zu beachten? Zu all diesen Fragen habe ich im Vorfeld mehrere Gründer:innen interviewt.
Die Pandemie hat den Entscheidungsprozess massiv beschleunigt, da sie eine kritische Reflektion über die Inhalte meiner beruflichen Tätigkeit und meine Lebenssituation bewirkte.
Eine wichtige Triebfeder für die Gründung war der Wunsch, meine Kompetenzen sinnstiftend einzusetzen. Ich möchte einen Beitrag zur Förderung eines nachhaltigen Bewusstseins leisten und positive Veränderungen bewirken.
Die zweite Motivation war der Wunsch nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ich habe drei kleine Söhne. Als Mutter habe ich die Fremdbestimmung im Unternehmen als problematisch empfunden. Kinder sollten möglichst keine Einschränkung der eigenen Verfügbarkeit bedeuten, flexibles Arbeiten ist im Unternehmensalltag häufig nur schwer möglich.
Die sogenannte Teilzeitfalle existiert immer noch, wenn es die Option Teilzeit überhaupt gibt. Ein Headhunter sagte mir einmal, Teilzeit sei bei meiner Qualifikation „nicht vorgesehen“. Bei einer Vollzeitbeschäftigung bleiben für die Familie nur die Abendstunden, die für „Quality Time“ für uns ungeeignet sind. Meine Kinder sind dann müde vom Tag und berichten ihre Alltagssorgen kaum in den von uns Eltern vorgesehenen freien Slots.
Die Lösung war für mich die Unternehmensgründung. Sie bot die Möglichkeit, selbst ein Konzept zu entwickeln, mit dem sich beide Wünsche realisieren lassen.
Ich kann an den Themen arbeiten, für die ich brenne. Das sind unterschiedliche Projekte der strategischen Kommunikation und der Finanzkommunikation. Vor allem aber empfinde ich es als großes Geschenk, mich mit vielfältigen Facetten des Themas Nachhaltigkeit beschäftigen zu dürfen.
Ich habe ungemein an Flexibilität gewonnen. Die Arbeit ist nicht weniger geworden, aber ich kann sie nun selbstbestimmt einteilen. Ich arbeite häufig außerhalb des klassischen 9-to-5-Rahmens, mit Familie ist das ein großer Gewinn.
Ich entdecke ein neues Netzwerk, das der Unternehmer:innen und Selbstständigen. Ich war überrascht, wie groß die gegenseitige Unterstützung ist, wie vertrauensvoll der Austausch.
Es ist gut, einen Fahrplan für den eigenen Berufsweg zu haben. Das (Berufs-)Leben ist aber auch von zufälligen Begegnungen und Ereignissen geprägt. Es lohnt sich, den Mut aufzubringen, Gelegenheiten zu ergreifen, wenn sie sich bieten. Gerade Frauen sind häufig zu selbstkritisch und sehen eher ihre Schwächen als ihre Stärken. Seid selbstbewusst und traut Euch! Auch wenn eine Aufgabe zunächst zu groß und kaum zu bewältigen scheint, ist sie doch lösbar, wenn sie Schritt für Schritt angegangen wird.
Als ich Ende 2021 meine Gründung und den Wechsel auf die Seite der Unternehmerinnen offiziell bekanntgab, war die mit Abstand häufigste Reaktion „Du bist aber mutig!“, gefolgt von „Das würde ich mich nicht trauen“ (letztere dann eher in persönlicher Kommunikation als auf Social Media). Bis dato hatte ich mich gar nicht besonders mutig gefühlt. Es war einfach die logische Konsequenz aus meinen Überlegungen, wie ich nach meiner persönlichen Vorstellung und unter meinen spezifischen Rahmenbedingungen künftig leben und arbeiten wollte. Warum also werteten so viele die Entscheidung dennoch als ausgesprochen mutig?
Das Gründungsdatum war sicherlich ambitioniert gewählt, fiel es doch mitten in die dritte Corona-Welle in Deutschland. Genau genommen fiel es sogar in die Phase einer vierwöchigen Isolation, da sich alle fünf Familienmitglieder nacheinander mit Covid-19 infizierten. Die Kinder mussten einen knappen Monat zu Hause beschult und beschäftigt werden. Keine unserer Betreuungspersonen konnte unterstützen, und wir durften das Haus nicht verlassen.
Konkret bedeutete das, dass ich meine Arbeit in die Nacht verlagern musste. An vielen Abenden begann die Arbeit am Rechner nach Badewanne, Schnittchenteller und Vorlesen für die Kids um 22 Uhr mit einem doppelten Espresso und endete erst gegen 2 Uhr. So hatte ich die Startphase meiner Selbstständigkeit in meinem Businessplan nicht abgebildet. Es war unglaublich anstrengend, und ja: Ich hätte um diese Uhrzeit lieber geschlafen. Irgendwie hat es aber dennoch funktioniert und nach den Herausforderungen der besonderen Ausgangssituation konnte es danach nur noch leichter werden.
Dass der Kleinste mit dem neuen Firmenstempel die Tapete im Treppenhaus stempelte, während ich an einem virtuellen Meeting teilnahm und ein anderes Kind den Anruf eines Neukunden am Festnetz entgegennahm, waren rückblickend die amüsanteren Ereignisse dieser Quarantäne-Wochen.
Immerhin passte der Gründungszeitpunkt zu meinen persönlichen Merkmalen. Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung liegt das durchschnittliche Alter von Existenzgründer:innen seit etwa 14 Jahren konstant bei etwa 38 Jahren. Weiter zeigt die Studie, dass sich die Wahrscheinlichkeit einer Neugründung mit steigender Qualifikation erhöht: Haken dran. Ungewöhnlich hingegen ist, dass ich eine Frau bin. Der Risikoappetit ist bei Männern deutlich höher, kommen doch auf eine Existenzgründerin zwei Existenzgründer.
Der Ausstieg aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erfordert Mut zur Aufgabe von Sicherheit. Im Angestelltenverhältnis erhalte ich ein monatliches Einkommen in bekannter Höhe, teile mir mit dem Arbeitgeber die Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Altersvorsorge und genieße Kündigungsschutz. Für unproduktive Zeiten wie Urlaub, Krankheit oder morgens mit der Kaffeetasse in der Hand erst einmal die Nachrichten des Tages zu lesen, erhalte ich dieselbe Entlohnung wie für produktive Zeiten. Als Gründerin sind monatliche Umsätze und Gewinne ungewiss. Ich muss mir mein individuelles Konstrukt zur Absicherung privater und beruflicher Risiken bauen und es allein finanzieren.
Das Verlassen der Komfortzone des Angestelltenverhältnisses und der Perspektivwechsel bedeuten wahrscheinlich die größten Umstellungen und mögen zu Beginn für etwas Unbehagen sorgen. Aber man gewöhnt sich daran. Ich empfand es als hilfreich, mich mit anderen Existenzgründer:innen zu deren individuellen Absicherungs- und Vorsorgelösungen auszutauschen und habe Empfehlungen gern angenommen. Für die Anfangsphase ist außerdem ein Liquiditätspuffer ratsam – und Geduld!
Nicht abrechenbare Stunden haben einen erheblichen Anteil an der Arbeitswoche. Sie fallen für Buchhaltung, Verwaltung, das Verfassen von Angeboten sowie Marketing und Netzwerken an. Als Faustregel sollten sie mit einem Drittel angesetzt werden. Gerade am Anfang liegt der Prozentsatz nicht abrechenbarer Stunden jedoch deutlich höher. Meiner Erfahrung nach dauert es einige Wochen, bis der passende Rhythmus zwischen produktiven und unproduktiven Stunden gefunden ist und Routinen etabliert sind. Für die Buchhaltung gibt es komfortable Programme, die Prozesse vereinfachen, sie kann aber auch an ein Steuerberatungsbüro ausgelagert werden. Das schafft freie Kapazität.
Mut braucht es auch für die Übernahme der alleinigen Verantwortung. Als Freiberuflerin sind Arbeitsaufträge nicht mehr vorgegeben, vielmehr muss ich durch Akquise Arbeit „schaffen“. Ich trage die volle Verantwortung für die Generierung von Umsatz und damit das unternehmerische Risiko. Zu rechtlichen oder steuerlichen Themen kann ich mich kostenpflichtig beraten lassen, bei strategischen oder inhaltlichen Fragestellungen muss ich den Austausch mit Peers suchen. Letztlich fälle ich meine Entscheidungen aber eigenverantwortlich. Es gibt kein Team mehr, das sich die Verantwortung teilt. Und es gibt keine Vorgesetzten mehr, die im Zweifel in letzter Instanz die Verantwortung übernehmen.
Die Verantwortung bedeutet aber auch die Freiheit der persönlichen Schwerpunktsetzung und Themenwahl, den Bedarf auf Kundenseite natürlich vorausgesetzt. Für mich ist das die stärkere Ausrichtung auf Nachhaltigkeitsthemen. Diese setze ich aktuell bereits in Projekten um, parallel absolviere ich ein berufsbegleitendes Zertifikatsprogramm „Sustainable Finance“. Das ist ein forderndes Programm, aber es ist dank der neu gewonnenen Freiheit maßgeschneidert auf meine Interessen und meine Lebenssituation. Mit der Fokussierung auf Nachhaltigkeit kann ich zudem meine beruflichen Erfahrungen aus unterschiedlichen Bereichen auf ideale Weise verbinden. Ich knüpfe an meine frühere Tätigkeit für ein Unternehmen aus dem Sektor der erneuerbaren Energien an und bringe meine Expertise zu ESG-Themen aus meiner früheren Forschungs- und Beratungstätigkeit ein.
Weiterhin scheint mit dem Verzicht auf eine starke Unternehmensmarke und eines Titels aus Sicht mancher Menschen ein Statusverlust verbunden zu sein. Es bedarf also einigen Mutes, auf diesen Status zu verzichten. Auf mein Angebot hin, bei einer Netzwerk-Veranstaltung einen Impulsvortrag zu halten, entgegnete mir die Organisatorin: „Wenn du bei einem Unternehmen angestellt wärst, okay. Aber du bist ja nur noch selbstständig.“ Offenbar schmälerte aus ihrer Sicht meine neue Aufstellung trotz gleichbleibender Qualifikation und Erfahrung die Attraktivität als Sprecherin (auf Gründer:innenseite ist die Wahrnehmung naturgemäß anders).
Gründer:innen sollten sich auf den Aufbau der Eigenmarke und deren kontinuierliche Stärkung konzentrieren. Wenn diese Eigenmarke der eigene Name ist, empfiehlt sich die Teilnahme an einem „Personal Branding“-Workshop. In diesen Kursen werden gemeinsam individuelle Differenzierungsmerkmale, eine „Unique Selling Proposition“ (USP), Ziele und entsprechende Botschaften für die Vermarktung der eigenen Person und Leistungen erarbeitet.
Ich habe die überraschende Erfahrung gemacht, dass die gegenseitige Unterstützung groß und der Austausch untereinander intensiv sind. Das entnehme ich auch den Berichten anderer Gründer:innen mit ähnlichen Rahmenbedingungen. Es reicht von Empfehlungen zu Steuer- und Stundenerfassungsprogrammen über das Sparring zu inhaltlichen Aspekten und die Diskussion von Angeboten bis hin zur Vermittlung von Aufträgen oder einem „Teaming-Up“ für Jobs. Einen meiner ersten Aufträge als Freiberuflerin erhielt ich aus meinem Netzwerk von der etablierten Nachhaltigkeitsberatung ehoch3, deren Gründerinnen ebenfalls in diesem Buch zu Wort kommen. Aber auch langjährige Verbindungen zu ehemaligen Vorgesetzten und Kolleg:innen sind wertvoll, basieren sie doch auf der Erfahrung vertrauensvoller, guter Zusammenarbeit. Dasselbe gilt für Beziehungen zu früheren Kund:innen. Hier aktiv den Kontakt zu suchen, lohnt sich unbedingt.
Dabei kommen möglicherweise auch Anfragen für Leistungen herein, die bis dato im eigenen Angebot noch nicht aufgeführt waren. Es gilt, flexibel und offen für neue Herausforderungen zu sein. Aus Sicht der Kund:innen können neben fachlichem Know-how auch Soft Skills wertvoll sein. So fragte mich eine Kundin, ob ich im Rahmen einer Firmenveranstaltung eine Panel-Diskussion moderieren könne – was ich selbstverständlich bejahte.
Rückblickend erforderte meine Entscheidung tatsächlich Mut. Manche Erkenntnisse hinsichtlich der Konsequenzen eines Wechsels auf die Unternehmerinnenseite hatte ich als Gründerin erst, als ich bereits wesentliche Entscheidungen getroffen hatte und mich mitten im Prozess befand. Erst mit dem Verzicht auf die Privilegien wurde mir richtig klar, in welche Vorleistung Arbeitgeber:innen für ihre Beschäftigten gehen. Die Fülle an gesetzlichen und freiwilligen Leistungen vieler Arbeitgeber:innen bedeuten einen großen Komfort.
Mein Mut wird jetzt belohnt: Die erhoffte und tatsächlich gewonnene Freiheit und Flexibilität stehen für einen großen Zuwachs an Lebensqualität. Die Übernahme an Verantwortung scheue ich nicht. Es motiviert mich täglich, dass die investierte Zeit und Energie tatsächlich auf das eigene Konto einzahlen.
Der Zeitpunkt hätte sicherlich besser gewählt sein können. Aber wer weiß schon, wann der perfekte Zeitpunkt ist. Der richtige Moment ist dann, wenn die eigene Überzeugung für diesen Schritt ausgereift ist. Schließlich erlebe ich, dass ich mich auf mein etabliertes Netzwerk und mein Fundament an Ausbildung und Erfahrung verlassen kann. Und ich nehme wahr, dass sich ein ganz neues Netzwerk auftut, in dem ich immer wieder neue, spannende Bekanntschaften mache, nicht zuletzt zu den Herausgeberinnen und Autorinnen dieses Werks.
Liebe Leser:innen dieses Beitrags: Vertraut auf Eure starken Ideen und Eure Fähigkeiten. Habt Mut!
CEO Werkzeug-Weber und Co-Gründerin PVH Future Lab
© Katrin Limes
Als Unternehmerin habe ich die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen. Niemand gibt mir vor, was oder wie ich etwas zu tun habe. Ich kann als Unternehmerin aktiv etwas verändern und Projekte starten, die mir am Herzen liegen. Selbst in der Unternehmensnachfolge, in der Abstimmung mit meinen Eltern notwendig war, entwickelte ich meinen eigenen Verantwortungsbereich, in dem ich mich frei entfalten und nach meinen Ideen arbeiten konnte. So hatte ich stets die Freiheit, Dinge nach meiner eigenen Vision zu verwirklichen.
Diese Freiheit kann ich auch an meine Mitarbeiter weitergeben und sie darin unterstützen, eigene Träume zu verwirklichen – ein weiterer Punkt, weshalb es großartig ist, Unternehmerin zu sein. Indem ich anderen die Möglichkeit gebe, sich zu entfalten, finde ich auch mein perfektes Team. Ich schaue mir an, mit wem ich Lust habe, zu arbeiten und wer aus Leidenschaft heraus meine Vision mit mir gehen möchte. Auf diese Weise werden wir gemeinsam erfolgreich.
Schließlich liebe ich es, Unternehmerin zu sein, da ich mich für die Gesellschaft engagieren und ihr etwas zurückgeben kann. Ich habe die Möglichkeit, ein Vorbild zu sein und das oft negative Bild des Unternehmers ins Positive zu verändern. Als Familienunternehmerin sehe ich hier eine Möglichkeit, die Vorstellung von Unternehmertum auf eine ganz eigene Weise mitzugestalten, indem ich meine Werte nach außen trage und für alle sichtbar mache.
Ich bin wahnsinnig stolz auf alles, was ich bis heute erreicht habe. Mit 22 Jahren habe ich das Unternehmen meines Vaters vollverantwortlich übernommen, habe seitdem den Umsatz verfünffacht und unsere Mitarbeiterzahl fast verdreifacht. Ich habe ein Buch geschrieben und schon vielen Menschen dabei geholfen, mit ihren Start-ups erfolgreich zu werden. Zudem bin ich unglaublich stolz auf meine Stiftung für Bildung und Nachhaltigkeit, die ich inmitten der Corona-Krise 2020 gegründet habe und mit der ich einen spürbaren Mehrwert über mehrere Generationen hinweg schaffen möchte. Bis 2030 werden im Rahmen dieses Projektes eine Million Bäume gepflanzt – 80.000 habe ich bereits aus eigener Kraft gesetzt.
Das Schönste für mich ist, dass all meine Taten meiner persönlichen Leidenschaft entspringen. Ich empfinde das, was ich tue, nicht als meinen Beruf, sondern als meine Berufung. Daher bin ich auf alles gespannt, was an meinen bisherigen Erfolg anknüpft, und ich freue mich darauf, noch viele Menschen zu fördern und weiterzubringen.
Eines meiner wichtigsten Learnings der letzten Jahre: Lerne dich selbst kennen und verstehe dich selbst zu führen, bevor du andere führst. Dazu gehört, die eigenen Talente zu entdecken und Schwächen festzustellen. Wenn ich meine Schwachstellen kenne, kann ich mir Hilfe von Personen holen, die auf diesem Gebiet ihre Stärken haben. Auf diese Weise kann man ein großartiges Team bilden, in dem sich die einzelnen Mitglieder durch ihre jeweiligen Stärken ergänzen.
Persönlichkeitstests können hilfreich sein, individuelle Stärken und Schwächen aufzudecken. Und auch menschlich sollte es passen. Die richtige Partnerwahl ist sehr wichtig – auch bei der Unternehmensgründung. Es kann sein, dass alle harten Faktoren passen und es doch an den weichen scheitert. Für uns Frauen sehe ich eine große Chance, unsere Fähigkeit einzusetzen, Stimmungen zu wittern. Unsere Talente sind gefragt!
Von Inspiration im Silicon Valley, der Wichtigkeit, mit vermeintlichen Mitbewerbern zu kooperieren, der Notwendigkeit, global zu denken und dem Mut, Gedankengrenzen zu überwinden.
Meine übergeordnete Mission ist es schon lange, für mehr Gründungen im Mittelstand zu werben. Ich sehe hier ein wahnsinnig großes, leider häufig noch ungenutztes Potenzial, erfolgreiche Projekte zu starten. Denn Innovationen entstehen nicht nur in Start-ups auf der grünen Wiese, sondern eben auch im Mittelstand. Und hier haben wir die Besonderheit, dass bereits Ressourcen und Strukturen vorhanden sind, die dem neu gegründeten Unternehmen Deckung geben können – oder den Prozess gar beschleunigen. Hinzu kommt, dass der Mittelstand nachhaltiges Wirtschaften im Kopf hat und nicht nur den späteren, möglichst profitablen Unternehmensverkauf im Blick hat. Es werden langfristig Arbeitsplätze und Perspektiven geschaffen. Auf diese Weise schaffen wir es, ein signifikanter Wirtschaftsträger in Deutschland zu sein. Leider sind erfolgreiche Gründungen im Mittelstand noch immer unbekannt, fast unsichtbar. Meine Mission ist es daher, mehr Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit dafür zu schaffen. Und Mut zu machen – von Unternehmer:in zu Unternehmer:in.
Von dieser Leidenschaft angetrieben, wurde ich 2018 selbst Teil eines großartigen Projektes. Eine Reise von Jungunternehmern aus dem Werkzeughandel in das kalifornische Silicon Valley hat uns dazu bewogen, das PVH Future Lab zu gründen. PVH steht für Produktions-Verbindungs-Handel. Und genau diesen möchten wir zukunftsfähig machen. Mit dem Future Lab soll dies möglich werden. Das Lab agiert außerhalb bestehender Strukturen und bietet uns daher die Möglichkeit, flexibel auszuprobieren und zu experimentieren. Dadurch müssen wir die Prozesse in unseren Hauptunternehmen nicht umstellen und haben dennoch die für uns so wichtige Innovationsfreiheit.
Ganz spannend finde ich an diesem Projekt, dass alle Mitglieder im Grunde Wettbewerber sind. Und dennoch haben wir uns gerne zusammengeschlossen, um unser gemeinsames, übergeordnetes Ziel zu erreichen, den PVH zukunftsfähig zu machen. Für einen einzelnen Unternehmer wäre ein solch umfangreiches Projekt kaum umsetzbar. Dank unseres Zusammenschlusses bieten sich uns jedoch ganz neue Möglichkeiten. Wir teilen uns nicht nur Investment und Risiko, sondern profitieren davon, dass jedes Mitglied Ideen und Anregungen auf den Tisch bringt, persönliche Herausforderungen teilt und wir darauf basierend gemeinsam Lösungen zu individuellen Themen finden können. Schwierigkeiten, die ein Kollege bewältigen muss, hat jemand anderes vielleicht schon vorher gemeistert und umgekehrt. So greifen wir uns gegenseitig unter die Arme.
Dass Menschen gemeinsam mehr erreichen können, war ein zentrales Learning der Silicon-Valley-Tour. Außerdem erfuhren wir, dass Storytelling enorm wichtig ist, dass Fehler gemacht werden dürfen und sollen, um aus ihnen zu lernen, und dass es manchmal förderlich für den Innovationsprozess ist, ein Produkt nicht zu Ende zu denken, bevor es an den Markt geht. Voller Tatendrang und basierend auf diesen Erkenntnissen, gründeten wir unser PVH Future Lab und initiierten umgehend drei Projekte: (1) Rapid3D, (2) den Flixxstore und (3) das Thema Drohnen.
(1) Der erste Zweig des zukunftsfähigen PVH ist Rapid3D. Anders als das, was man sich unter gewöhnlichem 3D-Druck vorstellt, stellt Rapid3D ein integriertes Netzwerk dar, mit dem an das PVH Future Lab angeschlossene Händler individuelle Druckprojekte schnell und unkompliziert verwirklichen können. Wir bieten unseren Mitgliedern ein maßgeschneidertes Schulungsangebot und unterstützen sie bei der Entwicklung ihrer eigenen, digitalen 3D-Druckplattform. Mit dem Angebot dieses technisch hochwertigen Plattformsystems möchten wir Endkunden für das Thema Additive Fertigung begeistern. Die Bedienung der Plattform ist für den Anwender einfach und intuitiv. Alles passiert in Echtzeit. Der Endkunde lädt einen Entwurf für den Druck hoch, woraufhin eine Druckbarkeitsanalyse durchgeführt wird, welche die Bauteile prüft und basierend auf den Ergebnissen Preise und Lieferzeiten in Echtzeit abbildet. Aufgrund der fast 300 angeschlossenen Druckpartnern und einer optimierten Preis-Mengen-Funktion wird dem Kunden zu jeder Wunschmenge der beste verfügbare Preis vorgeschlagen. Neben einem optimierten Kommunikationssystem und dem konfigurierbaren Warenkorb bietet unser Plattformsystem 2.0 zudem viele weitere Annehmlichkeiten für den Endkunden, wodurch wir mit Rapid3D ein wahnsinnig erfolgsversprechendes Projekt angestoßen haben. Bereits im ersten Jahr haben wir schwarze Zahlen geschrieben. Ein Paradebeispiel für eine erfolgreiche Ausgründung aus dem Mittelstand!
(2) Ein weiteres, zentrales Projekt des PVH Future Lab ist unser Flixxstore. Hier haben wir für verschiedene Unternehmensbereiche Apps entwickelt, deren Funktionen es unseren Kunden ermöglichen, Strukturen zu optimieren, Prozesse effizienter zu gestalten und somit den Umsatz zu erhöhen. Kunden hinterlegen einmalig ihre Daten und können anschließend für jeden Unternehmensprozess eine App buchen, welche sie auf Basis von KI dabei unterstützt, bessere Entscheidungen zu treffen. Der Flixxstore ist dabei aus der Idee heraus entstanden, das Beste von Netflix und dem App Store miteinander zu vereinen. Wenn ich eine Komödie sehen möchte, lade ich mir auf Netflix eben diese herunter. Analog dazu kann ich mir im Flixxstore die passende App zu dem Unternehmensprozess herunterladen, für den ich gerade ein gutes Tool brauchen könnte.
Aktuell ist Flixxstore unser größtes Projekt, es befindet sich noch im Aufbau. Dennoch bieten wir bereits buyflixx, sellflixx, dataflixx, techflixx und workflixx an. Jede App unterstützt und ergänzt eine andere Funktion im Unternehmen. Um unser Leistungsangebot weiter auszubauen, verfolgen wir eine Make-and-Buy-Strategie. Einerseits programmieren und entwickeln wir Anwendungen selbst, spüren aber auch externe Startups auf, die unser Angebot komplementieren und das Portfolio ergänzen. Auf diese Weise wird der Flixxstore stetig wachsen.
(3) Das dritte, unglaublich spannende Projekt des PVH Future Lab ist der Ausbau unserer Drohnenstrategie unter der Leitung meines Co-Founders und Ideengebers Norman Koerschulte. Unsere Vision ist es, deutschlandweit eine Logistik- und Versorgungslinie via Drohnen zu etablieren. Erste Schritte haben wir bereits in die Wege geleitet. Wir haben bei Koerschulte in Lüdenscheid schon 2020 die Genehmigung bekommen, in der Innenstadt einen Regelbetrieb aufzubauen und dort zu fliegen; das hat bis dato noch keiner im Regelbetrieb und mit klaren Strecken geschafft. Zudem haben wir die ersten Drohnennester mit unserer IT-Infrastruktur gekoppelt und werden dieses Netzwerk weiter ausbauen.
In Zukunft werden wir ebenfalls Krankenhäuser mit Hilfe von Drohnen beim Transport von Blutkonserven und lebenserhaltender Objekte unterstützen. So kommen diese schneller und sicherer beim Patienten an. Unsere Kunden haben die Möglichkeit, sehr schnell eine komplexe Intralogistik-Lösung mit Drohnen aufzubauen, indem sie uns als „Drone-as-a-Service“ direkt buchen können. Sämtliche Abläufe und Genehmigungen laufen über uns, und der Kunde hat es so einfach wie möglich. Wir konnten bereits einige neue Kunden gewinnen und für dieses Thema begeistern. Aktuell läuft im Rahmen unserer Forschungsprojekte ein spannendes 5G-Projekt in Nordrhein-Westfalen, wo wir mit Apotheken die Direktlieferung von Medikamenten per Drohne erproben und weiterentwickeln (Drone4Parcel5G).
Unser Future Lab befindet sich inzwischen bereits im vierten Jahr, und wir sind mehr als zufrieden mit den bisher erreichten Ergebnissen. Für mich hat sich wieder einmal bestätigt, dass Start-ups im Mittelstand eine super Sache sind. Denn sie geben mir die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren und umzusetzen, die vielleicht im Hauptunternehmen nicht so einfach funktionieren würden. Sobald ich aber feststelle, dass sich bei einem Projekt Erfolg abzeichnet, kann ich sofort umstellen und die Idee in meinem Unternehmen integrieren, nach dem Motto: „Wir entwickeln die Produkte von morgen, können sie aber schon heute und als erstes einsetzen.“ Das gibt mir als Unternehmerin einen enormen Innovationsvorsprung.
Klasse finde ich außerdem, dass wir bereits seit Beginn remote zusammenarbeiten, da wir aus den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands kommen. Wir kollaborieren, indem wir auf Dienste wie Google Hangouts, Google Docs oder Asana zurückgreifen, um Dokumente zu teilen und uns regelmäßig auszutauschen. So war auch Corona keine Herausforderung für uns, da wir bereits an das Arbeiten über räumliche Distanz gewöhnt waren.