„Gutes Wohnen“ für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung in der Schweiz. Wo besteht Handlungsbedarf für die Soziale Arbeit? - Chantal Burri - E-Book

„Gutes Wohnen“ für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung in der Schweiz. Wo besteht Handlungsbedarf für die Soziale Arbeit? E-Book

Chantal Burri

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Beschreibung

Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen fordert Wahlfreiheit bezüglich der eigenen Wohnsituation. Wichtige Aspekte dabei sind die Forderungen nach Gleichberechtigung, Zugang zu gemeindenahen Dienst- und Unterstützungsleistungen sowie die Möglichkeit zu persönlicher Assistenz. Doch inwiefern werden diese Ziele heute in der Schweiz erfüllt? Wie lässt sich „gutes Wohnen“ für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung erfassen? Welche Anforderungen für bestehende Wohnformen in der Schweiz lassen sich daraus ableiten? Welche Konsequenzen bringen diese Erkenntnisse für die Soziale Arbeit mit sich? Chantal Burri befasst sich mit den Anforderungen an ein „gutes Wohnen“ für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung in der Schweiz. Anhand ausgewählter Leitprinzipien bewertet sie die verschiedenen Wohnformen und zeigt deren Potentiale, aber auch den jeweiligen Handlungsbedarf. Ihr Buch richtet sich an Mitarbeiter:innen der Behindertenhilfe, aber auch allgemein an Sozialarbeiter. Aus dem Inhalt: - Selbstbestimmung; - Capability Approach; - Sozialräumliche Teilhabe; - Empowerment; - Inklusion; - Normalisierung

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Abstract

Die vorliegende Bachelor Thesis befasst sich mit der Wohnsituation von Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung in der Schweiz. Auf Grundlage verschiedener normativer Bezugssysteme werden Anforderungen erarbeitet, die an ein «gutes Wohnen» gestellt werden. Anschliessend werden die vorgängig analysierten und kategorisierten vorhandenen Wohnformen hinsichtlich ihrer Möglichkeiten und Verwirklichungschancen in Bezug auf die jeweilige Anforderung bewertet und verglichen.

Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1... Einleitung

1.1 Ausgangslage

1.2 Persönliche Motivation

1.3 Erkenntnisinteresse und Fragestellung

1.4 Relevanz für die Soziale Arbeit

1.5 Eingrenzung des Themas

1.6 Aufbau der Arbeit

2... Wohnen und Beeinträchtigung

2.1 Kognitive Beeinträchtigung

2.2 Wohnsituation Schweiz

2.2.1 Wohnformen

3... Leitprinzipien für die Begleitung von Menschen mit einer Beeinträchtigung

3.1 Herleitung

3.1.1 Paradigmenwechsel in der Sozialen Arbeit

3.1.2 UNO-BRK

3.1.3 Capability - Ansatz

3.1.4 Inklusion

3.1.5 Diskussion der Leitprinzipien

3.2 Selbstbestimmung

3.2.1 Selbstbestimmung und Wohnen

3.3 Sozialräumliche Teilhabe

3.3.1 Sozialräumliche Teilhabe und Wohnen

3.4 Normalisierung

3.4.1 Normalisierung und Wohnen

3.5 Beeinträchtigungsbedingter Nachteilsausgleich

3.5.1 Unterstützung im Bereich Wohnen

4... Bewertung der Anforderungen an «gutes Wohnen»

4.1 Selbstbestimmung

4.2 Sozialräumliche Teilhabe

4.3 Normalisierung

4.4 Beeinträchtigungsbedingter Nachteilsausgleich

4.5 Zusammenfassung der Bewertungen

5... Schlussfolgerungen

5.1 Erkenntnisse und Beantwortung der Fragestellungen

5.1.1 Erkenntnisse Selbstbestimmung

5.1.2 Erkenntnisse Sozialräumliche Teilhabe

5.1.3 Erkenntnisse Beeinträchtigungsbedingter Nachteilsausgleich

5.1.4

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tab. 1 Kategorisierung der definierten Wohnformen

Tab. 2 Bewertung Anforderung S.1

Tab. 3 Bewertung Anforderung S.2

Tab. 4 Bewertung Anforderung S.3

Tab. 5 Bewertung Anforderung S.4

Tab. 6 Bewertung Anforderung S.5

Tab. 7 Bewertung Anforderung T.1

Tab. 8 Bewertung Anforderung T.2

Tab. 9 Bewertung Anforderung T.3

Tab. 10 Bewertung Anforderung N.1

Tab. 11 Bewertung Anforderung N.2

Tab. 12 Bewertung Anforderung N.3

Tab. 13 Bewertung Anforderung B.1

Tab. 14 Bewertung Anforderung B.2

Tab. 15 Bewertung Anforderung B.3

Tab. 16 Bewertungsübersicht46

1 Einleitung

1.1 Ausgangslage

Inklusion, Selbstbestimmung, Normalisierung und Teilhabe als ausgewählte Leitprinzipien der heutigen Behindertenhilfe und das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen – im Sprachgebrauch häufig bezeichnet als ‘Behindertenrechtskonvention’ - der United Nations Organization (UNO) fordern Wahlfreiheit bezüglich der eigenen Wohnsituation. Wie in Art. 19 «Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft» (AS 2014: 1131) besonders sichtbar wird, sind die Forderungen nach Gleichberechtigung und Auswahlmöglichkeiten des Aufenthaltsortes, Zugang zu gemeindenahen Dienst- und Unterstützungsleistungen sowie die Möglichkeit zu persönlicher Assistenz besonders wichtige Aspekte. Doch inwiefern werden diese Forderungen und das Ziel einer Wahlfreiheit bezüglich der eigenen Wohnsituation heute in der Schweiz erfüllt?

Die Datenlage dazu scheint auf den ersten Blick mehr als dürftig. Von den insgesamt rund 1'792'000 Menschen mit einer Beeinträchtigung in der Schweiz (vgl. Bundesamt für Statistik 2015: o.S.) sind ca. 20'000 volljährig und haben eine kognitive Beeinträchtigung; davon leben mit 40 Jahren ungefähr 75% in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe (vgl. Wicki 2015: 4). Wie viele der restlichen Erwachsenen mit einer kognitiven Beeinträchtigung in einem Privathaushalt oder in einer alternativen Wohnform leben ist jedoch nicht verzeichnet. Der Anteil der in Privathaushalten bei Angehörigen leben ist ebenfalls nicht erfasst.

Welche alternativen Wohnformen gibt es denn also überhaupt in der Schweiz? Vielleicht noch die wichtigere Frage erscheint in diesem Zusammenhang, was Wohnen grundsätzlich bedeutet und welche Wohnformen mit Blick auf das übergeordnete Ziel der Gleichstellung und der Wahlfreiheit welche Möglichkeiten und Verwirklichungschancen bieten können.

1.2 Persönliche Motivation

Die ersten drei Jahre meines Studiums habe ich praxisbegleitend in einem Wohnheim für erwachsene Menschen mit einer kognitiven, teilweise begleitet von einer physischen und/oder psychischen Beeinträchtigung gearbeitet. Durch die eigene Erfahrung und den Austausch mit Mitstudierenden merkte ich schnell, dass die Beeinträchtigungen und Verhaltensauffälligkeiten, die ich in meinem Berufsalltag antraf, teilweise sehr stark ausgeprägt waren. Möglicherweise resultierend daraus musste ich täglich Erfahrungen machen, bei denen die Klientel durch Mitarbeitende oder auch institutionell bedingte Strukturen Fremdbestimmung erlebt haben. Diverse Ursachen spielen hierbei eine Rolle, nicht zuletzt wahrscheinlich auch Routine und durch die Gruppengrösse verursachte Kompromisse, wodurch es der Klientel nicht ermöglicht wurde, eigene Entscheidungen zu treffen. Tatsächlich schien das Wohnheim für einige eine Art letzte Station zu sein, denn andere Wohnangebote wollten, aber durften bzw. konnten sie aus unterschiedlichen Gründen nicht in Anspruch nehmen. Mit dem Wissen, dass diese Menschen an einem Ort leben mussten, den sie selbst nicht wählen oder verändern konnten, sah ich mich regelmässig konfrontiert und je länger je mehr auch frustriert. Ich hielt es kaum für vorstellbar, mit Menschen zusammenleben zu müssen, die ich mir nicht selbst ausgesucht habe, oder aber bei täglichen Entscheidungen, wie der Auswahl des Essens, nicht selbst bestimmen zu können. Angetrieben von Gedanken der Ungerechtigkeit und einer gewissen Machtlosigkeit innerhalb der Institution und deren Strukturen entschied ich mich schliesslich dazu, mich in meiner Bachelor-Thesis den im vorigen Kapitel erläuterten Fragen nach der Gleichstellung und den Wahlmöglichkeiten in der Wohnsituation von Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung anzunehmen. Dahinter steckt neben dem Interesse an der Suche und dem Vergleich von alternativen Wohnformen auch die Intention, gegen diese im Arbeitsalltag erlebte Ohnmacht ankämpfen zu können; sei es mit Wissen und theoretischen Anhaltspunkten, aber auch mit möglichen Erkenntnissen und Instrumenten für die Soziale Arbeit.

1.3 Erkenntnisinteresse und Fragestellung

Basierend auf den bisherigen Aussagen und Fragen besteht ein grundlegendes Interesse herauszufinden, was der Dschungel an Wohnangeboten in der Schweiz für Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung bietet und welche theoretischen Bezugssysteme in einem zweiten Schritt einbezogen werden sollten um die Anforderungen an «gutes Wohnen» erfassen und bewerten zu können. Natürlich soll die Thesis auch im Hinblick auf die Soziale Arbeit Erkenntnisse vermitteln, wie einerseits in dieser Thematik das Individuum begleitet werden sollte und andererseits das Hilfesystem verändert werden müsste. Da das Wohnen und die damit verbundenen Werte wie Selbstverwirklichung, Privatsphäre und Erholung (vgl. Seifert 2016a: 454) eine sehr zentrale Bedeutung im Leben eines Menschen haben, darf auch Menschen mit Unterstützungsbedarf dieses Bedürfnis keinesfalls abgesprochen werden.

Aus der vorangegangenen Diskussion liessen sich drei zentrale Fragestellungen herauskristallisieren, welche im Laufe dieser Arbeit beantwortet werden sollen. Die ersten beiden Fragestellungen bieten dabei die Grundlage, um die Relevanz für die Soziale Arbeit zu bestärken und aufzuzeigen, in welchen Bereichen Handlungsbedarf besteht.

Mit welchen theoretischen Bezugssystemen lässt sich «gutes Wohnen» für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung erfassen und bewerten?

Welche Anforderungen für bestehende Wohnformen in der Schweiz lassen sich daraus ableiten und wie werden diese bewertet?

Welche Konsequenzen bringen diese Erkenntnisse mit sich und welche Akteure im Bereich Wohnen werden dabei angesprochen?

1.4 Relevanz für die Soziale Arbeit

Avenir Social (2013: 6) beschreibt die Soziale Arbeit als «ein gesellschaftlicher Beitrag, insbesondere an diejenigen Menschen oder Gruppen, die vorübergehend oder dauernd in der Verwirklichung ihres Lebens illegitim eingeschränkt oder deren Zugang zu Teilhabe an gesellschaftlichen Ressourcen ungenügend sind». In den vergangenen Kapiteln wurde bereits erkannt, dass Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung oft davon betroffen sind. Daher ist es sowohl Ziel als auch Verpflichtung der Sozialen Arbeit, sich für dahingehende Verbesserungen einzusetzen. Besonders zu fördern ist dabei einerseits die Klientel selbst, jedoch sollen auch das Hilfesystem und vorherrschende Strukturen kritisch betrachtet und optimiert werden. Auf der Ebene der direkten Klientelzusammenarbeit sollen also Methoden und Konzepte erarbeitet werden, um sie in ihrer Wahlkompetenzen zu fördern um so «gutes Wohnen» zu erreichen. Doch wählen kann nur, wer auch echte Alternativen zur Auswahl hat. Denn es ist auch Pflicht der Sozialen Arbeit, für solche sozialen Problematiken Lösungen zu entwickeln und diese adäquat herauszugeben (vgl. ebd.: 6). Durch persönliche Erfahrung in der Arbeit mit Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung benötigt es aber auch einen Wechsel in den Köpfen der Gesellschaft. Es soll erkannt werden, dass nicht die Menschen mit Beeinträchtigungen verändert oder angepasst werden sollen, um integriert werden zu können.

Bestehende übergeordnete Strukturen, Konzepte sowie Haltungen müssen in eine Richtung beeinflusst werden, in der alle Menschen gleich viel Wert und die gleichen Rechte haben.

1.5 Eingrenzung des Themas

Die dürftige Datenlage zu Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung, wie wo und mit wem sie leben, zeigt gewisse Missstände auf und zeugt von mangelndem Interesse an dieser Thematik. Dieser Eindruck wird durch die mangelnde Fachliteratur in der Schweiz zum Thema Wohnen und Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung noch verstärkt. Ich habe mich explizit für eben diese Zielgruppe entschieden, da sie als am meisten exkludiert gilt und es kaum einfach zu erreichende Informationen dazu gibt. Auch werden sie meist von inklusiven Projekten oder selbstbestimmenden Unterstützungsangeboten wie z.B. der persönlichen Assistenz basierend auf der «mangelnden Selbstständigkeit» ausgeschlossen. Gerade deshalb, auch im Bewusstsein, dass eine Abgrenzung zu anderen Beeinträchtigungen nicht immer gelingen mag, möchte ich mich dafür einsetzen, dass es explizite Erkenntnisse gibt.

Zu den Termini scheint es im fachlichen Diskurs keine Einheit zu geben. In den Quellen sind häufig Begriffe wie «geistig behinderte Menschen» oder aber «Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung» anzutreffen. In dieser Thesis wird – Zitate ausgenommen - von Zweiterem gesprochen; es ist jedoch möglich, dass verbundene physische oder psychische Beeinträchtigungen vorliegen. Ebenfalls wird aufgrund der mit Betreuung implizierten negativen und bevormundenden Behaftung das Wort Begleitung eingesetzt – ausser, der Kontext verlangt diese Benennung (vgl. Deutscher Caritasverband e.V. 2012: o.S.).

In der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Wohnformen habe ich mich auf langfristige Wohnlösungen begrenzt, um eine Vergleichbarkeit sicherzustellen, wodurch einige Wohnformen wie z.B. Wohncoaching ausgeschlossen werden, auch wenn sie in anderem Zusammenhang wichtige Angebote darstellen. Des Weiteren wird ebenfalls das Wohnen in der Herkunftsfamilie nicht näher erläutert, da kaum Informationen dazu vorhanden sind und die Individualität eine Vergleichbarkeit mit den übrigen Wohnformen nicht zulässt. Auch sind finanzielle Aspekte nur am Rande miteinbezogen worden, da die Qualität im Vordergrund steht und ich die Meinung vertrete, «gutes Wohnen» dürfte keine Kostenfrage sein.

1.6 Aufbau der Arbeit

Einleitend wurden grundlegende Informationen zur Verfügung gestellt, die Ausgangslage dieser Bachelor Thesis erläutert, die persönliche Motivation hinter der Thematik nähergebracht, mit welchen Fragestellungen die Arbeit das Erkenntnisinteresse verfolgt und welche Relevanz das Thema nach einer Eingrenzung für die Soziale Arbeit darstellt.