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Beschreibung

Die alte Stadt Hamburg ist fast arm zu nennen an Sagen und Legenden der Vorzeit - vielleicht sind sie bei früheren häufigen Zerstörungen mit den vielen Denkmälern des Altertums, an welche sie geknüpft waren, untergegangen. Sagenhafte, durch mündliche Überlieferung von Tatsachen gebildete Erzählungen, wozu manche Berichte der geschriebenen Chroniken zählen, sind tatsächlich weniger selten. Wirklich reich ist die Stadt allerdings an solchen historischen Momenten, welche sich aus ihrem Zusammenhang nehmen und in die Form einer Geschichte bringen lassen. Basierend auf diesem Schatz an Folklore hat der Herausgeber versucht, nicht nur verhallend Kunden festzuhalte, oder Denkwürdiges aufs Neue zu berichten, sondern durch eine Reihe chronologisch geordneter Geschichten einige charakteristische Zeit- und Sittenbilder zur klaren Anschauung zu bringen. Bei vielen Sagen und volkstümlichen Geschichten ist er meistenteils den alten handschriftlichen Chroniken gefolgt, welche sie am ursprünglichsten bewahrt haben. Nicht ohne Absicht ist demnach auch meist die Sprache und Erzählungsweise derselben beibehalten worden, so weit es dem Verständnis nicht schadete.

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Seitenzahl: 465

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Hamburgische Geschichten und Sagen

 

DR. OTTO BENEKE

 

 

 

 

 

 

Hamburgische Geschichten und Sagen, Dr. Otto Beneke

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783988680990

 

Dieses Werk folgt der Ausgabe von 1854, im Original zu finden unter https://de.wikisource.org/wiki/Hamburgische_Geschichten_und_Sagen et. al., und wurde in Teilen der neuen Rechtschreibung angepasst.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Vorwort.1

1. Sagen von Hamburgs Entstehung.2

2. Der heilige Anscharius.3

3. Erzbischof Hoger.6

4. Poppo, der Heidenapostel.7

5. Papst Benedikt V. in Hamburg.8

6. Glindes-Moor.10

7. Der Fährkrug in Horn.11

8. Blutige Vorzeichen.12

9. Mistewoi der Wende und Hamburgs Zerstörung.13

10. Erzbischof Unwannus.14

11. Von Naturwundern, Wassersnot, Leichenknäueln und Grabhügeln.15

12. Adalbert, Erzbischof von Hamburg.17

13. Drei Burgen in Hamburg.20

14. Das Kastell auf dem Süllenberg.22

15. Das große Blutbad in Hamburg.24

16. Hamburgs zweiter Gründer und getreuester Wohltäter.25

17. Die Rüstung des Fürsten Primislav.26

18. Der Bardowiker und Zippelweiber Gerechtsame.27

19. Des Hamburgischen Welthandels Begründung; Graf Adolf III. und Kaiser Friedrich I.29

20. Aus des Grafen Adolf IV. Jugendzeit und von Hamburgs Geschicken.31

21. Vom Spökelberg.33

22. Graf Adolf IV. begründet Hamburgs Freiheit.34

23. Der Tag von Bornhövede, Adolfs Gelöbnis und Sieg.36

24. Vom Bau des St. Johannis-Klosters.38

25. Die blauen Süstern.39

26. Graf Adolf IV. als Mönch.40

27. Das alte Harvestehude.41

28. Von Abschaffung der Feuerprobe.43

29. Herrn Dirk Wraks Großmut.44

30. Das helle Haus und das heiße Haus.45

31. Vom Schuljungen-Krieg.46

32. Vom Schandstein-Tragen.47

33. Vom ältesten Rathaus und vom Junker Blomendal.49

34. Der Brauerknechte Heldentum.50

35. Von der Hamburgischen Schuljugend im Mittelalter.51

36. Vom Kinder-Bischof zu Hamburg.53

37. Kindersegen.55

38. Isern Hinrik.56

39. Till Eulenspiegel in Hamburg.58

40. Die verwünschte Linde bei Harvestehude.59

41. Das Rolandsbild in Hamburg.60

42. St. Maria to’m Schare.61

43. Die Köpfe an St. Jakobi-Küsterei.63

44. Von Claus Störtebeker und Godeke Michels.64

45. Simon von Utrecht.69

46. Die Cäcilienabend-Flut.70

47. Hamburger Treue.71

48. Ein glückliches Kriegsjahr der Hamburger.72

49. Johann Kletze.73

50. St. Ilsaben-Haus.75

51. Dat lütte Rümeken.76

52. Dithmarscher Fehden. Martin Swartekopp und Ralev Carsten.77

53. Von einem geschickten Hamburger Kröpel.79

54. Palmsonntags-Prozession.80

55. Vom Lachs-Essen.81

56. König Christian I. in Hamburg.82

57. Die Hamburger mögen nicht Kreuzfahrer werden.82

58. Von einem seltenen Meisterstück.83

59. Der Hansen Krieg und Frieden mit England.84

60. Des Teufels Stiefeln.86

61. Hamburger wollen keinen Schimpf leiden.88

62. Von einem vollkommenen Bürgermeister.89

63. Die wunderbare Kohl-Wurzel.91

64. Die Hand, die aus dem Grab gewachsen.93

65. Vom Kardinal Raymundus. Auch vom Hamburger Bier.94

66. Von Claus Schwarte, dem klugen Hauptmann.96

67. Wahrhaftige Historia, wie Claus Kniphoff, der große Seeräuber, von den Hamburgern überwältigt und gerichtet worden ist.97

68. Ditmar Kohl.112

69. Ein Turnier auf dem Hopfenmarkt.114

70. Marx Meyer, oder was aus einem Hamburger Grobschmidt werden kann.115

71. Die Synode zu Hamburg.116

72. Der Fron misshaut einen Übeltäter.118

73. Wahrhaftige Historie von der Anwesenheit des Königs Christian III. von Dänemark in Hamburg.119

74. Der Schar-Kapelle Säkularisierung.126

75. Wibeke, die Putzenmakersche.128

76. Der ewige Jude in Hamburg.129

77. Die Schlacht bei Drakenburg.131

78. Von einigen Ungeheuern in der Elbe.135

79. Was Alles im Jahre 1557 passiert ist.136

80. Pestgeschrei und Schlossbrand.138

81. Bestrafter Kornwucher.139

82. Hermann Rodenborg.140

83. Vom Pastor Werner und allerlei Irrlehren.141

84. Der Hansen Spiele zu Bergen.142

85. Von Würden und Bürden der Brauerknechte.146

86. König Christian IV. in Hamburg.148

87. Der St. Katharinen-Turm und eine Prophezeiung.154

88. Die Meerjungfer.155

89. „Lewerenz sin Kind.“. 156

90. Das englische Ruderboot.157

91. Die hansischen Gesandten bei König Gustav Adolf von Schweden.158

92. Der Winterkönig in Hamburg.158

93. Schiffs-Auffliegung bei Neumühlen.159

94. Die Fastelabend-Flut.161

95. Markus Meyer und der St. Markus-Platz.162

96. Nach Spandau fahren!164

97. Von einem Werwolf.166

98. Vom Gesundbrunnen.167

99. Von einer Entführung.168

100. Die Hamburgischen Frauen.171

101. Ein guter und ein schlechter Trinker.172

102. Elefant, – Neger, – Missgeburt.173

103. Johann Körners Schuld und Sühne.174

104. Die Unterirdischen zu Blankenese und Herr Rist.177

105. Wie ein Physikus an einer Ohrfeige starb.180

106. Königin Christina von Schweden.181

107. Von der Kleiderordnung.182

108. Vom Schweinekrieg.183

109. Des Gehängten Besuch.185

110. Von einem Selbstmörder.186

111. Von einem Zankteufel.187

112. Vom Christinenpförtchen.190

113. Wie ein Trunkenbold kuriert wird.192

114. Eine unglückliche Liebesgeschichte.193

115. Mag. Langes Ärgernis.195

116. Von einem Herzog und einem Hamburger Bürger.197

117. Hans mit Gott.199

118. Des Kindes Gebet.200

119. Eine wunderbare Rettung.202

120. Von einem feinen Diplomaten.203

121. Abermals vom Hamburgischen Frauenzimmer.205

122. Von ochsigen Dingen.207

123. Von Herrn Stoltenbarg.209

124. Von einer alten Einhüterin.210

125. Wat man sick van Altona vertellt.213

 

Vorwort.

 

Die alte Stadt Hamburg ist fast arm zu nennen an Sagen und Legenden der Vorzeit; sie mögen bei früheren häufigen Zerstörungen mit den vielen Denkmäler des Altertums, an welche sie geknüpft waren, untergegangen sein. Sagenhafte, durch mündliche Überlieferung von Tatsachen gebildete Erzählungen, wohin manche Berichte der geschriebenen Chroniken zu zählen, sind weniger selten. Reich aber sind wir, durch die bedeutungsvolle Vergangenheit unsrer Stadt, an solchen historischen Momenten, welche sich füglich aus ihrem Zusammenhange nehmen und in die Form einer Geschichte bringen lassen.

Aus einer diese drei Gesichtspunkte umfassenden Sammlung, teile ich hier in einer Anzahl Geschichten und Sagen den Versuch mit: nicht nur verhallende Kunden festzuhalten, oder Denkwürdiges aufs Neue zu Berichten, sondern durch eine Reihe chronologisch geordneter Geschichten einige charakteristische Zeit- und Sittenbilder zur klaren Anschauung zu bringen.

Die Vielseitigkeit des Stoffes möge der Mangelhaftigkeit im Einzelnen zur Entschuldigung dienen. Für die früheste Geschichte und die Gestaltung Hamburgs als freie Stadt, glaube ich ein vorzügliches Interesse ansprechen zu dürfen. Verschiedene Kriegsbilder und Hanseatische Erinnerungen bezeichnen nicht nur das Verhältnis zum Auslande, sondern auch die Stufe der damaligen Macht und Größe. Bei Darstellungen der inneren Ereignisse ist sowohl auf die Topographie der alten Stadt, als auf die Sitten, Gebräuche, Vorstellungen, Tugenden und Fehler ihrer derzeitigen Bewohner Bedacht genommen. Schon aus dieser Rücksicht verdienen wohl die mitgeteilten Verbrecher-Geschichten, so wie neben solchen Nachtseiten auch manche gemütliche Züge aus dem bürgerlichen Privatleben und einige ergötzliche Schwänke der Altvordern, ihre gebührende Stelle.

In Betreff vieler Sagen, so wie der volkstümlichen Geschichten bin ich meistenteils den alten handschriftlichen Chroniken gefolgt, welche sie am ursprünglichsten bewahrt haben. Nicht ohne Absicht ist auch vielfach die Sprache und Erzählungsweise derselben beibehalten, so weit es dem Verständnis nicht schadete.

Gern lassen wir uns die Vergangenheit unsrer Eltern, ihre Handlungen und Begegnisse erzählen; selbst unerhebliche Züge aus ihrer Jugendzeit vernehmen wir mit lebhaftem Interesse. Vielleicht werden auch die folgenden Bilder aus den verschollenen Tagen unsrer Vorfahren einige Teilnahme bei den Nachkommen finden.

Hamburg, am 28. November 1853.

Dr. Otto Beneke. 

1. Sagen von Hamburgs Entstehung.

(Um 805.)

Als nach der großen Sündflut Noahs zweiter Sohn, Ham, mit Weib und Kind in die weite Welt gegangen war, da ist er auf seinen Fahrten auch in diese Gegend der Unterelbe gekommen und hat ein festes Haus gebaut auf der Höhe der Uferberge, und hat es nach seinem Namen Hams Burg oder Hamburg genannt, und einige seiner Söhne nebst ihren Weibern und Kindern darin gelassen. Und diese haben sich rund umher angebaut, und eine Stadt gegründet, und das ist der Ursprung Hamburgs und die Abstammung der Hamburger, – also meinen Einige.

Andere sagen: Als das Griechische Heidentum im Morgenlande zerstört worden, da ist ein Schwarm Heiden, welche den Jupiter Ammon oder Hammon am höchsten verehrt und nicht von ihm haben lassen wollen, in diese Gegend gekommen allwo sie ihrem Abgotte ein neues Heiligtum erbauet, sich rings umher niedergelassen und befestiget, und diese Stätte Hammonsburg genannt haben. Und davon rührt der noch heut zu Tage übliche Name der Stadt Hammonia her, welcher absonderlich gern von den Poeten gebraucht wird. Als Kaiser Karl der Große aber gekommen ist, da hat er diesen Götzendienst gänzlich abgeschafft, die christliche Lehre eingeführt und einen Dom nebst fester Burg dazu gebaut, den alten Namen aber hat er gelassen.

Wieder andere sagen: Hier zu Lande haben Deutsche gewohnt aus dem Stamme der Sachsen, die Wald- oder Holt-Sassen, deren Name in Holsten sich verkehrt hat, daraus des Landes Name Holsteen oder Holstein entstanden ist. Das möchte nun so weit ganz richtig sein. Diese alten Sachsen haben (so sagen Jene) unter den vaterländischen Gottheiten hauptsächlich den Tor oder Asator verehrt, den sie Hamoys genannt haben, welcher an der Stätte, wo jetzt Hamburg steht, sein Heiligtum gehabt hat. Daher ist sie geheißen Hamoysburg oder Hammenburg. Das Karl der Große solch heidnisches Wesen der Sachsen zerstört und sie zum Christentum geführt, berichtet diese Sage auch. Also ist der Name Hammonia von dem Beinamen des Altgermanischen Gottes Tor entstanden.

Noch Andere sagen: Hier habe ein unmenschlicher Riese und großer Fechter gehaust, mit Namen Ham, welcher von dem gewaltigen Nordlandshelden Starkater (Stark-Attr oder Stark-Ottur) im offenen Kampfe ist erschlagen worden. Und den Ort, da er gewohnt, den habe man Hamburg genannt.

Auch heißt es, die Bewohner dieser Stätte hätten neben dem Fischfang auch viel Viehzucht getrieben, und es verstanden, sonderlich gute Schinken, Rauch- und Pökelfleisch zu bereiten, so dass man ihre Stadt danach benannt Hammen-Burg, will sagen Schinken-Stadt, da man in damaliger Sprache einen Schinken oder Bug oder Schulterknochen eine Hamme geheißen habe. „Was ich aber mehr auf seinen Unwert, denn auf seinen Wert beruhen lassen will, obwohl es eine gar feine Erklärung scheint, wenn man an die schönen Stücke Fleisch gedenkt, so allzeit in unsrer guten Stadt geräuchert und von hier in die weite Welt verführet worden sind.“

Wunderlich ist es, dass einige sonderbare Bierfreunde den Namen unsrer Stadt, in der vor Zeiten das beste Bier der Welt gebraut worden, mit dem fabulösen Biergötzen Gambrinus in Verbindung bringen, und sagen, es habe gehießen Gambrins Burg, woraus Gamsburg und daraus Hamburg geworden. Der Name der Marschlandschaften (Alten- und Neuen-) Gamme hänge damit zusammen, denn von daher sei Hopfen und Malz zum Hamburgischen Brauwerk gekommen. So sinnreich auch diese Etymologia ist und so vielen Beifall sie heut zu Tage in unseren wieder erstandenen Bierhallen finden möchte, so kann man ihr dennoch mit Fug nicht beifallen.

Übergehend noch viele andere meist unstatthafte oder unwahrscheinliche Sagen über Hamburgs Namen und Ursprung, z. B. von dem Stamme der Gambrivier, die aber hierorts niemals gehaust haben, ist dagegen noch diese anzuführen: In dieser Gegend habe das edle Geschlecht derer von Hamme gehaust, welche in dem jetzigen Dorfe Ham ihren Wohnsitz gehabt; diese Herren hätten vor Karls des Großen Zeiten eine Burg näher der Elbe gebaut, und sie nach ihrem Namen Hamburg genannt, worauf der Kaiser ihnen Burg und Burgfrieden abgekauft habe.

Gewiss ist, dass die alten Sachsen eine große Waldung mit dem Namen Hamm oder Hamme bezeichnet haben, wie auch dass die ganze Gegend längs der Bill-, Alster- und Elb- Niederung eine große Waldung gewesen ist. Gewiss auch ist, dass davon die Ortschaft Hamm ihren Namen trägt, und dass die Herren von Hamme daselbst gelebt haben. Nur so viel später, dass man sie nicht füglich als Gründer der ersten Hammaburg ansehen kann. Diese wird von Karl dem Großen gegründet und nach der umliegenden Hamme (Waldung) also benannt worden sein. Denn noch später hieß man die Holzung, die vor Entstehung des St. Jakobi- und St. Georgs- Kirchspiels auf deren Grund und Boden stand, „die Hamme,“ und nur in dem heutigen Dorf Hamm ist der alte Name für die gesamte große Waldung übrig geblieben.

Es geht hiermit wie mit vielen Dingen menschlichen Wissens, es ist Stückwerk, davon der alte Spruch gilt:

„Ich weiß davon nichts kundhaft Wahres,

Wer’s aber weiß, der offenbar’ es.“

Die hier mitgeteilten finden sich unter vielen anderen bei den Geschichtsschreibern Hamburgs: Cranz, Lambeccius, Adelungk, Steltzner u. s. w.

2. Der heilige Anscharius.

(831–865.)

Karls des Großen Absicht: das von ihm gegründete Hamburg nicht nur zu einem Bollwerk der Christenheit gegen die Germanischen und Slavischen Heiden im Norden und Osten, sondern auch zu einer Pflanzstätte christlicher Lehre und Bildung zu erheben, wurde von seinem Sohne und Nachfolger gefördert. Und als deshalb im Jahre 831 Kaiser Ludwig der Fromme Hamburg zum Sitz eines Erzbistums gemacht hatte, wurde Anschar, ein junger dreißigjähriger Mönch, erzogen für seinen ernsten Beruf in dem berühmten Kloster zu Corvey, der bereits als Missionar die Länder des Nordens durchzogen hatte, zum Erzbischof von Hamburg erkoren. Des Kaisers Bruder Drogo, Erzbischof von Metz, weihte ihn, und nachdem der Papst Gregor IV. ihm den erzbischöflichen Mantel geschickt hatte zum Zeichen seiner Bestätigung (834), kam er, sein hohes Amt anzutreten, nach Hamburg, wohin er, außer vielen Reliquien und wertvollen Heiligtümern, auch eben so viel frommen Eifer als Geschick zur Erfüllung seiner Bestimmung mitbrachte.

Hamburg war damals noch ein kleiner Ort. Ein Kastell, eine Kirche, einige Wohnungen der Geistlichen, einige Gassen rings umher, von dem Umfange des heutigen St. Petri-Kirchspiels. Anschar vergrößerte sogleich die Kirche, den Dom, den er herrlich ausschmückte, errichtete daneben ein Kloster, das er mit gelehrten Benediktinern aus Corvey besetzte, und gründete eine von diesen besorgte Schule, welcher der Kaiser eine kostbare Bibliothek schenkte. Dies war die Pflanzstätte, aus der die Heidenapostel des Nordens hervorgingen. Leibeigene Knaben kaufte Anschar von den Dänen und Slaven der Umgegend, und ließ sie für denselben Zweck erziehen und ausbilden. Er baute rings umher im Holsteinischen viele Kirchen, z. B. zu Bramstedt, Kellinghusen und in dem heutigen Dorfe Willenscharen an der Stör, dessen Name aus Villa Anscharii entstanden ist. Er sorgte für Schulen und Armenpflege, spendete geistliche wie leibliche Wohltaten, wo er nur konnte, und bereiste unablässig seinen weiten Kirchensprengel, um selbst seine begonnenen Werke zu fördern. Kaiser und Papst unterstützten ihn bereitwillig, und er selbst gab gern sein väterliches Erbe dem Dienste Gottes hin. Glücklich gedieh sein Werk, und auch die kleine Stadt Hamburg blühte unter seinen Augen immer schöner auf.

Als aber (840) Kaiser Ludwig verstorben war, da begannen mancherlei Drangsale das Erzstift Hamburg heimzusuchen. Die zu Anschars frommen Zwecken angewiesenen Einkünfte des reichen Klosters Turholt in Flandern wurden ihm entzogen; dass er selbst mit seinen Priestern in Folge dessen kärglich leben musste, bekümmerte ihn wenig, aber dass er nun seine Wohltätigkeit verringern, seine Fürsorge für Hamburg beschränken, und den inneren Ausbau des Erzstifts wie das Werk der Heidenbekehrung fast ganz einstellen musste, das schmerzte ihn tief. Dazu kam noch größere Not: der Krieg.

Die Normannen oder Dänen, unter ihrem Könige Erik dem Älteren, einem Feinde des Christentums, die bereits die Nordseeküsten verheert hatten und rheinaufwärts bis Köln vorgedrungen waren, kühne Barbaren, deren Wildheit so erschreckend war, dass man in der Kirchenlitanei sang, „vor dem Grimme der Normannen bewahre uns lieber Herre Gott,“ – diese erschienen urplötzlich aus der Elbe und vor Hamburg.

Es war gegen Abend, als die bestürzten Hamburger die Elbe von den Normannischen Schiffen bedeckt sahen; kein geordneter Widerstand war vorbereitet, selbst der kaiserliche Schirmvogt, Graf Bernhard, war abwesende die kleine Bürgerschar der Stadt und die wenig zahlreiche Besatzung der Burg konnten für den Schutz Anschars und der Kirche nichts versprechen. Dennoch wurde der Kampf versucht; aber die Scharen der Feinde, die unaufhörlich landeten, wurden immer zahlloser. Ihre Schiffe waren zwar nur klein und fassten kaum 30 Männer, aber deshalb hatten sie durch die seichten Elbarme bis dicht an die Stadt kommen können, und die Menge der Schiffe war unabsehbar. Anschar selbst, so verlockend ihm auch der Märtyrertod vorschweben mochte, gebot den tapferen Hamburgern innezuhalten, und auf Rettung ihres Lebens durch schleunige Flucht bedacht zu sein, da Kampf wie Tod gleich fruchtlos sei. Nun suchte zu entrinnen, wer konnte, die länger verweilenden, die etwa noch Weiber, Kinder oder Güter retten wollten, fielen mit diesen den wilden Feinden in die Hände. Sie stürmten heran mit Feuer und Schwert, noch vor Abend hatten sie das Kastell und die Stadt ersiegt, die wehrhaften Männer und viele Greise, Frauen und Kinder erschlagen, die Nacht, den folgenden Tag und noch die nächste Nacht hindurch geplündert, gemordet und gesengt, beim Feuerscheine der brennenden Stadt gezecht und gejubelt, – dann erst zogen sie ab, – die Kirchenschätze und sonstigen großen Raub und gefesselte Gefangene führten sie mit sich auf die Schiffe, – einen Schutt- und Trümmerhaufen ließen sie hinter sich zurück.

Anschar hatte, alles Irdische preisgebend, nur sein nacktes Leben und die teuersten seiner Reliquien gerettet; auf Umwegen erreichte er an einsamer Stelle das Ufer der Elbe, ein Fischerkahn trug ihn unerkannt aufs jenseitige Land, von wo er nach Bremen ging, um bei dem dortigen Bischof Leuderich Zuflucht und Hilfe zu suchen. Aber dieser, dem das neue Erzstift Hamburg ein Dorn im Auge, und Anschars Unglück eine Freude war, versagte ihm beides, verbot ihm die Stadt und wies ihn ins Elend.

Durch die öden menschenleeren Haiden und Moore der heutigen Bremischen, Verdenschen und Lüneburgischen Lande irrte nun der geächtete Mann Gottes lange Zeit umher, ohne Ruhestätte, ohne Schutz in steter Lebensgefahr. Da erweckte Gott das Herz einer frommen Edelfrau, der Ikia oder Ida, die im Bardengau im Lüneburgischen wohnte; sie erkannte ihn, nahm ihn gastlich auf und pflegte sein; dann schenkte sie ihm eins ihrer Güter Ramsola (das heutige Ramelslo, an der Seeve unweit Harburg) zum bleibenden Zufluchtsort und Unterhalt. Dort barg nun Anschar seine Reliquien, dort baute und stiftete er alsogleich ein Kloster, in welchem er seine Getreuen wieder um sich sammelte, um mir ihnen vereint die Wiederherstellung des Erzstifts, die Förderung des unterbrochenen Werkes vorzubereiten.

Dies gelang auch vollständig, nachdem bald daraus (847) Bischof Leuderich gestorben war. Die Mainzer Kirchen-Versammlung übertrug das Bistum Bremen dem frommen Anschar, und fortan blieben beide Stifter Hamburg und Bremen als ein Erzbistum vereinigt.

Durch Anschars tätige Fürsorge wurde das verödete Hamburg schnell wieder aufgebaut; Burg, Dom, Kloster und Schule erhoben sich schöner aus den Trümmern; eben so bald sah man rings umher eine Stadt voll fleißiger Bürger wieder erstehen; und ein günstiger Vertrag mit dem Dänenkönige Erik dem Jüngeren sicherte für viele Jahre sowohl eine ungestörte Ausbreitung des Christentums, als ein rasches Aufblühen des inneren Verkehrs der verjüngten Stadt Hamburg.

So wirkte der fromme Anschar weiter bis an sein Lebensende, und erfüllte seinen Beruf im allerweitesten Umfange. Er starb in Bremen, 64 Jahre alt, Ao. 865 an dem Tage, an welchem ein früherer Traum ihm seinen Tod vorher verkündigt hatte, – so, wie nur ein frommer gottbegeisterter Mann zu sterben vermag. Er wurde daselbst unter allgemeiner Trauer mit großer Feierlichkeit bestattet. Seinen Reliquien wurde große Verehrung gezollt, und er selbst vom Papste Nicolaus I. heiliggesprochen, wie denn sein Todestag, der 3. Februar, in der katholischen Kirche noch heute gefeiert wird.

Der heilige Anschar war ein sehr edler und ein ebenso wahrhaft großer, als wahrhaft frommer Mann. An Milde, Demuth, Mäßigkeit und Reinheit übertraf ihn Keiner. Aber unter allen feinen vielen Tugenden war die Wohltätigkeit eine der größten, so dass sein Lebensbeschreiber und Nachfolger, der heilige Rembert, von ihm sagen konnte: er war des Blinden Auge, des Lahmen Fuß, der Witwen und Waisen Vater.

 Sein Andenken hat sich auch in Hamburg Jahrhunderte lang lebendig erhalten. Sein Bild, früher im Dom, ist bekanntlich später in die Petrikirche gekommen.

Verglichen sind die Lebensbeschreibungen des Heiligen von Reuterdahl und Klippel. Anschar’s Bild enthalten die älteren Hamb. Geschichtsschreiber: Lambeccius, Staphorst u. s. w.

3. Erzbischof Hoger.

(909–915.)

Nach des Erzbischof Adalgars Tode im Jahre 909 folgte ihm sein bisheriger Gehilfe Hoger, ein vormaliger Mönch aus dem Kloster Corvey. Papst Sergius schickte ihm das Pallium und König Ludwig das Kind, der letzte Karolinger, den Hirtenstab. Sein Regiment dauerte nicht lange und fiel in eine unglückliche Zeit, in der das arme Sachsenland von den Verheerungen der Dänen und Slaven einerseits, wie der Ungarn und Böhmen andrerseits entsetzlich zu leiden hatte. Namentlich wurde der Hamburgische Sprengel von den Slaven furchtbar heimgesucht.

Erzbischof Hoger war ein frommer reiner Mann; mit großer Strenge überwachte er die Geistlichkeit, zur Aufrechthaltung guter Kirchenzucht. Und wie er deshalb oft die Klöster und Stifter besuchte, so eilte er auch, wenn er sich zu Hamburg aufhielt, gar häufig mitten in der Nacht nach Ramsola (Ramelslo), wo er zur Zeit der Frühmetten ankam, um zu erforschen, ob auch die Klosterbrüder dieselben nach der Regel feierten. Mit Eifer sorgte er, sich selbst und die Seinigen im Glauben wie in der Liebe und in guten Werken stark zu erhalten, damit er dereinst sprechen könne: „Siehe, Herr, hie bin ich und die Kinder, die du mir gegeben hast.“

Er starb zu Bremen Ao. 915 und wurde daselbst in der St. Michaelis-Kirche bestattet. Und als man 125 Jahre darauf die Begräbniskapelle abbrach und das Grab öffnete, fand man außer den Kreuzen des Palliums und dem Kopfkissen nichts von den sterblichen Überresten des Erzbischofs. Und dies wurde gedeutet, dass mit dem frommen Hoger, wie einst mit Johannes dem Täufer geschehen sein soll, bereits die Wiederauferstehung vollführt sei.

Die Sage aber, von Hogers nächtlichen Fahrten nach Ramelslo, hat sich noch lange unter den Hirten und Bauern der dortigen Gegend erhaltene und wenn dort, wo das alte Kloster des heiligen Anscharius noch jetzt als protestantisches Herrenstift besteht, in stiller Nachtzeit ein plötzlicher Windstoß über die Haide und durch die Bäume fährt, oder sonst ein ungewöhnliches Getöse sich regt, so sagen die Leute: „de olle Bischop kumpt, dat Stift to visiteren.“

Hauptsächlich nach Adam von Bremen, Hamb. Kirchengeschichte I. 53 u. 54. Die Sage am Schluss nach mündlicher Mitteilung.

4. Poppo, der Heidenapostel.

(Um 962.)

Um die Zeit, als Adaldag Erzbischof war, da wurde von Hamburg aus wiederum ein Verkündiger des Evangelii an die Dänen abgeordnet, um dasselbe unter ihnen neu zu beleben. Hierzu war ein frommer, glaubensstarker und gottvertrauender Priester der Hamburgischen Kirche ausersehen, Poppo geheißen. Als dieser vor dem Dänenkönig Harald (andere nennen ihn Erich) erschien, tadelte er denselben mit freimütigen Worten, dass er samt seinem Volke vom Christenglauben seiner Väter abgefallen sei und sich dem Dienst der Götzen und Dämonen wieder zugewendet habe. Durch die Kraft seiner Rede zwar betroffen, forderte dennoch der König, dass Poppo vor allem Volke durch wunderbare Zeichen die Göttlichkeit des Christentums bewähren solle, dann wolle er glauben. Und am nächsten Tage, als der König das Volk an einem ihm heiligen Orte versammelt hatte, hub Poppo mit Gottes allmächtigem Beistande und voll Begeisterung für das Evangelium, ein ungeheuer schweres Stück glühenden Eisens aus und hielt es vor Aller Augen lange Zeit erhoben, ohne dass es ihm die Hände im Geringsten verletzt hätte. Und obschon dies jeden Zweifel hätte beseitigen können, so tat der heilige Mann noch ein zweites Wunder als Zeugnis für die Göttlichkeit der Lehre, die er predigte, indem er ein mit Wachs bestrichenes Gewand anzog und dasselbe, mitten im Kreise der Heiden, in Gottes Namen anzuzünden befahl. Augen, Hände und Herz gen Himmel erhebend, ertrug er die lodernden Flammen, die über seinem Haupte zusammenschlugen, so geduldig, dass er, nachdem sein Gewand zu Asche gebrannt, mit freudigem und liebreichem Blick und Wort bezeugte, er habe kaum den Rauch des Brandes gespürt. Durch solche Wunder wurden der König und alle Anwesenden bekehrt, sie ließen sich taufen und nahmen willig das Christentum an. Poppos Name und Andenken wurden von da an unter dem Volke und in den Kirchen der Dänen hoch gefeiert.

Und diese Wunder sollen sich nach einigen zu Ripen zugetragen haben, nach anderen in Haddeby bei Schleswig.

Der Kaiser aber, hocherfreut über Poppos gesegnete Wirksamkeit, die dem Hamburgischen Hochstifte zu großem Ruhme gereichte, ließ ihn als Bischof von Schleswig ordinieren; und erst ums Jahr 1030 soll er verstorben sein.

Adam von Bremen II. 33; auch Schol. 44 ad II daselbst. Thietmar von Merseburg II. 8.

5. Papst Benedikt V. in Hamburg.

(965.)

Als Kaiser Otto der Große im Jahre Christi 965 wiederum einen Römerzug tat, da setzte er den vom Volke zu Rom ihm zum Trotz erwählten Gegen-Papst Benedict V. ab, und übergab ihn zur Aussicht dem Hamburgischen Erzbischofe Adaldag, der ihn begleitet hatte. Adaldag, ein geborener Herr von Mayendorf, welcher im Jahre 936 an des Unno Stelle Erzbischof über Bremen und Hamburg geworden war, hatte zuvor dem Kaiser Otto als Kanzler wohl gedient, darum begehrte derselbe auch schon 962 bei seinem Zuge nach Italien seinen Beistand, und behielt ihn bei sich, so dass Adaldag nur aus der Ferne sein Erzstift verwalten konnte, wie er denn z. B. die vom heiligen Anschar gegründete berühmte Domschule verbesserte und zu ihrem obersten Lehrer und Rektor den gelehrten Diethhelm bestellte. Aber im Jahre 965 beurlaubte der Kaiser seinen treuen Kanzler, den Erzbischof, damit er nach Hamburg heimkehre, und befahl ihm die Obhut über Benedict V., der sein Vaterland lassen und ins Exil gehen musste.

Also kam nun der verbannte Papst nach Hamburg, wo er vom Erzbischof in hohen Ehren gehalten und wohl gepflegt wurde, denn er war ein frommer gelehrter Herr, der des apostolischen Stuhles wohl würdig gewesen wäre, wenn er diese Würde nur in keiner so ordnungswidrigen Weise, vom Volke zu Rom, erlangt hätte. Der arme geistliche Herr konnte wohl unser raues Wetter nicht vertragen, da er’s milder gewohnt gewesen war, und manchmal soll er fröstelnd zur Sommerszeit zu seinem Caplan, einem Hamburgischen Bürgerssohne, gesagt haben, „bei Euch Hyperboräern kann kein Italisch Herz warm werden.“ Der arme verbannte Kirchenfürst mochte aber noch mehr an Gram und Kummer über sein Unglück leiden, was an seinem Italischen Herzen noch mehr nagte, als die hyperboräische Kälte! Aber fromm und gottesfürchtig war sein Wandel, so lange er noch in Hamburg unter den Lebenden weilte, Allen, Geistlichen wie Laien, zu einem erbaulichen Exempel. Täglich zu mehreren Malen betete er in den Kirchen und Kapellen, beichtete oft und verzieh von Herzen seinen Widersachern, übte auch eine große Milde gegen Arme und Kranke, wurde aber immer bleicher und schwächer.

Und in jenen Tagen hat er viel Nachdenkliches geweissagt, nämlich, dass er hieselbst bald sterben und sein Leib begraben werden würde, dass dann eine schreckliche Zerstörung und Verwüstung dem Stifte und der Stadt Hamburg bevorstehe, dass wilde Tiere in deren Trümmern hausen würden und dass auch das ganze Land, so lange sein Leib darin begraben liege, den Frieden nicht sehen würde; dass aber dereinst seine Gebeine in seine teure Heimat nach Rom versetzet, und dass alsdann durch die Fürsorge der päpstlichen Macht die Heiden und sonstigen feindlichen Widersacher Hamburgs völlig besiegt und vertrieben werden würden, worauf Wohlfahrt und Glück wieder einkehren dürfe.

Und also ist es gekommen. Der fromme Herr Benedict wurde bald so krank, dass er nicht mehr die Kirchen besuchen konnte und am 4. Juli desselben Jahres 965, da er hierhe gekommen, entschlief er in dem Herrn sanft und ergeben, und ward begraben von allen Kapitels- und Ordens-Geistlichen mit ernster Pracht im Chore der Domkirche, und ward beweint von allen Frommen und von allen Armen. Man sagt, dass der Kaiser ihn grade habe aus St. Peters-Stuhl zurückrufen wollen, als sein früher Tod dazwischengetreten sei.

Danach aber ist eine große Verheerung ins Land gekommen, erst durch die Normannen, oder wie man sie damals nannte, die Askomannen, d. h. die aischen (bösen) Männer; danach durch die Wenden und Slaven, welche noch schrecklicher wüteten mit Feuer und Schwert und barbarischer Grausamkeit, Hamburg von Grund aus zerstörten, Geistliche und Bürger mordeten oder in die Sklaverei schleppten, den Dom einäscherten und entsetzliche Gräuel verrichteten.

Inzwischen aber waren nach etlichen 30 Jahren die Gebeine des verstorbenen Papstes mit Erlaubnis Kaisers Otto III. nach Rom gebracht und daselbst feierlich bestattet. Und da begann auch der letzte Teil von Benedikts Weissagung wahr zu werden, denn vom Kaiser, aus päpstliches Andringen unterstützt, führte der Sachsen-Herzog Benno oder Bernhard II. einen glücklichen Krieg gegen die Wenden und Slaven, die er siegreich unterjochte. Alsbald wurde Hamburg durch den Herzog und den Erzbischof Unwannus wieder ausgebaut und die Stadt erblühte schöner als zuvor, Glück und Segen kehrten von neuem ein, wie der fromme Papst es vorher verkündigt hatte.

Derselbe, den man noch jetzt in der katholischen Christenheit als einen Märtyrer und Heiligen verehrt, hat später in Hamburg ein Denkmal erhalten. Da sein Gedächtnis noch nach Jahrhunderten frisch geblieben, so errichtete die dankbare Nachwelt ihm ein Monument in der Domkirche, an der Stelle, wo vordem seine Gebeine geruhet hatten, ehe sie nach Rom gebracht wurden; es soll ein steinerner Sarkophag mit Bildwerken und Inschriften gewesen sein. Gott weiß, wann und wie er verfiel oder zerstört wurde. Aber danach wurde er durch ein anderes Denkmal ersetzt, an derselben Stelle, das bestand in einem Grabsteinbild, 1 Fuß erhaben aus dem Boden hervorragend, worauf das päpstliche Bild im Ornat, und rings herum Bilder von Aposteln, Heiligen, kämpfenden Ritterfiguren nebst einer Inschrift in Mönchsbuchstaben, zu sehen war. Dies Denkmal hat gestanden, solange der Dom stand, Vor 50 Jahren haben noch Manche unter uns es gesehen. Nun ist es auch dahin, – als der Dom Ao. 1805 abgetragen wurde, mögen viele Wenden und Slaven, Abkömmlinge jener alten Zerstörer des alten Doms, unter den Werkleuten gewesen sein, – die haben der angestammten Zerstörungslust gern nachgegeben und ihren Vorfahren darin Ehre gemacht; unsäglich viele Altertümer und Kunstwerke, die im Dom bewahrt wurden, sind seitdem verschwunden, untergegangen, vernichtet. Abbildungen dieses Denkmals kann man in den älteren Hamburgischen Geschichtswerken finden.

Domherr Meyers Blick auf die Domkirche S. 61. Adam von Bremen II. 10; von Hövelen, Hamburgs Hoheit etc. S. 141.

6. Glindes-Moor.

(Um 995.)

Damals, zur Zeit des Erzbischofs Libentius II., als die Normannen wiederum die Küsten der Nordsee mit Feuer und Schwert heimsuchten, landeten auch große Scharen dieser kühnen Räuber, die unser Volk die Askomannen nannte, in der Weser, von wo aus sie die ganze Gegend bis an die Elbe, von Leesum bis zum Lande Hadeln, ausplünderten und Männer, Weiber und Kinder, so viel sie deren nicht erschlagen hatten, als Sklaven mit sich fortführten.

Und da sie nun ihren ferneren Raubzug auf die Stadt Hamburg richteten, unterwegs aber in ein Irrsal von weiten Sümpfen, Mooren und wüsten Haiden gerieten, so zwangen sie einen Edlen dieser Gegend, den Herward, dass er ihnen als Wegweiser diene. Der aber hasste die Feinde und sann auf ihre Vernichtung. Darum gab er insgeheim den erzbischöflichen Kriegern in Bremen wie in Hamburg Kunde von seinem Vorhaben, und führte dann die Askomannen bis auf die Berge, welche sich bei dem jetzigen Harburg längs der Elbe hinziehen. Und als die Normannen sich Hamburg gegenübersahen, waren sie froh, und gedachten bald hinüber zu kommen, um die Stadt Hamburg dem Erdboden gleich zu machen, wie vormals ihre Stammesgenossen getan. Da aber führte sie Herward hinunter in das tiefe Moor- und Sumpfland an der Elbe, welches damals Glindesmoor hieß, und sobald die ersten Scharen diesen verderblichen Boden betreten hatten und darin versanken, stürmten seit- wie hinterwärts aus den waldigen Bergtälern die Bremischen und Hamburgischen Kriegsleute herbei und begannen zugleich mit den sich befreienden Gefangenen einen furchtbaren Kampf. Und die Feinde, obschon an Zahl den Unsrigen weit überlegen, fanden keinen Ausweg, keine Rettung, – wollten sie dem schmählichen Tode in Moor und Sumpf entrinnen, so fielen sie unter den Schwertern und Streitäxten der Sächsischen. Und solchergestalt kamen sie Alle um bis auf den letzten Mann, bei 20,000.

Herward aber wurde hochgepriesen und viel geehrt, und man nannte seinen Namen neben dem des glorreichen Cheruskerfürsten Hermann, der vor alter Zeit in ähnlicher Weise im Teutoburger Walde das deutsche Land von den Römern befreit hatte.

So geht die Sage. Andere freilich meinen, der Ort dieser Schlacht sei jenes Glindesmoor gewesen, welches in der Cremper Marsch, diesseits der Elbe, liegt; aber das ist irrig, denn dahin kamen die Askomannen nicht. Mit mehr Recht vermuten Andere, dass die Tat weiter ins Bremische Land hinein, zwischen den Flüssen Oste und Hamme, geschehen sei, woselbst es auch große Moore und Waldungen gibt, und die heutigen Ortsnamen Glinstermoor und Glinstedt darauf hinzudeuten scheinen.

Folgen wir aber unserer Sage, so sehen wir durch sie auch unser heutiges Moorburg verherrlicht, welches in alten Urkunden Glindesmoor heißt. Im Jahre 1373 verkauften die damaligen Eigentümer, die Edlen Barthold und Ludolf von Hiddesacker an Meineke Schulte, der das Land vier Jahre später dem Hamburgischen Rat abtrat, was hundert Jahre darauf das Geschlecht derer von Hitzacker auch anerkannt hat. Und schon um 1399 bauten die Hamburger hier eine Burg zum Schutze der Elbschifffahrt und zur Abwehr gegen räuberische Überfälle. Hernach ist oft Fehde gewesen wegen der Moorburg: der Bischof Johann von Verden verheerte das Land Anno 1461, um die Hamburger zu bestrafen, die ihm bei einem Besuch ihrer Stadt einen Tort zugefügt hatten. Auch mit den Herzogen von Braunschweig-Lüneburg gab’s viel Streit wegen des Landes und der Burg, die siegreich manchen Sturm abgeschlagen hat, und noch 1573 neu befestigt wurde.

Die Burg ist seitdem verschwunden, das dazu gehörige Ackergut aber, eine Domaine der Stadt, heißt mit seinem Pachthofe und sonstigen Gebäuden noch jetzt „die Burg.“ In des Pächters Garten ist die Stelle des alten Schlosses zu suchen.

Noch in neuerer Zeit sah der klassische Kriegsboden des alten Glindesmoor Kampf und Sieg der Deutschen Waffen. Am 1. und 4. April 1814 schlug hier das tapfere Hannoversche Jägerbataillon von Klenke die ungestümen Angriffe der in Harburg liegenden Franzosen unter dem General Pecheur siegreich zurück, nachdem 60 kühne Freiwillige durch die tiefen Marschwiesen gewatet und dem Feind mit Bajonett und Säbel in die Seite gefallen waren.

Adam von Bremen II. 30. – von Heß, Topographie III. 117. Zimmermann, Hamb. Chronik S. 226. Vielleicht bedeutet der Namen Askomannen richtiger Schiff-Männer von Ask, ein Schiff. – Das Treffen von 1814 berichtet Reddermeyer, zur Statistik und Topographie Hamburgs S. 159.

7. Der Fährkrug in Horn.

(Um 1000.)

Es heißt, dass in jenen grauen Zeiten, da die Marschgegenden um Hamburg noch nicht eingedeicht waren, die ganze Niederung des Elbtals zwischen den jenseitigen Hannoverschen und den diesseitigen Geesthöhen, ein großer See gewesen ist, daraus einzelne höher liegende Landstriche wie Inseln hervorgesehen haben. Und zu allen Flut- oder Hochwasser-Zeiten ist dann die ganze Fläche überschwemmt und ein einziger Wasserspiegel gewesen.

Und weiter heißt es, dass in dem jetzigen Dorfe Horn, am Bauerberge, hart an der Heerstraße, ein Fährhaus gewesen ist, von wo aus man sich hat übersetzen lassen, wenn man ins jenseitige Land reisen wollen.

Hernach, unter dem Erzbischof Friedrich und den ersten Schauenburgischen Grafen von Holstein, kamen Holländische und Friesländische Anbauer ins Land, die es verstanden, dem Wasser, wie in ihrer Heimat, Dämme entgegenzusetzen und Land abzugewinnen. Die deichten die Niederungen gegen Elbe und Bille ein und schufen so die reichen schönen Marschen der Vierlande, des Bill- und Ochsenwerders und des Hammerbrooks.

Da wurde freilich das Fährhaus überflüssig, aber es war einmal da, und um den Fährmann, der nun erwerblos geworden war, zu entschädigen, erhielt er die Schenk- und Krug-Gerechtigkeit, und aus alter Gewohnheit behielt das Haus den Namen Fährkrug oder Fährhuus.

Und länger als das Fährrecht hat sich das Krugrecht des Hauses erhalten, denn es existiert noch heute bei dem übrigens schon manchmal von Grund aus neu gebautem Hause. Und vor wenigen Jahren, als es eingeäschert wurde, sprachen alte Leute in Ham und Horn zueinander: „dat Fährhuus is afbrennt.“

Nach mündlicher Überlieferung.

8. Blutige Vorzeichen.

(1012.)

Es wird mannigfach erzählt, dass in alten Zeiten das Volk noch unmittelbarer als hernach unter seines Schöpfers Regiment gestanden, und Wohl und Weh, Lohn und Strafe, Warnung und Ermunterung in unzweideutiger Weise aus Gottes Hand empfangen habe. Wenn nun auch noch heut zu Tage des Herrn allmächtiges Walten in der Weltgeschichte einem ungetrübten Auge noch ebenso sichtbar ist, so erfreuen wir aus doch nicht mehr solcher Himmelszeichen zu Nutz und Lehr, wie sie damals, nach alter Chronisten Aufzeichnung, häufig vorgekommen sein sollen.

So ereignete es sich Ao. 1012 zu Hamburg, als Libentius I. Erzbischof war, dass gegen Ende der Fastenzeit eine verheerende Wasserflut ganze sieben Tage lang die Stadt überschwemmte; am Palm-Sonntage darauf fielen aus hoher Luft plötzlich dicke, rote Blutstropfen herab, in großer Menge, fast wie ein dichter Regen, so dass die roten Spuren davon auf den Kleidern der Leute zu sehen waren. Und danach stand zwei Tage lang, am Karfreitag und am Ruhetag, die Sonne am Himmel wie eine Feuerkugel, deren roter, blutiger Schein Alles grausig färbte. Erst am heiligen Ostertag ging die Sonne in ihrer natürlichen Farbe und Gestalt wieder auf.

Damit hatte der Herr Gott erwecklich kundgetan, was folgen werde: ein Strafgericht für die Bösen, die solche Warnung und Ermahnung zur Buße unbefolgt lassen würden. Und viel Volks bekehrte sich und bereitete sich vor auf das kommende Unglück, durch Fasten und Beten und gute Werke, damit sie die unsterbliche Seele retteten, und der Tag des Gerichts ihnen durch Gottes Gnade das Himmelreich bringen möge. Andere aber blieben verstockt und unbußfertig, und aßen und tranken sich selber das Gericht.

Darauf erfolgte denn in demselben Jahre die erschreckliche Zerstörung Hamburgs und der umliegenden Lande durch die Wenden unter ihrem Heerführer Mistewoi, davon gleich erzählt werden wird.

Aus handschriftlichen Chroniken, namentlich der sogenannten Beckendorpschen des Stadt-Archivs.

9. Mistewoi der Wende und Hamburgs Zerstörung.

(1012.)

Während Herzog Bernhard II. die Niedersächsischen Lande regierte, und grade ein guter Frieden bestand mit den Wenden, kam einer ihrer Fürsten, Mistewoi genannt, aus dem Stamme der Obotriten (im heutigen Mecklenburg), an den herzoglichen Hof, und da er ein zwar etwas ungeschlachter, aber starker und tapfrer Degen war, der dem Herzoge in manchen Fehden guten Beistand leistete, auch durch seinen Einfluss die unruhigen Wenden in Zaum halten half, so erlangte er es, dass der Herzog ihm seine Schwester, die schöne Mathilda, eines Flandrischen Grafen junge Witwe, zur Ehe versprach. In Folge dieser Zusage begleitete Mistewoi sodann mit 1000 Reitern den Herzog, als dieser den Zug des Kaisers nach Italien mitmachte. Wie nun aber nach der Rückkehr Mistewoi auf die Erfüllung des Versprechens drang, da fand er taube Ohren. Wenden und Deutsche standen sich doch trotz Mistewois Ergebenheit und Vermittlung noch zu scharf entgegen, so dass z. B. das Volk den Namen Mistewois, zumal er von gedrungener, dicker Gestalt war, spottweis verdrehte, und ihn nur den Ritter Mastschwein oder Junker Mistferkel zu nennen pflegte. Vorzüglich aber waren es Deutsche Fürsten, die dem Herzoge Bernhard von solcher Verbindung abrieten, und der Markgraf Dietrich von Brandenburg meinte, es sei eine Sünde und Schande, eine christliche Fürstin an einen heidnischen Wendenhund zu verheiraten. Dies unbedachte Wort drang durch, Herzog Bernhard wies den getäuschten Freiersmann ab, der dann stracks mit allen seinen Leuten das Hoflager verließ und sich zu seinen Landsleuten begab, aber zuvor dem Herzoge sagen ließ: „den deine Leute zum Mastschwein machen, der wird ihre Felder zerstören und ihre Wohnsitze umwühlen; und der, den du zum Hunde erniedrigt, der wird auch beißen und zerreißen wie ein Hund.“

Mistewoi fasste einen grimmen Zorn gegen die Deutschen und Christen; und je ergebener er ihnen früher gewesen, desto völliger wurde nun sein Abfall. Seine Wenden, die ihn früher hart getadelt, nahmen ihn nun mit Freuden auf, und in einer von ihm nach Mecklenburg berufenen Versammlung aller Wendischen Stämme, denen er seine Schmach als die ihrige vorstellte, wurde ein allgemeiner Aufstand und Krieg beschlossen und Mistewoi zum Anführer erwählt.

Und die Wenden brachen los, als Herzog Bernhard grade wegen einer Verschwörung wider den Kaiser keine Verteidigung treffen konnte. Eine ganze Sündflut „Wendischer Hunde,“ wie sie selbst sich nannten, führte Mistewoi, der verspottete „Ritter Mastschwein,“ sengend, brennend und mordend in die Lande, und alle Kirchen und Klöster, Städte und Dörfer, Burgen und Vesten eroberten und zerstörten sie; alle Christen-Männer, die ihnen in die Hände fielen, erschlugen sie; die Weiber und Kinder führten sie in Sklaverei, die Greise marterten sie zu Tode. Vorzüglich waren es Kirchen und Klöster, die Pflanzstätten des ihnen so verhassten Christentums, die sie gründlich zu zerstören trachteten, und deshalb übten sie gegen Priester, Mönche und Nonnen die scheußlichsten Grausamkeiten aus. Also wühlten die Wendischen Schweine, also bissen die Wendischen Hunde. Und nachdem sie so das Bistum Oldenburg (in Holstein) verheert und verödet, zogen sie auf des Erzstiftes Hauptstadt, auf Hamburg, zu. Die arme Stadt, von Verteidigern fast entblößt, fiel nach verzweifelter Gegenwehr im wilden Sturme in die Hände der Wenden, die wie eingeteufelte Ungeheuer darin hausten; der Dom und alle Heiligtümer, alle Häuser der Bürger sanken in Schutt und Asche; nachdem die auserlesensten Frauen und Mädchen als Sklavinnen in schmachvolle Gefangenschaft weggeführt waren, wurden die noch übrigen Männer geschlachtet, gespießt, gebraten in den brennenden Häusern, die Geistlichen aber und Mönche und Nonnen unter unsäglichen Qualen zu Tode gefoltert. Des heiligen Kreuzeszeichens spottend schnitten die Wenden ihnen z. B. die Haut des Kopfes in Kreuzesform auf und zogen sie so herab oder peitschten sie aus der eigenen Haut heraus.

Aber als diese Gräuel der Wendischen Hunde den höchsten Grad erreicht haben, da hat Gott ein Einsehen getan, und zum Entsetzen der Heiden hat sich ob der Stadt am Himmel ein Wahrzeichen des Herrn blicken lassen, in Gestalt einer gewaltigen rechten Hand, die hat abwehrend den Heiden gedreut, und hat dann wie segnend und verheißend den wenigen noch übrigen Christen sich zugeneigt, und ist dann verschwunden. Und die sterbenden Märtyrer haben, da sie dies Wunder gesehen, einen heiligen Gesang angestimmt, bis ihre Seelen von Engeln des Herrn aus diesem Jammertal ins ewige Leben hinübergeführt sind. Die Wenden aber sind davongezogen. Danach ist’s stille geworden in den weiten, rauchenden, bluttriefenden Trümmern der Stadt Hammaburg!

Hernach, als Erzbischof Libentius II. (1013) gestorben und Unwann sein Nachfolger geworden war, der den Kaiser mit Herzog Bernhard aussöhnte und mit diesem gemeinsam Hamburg wieder erbaute, da begab es sich auch, dass Mistewoi in sich schlug, seine begangenen Übeltaten bereute und gut zu machen suchte. Er entsagte seinem Wendischen Fürstentum, zog nach Bardowik, allwo er still und erbaulich gelebt hat und um 1025 gestorben ist.

Zimmermann, Hamb. Chronik S. 35. u. 36. und die handschriftl. Beckendorpsche Chronik.

10. Erzbischof Unwannus.

(1013–1029.)

Nach des Libentius Tode im Jahre 1013 wurde der Paderborner Chorherr Unwannus, aus dem reichen, angesehenen Geschlechte der Immedinger oder derer von Meding, sein Nachfolger auf dem erzbischöflichen Stuhle über Hamburg und Bremen. Kaiser Heinrich II. und Papst Benedict VIII. bestätigten ihn in seinem Amte in üblicher Weise.

Sein Kirchen-Regiment führte er preiswürdig, indem er von seinem Familiengute den dritten Teil der Kirche opferte, Pfarrherren anstellte, und Kleriker, die bisher halb als Mönche, halb als Weltgeistliche lebten, an bestimmte kanonische Regeln band. So wurde er der eigentliche Gründer des Dom-Kapitels in Hamburg, indem er für 12 Präbenden 12 Geistliche als regulierte Domherren oder Canonici verordnete, denen er den Unterricht und die Erziehung der Jugend, so wie die Ausbildung befähigter Personen anvertraute, welche von hieraus das heilige Sendamt zur Ausbreitung des Christentums antreten sollten. Hierdurch wurde er sowohl Hamburgs wie des ganzen Nordens Wohltäter.

Für die Heidenbekehrung sorgte er selbst sehr tätig. Noch waren in den großen Wäldern auf beiden Seiten der Elbe viele Altgermanische Opferaltäre; diese ließ er zerstören, und manche heilig geachtete Eichen, ja ganze Haine umhauen. Und da selbst unter den längst bekehrten Bewohnern des Nordalbingischen Landes noch viele heidnische Gebräuche herrschten, so strebte er nach deren Abstellung. Um noch wirksamer das Missionswerk zu fördern, öffnete er die gesammelten Schätze der Kirche und gewann durch wohltätige Verwendung derselben und freigebige Geschenke heidnische Fürsten und Völker, bei denen der dadurch bewiesene milde Geist des Christentums leichteren Eingang fand.

Hamburg, welches 1012 in entsetzlicher Weise von den Wenden zerstört war, suchte der fromme Unwann in Gemeinschaft mit dem Landesherrn, dem Herzog Bernhard II. wieder herzustellen. Die zerstreuten Bürger wurden wieder versammelt; Dom, Schule und viele Häuser ließ er erbauen, wenn auch fürs Erste nur aus Holz. Und größtenteils wohnten beide in Hamburg, um wirksamer das Wohl der wieder aufblühenden Stadt zu fördern, deren Gewerbe, Handel und Schifffahrt bald wieder emporkam.

Unwannus wird uns als ein ehrwürdiger Greis geschildert, voll Liebe und Sanftmut, vielleicht zu nachsichtig gegen die Fehler der niederen Geistlichkeit; aber freigebig gegen Arme und Schwache, und ein besonders väterlicher Freund der Kinder. Er starb am 27. Januar 1029.

Adam von Bremen II. 45. etc. Zimmermann, I. c. S. 40.

11. Von Naturwundern, Wassersnot, Leichenknäueln und Grabhügeln.

(1020.)

Im Vorwinter des Jahres 1020 erschien zu öfteren Malen die Sonne mit einem lichten, breiten Kreise umgeben, in welchem viele Kreuze sichtbar waren. Und allnächtlich war der Schnee, der die Erde bedeckte, wie eine langsam wallende, rote Feuersglut anzusehen. Solche Abirrungen der Natur von ihren sonst so unwandelbaren Gesetzen konnten nichts Gutes bedeuten, und da obendrein die Winterkälte so entsetzlich hart war, dass viele arme Leute tot froren, so ermahnte der fromme Erzbischof Unwannus Geistliche wie Laien zu außerordentlichen Gebeten, zur Buße und Besserung, dieweil ein Gericht Gottes im Anzuge sei.

Bald danach schwollen nun auch Elbe und Weser furchtbar an, und ergossen ihre Fluten mit Sturm und Ungewitter über die Uferlande, dass die meisten Menschen auf der schnellen Flucht nur das nackte Leben retteten und unzählig viele jammervoll umkamen. Und während der drei Tage und drei Nächte, dass die Überschwemmung dauerte, haben die Fluten der Elbe und Weser zischend gebrodelt und geballt, als wenn sie kochten und siedeten, und die Wellen haben wie Feuersflammen empor geleckt, so dass Feuer und Wasser, sonst einander so feindliche Elemente, Eins geworden waren.

Nachdem nun solche Empörung in der Natur sich gelegt und die Fluten allgemach sich verlaufen, hat man an vielen Stellen tote Menschen gefunden, die lagen in großen Haufen beisammen und waren durch tote Schlangen, welche sich um sie gewickelt, dergestalt mit den Gliedern verschlungen, dass man sie selbst mit Gewalt nicht voneinander trennen konnte. Also, da man sie einzeln nicht bestatten konnte, hat man da, wo sie lagen, Erde auf die Haufen geworfen und nach Art unsrer ältesten Vorfahren mächtige Hügel darüber geformt, und riesige Steine darauf gewälzt.

Diese Hügel sind nach und nach eingesunken und niedriger geworden; und später, als sich immer mehr Menschen ansiedelten in den flachen, von ihnen eingedeichten Marschen, da errichteten die ersten Anbauer ihre Wohnungen gern auf diesen Erhöhungen, deren Steine sie gut benutzen konnten. Daher finden wir mitten in den Elb- und Weser-Marschen manche Häuser auf kleinen Anhöhen gelegen, und die darin wohnen, wissen nicht, was unter ihren Füßen begraben liegt.

Gleich jenseits Grevenhof und dem Griesenwärder gegenüber liegt eine Elbinsel, deren Hamburgischer Teil „Ross,“ der Hannoversche aber „Neuhof“ heißt. Den Neuhof nannte man noch vor 150 Jahren „den Kirchhof.“ Denselben meinte der fromme Mann Radecke to der Monnicke, als er Ao. 1416 die Seelmessengelder zu St. Jakobi um 10 [M.] Jahres-Renten vermehrte, um dafür unter Anderem „das Gedächtnis der armen Seelen zu begehen, deren Leiber aus dem wüsten Kirchhof beim Griesenwärder ruhen.“ Es liegt nahe, einen der Begräbnisplätz von 1020 mit diesem „wüsten Kirchhof“ von 1416 in Verbindung zu bringen.

Ja, wenn man nur immer wüsste, was Alles auf der Stelle passiert ist, wo man jetzt in behaglicher Länge und Breite sich streckt und dehnt, dann würde manch’ wunderbares Ding, was wir jetzt, obschon unenträtselt, doch für eitel Täuschung der Sinne halten, ganz wohl gedenkbar sein.

Solch ein alter Leichenhügel kann nämlich einst auch dort gewesen sein, wo jetzt die Straße „der Holländische Brook“ sich befindet; bevor dieser Platz innerhalb der Stadt und Festungswerke zu liegen kam, war er ein Teil des Grasbrooks. Dann mag der Wall die Erde des Grabhügels, und das Fundament des ältesten der jetzigen Häuser die Steine in sich aufgenommen haben. In diesem alten Hause aber ist von jeher viel Seltsames gehört und auch wohl gesehen, manch’ geisterhaft’ Wesen, im Vorüberwehen rauschend und wehend, bald stumm und still, bald seufzend und ächzend, – aus des Kellers Gründen durch alle Geschosse wandelnd bis zu des höchsten Bodens First, dann wieder verhallend in die Tiefe hinab schwebend. Der dies schreibt, der ist in jenem Hause geboren und groß geworden.

Nach ungedruckten Chroniken. Gewiss ist, dass vor der Eindeichung der Marschen schon Ureinwohner daselbst auf Erderhöhungen, sogenannten Woorthen, gewohnt haben. – Das Vermächtnis des Radecke vom Jahre 1416 erwähnt Staphorst, Hamb. Kirchengeschichte II. 841.

12. Adalbert, Erzbischof von Hamburg.

(1043–1072.)

Nachdem um Ostern 1043 zu Bücken im Hoyaschen Herr Alebrand, der vielgeliebte Erzbischof von Hamburg und Bremen, „das irdische Pascha mit den himmlischen ungesäuerten Broten“ vertauscht hatte, wurde in demselben Jahre Herr Adalbert, geborener Graf von Wettin, zuvor Domprobst von Halberstadt, sein Nachfolger. Das erzbischöfliche Pallium empfing er durch Gesandte des Papstes Benedict IX., worauf seine Ordination zu Aachen statthatte, in Beisein Kaisers Heinrich III. und vieler Reichsfürsten, mittelst Einsegnung durch zwölf Bischöfe. Nachdem er sodann Bremen besucht hatte, wandte er sich und seine Tätigkeit der Hamburgischen Kirche zu.

Erzbischof Adalbert hegte für seine Metropolis Hamburg eine große Liebe, und allemal residiere er hier, so oft seine vielen Kirchen- und Staats-Geschäfte und seine dem Kaiser und Reiche gewidmeten Dienste, die ihn zu unaufhörlichen Reisen zwangen, dies gestatteten. Und da von der Hamburgischen Kirche aus seit deren Gründung das Christentum im ganzen Norden verbreitet worden war, ob zwar unter unsäglichen Kämpfen und dem Märtyrertum so vieler heiliger Sendboten, so nannte Adalbert Hamburg „die gesegnete Mutter aller Völker des Nordens,“ welcher er umso freudiger Liebe und Ehrerbietung zolle, und umso eifriger hilfreiches Sorgen darbringe, je näher der Feind stehe, der ihre Herrschaft seit Jahrhunderten gleichsam wie ein Sieb durchlöchert habe. Und um deswillen baute er später das Kastell auf dem Süllenberge.

So lange diesseits der Elbe Friede war, pflegte der Erzbischof alle Ostern- und Pfingst-, auch wohl Mutter-Gottes-Feste in Hamburg zu feiern, wo er in der Burg seiner Vorgänger, der Wiedenburg, Hof hielt und in der Domkirche das Hochamt selbst verwaltete. Zur Verherrlichung dieser hohen Feste zog er aus allen Stiftern seiner beiden Diözesen eine Menge von Geistlichen, zumal solche, die durch eine schöne Stimme in Predigt und Gesang die Gemeinde erwecklich zu erbauen verstanden. Und da er die Dienerschaft der Hamburgischen Kirche in großer Vollständigkeit erhielt, auch Nichts sparte, um die gottesdienstlichen Handlungen sowohl mit innerer Würdigkeit als mit äußerem Glanze ausführen zu lassen, so mag wohl zu keiner Zeit der Kirchendienst in Hamburg in einer so herrlichen Weise versehen sein, als unter Adalbert. Und besonders viel hielt er auf den Chorgesang, den er in nie gekannter Weise einführte, und oft ließ er während dreier Messen, denen er beiwohnte, zwölf Litaneien absingen. Er mochte Alles, in geistlichen wie weltlichen Dingen, groß sehen, erhaben, bewundernswert. Darum erfreute sich sein Gemüt an dem wallenden Weihrauch der Spezereien, an der Pracht der heiligen Gefäße und Gewänder, an dem blitzenden Glanze der tausend Kerzen, an dem mächtigen Eindrucke des volltönenden Chorgesanges. Und diese äußerliche Pracht, deren heilsamen Einfluss auf die Gemeinde er wohl kannte, begründete er überdies durch die Herrlichkeit des Herrn und Seines Tempels, wie sie im alten Testament geoffenbart ist; wie er denn sonst Vieles, was den Leuten fremd erschien, nicht anders als in Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift getan hat.

Erzbischof Adalbert war ein Mann von ungewöhnlich großen Gaben und Gnaden. Bei einer vollkommenen Körper-Schönheit und Kraft vereinigte er in sich so viele Tugenden und Vorzüge des Geistes wie des Gemütes, dass es nur dem unglücklichen Gange der Weltbegebenheiten, wie einem einzigen Fehler seines Charakters, zuzuschreiben ist, wenn er sein hohes Ziel: – die Erhebung der Hamburgischen Kirche zum Patriarchat über Nord-Europa zum Gegengewicht des Papsttums in Rom, nicht erreicht hat, was für ganz Deutschland vielleicht die wichtigsten, segensreichsten Folgen gehabt haben würde. Er war verständig, gelehrt, weise, besaß eine wunderbare Gedächtniskraft und hinreißende Beredsamkeit; er war mäßig und keusch, großmütig, und freigebig, wie es einem Fürsten so wohl ansteht, über alle Maßen; ein Freund des Gebens, ein Feind des Empfangens; kraftvoll im Ausführen der hochstrebenden Entwürfe seines großartigen Geistes; demütig vor Gott, mildfreundlich gegen Geringe, Arme und Pilger, denen er oftmals kniend Abends die Füße wusch in demütiger Nachfolge unsres Heilandes; aber stolz und gebieterisch gegen die Großen und Mächtigen dieser Welt. Und mit dieser letzten Eigenschaft hängt auch der einzige Fehler zusammen, den er anfangs hatte, ein Fehler, aus dem später so viele andere zum Unheil seiner selbst entsprangen: die ruhmsüchtige Eitelkeit, diese „vertraute Hausmagd der Großen und Reichen,“ wie sein Bremischer Dom-Scholaster, Magister Adam, sie nennt. Und dennoch opferte er Eitelkeit und Ruhmsucht seinem hohen Ziele willig auf, als er im Jahre 1046 zum Papste erwählt werden sollte; er lehnte nämlich diese höchste Würde ab und veranlasste es, dass Snidger (als Clemens II.) den Römischen Stuhl bestieg. Der Hamburgische Erzbischof war aber damals so mächtig, dass er den Dänenkönig Swend Estridson, der seine nahe Blutsverwandte Gunhilde von Schweden geheiratet hatte, wirksam in den Bann tun konnte.

Adalberts bitterster Feind war Herzog Bernhard von Sachsen, der Billunger, welcher, wenn er zu Hamburg weilte, in der von ihm auf den Trümmern des alten Kastells Karls des Großen erbauten Alsterburg residierte. Nicht allein die Eifersucht des Landesherrn war die Ursache solcher Feindschaft, auch des Herzogs persönlicher Hass traf, wiewohl mit Unrecht, den Erzbischof. Denn als Bernhards Bruder, Graf Dietmar, dem Kaiser Heinrich III. bei Lismona (Leesum bei Bremen) einen hinterlistigen Überfall zu bereiten trachtete, wurde dieser durch Adalberts Treue geschützt und des Empörers Verrat vereitelt; und als Dietmar, vor den Kaiser geladen, zum gerichtlichen Zweikampfe verurteilt wurde, erlag er in demselben nach Gottes Fügung seinem Gegner, dem kaiserlichen Hauptmann Arnold, am 3. Oktober 1048. Dess’ zur Rache und Sühne ließen Dietmars Söhne den Arnold fangen und mit heidnischer Schimpflichkeit ihn bei den Beinen zwischen zweien Hunden aufhängen, für welchen Frevel der Kaiser sie mit ewiger Verbannung strafte. Und wegen dieser traurigen Begebenheiten, die doch nicht unverschuldet das herzogliche Haus trafen, verfolgten Bernhard und seine Söhne den Erzbischof, dessen Angehörige, ja selbst die Kirche, mit nie endender Feindschaft.

Auch außer den hohen Festen weilte Adalbert zur Sommerszeit oft mondenlang in Hamburg, der ihm so teuren Stadt. Hierher beschied er die Gesandten der nordischen Völker, hier empfing er die Besuche der Fürsten und Dynasten der Germanischen wie der Slavischen Stämme. Er tat in Hamburg Allen wohl, die ihm nahten; die Bürger ehrte er und förderte neben dem geistigen auch ihr irdisches Wohl, wo und wie er nur konnte; zum Ausbau der Stadt gab er willig Vorschub; den wachsenden Verkehr erleichternd legte er eine eigene Münzstätte an; und was er Gutes und Löbliches in fremden Landen gesehen, das trachtete sein tätiger Geist, dem noch halb barbarischen Vaterlande anzueignen. Sogar Gärten und Weinpflanzungen ließ er auf dürrem Haideboden in Hamburgs und Bremens Umgegend anlegen. Aber dies, wie manch’ anderes viel Bedeutsameres, was der Natur des Landes und der damaligen Bewohner widerstritt, blieb ein vergebliches Bestreben des großen Mannes, dessen guter Wille so oft dem bösen Geschick unterlag.

Kummer und Widerwärtigkeit, Undank der Welt, sogar seiner Freunde Abfall, Feindschaft aller Orten, Kränkungen seines unseligen Stolzes, – dies Alles machte ihn missgestimmt, hart, zornmütig. Wo sonst sein Edelsinn verzieh, da waltete nun sein Eifer mit verderbender Strenge. Und doch blieben im Grunde seines Herzens Mitleiden gegen Arme und Bedrängte, und Freigebigkeit gegen alle Bedürftige, so mächtig in ihm, dass derselbe Mann, der im Zorne wie ein Löwe geflohen wurde, in guten Stunden sanft war wie ein Lamm und zu jedem Opfer bereit.

Aber während er von Schmeichlern und Schmarotzern umringt, nur Lobpreisungen seiner Größe und Würdigkeit vernahm, während Wahrsager, Traum- und Zeichendeuter (die sein hoher Geist hätte verachten müssen) seinen schrankenlosen Wünschen die eitlen Trugbilder nahender Erfüllung vorspiegelten, sank mit stets wachsendem Verfalle der irdischen, auch seine geistige Hoheit und Tugendherrlichkeit immer tiefer. Zwar ließ er noch immer den zehnten Teil seines ganzen Einkommens den Armen und Kranken zuweisen, zwar hielt er noch täglich offene Tafel für Jedermann, aber schon war Wohltun und Gastfreiheit bei ihm mehr Sache der Eitelkeit als des Herzens. Beim reichen Mahl, das er selbst kaum berührte, zeigte die Bitterkeit der Witzworte, die er der geistreichen Unterhaltung einmischte, den trüben, kranken Zustand des einst so klaren, frommen Gemütes und seines Geistes zunehmende Verfinsterung, die nur zuweilen ein heiteres Saitenspiel auf Augenblicke zerstreuen durfte, während er die den gemeinen Haufen ergötzenden Gaukeleien der Mimen verabscheute.

Doch zuletzt brach wohl sein starrer Stolz, wozu nach seiner eigenen Erzählung ein wunderbares Gesichte beigetragen hat, das er erlebte. Er sah sich nämlich um Mitternacht in der Domkirche zu Hamburg in Gemeinschaft mit seinen vierzehn Vorgängern im Bistum feierlich die Messe begehen. Erzbischof Alebrand, der die Mysterien vollzog, wandte sich nach Verlesung des Evangelii den Anwesenden zu, um deren Opfer zu empfangen, und als er an Adalbert kam, wies er mit strengem Blick und diesen Worten dessen Gabe zurück: Du hochgeborener, vornehmer Mann kannst mit uns geringen Leuten nichts gemein haben. Worauf das Gesicht endete. Und als er mit tiefstem Schmerze der Heiden Siegesgewalt, der Christen Verfolgung und Abfall, ja selbst der Geistlichen Entartung wahrnahm, als er vergebens gegen der Laien wie der Priester Verderbtheit eiferte, da weinte Adalbert der Große heiße Tränen, die wohl teils dem Verfall der eigenen Macht, den kommenden Strafgerichten und der Gefährdung der heiligen Kirche, aber auch seinen begangenen Fehlern, die dazu mitgewirkt hatten, gegolten haben mögen.

Aus seiner Hamburgischen Diözese, wo er geliebt und verehrt wurde, durch blutdürstige Heiden vertrieben, die das mühsame Werk so vieler heiliger Männer und eins der wichtigsten Bollwerke der Christenheit zertrümmerten, war der Abend seines Lebens düster umwölkt. Eine vom Germanischen Drudengeiste beseelte Wahrsagerin verkündete allem Volke und ihm selbst sein nahes Ende, aber noch hörte er lieber auf die Lügenpropheten seines Hofes. Dass in Bremen und anderen Orten die heiligen Kreuze Tränen schwitzten, dass Hunde und Schweine die Altäre entweihten, dass das Geheul der Wölfe mit dem der Uhus bis in die geängstigte Stadt Hamburg drang: es verkündete des Erzbischofs Ende und unsägliche Trübsal für seine Diözese; und Hamburgs zweimalige Zerstörung im Sterbejahr des Metropoliten hat es wahr erwiesen.

Er aber erkrankte schwer zu Goslar am Harze, wo er dennoch tätig wirkte für den Kaiser Heinrich IV., den einzigen Menschen, an dem seine Seele mit väterlichster Liebe und treuester Hingebung hing, den er erzogen hatte, der sein Glück war wie sein Schmerz! Dieser allein durfte den Sterbenden besuchen, dessen großer Geist den schwachen Körper so standhaft aufrechterhielt, dass kein Klagelaut, kein Seufzer seinen Lippen entflohen ist. In den letzten Stunden hat er viel gelitten, viel gebüßt, viel göttliche Gnade empfangen. Gott misst mit anderem Maßstab als wir Menschen. Er starb am 16. März 1072 und hinterließ außer Büchern und Reliquien nichts als allein bei den Armen und Kranken untröstliche Trauer über seinen Verlust. Seine Leiche ward nach Bremen gebracht und im Chore der von ihm erbauten Domkirche bestattet. Denn sein Wunsch, in der Mutterkirche zu Hamburg beerdigt zu werden, konnte nicht erfüllt werden; Hamburg war eine Beute der Heiden.

Hauptsächlich nach der milderen Auffassung Adams von Bremen. (III.)

13. Drei Burgen in Hamburg.

(Um 1060.)

Um das Jahr 1060 waren drei große Burgen in Hamburg, worüber sich wohl etwas sagen lässt.

Bezelin Alebrand, ein Kanonikus von Köln am Rhein, war um Weihnacht 1035 von sieben Sächsischen Bischöfen mit großer Pracht als Erzbischof von Hamburg geweiht und vom Kaiser bestätigt, worauf ihm der Papst den Mantel seiner Würde sandte. Er war ein guter, frommer Herr, der die Stadt Hamburg liebhatte und ihr gern nach den erlittenen schweren Kriegsnöten wieder aufhelfen wollte. Er erbaute vor allen Dingen Ao. 1037 statt des zeitherigen, vom Erzbischofe Unwannus vorläufig aus Holz erbauten, einen neuen prächtigen Dom, völlig aus Quadersteinen gemauert. Daneben aber errichtete er südlich vom Dom, wo damals ein Arm der Elbe vorbeifloss (der bei nachmaliger Vergrößerung der Stadt als Fleet benutzt wurde), eine feste, wohlverwahrte Burg, ihrer Pracht wegen auch Palatium oder Palast, zu Deutsch Pfalz genannt. Hier war seine erzbischöfliche Residenz. Man nannte sie auch die Wiedenburg, von den vielen Weiden, die damals an den sumpfigen Ufern der Elbarme wuchsen. Es war mit seinen Höfen und Türmen ein großes, weitläufiges Gebäude, welches die ganze Gegend der heutigen Straßen Schopenstehl und kleine Reichenstraße einnahm, vom Domstegel an bis zur Kattrepelsbrücke und Hopfensack; und die letztere Gegend wurde noch vor 100 Jahren vom Volke die Wiedenburg genannt, wie hie und da noch jetzt. Das war die eine Burg. Und Bezelin Alebrand umgab auch die inzwischen von Neuem aufgeblühte und bei lebhaftem Handel stets zunehmende Stadt Hamburg mit guten Wehr-Anstalten gegen die Raubzüge und Heerfahrten der Normannen und anderer See- und Land-Räuber, nämlich mit einer starken Mauer, darin drei Tore waren mit drei festen Türmen darüber oder daneben. Hernach baute er noch neun solcher Zwingtürme, so dass zusammen ihrer zwölf zur Verteidigung der Stadt dienten. Von diesen sollten inne haben, besetzen, bewachen und verteidigen: den ersten der Bischof und seine Leute, den zweiten der Advocatus oder Vogt des herzoglichen Landesherrn, den dritten der Dom-Probst, den vierten der Dom-Dechant, den fünften der Dom-Scholaster, den sechsten die übrigen Domherren und Vikarien (woraus man sieht, dass dazumal die Geistlichen auch starke Kriegsleute waren und das Schwert nicht minder als das Räucherfass zu schwingen verstanden). Die sechs übrigen Türme waren aber in den Händen der Bürger und denselben anvertraut, deren Zahl und Wehrhaftigkeit also damals nicht größer gewesen sein muss als die der gesamten Geistlichkeit und der Vogtsleute.