Hamish Macbeth kämpft um seine Ehre - M. C. Beaton - E-Book
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Hamish Macbeth kämpft um seine Ehre E-Book

M.C. Beaton

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Beschreibung

Der letzte Kampf des Dorftyrannen

Jeder in Lochdubh kennt Randy Duggan. Seine Beleidigungen haben bereits zu handfesten Schlägereien geführt. Und als der Kerl auch noch Dorfpolizist Hamish Macbeth zu einem öffentlichen Kampf herausfordert, überbieten sich die Dorfbewohner nur so mit ihren Wetten. Die meisten erwarten, dass Hamish im Kampf unterliegt - aber niemand rechnet damit, dass Randy ermordet wird, bevor die beiden überhaupt zum Duell antreten. Genau das passiert allerdings. Und inmitten der ganzen Aufregung, die darauf folgt, ist es ausgerechnet Hamishs Aufgabe, Randys skrupellosen Mörder ins Kittchen zu bringen ...

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Über das Buch

Der letzte Kampf des Dorftyrannen

Jeder in Lochdubh kennt Randy Duggan. Seine Beleidigungen haben bereits zu handfesten Schlägereien geführt. Und als der Kerl auch noch Dorfpolizist Hamish Macbeth zu einem öffentlichen Kampf herausfordert, überbieten sich die Dorfbewohner nur so mit ihren Wetten. Die meisten erwarten, dass Hamish im Kampf unterliegt – aber niemand rechnet damit, dass Randy ermordet wird, bevor die beiden überhaupt zum Duell antreten. Genau das passiert allerdings. Und inmitten der ganzen Aufregung, die darauf folgt, ist es ausgerechnet Hamishs Aufgabe, Randys skrupellosen Mörder ins Kittchen zu bringen …

Über die Autorin

M.C. Beaton ist eines der zahlreichen Pseudonyme der schottischen Autorin Marion Chesney. Nachdem sie lange Zeit als Theaterkritikerin und Journalistin für verschiedene britische Zeitungen tätig war, beschloss sie, sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Mit ihren Krimi-Reihen um die englische Detektivin Agatha Raisin und den schottischen Dorfpolizisten Hamish Macbeth feierte sie große Erfolge in über 17 Ländern. Sie verstarb im Dezember 2019 im Alter von 83 Jahren.

M.C. BEATON

Hamish Macbeth

Hamish kämpft um seine Ehre

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe:Copyright © 1996 by M.C. BeatonPublished by Arrangement with M.C. BEATON LIMITEDTitel der englischen Originalausgabe: »Death of a Macho Man«

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Für die deutschsprachige AusgabeCopyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, KölnTextredaktion: Dorothee Cabras, GrevenbroichEinband-/Umschlagmotive: © shutterstock: TashaNatasha | Vasya Kobelev | Siu-Hong Mok; © Arndt Drechsler, LeipzigUmschlaggestaltung: Kirstin OsenaueBook-Erstellung: two-up, Düsseldorf

ISBN 978-3-7517-2069-4

luebbe.delesejury.de

Für Domenico »Pico« Giannarelliin Liebe

Kapitel 1

… wenn zwei starke Männer einander gegenüberstehen,kämen auch sie von entgegengesetzten Enden der Erde.

RUDYARD KIPLING

Randy Duggan wurde im Dorf Lochdubh in den schottischen Highlands »Macho Man« genannt und schien diesem Namen gerecht zu werden. Er war ein Hüne, rund einen Meter neunzig groß, hatte breite, kräftige Schultern, eine niedrige Stirn und war tätowiert. Seine Beine muteten seltsam kurz für seine Statur an, und sein fettiges Haar war so lang, dass es sich auf seinem Kragen kräuselte. Er trug Lederjacken mit langen Fransen, bizarre Brillen mit Lamellen wie Jalousien und bunte Hüte. Die Einheimischen versammelten sich in der Bar von Lochdubh, nur um zu sehen, wie er Bierdosen in einer seiner großen Fäuste zerquetschte. Und er sprach mit einem leichten amerikanischen Akzent, was zu seiner Behauptung passte, dass er mal professioneller Ringer in Amerika gewesen war.

Den ehrfürchtig staunenden Dorfbewohnern kam es vor, als wäre Randy schon überall gewesen, hätte alles gesehen und erlebt. Er war in Florida von Räubern überfallen worden, die er erschossen hatte, und von der Polizei für seine Tapferkeit geehrt worden. Er war Holzfäller in Kanada gewesen und hatte in Alaska Bären geschossen. In Lochdubh kannte man niemanden sonst, der schon so in der Welt herumgekommen war.

Wobei es hier nicht schwer war, zu einer Sensation zu werden. Lochdubh war ein verschlafenes Highland-Dorf in Sutherland, so weit im Norden, wie es auf der Hauptinsel Großbritanniens nur möglich war. Im Hochsommer kamen hin und wieder Touristen her, doch die meisten von ihnen verschlug es höchstens bis Inverness.

Vielleicht hätten die Highlander Randy in ihrer gelassenen Art sogar so hingenommen. Da sie nun einmal erstklassige Lügner waren und ein Faible für wilde Geschichten hatten, neigten sie selten dazu, bei Anekdoten kleinlich zu sein, am allerwenigsten bei ihren eigenen. Und wäre Randy nie auf Kritik oder Konkurrenz gestoßen, wäre vielleicht alles beim Alten geblieben und nie hässlich geworden.

Natürlich trug das Wetter zur allgemeinen Anspannung im Pub von Lochdubh bei, als Randy Duggan eines Tages wie üblich große Reden schwang. Ein anderer Grund, weshalb Randy solch ein treues Publikum hatte, war seine Spendierfreude. Wegen Letzterer war der Fischer Archie Maclean, einer von Randys verlässlichsten Zuhörern, kaum nüchtern gewesen, seit der Mann im Dorf angekommen war – dank Randys Großzügigkeit.

Wieder einmal war es ein elend nasser, unwirtlicher Tag. Vom Atlantik zog ein Schauer nach dem anderen herbei und regnete sich über Loch Lochdubh, dem Meeresarm, aus. Und die Gnitzen, jene lästigen Highland-Mücken, bildeten schwarze Wolken in der Luft; der Regen schien sie nicht zu schrecken. Die Luft war schwülwarm und stickig. Es war der zehnte Regentag in Folge, und die Feuchtigkeit war in sämtliche Ritzen gekrochen. Die Kleidung klebte den Leuten am Leib, und wo sie es nicht tat, stachen die Gnitzen erbarmungslos zu. In Patels Dorfladen war an diesem Tag das Mittel gegen die Mücken ausgegangen.

Randy hatte sich mit seinen Geschichten geografisch in den Nahen Osten begeben. Der kleine Geordie Mackenzie, seines Zeichens pensionierter Lehrer, bekam leuchtende Augen. Für gewöhnlich war er schüchtern und still. Er war erst kürzlich nach Lochdubh gezogen und hatte bisher keine Freunde im Dorf gefunden. Als Randy bei seiner Erzählung von einem Essen in einem Beduinenzelt eine Pause einlegte, um einen Schluck Bier zu trinken, ertönte Geordies näselnde, hohe Stimme: »Ich war während meines Militärdienstes in Libyen, und da ist mir etwas sehr Komisches passiert, als wir auf Manöver in der Wüste waren …«

Aber niemand sollte erfahren, was Geordie in der Wüste widerfahren war, denn der Macho Man sah den Lehrer wütend an und erhob die Stimme. Keiner könne ihm irgendetwas über den Nahen Osten erzählen. Er hatte Schafsaugen gegessen, eine illegale Schnapsbrennerei in Saudi-Arabien betrieben und war in Riad ins Gefängnis gekommen, aus dem er fliehen konnte, bevor ihm die Hand abgehackt werden sollte.

Geordie wirkte gekränkt, und Archie Maclean begann, sich über Randy zu ärgern. Der großgewachsene Mann hätte den schüchternen Geordie doch ruhig mal was sagen lassen können. Die Luft in der Bar war stickig von Zigarettenqualm, und Archies Frau hatte sein Hemd in ihrem Sauberkeitswahn so sehr gestärkt, dass der Kragen unangenehm an den Gnitzenstichen an seinem Hals scheuerte. Archie sah, wie Geordie sich leise nach draußen schlich, und folgte ihm.

»Gib nichts auf den«, sagte Archie, als er Geordie Mackenzie eingeholt hatte. »Er macht gerne fiese Witze.«

»Er ist ein Aufschneider und ein Lügner«, entgegnete Geordie pikiert. »Ich glaube ihm kein Wort.«

»Ja, ich habe auch bald genug von ihm«, gab Archie zu. »Früher haben wir zusammengesessen und ein bisschen getratscht. Jetzt müssen wir alle diesem Großkotz zuhören, der gar nicht aufhört zu reden. Verdammte Gnitzen! Die haben dieses Jahr Zähne wie Rasierklingen. Ah, hier kommt unser Dorfpolizist. Kennst du Macbeth schon?«

»Ich habe den Constable mal im Dorf gesehen, aber noch nicht mit ihm gesprochen«, antwortete Geordie.

»Hey, Macbeth!«, rief Archie. »Kommen Sie her und lernen Sie den neuesten Dorfbewohner kennen.«

Sie waren am Hafen angekommen, wo ankernde Fischerboote auf den öligen Wellen wippten. Es war Sonntag, der Tag des Herrn, was bedeutete, dass die Bar zwar geöffnet hatte, aber zum Fischen rauszufahren als unverzeihlicher Verstoß gegen das Ruhegebot galt.

Hamish Macbeth, Police Constable in Lochdubh, schlenderte am Wasser entlang auf sie zu. Er war ein hochgewachsener, schlaksiger Highlander mit feuerrotem Haar, einem schmalen, fein gezeichneten Gesicht und haselnussbraunen Augen. Geordie schätzte ihn auf Mitte dreißig.

»Dies hier ist Geordie Mackenzie«, sagte Archie. »Er ist neu nach Lochdubh gezogen.«

»Ja, ich weiß«, antwortete Hamish im Singsang der Highlander. »Sie haben das Cottage oben ein Stück hinter den Curries gekauft. Woher kommen Sie?«

»Aus Inverness, Mr. Macbeth.«

»Hamish«, sagte der Polizist. »Ich heiße Hamish.« Er lächelte sanft, und dem einsamen Geordie wurde wärmer ums Herz.

»Dann also Hamish. Ich bin eben aus dem Pub da drüben geflohen, Hamish, weil ich die Lügen und die Prahlerei von diesem Randy Duggan nicht mehr ausgehalten habe.«

»Ein paar Lügen tun keinem weh«, meinte Hamish unbekümmert. Schließlich erzählte er selbst so manch eine. »Und Sie müssen ihm ja nicht zuhören.«

»Oh doch, das ist es ja!«, erwiderte Geordie, der sich erneut aufregte. »Seine Stimme ist recht dominant da drinnen.«

»Ja, mag wohl sein. Aber solange er die Getränke spendiert, wird es immer Leute geben, die ihm zuhören«, wandte Hamish ein. »Stimmt’s nicht, Archie?«

»Ach, na ja.« Archie Maclean scharrte mit den Füßen. »Zuerst war es ganz lustig, doch jetzt wird es langsam zu viel. Und so einem großen Kerl kann man schlecht sagen, dass er die Klappe halten soll.«

»Ah, da irrst du«, meinte Geordie, den diese freundliche Unterhaltung kühner machte. »Er hat es sicher noch nicht oft mit einem gebildeten Mann zu tun bekommen.«

Hamish sah amüsiert aus. »Wir sind nicht alle Dorftrampel, Geordie.«

»Verzeihung«, sagte der pensionierte Lehrer hastig. »Ich wollte nicht unhöflich sein. Aber jemand sollte ihm die Stirn bieten.«

»Seien Sie vorsichtig«, warnte Hamish ihn. »Je länger die letzte Prügelei her ist, desto mutiger werden die Leute. Und ich habe so ein Gefühl, dass dieser Randy ein unangenehmer Gegner sein könnte.«

»Ich glaube, auf ihn trifft die Redensart zu: ›große Klappe und nichts dahinter‹«, entgegnete Geordie.

Hamish betrachtete den kleinen Mann nachdenklich. Geordie Mackenzie muss Ende sechzig sein, dachte er, und hat sich wahrscheinlich nicht mehr geprügelt, seit er ein Schuljunge war. Der faule Hamish roch Ärger, wenn welcher anrückte, hatte jedoch keine Lust, etwas dagegen zu unternehmen. Randy Duggan war vor wenigen Wochen aus dem Nichts aufgetaucht. Er hatte versucht, Zimmer im Tommel Castle Hotel zu buchen, aber Colonel Halburton-Smythe, der Besitzer, hatte einen entsetzten Blick auf den Mann geworfen und gesagt, es wären keine mehr frei.

Daraufhin hatte Randy ein Feriencottage oben am Hügel nahe dem von Geordie gemietet. Der Colonel hatte mehrere bösartige Fälle von Vandalismus gemeldet – zerschnittene Zäune, unflätige Worte, die auf die rückwärtige Mauer des Hotels gesprüht worden waren, und eingeschlagene Fensterscheiben bei der Geschenkeboutique des Hotels. Hamish fragte sich, ob Duggan, der Macho Man, Rache an dem Colonel nahm, hatte bisher indes dafür keine Beweise.

Hamish glaubte allmählich, dass der hünenhafte Mann ein Schwindler war. Wenn er einiges getrunken hatte, klang sein Akzent eher schottisch als amerikanisch. Doch ehe er etwas gefunden hatte, um Duggan aus Lochdubh zu vertreiben, oder irgendeinen Beweis, um ihn wegen Vandalismus zu verhaften, konnte er nichts weiter tun, als die allmählich explosiv werdende Stimmung zu dämpfen.

»Vielleicht wäre es das Beste, Randy Duggan sein Publikum zu nehmen«, sagte Hamish.

»Wir sollen woanders trinken?« Archie sah den Polizisten verwundert an. »Es gibt hier nichts anderes.«

»Das Tommel Castle Hotel hat eine Bar«, antwortete Hamish. »Die ist auch für Leute geöffnet, die nicht dort wohnen.«

»Ist mir zu vornehm«, erwiderte Archie. »Kommen Sie, Hamish, können Sie sich da oben einen Haufen Fischer und Forstarbeiter vorstellen? Der Colonel würde Gift und Galle spucken.«

»Überlegen Sie es sich«, schlug Hamish vor. »Es wäre ja nur für kurze Zeit.«

»Ich bin dabei«, meinte Geordie.

Hamish schob seine Mütze ein wenig zurück. »Es ist im Moment sehr ruhig oben im Hotel. Der Colonel wird sich über ein bisschen Umsatz freuen.«

Priscilla Halburton-Smythe, die kühle, elegante Tochter des Colonels, war vor Kurzem aus London zurückgekehrt und führte wieder die Geschenkeboutique im Tommel Castle Hotel. Sie war für wenige Wochen inoffiziell mit Hamish Macbeth verlobt gewesen, und seit ihre Romanze zu Ende war, ging sie ihm aus dem Weg. Daher ärgerte sie sich, als ihr Vater sie zu sich rief und vorschlug, sie solle zu Hamish fahren und ihn um Hilfe bitten.

»Noch mehr Vandalismus?«, fragte Priscilla. »Das kannst du auch regeln, Daddy.«

»Habe ich ja versucht, aber Macbeth hört nicht auf mich. Warst du in letzter Zeit abends mal in der Hotelbar?«

»Nein, was ist denn?«

»Es wimmelt von all den zwielichtigen Gestalten aus Lochdubh.«

»In Lochdubh gibt es keine zwielichtigen Gestalten.«

»Stell dich nicht dümmer, als du bist! Ich rede von den Männern von den Fischkuttern und den Waldarbeitern.«

»Was ist mit ihnen? Du bist ein Snob.«

»Ich bin heute ein praktisch denkender Geschäftsmann, mehr jedenfalls als zu Beginn dieses Unternehmens.« Als der Colonel sich verschuldet hatte, hatte Hamish die Idee gehabt, dass sie das Familienanwesen zu einem Hotel machen. Der Colonel hatte den Vorschlag aufgegriffen, und es war ein Erfolg, auch wenn er niemals offen zugeben würde, dass er Hamish irgendetwas zu verdanken hätte.

»Ich bin kein Snob«, erwiderte der Colonel. »Aber die meisten unserer Gäste sind welche, wie du gestehen musst. Sie kommen her, um zu angeln, zu jagen und den Gutsherrn zu spielen. Sie kleiden sich zum Dinner um und gehen vor dem Essen auf einen Drink in die Bar. Das Letzte, was sie dort sehen wollen, sind die hiesigen Trampel, die sich vor dem Kamin breitmachen. Die kommen sogar mit nassen Sachen hier rein und dampfen wie die Hunde vor dem Feuer. Rede mit Hamish Macbeth. Ihm fällt etwas ein.«

Priscilla beschloss, zunächst abends in der Bar vorbeizusehen, ehe sie Hamish konsultierte. Die meisten Gäste waren Engländer mittleren Alters, die nicht nur Nichtraucher waren, sondern sich aus gesundheitlichen Gründen das Rauchen abgewöhnt hatten. Deshalb waren sie besonders intolerant. Sie waren am Tresen versammelt, hüstelten, räusperten sich und wedelten mit den Händen in der Luft, während sich die Einheimischen vor dem Kaminfeuer Zigaretten drehten und sie anzündeten, sodass sich der Raum mit stinkendem Qualm füllte. Es ging nicht, dass die Leute ihre zahlenden Gäste vergraulten. Sie hatten hier ein Geschäft zu führen.

Auf dem Weg nach Lochdubh war Priscilla ein wenig nervös, weil sie Hamish wiedersehen würde. Sie waren sich sehr nahe gewesen. Hamish hatte die Beziehung beendet, als er es leid gewesen war, dass die ehrgeizige Priscilla auf seine Beförderung zum Chief Inspector in Strathbane drängte. Sie wollte, dass er erfolgreich war, und schien nie Zeit für innige Zweisamkeit zu haben. Warum das so war, hatte Hamish nie ergründen können, und Priscilla selbst wies derlei Gedanken entschieden von sich.

Sie parkte neben der Polizeiwache und ging außen herum zur Küchentür.

Hamish öffnete, sah sie verwundert an und sagte dann: »Komm rein, Priscilla. Ich habe schon gehört, dass du aus London zurück bist.«

Sie folgte ihm in die enge Küche. Obwohl der Abend warm war, hatte Hamish den Holzofen angefeuert. Es war ein entsetzliches altes Ding, das Priscilla einmal vergebens gegen einen neuen elektrischen Herd auszutauschen versucht hatte. In der Tischmitte stand eine altmodische Petroleumlampe. »Was soll das denn?«, fragte Priscilla. »Hat man dir den Strom abgestellt?«

»Ich mag solche Lampen«, antwortete Hamish. »Sie sparen Strom und geben ein schönes Licht. Kaffee? Oder möchtest du einen Drink? Ich habe Whisky da.«

»Gar nichts für mich.« Priscilla setzte sich an den Küchentisch und zog ihre Tweed-Jacke aus. Regentropfen glänzten in ihrem blonden Haar, und sie sah so makellos und gefasst wie immer aus. »Was ich möchte, ist ein wenig Hilfe. Oder vielmehr braucht mein Vater welche.«

»Muss schlimm sein, wenn das alte Ekel dich schickt.«

»Er hat recht. Die Einheimischen sind von der Bar in Lochdubh in die Hotelbar umgezogen, wo sie qualmen wie die Schlote, laut reden und das Kaminfeuer belagern. Die Gäste werden unruhig. Wir versprechen ihnen immerhin eine elegante Landhausatmosphäre.«

»Da sollte man meinen, dass sie ein wenig Lokalkolorit genießen.«

»Hamish, der Qualm von den ekligen Zigaretten ist so dicht, dass unsere Gäste kaum irgendwas sehen, von Lokalkolorit ganz zu schweigen. Warum kommen die Leute aus dem Dorf auf einmal zum Hotel?«

»Hast du von dem Macho Man gehört?«

»Ich habe von einem großen Affen gehört, der das Dorf mit seinen Abenteuergeschichten bezaubert.«

»Er heißt Randy Duggan und behauptet, Amerikaner zu sein. Aber wenn er was trinkt, wird er schottisch. Er hält in der Bar hier unten Hof, und die Einheimischen stellen fest, dass er ihnen zwar eine Menge Drinks spendiert, sie allerdings gar nicht mehr zu Wort kommen. Ich habe bloß vorgeschlagen, dass sie für eine Weile zur Hotelbar wechseln, dann verschwindet er vielleicht. Solche Leute brauchen ein Publikum.«

»Ach, Hamish, ich hätte mir denken müssen, dass du dahintersteckst. Und warum ist dieser Randy ihnen nicht einfach zum Hotel gefolgt?«

»Während deiner Abwesenheit hat dein Vater ihn nicht dort wohnen lassen. Deshalb hat er sich eines der Feriencottages gemietet. Und dann passierte dieser Vandalismus. Hast du davon gehört?«

»Ja. Verdächtigst du ihn?«

»Tue ich, habe aber keine Beweise.«

»Dann bleibt das Problem. Wie bekommen wir die Einheimischen aus dem Hotel?«

»Ich lasse mir etwas einfallen.«

Am nächsten Tag ging Hamish zum Pub von Lochdubh. Der Schankraum war wie ausgestorben. Nicht einmal Randy war da. Der Barkeeper, Pete Queen, ein Neuankömmling aus Inverness, polierte trübsinnig Gläser.

»Ruhig hier«, sagte Hamish.

»Es wird noch ruhiger, wenn der Boss den Laden dichtmacht. Was habe ich den Leuten denn getan? Die Getränke hier sind billiger als oben im Hotel.«

»Vielleicht wollten sie mal eine Abwechslung«, beruhigte Hamish ihn. »Es wird ein Kinderspiel, sie wieder herzulocken.«

»Wie?«

»Das Hotel ist ein gutes Stück außerhalb, also müssen sie mit dem Auto hinfahren. Ich mache mal einige Alkoholkontrollen. Und wenn Sie hier eine Happy Hour einführen, nur für eine Woche alle Drinks zum halben Preis anbieten, sind alle schnell wieder zurück.«

Petes Miene erhellte sich. »Ich tue alles! Sehr anständig von Ihnen, Hamish. Nehmen Sie einen aufs Haus.«

»Zu früh für mich«, antwortete Hamish. »Aber keine Sorge. Haben Sie Duggan gesehen?«

»Den großen Kerl? Er war gestern Abend hier und hat gesagt, ihm wird langweilig. Er überlegt weiterzuziehen.«

»Hoffen wir, dass er es tut.« Hamish verließ die Bar.

Die nächsten zwei Tage ging Hamishs Beliebtheit im Dorf in einen steilen Sinkflug. Die Leute stellten fest, dass sie auf dem Hotelparkplatz ins Röhrchen pusten mussten. Daraufhin wurden ihnen die Autoschlüssel abgenommen, sodass sie den weiten Weg nach Hause zu Fuß gehen und ihn am nächsten Tag wieder zurücklegen mussten, um ihre Wagen zu holen. Vor der Lochdubh-Bar stand ein neues Schild, das die Happy Hour bewarb. Es lockte die Leute erfolgreich zurück.

Leider auch Randy Duggan, den Macho Man.

Für Geordie Mackenzie war es eine unglückliche Entwicklung, hatte er doch im Hotel neue Freunde unter den Einheimischen und ein dankbares Publikum für seine Geschichten gefunden. Er ertrug es nicht, wieder zur Unscheinbarkeit verdammt zu sein. Und seine Abneigung gegen Randy wuchs.

Am zweiten Abend, an dem die Einheimischen wie früher in Lochdubh tranken, war es draußen stürmisch. Regen peitschte gegen die von innen beschlagenen Fenster. Und weil die Fischer nicht mit ihren Kuttern rausfahren würden, war der Schankraum voll.

Randy prahlte damit, dass er einst ein preisgekrönter Ringer gewesen war, als Geordie, der mehr als sonst getrunken hatte, rief: »Ich glaube dir kein Wort!«

So dünn seine Stimme auch sein mochte, war sie recht klar zu hören. Randy verstummte mitten im Satz und sah den pensionierten Lehrer erbost an. »Was hast du gesagt?«, brüllte er. Er trug einen Stetson, den er nach hinten geschoben hatte, und klappte die Lamellen an seiner lächerlichen Brille hoch.

»Ich glaube, du bist ein Lügner«, sagte Geordie. »Diese blöde Geschichte, dass du Schafsaugen gegessen hast! Jeder Schwindler, der im Nahen Osten war oder so tut, als ob, erzählt die. Es ist eine Legende. Die war es schon, als sie in der britischen Armee erfunden wurde, wo sie einem armen Kerl als Streich weisgemacht haben, er müsste Schafsaugen essen. Kein Araber isst so etwas!«

Randy stapfte auf Geordie zu. »Nennst du mich einen Lügner?«

»Ja«, antwortete Geordie so ängstlich wie trotzig.

»Dann wird es Zeit, dir den Hitzkopf zu kühlen«, sagte Duggan mit einem fiesen Grinsen.

Er packte Geordie beim Kragen und trug ihn nach draußen. Geordie Mackenzie strampelte und rief um Hilfe. Alle versammelten sich vor dem Pub, als Randy an die Hafenkante ging und den kreischenden Geordie über das Wasser hielt.

Hamish Macbeth kam herbeigelaufen. »Halt. Sofort Schluss damit!«, befahl er.

Randy ließ Geordie verächtlich auf den Weg an der Hafenmauer fallen und drehte sich zu Hamish um. »Sie trauen sich doch bloß was, wenn Sie in Uniform sind«, höhnte er. »Wären Sie kein Bulle, würden Sie es nicht wagen, mir irgendwas zu befehlen.«

Plötzlich überkam Hamish ein heiliger Zorn. Er konnte Leute wie Duggan nicht ausstehen. Und er wusste, wie sehr dieser Mann Geordie beschämt hatte. Deshalb konterte er: »Übermorgen ist mein freier Tag. Da bin ich nicht in Uniform.«

»Dann treffen wir uns hier um halb zwölf abends, wenn der Pub geschlossen hat«, sagte Randy, schob die Daumen hinter den Gürtel und ging zurück ins Lokal. Hamish verfluchte sich, noch ehe er wieder in der Wache war. Randy würde ihn zu Brei schlagen. Wenn das nach Strathbane durchdrang, könnte er seinen Job und sein gemütliches Zuhause im Dorf verlieren. Aber jetzt konnte er sich nicht mehr vor dem Kampf drücken.

Am nächsten Tag wurde im Dorf von nichts anderem als dem bevorstehenden Zweikampf geredet, und der Tratsch sprach sich über das Moor und die Berge bis in die anderen Dörfer herum. Wetten wurden abgeschlossen – die meisten Leute sahen Duggan als den Sieger.

Am Morgen des übernächsten Tages fragte Hamish sich, ob er an dessen Ende noch am Leben sein würde. Obwohl er wusste, dass er keine Gefühle mehr für Priscilla hegte – oder es sich zumindest einredete –, wollte er mit jemandem darüber reden, was für ein Idiot er gewesen war. Sie war die Einzige, die ihm einfiel.

Priscilla war in der Geschenkeboutique und unterhielt sich auffallend angeregt mit einem Kunden, einem distinguiert aussehenden Mann mittleren Alters. »Guten Morgen, Hamish«, sagte sie, als sie ihn sah. »Darf ich dir Mr. John Glover vorstellen? Er ist Bankmanager aus Glasgow und wohnt bei uns. Mr. Glover, dies ist unser Dorfpolizist.«

Die beiden Männer schüttelten einander die Hand. John Glover war braun gebrannt und gut aussehend und hatte dichtes, an den Schläfen ein wenig ergrautes Haar. Er war mittelgroß, sehr gepflegt und makellos gekleidet. Es machte Hamish schlagartig bewusst, dass seine Uniformhose speckig glänzte und sein Haar geschnitten werden musste. Und zu seinem Unglück empfand er auch noch einen Anflug von Eifersucht. »Ich müsste mit dir über etwas Ernstes reden«, wandte er sich an Priscilla.

Ihr widerstrebte es offensichtlich, die Unterhaltung mit John abzubrechen. »Geh rauf zu meinen Zimmern und warte da. Ich komme bald.«

Missmutig trottete Hamish davon. In Priscillas Wohnung oben im Haus wanderte er unruhig auf und ab. Um sich von seinen Problemen abzulenken, schaltete er den Fernseher ein. Hamish schaltete mit der Fernbedienung durch die Kanäle mit Popsängern und Quizshows, bevor er verblüfft bei einem Sender hängen blieb, weil er glaubte, Duggan zu sehen. Es war ein Wrestling-Sender. Dort war die gleiche Gestalt, die gleiche alberne Brille. Und diese fransigen Sachen und der bunte Hut fehlten auch nicht. Doch der Moderator verkündete: »Und hier ist Randy Savage, der Macho Man, Champion im Schwergewichtsringen.«

Hamish beugte sich vor. Konnte es derselbe Mann sein? Aber nein, der hier war besser in Form, besser gebaut. Die einzige Ähnlichkeit war die Kleidung. Und jetzt fragte Hamish sich, wer Randy Duggan den Spitznamen »Macho Man« gegeben hatte. Gewiss war es Randy selbst gewesen. Er hatte erzählt, dass er Ringer in Amerika gewesen war. Folglich lag nahe, dass er den Spitznamen genauso wie die Kleidung eines amerikanischen Ringerhelden übernommen hatte. Aber war er wirklich Ringer gewesen? War irgendetwas, was er sagte, wahr? Man sehe sich nur an, dass er behauptete, Amerikaner zu sein, und doch hörte er sich, sobald er ein wenig getrunken hatte, wie ein Schotte an, noch dazu wie ein Lowland-Schotte.

Hamishs Gedanken wurden unterbrochen, weil Priscilla hereinkam. Er schaltete den Fernseher aus.

»Na, Hamish, was kann ich für dich tun?«, fragte sie munter. Sie trug ein schwarzes Wollkleid mit weißem Kragen. Ihr Haar war glatt und an den Spitzen nach innen gedreht. Ein Sonnenstrahl ließ das Blond erstrahlen.

»Ich habe etwas Blödes gemacht«, begann Hamish. »Weißt du noch, dass wir neulich Abend über diesen Randy Duggan gesprochen haben?«

»Den Macho Man, ja. Was ist mit ihm?«

»Na ja, ich habe gesagt, dass ich heute Nacht gegen ihn kämpfe, und ich weiß nicht, ob ich das überlebe.« Er erzählte ihr von dem Zwischenfall mit Geordie und endete mit den Worten: »Es ist ein Wunder, dass du nichts von dem Kampf gehört hast. Sicher werden von hier bis Strathbane Wetten abgeschlossen.«

Priscillas schöne Züge verhärteten sich. »Hamish, was soll das? Polizisten prügeln sich nicht mit Zivilisten! Das ist vulgär. Sag das sofort ab!«

»Kann ich nicht. Ich wäre im Dorf als Feigling unten durch.«

»Tja, dann geht es allein auf deine Kappe. Ich bin sicher, dass deinem Highland-Verstand noch ein Ausweg einfällt. Kämpf eben unfair.«

»Ich habe meinen Stolz!«

»Der dich nicht davon abgehalten hat, mit einer alten Jungfer ins Bett zu springen, die noch dazu eine Mörderin war!«

Priscilla spielte auf einen Fall an, in dem eine Miss Gunnery behauptet hatte, mit ihm geschlafen zu haben. Sie hatte ihm ein Alibi geben wollen, als er mordverdächtig gewesen war.

»Sie war erst fünfzig, und ich bin nicht mit ihr im Bett gewesen. Das habe ich dir schon gesagt.«

»Erstaunlich, wie du trotzdem bei der Geschichte mitgemacht hast.«

»Es war Zeitverschwendung herzukommen«, erwiderte Hamish verschnupft. »Ich hätte wissen müssen, dass ich hier kein weibliches Mitgefühl erwarten kann.«

Sie funkelten einander böse an.

Dann lachte Hamish unwillkürlich. »Es ist ein bisschen wie in alten Zeiten, wenn wir uns zanken. Essen wir vor dem Kampf heute Abend zusammen und reden ein bisschen?«

»Ich bin heute Abend mit John Glover zum Essen verabredet.«

»Dem alten Knacker?!«

»Sei nicht albern. Du bist auch kein junger Hüpfer mehr. Er ist sehr charmant.«

»Ach, wie du willst!«, rief Hamish, dessen Gesicht nun beinahe so rot war wie sein Haar. Er rauschte aus der Wohnung und knallte die Tür hinter sich zu.

Hamish verbrachte den Tag mit finsteren Gedanken und fürchtete sich vor dem Abend. Natürlich hatte er schon einige Prügeleien hinter sich, aber nie hatte er gegen einen solchen Brutalo wie Randy gekämpft. Schon jetzt konnte er fühlen, wie der große Kerl ihm die Fäuste ins Gesicht schmetterte, wie Knochen brachen und Blut spritzte.

Der Sturm hatte sich gelegt, doch es regnete ohne Unterlass, und dicke Tropfen rannen draußen über die Fensterscheiben der Polizeiwache. Hamish saß an seinem Küchenofen, die Arme um den dünnen Oberkörper geschlungen, und wünschte, alles wäre auf die eine oder andere Weise vorbei.

Aber die Küchenuhr tickte gnadenlos, und Hamish fiel nichts ein, wie er den Kampf vermeiden könnte.

Kapitel 2

Doch kam mir ein grausiger Traum,Jenseits der Isle of Skye;Ich sah einen toten Mann einen Kampf gewinnen,und mich deucht, der Mann war ich.Die Schlacht von Otterbourne

ANONYMUS

Hamish bemerkte ein wenig überrascht, dass der Regen tatsächlich aufgehört hatte und sich fahles Zwielicht über die Highlands erstreckte, wo es im Sommer kaum je dunkel wurde.

Er hatte Angst. Wegen seines dummen Stolzes müsste er anständig gegen Randy Duggan kämpfen. Bekäme er es im Dienst mit solch einem Rowdy zu tun, würde er jeden noch so schmutzigen Trick anwenden, um sich zu schützen.

Als er sich dem Hafen näherte, stellte er unglücklich fest, dass sich das ganze Dorf eingefunden hatte. Sogar die Kinder und der Pfarrer mitsamt Frau waren dort. Besaßen die denn keinen Funken Anstand? Sie benahmen sich ja wie ein Haufen verfluchter Römer, die sehen wollten, wie noch ein Christ den Löwen zum Fraß vorgeworfen wurde!

Die Menge teilte sich, um ihn durchzulassen, jubelte, klopfte ihm auf die Schulter. Er hörte Rufe wie: »Ich habe auf Sie gewettet, Hamish.« Er glaubte, dass keiner, der halbwegs bei Sinnen war, auf ihn setzen würde. Dann dachte er, dass er dieser blutrünstigen Horde keine unterhaltsame Vorstellung schuldete. Wenn er eine Chance bekam, würde er Randy ins Wasser des Lochs stoßen. Er würde nicht fair kämpfen.

Er blickte auf das beleuchtete Ziffernblatt seiner Uhr – ein Geschenk von Priscilla. Es war beinahe halb zwölf, fast Geisterstunde, und es nahte der Moment, in dem einem gewissen Hamish Macbeth die Zähne ausgeschlagen werden würden.

»Sie sehen ein bisschen blass aus, Hamish«, rief jemand.

Hamish lächelte, winkte und versuchte, so zu tun, als scherte er sich einen feuchten Kehricht um das hier. Aber Priscilla hätte wenigstens kommen können. Was machte sie denn? Turtelte sie mit diesem Banker aus Glasgow, wenn sie eigentlich hier sein sollte, um seine Hand zu halten und ihn wieder gesund zu pflegen, nachdem Randy mit ihm fertig war?

»Danke für den bezaubernden Abend«, sagte Priscilla zu John Glover. Sie standen in der Eingangshalle von Tommel Castle.

»Möchten Sie vor dem Schlafengehen noch etwas trinken?«, fragte John. »Ich habe einen guten Malt-Whisky auf meinem Zimmer.«

»Nein, danke«, antwortete Priscilla rasch. »Ein anderes Mal vielleicht.« Sie sah auf die Uhr. Halb zwölf! Sie hatte sich vorgenommen, dem Kampf fernzubleiben, wollte nichts davon wissen. Aber was, wenn der arme Hamish von diesem brutalen Kerl windelweich geprügelt wurde? John Glovers Gesellschaft war angenehm gewesen, dennoch glaubte Priscilla nicht, dass sie diese Bekanntschaft weiter vertiefen wollte.

»Sehen wir uns morgen?«, fragte John, der darüber nachdachte, warum die kühle Priscilla auf einmal so nervös und abgelenkt war. Vielleicht hätte er keinen Drink auf seinem Zimmer vorschlagen sollen. »Ich meinte wirklich nur einen Drink«, versicherte er lächelnd.

»Natürlich. Ich habe ehrlich nicht gedacht … Oh, würden Sie mich bitte entschuldigen? Ich habe noch etwas zu erledigen. Gute Nacht!« Priscilla lief hinaus zum Parkplatz, stieg in ihren Wagen und brauste so schnell davon, dass Kies aufstob. Vielleicht reichte die Zeit noch, um ein Massaker an Hamish Macbeth zu verhindern!

Hamish schaute wieder auf seine Uhr. Fünf nach halb zwölf. Komm schon, Randy. Bringen wir es hinter uns. Er hasste die Feststimmung der Menge. Patel, der indische Ladenbesitzer, hatte sein Akkordeon geholt und spielte schottische Tänze. Die Kinder rannten rufend und johlend umher, begeistert, weil sie so lange aufbleiben durften.

Und dann wurde Hamish allmählich ruhig. Er hatte schon hässliche Auseinandersetzungen durchgestanden. Warum ließ er sich von Randys Prahlerei einschüchtern? Der Mann war wahrscheinlich nie Ringer gewesen.

Priscilla erschien neben Hamish. »Was ist los?«, fragte sie.

»Bisher gar nichts«, antwortete er. »Der Idiot will wohl einen großen Auftritt hinlegen. Mich erstaunt, dich hier zu sehen. Wie war deine Verabredung?« Weil er sich ärgerte, rollte Hamish das R besonders stark.

»Ganz gut. Er ist ein interessanter Mann, sehr weltgewandt für einen schottischen Banker.«

»Hmm. Verlegst du dich jetzt auf ältere Männer?«

»Hamish, wie du wegen so etwas Trivialem einen Streit vom Zaun brechen kannst, wenn du drauf und dran bist, dich mit diesem Kerl zu prügeln, ist mir unbegreiflich. Kannst du nicht einfach vernünftig sein und nach Hause gehen?«

Er antwortete nicht, und beide schwiegen. Die Menge hatte sich geteilt, um einen Durchgang für Randy frei zu machen. Patel hatte aufgehört zu spielen. Einige drehten sich um, dann folgten andere, und schließlich sahen alle hinauf zu dem Hügel, wo Randy wohnte. Er fuhr einen Angeber-Jeep in Tarnfarben mit einem sehr lauten Motor. Doch als die Menge verstummte, war nichts zu hören außer den Wellen, die gegen die Holzpfähle am Hafen schwappten.

Um Mitternacht bekam Hamish allmählich gute Laune. Vielleicht war das Unglaubliche passiert, und der Macho Man kniff.

Dann brach Geordie das Schweigen. »Der Mann ist nichts als eine große Memme«, sagte er verzückt. »Den hätte ich mir selbst vornehmen können.« Er straffte die schmalen Schultern und boxte in die Nachtluft, sehr zum Amüsement des Publikums.

Archie, der Fischer, meldete sich zu Wort. »Ich geh mal rauf zu seinem Cottage und guck nach, wo er bleibt.« Er marschierte los, und alle warteten.

Die Hände in den Hosentaschen und munter vor sich hin pfeifend, stieg Archie den Hügel hinauf. Er hoffte, den großen Kerl ängstlich zu Hause kauernd vorzufinden. Das würde ihm die Prahlerei austreiben! Zu Anfang war es noch spaßig, und die Gratisdrinks waren gut gewesen, doch inzwischen ödeten Randys Geschichten Archie genauso an wie alle anderen.

Randys gemietetes Feriencottage gehörte einer englischen Familie, die es kaum nutzte. Es war ein kastenförmiger Neubau aus Schlackenbeton mit einem verwilderten Vorgarten, in dem außer Heidekraut wenig wuchs.

Archie sah, dass sämtliche Lichter im Haus brannten, und hörte laute Musik. Nun wurde er nervös, und seine alte Furcht vor Randy Duggan stellte sich wieder ein. Bis eben noch hatte er sich stark gefühlt, weil er insgeheim erwartet hatte, das Haus leer und dunkel vorzufinden, doch der Gedanke, den Mann zur Rede zu stellen, behagte ihm nicht. Er hoffte nur, dass Randy nicht allzu betrunken war.

Die Haustür stand weit offen, und die Musik dröhnte nach draußen. Es lief irgendein Rap von dieser »Ich hasse die Welt«-Sorte.

Archie klingelte und wartete. Keine Reaktion. »Randy?«, rief er vorsichtig, dann noch einmal lauter: »Randy!«

Wahrscheinlich ist er eingeschlafen, dachte er, was ihn ein wenig beruhigte. Er ging hinein und blieb zunächst in der kleinen Diele stehen. Vielleicht hatte Randy eine Frau zu Besuch. Bisher hatte er kein Interesse an irgendeiner Dorfbewohnerin gezeigt. Aber man konnte ja nie wissen. Archie drehte den Knauf der Wohnzimmertür und öffnete sie einen Spalt, um hineinzuspähen. Das hell erleuchtete Zimmer schien leer zu sein. Dann schaute Archie ins Schlafzimmer und in die Küche. Von Randy keine Spur.

Mit neuem Mut schlenderte er zurück in den Wohnraum, weil er dachte, Fotos oder Papiere könnten ihm vielleicht mehr über Randy Duggan verraten. Wie alle im Dorf war auch Archie neugierig, wer der Macho Man wirklich war und woher er kam.

Und dann stieß er vor Schreck einen Schrei aus.

Er war zu dem Fenster gegangen, das nach hinten rausging, weil er nachsehen wollte, ob der Jeep draußen stand, bevor er sich ans Schnüffeln machte. Denn wenn der Wagen da war, könnte Randy im Garten oder sonst wo in der Nähe sein. Archie war um das Sofa herumgeschlendert und wäre um ein Haar über Randy Duggan gestolpert.

Letzterer lag seltsam verdreht auf dem Boden. Tot wirkte er kleiner. Der Großteil seines Hinterkopfes war weggeschossen, und das konnte kein Unfall gewesen sein, denn Randys Hände waren auf dem Rücken gefesselt. All dies nahm Archie mit einem einzigen entsetzten Blick wahr, ehe er auf dem Absatz kehrtmachte und losrannte.

Er stolperte den Hügel hinunter, wobei er mehrmals hinfiel, weil sich seine Füße in Heidekrautwurzeln verfingen.

Sobald er sich dem Hafen näherte, schrie er: »Kommt schnell! Es ist furchtbar, schrecklich! Oh mein Gott! Helft mir!«

Hamish drängte sich durch die Menge und eilte ihm entgegen. Archie war kreidebleich und zitterte. »Er ist tot«, japste er. »Hamish, Hamish, das ist ein schwarzer Tag für Lochdubh. Jemand hat dem Idioten den Kopf weggeblasen.«

Angst und Scham überkamen die Dörfler gleichzeitig. Dies hier war kein gewaltiger Spaß mehr, sondern echt. Echtes Blutvergießen. Irgendwie hatten sie bei dem Kampf keines erwartet. Hamish Macbeth konnte sich schließlich aus allem herauswinden. Mütter befahlen ihren Kindern, nach Hause zu laufen, während Hamish rasch mit Archie zur Wache ging.

»Ich rufe erst mal in Strathbane an, Archie, und dann gehe ich lieber nach oben und passe auf, dass nichts angefasst wird. In der untersten Schublade da ist eine Flasche Scotch. Bedienen Sie sich.«

Archie trank den Whisky direkt aus der Flasche. Hamish telefonierte mit Strathbane, und hinterher zog er Archie, der die Flasche noch fest umklammert hielt, nach draußen zum Land Rover der Polizei und wies ihn an einzusteigen.

Sie fuhren auf dem zerfurchten Sandweg den Hügel hinauf zu Randys Cottage. Nach wie vor brannten alle Lichter, und immer noch verpestete aggressiver Rap die ruhige Highland-Nacht.

Hamish Macbeth ging ins Haus und schaltete die Stereoanlage aus. Totenstille senkte sich über den Raum. Ohne etwas zu berühren, betrachtete Hamish den toten Randy, bemerkte die gefesselten Hände und die massive Kopfwunde. Die konnte nur von einem Gewehr stammen. Hamish berührte kurz die Leiche; sie war noch warm. Dann fiel ihm die Hitze im Zimmer auf. Das Cottage hatte eine Zentralheizung, die weit aufgedreht war. Zusätzlich war auch noch ein elektrisches Heizgerät mit zwei Spiralen vor dem zugemauerten Kamin aufgestellt und eingeschaltet worden.

»Ich brauche Ihre Aussage, Archie«, sagte Hamish.

Archie Maclean erzählte stammelnd, wie er die Leiche gefunden hatte. Hamish Macbeth machte sich Notizen, dann begann er, sich in dem Zimmer umzusehen. Nirgends waren Fotos. Das Mobiliar war einfach und praktisch. Die englischen Eigentümer hatten ihre eigenen Möbel eingelagert und das Haus für die Vermietung schlichter möbliert. Über dem Kamin hing ein schlechtes Gemälde von Highland-Rindern. Die eindeutig teure Stereoanlage gehörte wahrscheinlich Randy.