Hamish Macbeth lässt sich nicht um den Finger wickeln - M. C. Beaton - E-Book
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Hamish Macbeth lässt sich nicht um den Finger wickeln E-Book

M.C. Beaton

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Beschreibung

Mit der Ankunft des charmanten Junggesellen Peter Hynd im benachbarten Drim kommt etwas Unruhe in die dörfliche Beschaulichkeit. Peter Hynd löst bei den Frauen des Dorfes nämlich erbitterte Rivalität aus. Police Constable Hamish Macbeth findet diese Zickenkriege zunächst einfach nur unterhaltsam. Aber dann ist plötzlich von Morddrohungen und Missbrauch die Rede. Und es dauert nicht lange, bis auch noch eine Leiche auftaucht ...

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Über das Buch

Mit der Ankunft des charmanten Junggesellen Peter Hynd im benachbarten Drim kommt etwas Unruhe in die dörfliche Beschaulichkeit. Peter Hynd löst bei den Frauen des Dorfes nämlich erbitterte Rivalität aus. Police Constable Hamish Macbeth findet diese Zickenkriege zunächst einfach nur unterhaltsam. Aber dann ist plötzlich von Morddrohungen und Missbrauch die Rede. Und es dauert nicht lange, bis auch noch eine Leiche auftaucht …

Über die Autorin

M.C. Beaton ist eines der zahlreichen Pseudonyme der schottischen Autorin Marion Chesney. Nachdem sie lange Zeit als Theaterkritikerin und Journalistin für verschiedene britische Zeitungen tätig war, beschloss sie, sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Mit ihren Krimi-Reihen um den schottischen Dorfpolizisten Hamish Macbeth und die englische Detektivin Agatha Raisin feiert sie bis heute große Erfolge in über 15 Ländern. M.C. Beaton lebt und arbeitet in einem Cottage in den Cotswolds.

M.C. BEATON

Hamish Macbeth

Hamish lässt sich nicht um den Finger wickeln

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe:Copyright © 1994 by M.C. BeatonPublished by Arrangement with Marion Chesney GibbonsTitel der englischen Originalausgabe: »Death of a Charming Man«

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, KölnTextredaktion: Dorothee Cabras, GrevenbroichTitelillustration: © Arndt Drechsler, LeipzigUmschlaggestaltung: Kirstin OsenaueBook-Erstellung: two-up, Düsseldorf

ISBN 978-3-7517-0386-4

luebbe.delesejury.de

Für Harry Scott Gibbons undCharles David Bravos GibbonsIn Liebe

Kapitel 1

Der erste Trompetenstoß gegen die entsetzliche Weiberherrschaft.

JOHN KNOX

Hamish Macbeth zog die Vorhänge vor seinem Schlafzimmerfenster zurück und kratzte sich träge die Brust, während er hinaus auf den Loch blickte. Es war einer der ausgeblichenen Tage, an denen die hinter milchig weißen Wolken verborgene Sonne jede Farbe aus dem Wasser und den drum herum aufragenden Hügeln sog. Als wäre das Dorf Lochdubh eine Art Kunstfilm, der von Farbe auf Schwarz-Weiß wechselte.

Er öffnete das Fenster, sodass ein Schwall warmfeuchter Luft zusammen mit einem Schwarm kleiner Highland-Mücken hereinblies. Sofort knallte Hamish das Fenster wieder zu und sah zu seinem ungemachten Bett. Seit Monaten gab es hier keine Verbrechen, keinerlei Bösewichte, die nach der Aufmerksamkeit von Police Sergeant Macbeth verlangten. Folglich bestand auch kein Grund, weshalb er nicht zurück ins Bett gehen und noch eine Stunde in süßen Träumen verbringen sollte.

Und dann hörte er es: leises Schrubben aus der Küche.

Priscilla!

Seine inoffizielle Verlobung mit Priscilla Halburton-Smythe, der Tochter eines hiesigen Hoteliers und Grundbesitzers, hatte recht schnell ihren Reiz eingebüßt. Die allzeit beherrschte Priscilla würde niemals einen solch abgedroschenen Satz von sich geben wie: »Ich mache einen erfolgreichen Mann aus dir, Hamish Macbeth.« Aber genau das versucht sie, dachte Hamish finster. Er wollte keinen erfolgreichen Mann aus sich machen lassen. Sein Plan war, weiterhin im Dorf herumzuschlendern, zu tratschen, zu wildern und sich durchzuschnorren, wie er es in den seligen Zeiten vor der Verlobung gehalten hatte.

Draußen knirschten Reifen auf dem Kies, und Priscillas Stimme erklang. »Ah, schön! Bringen Sie ihn bitte gleich rein.«

Wen reinbringen?

Hamish öffnete die Schlafzimmertür und ging in die Küche. Wo sein holzbefeuerter Herd gestanden hatte, klaffte eine Lücke. Zwei Männer in Overalls trugen einen blitzblanken neuen Elektroherd herein.

»Was ist das denn?«, fragte Hamish verärgert.

Priscilla lächelte ihm zu. »Ach, Hamish, du Schlafmütze, das sollte eine Überraschung sein! Ich bin deinen furchtbaren alten Herd losgeworden und habe dir einen elektrischen gekauft. Freust du dich?«

Seine Highlander-Höflichkeit verhinderte, dass er direkt lospolterte, er wolle seinen alten Herd zurück, und so murmelte er nur: »Vielen Dank. Das wäre doch nicht nötig gewesen.«

»Miss Halburton-Smythe!«, dröhnte eine Stimme von der Tür, und herein kam Mrs. Wellington, die Pfarrersfrau. »Ich bin hier, um mir den neuen Herd anzusehen«, sagte sie. »Meine Güte, ist der prächtig! Sie haben eine Menge Glück, Hamish Macbeth!«

Hamish warf ihr ein Lächeln zu, das eher wie eine Grimasse geriet, und zog sich zurück. »Ja, einfach prächtig. Wenn die Damen mich entschuldigen? Ich gehe mich mal waschen und rasieren.«

Er begab sich in das frisch gestrichene Bad und blickte niedergeschlagen zu dem neuen Duschkopf über der Wanne. »Das ist so viel hygienischer, Hamish. Du verbringst zu viel Zeit in der Wanne«, hallte Priscillas Stimme durch seinen Kopf.

Hamish wusch und rasierte sich am Waschbecken, wobei er einen wohlig kindischen Trotz empfand, weil er weder duschte noch badete. Hinterher ging er zurück ins Schlafzimmer und zog sich seine Uniform an, bevor er das Fenster erneut öffnete und hinauskletterte. Wobei er sich ein wenig schlecht fühlte, aber auch sehr frei. Towser, sein Mischlingshund, kam um das Haus geflitzt und schloss sich ihm an. Zu zweit machten sie sich auf ans Wasser.

Hamish hatte sein Mückenschutzmittel vergessen, wollte aber auch nicht zurückgehen, um es zu holen, also kaufte er sich in Patels Laden ein neues. Dort waren gerade Jessie und Nessie Currie bei ihren Einkäufen, die beiden ledigen alten Schwestern.

»Ich habe von Ihrem neuen Herd gehört«, sagte Jessie. »Dem neuen Herd.« Sie hatte die leidige Angewohnheit, alles zu wiederholen.

»Haben Sie ein Glück«, fügte Nessie hinzu. »Neulich haben wir erst gesagt, dass Sie eine so feine junge Frau wie Miss Halburton-Smythe gar nicht verdient haben.«

»Die macht was aus Ihnen. Macht was aus Ihnen«, bestätigte Jessie.

Hamish lächelte matt und zog sich zurück.

Er ging weiter und hockte sich auf die Hafenmauer, um zu den Fischerbooten zu sehen, die dort ankernd auf den Wellen wippten. Während er die Mütze nach hinten schob und sich durch das rote Haar am Kopf kratzte, dachte er: Da ist etwas an mir, was den Putzteufel in Leuten hervorkitzelt. Kürzlich war er erfolgreich Willie Lamont losgeworden, seinen Police Constable, der nun im italienischen Restaurant in Lochdubh arbeitete, nachdem er Hamish mit seiner Putzerei wahnsinnig gemacht hatte. Und dann waren die ersten berauschenden Tage nach der inoffiziellen Verlobung mit Priscilla viel zu schnell vorbei gewesen.

Anfangs schien es nur richtig, dass sie begann, die Polizeiwache umzugestalten, denn immerhin würde sie dort wohnen. Und ohne Frage musste die Wache gründlich geputzt werden. Aber jeden Tag? Und dann hatte sie beschlossen, dass Hamish »nicht anständig« aß. Er fand nahrhafte Mahlzeiten langweilig, und je nahrhafter die von Priscillas zarten Händen zubereiteten Speisen waren, desto häufiger erwog er, nach Inverness zu fahren und sich mit Junk-Food vollzustopfen. Er kam sich undankbar vor, konnte aber auch nicht umhin, wehmütig an jene Zeiten zurückzudenken, als sein Leben noch ihm gehörte.

Ihm fiel ein Brief von einer »verzweifelten« Hausfrau an einen Kummerkasten ein, den er gelesen hatte. Die Frau hatte sich darin beklagt, ihr Mann würde ihr nicht genug »Raum« geben. Damals hatte er zynisch gedacht, sie hätte wenig Grund zur Klage; doch jetzt verstand er, wie sie sich fühlte. Nicht bloß Priscilla wuselte fortwährend umher, klapperte mit Töpfen und Pfannen, auch die Frauen aus dem Dorf hatten sich angewöhnt, sehr häufig vorbeizuschauen. Die Polizeiwache war immerzu von weiblichen Stimmen erfüllt, die all die Verschönerungen lobten. Und so würde es heute wohl auch den Rest des Tages bleiben. Ein neuer Elektroherd entsprach in Lochdubh dem, was andernorts eine Marienerscheinung war.

Er stand von der Mauer auf und wanderte, Towser dicht auf den Fersen, am Ufer entlang und bergan aus dem Dorf hinaus. Hamish hatte beschlossen, zum Tommel Castle Hotel zu gehen, das nun von Priscillas Vater geleitet wurde. Vielleicht hatte Mr. Johnson, der Manager, einen Kaffee für ihn. Priscillas Elternhaus schien dieser Tage der einzige Ort zu sein, an dem er ihr sicher nicht über den Weg lief.

Mr. Johnson war in seinem Büro. Er lächelte, als er Hamish sah, und nickte zur Kaffeemaschine in der Ecke. »Bedienen Sie sich. Es ist lange her, dass Sie zum Schnorren hier waren. Wo ist Priscilla?«

»Sie hat mir gerade einen neuen Herd gekauft«, antwortete Hamish, während er sich einen Becher Kaffee einschenkte. Dabei rollte er die »r« sehr stark.

Mr. Johnson wusste aus Erfahrung, dass der Police Sergeant besonders schottisch klang, wenn er aufgebracht war. »Ah, verstehe.« Der Hotelmanager sah zu Hamishs steifem, schmalem Rücken. »Tja, so ist die Ehe. Frauen wissen eben, wie sie das Leben organisieren.«

»Ich bin glücklich«, sagte Hamish verkniffen. Er sprach mit niemandem über Priscilla. Oft fragte er sich, ob es jemanden gäbe, mit dem er es könnte, sollte ihm danach sein. Jeder, allen voran seine eigene Mutter, erzählte ihm immer wieder, welches Glück er hatte.

»In den nächsten ein oder zwei Wochen werden Sie wohl weniger von ihr sehen.«

»Und warum?« Hamish setzte sich auf den Stuhl vor Mr. Johnsons Schreibtisch und nippte am Kaffee.

»Das Hotel ist dann voll ausgebucht, und da die Zimmermädchen dauernd wegen irgendwas ausfallen, wird Priscilla einspringen müssen. Wie gesagt, dann werden Sie sie nicht viel sehen. Sie brauchen ein Verbrechen.«

»Ich langweile mich nicht«, gab Hamish versöhnlich zurück. »Und ich bin nicht auf der Suche nach Verbrechen, um mich zu unterhalten.«

Der Hotelmanager betrachtete freundlich den großen schlaksigen Polizisten. »Oft frage ich mich, warum Sie überhaupt zur Polizei gegangen sind, Hamish. Wieso nicht einfach ein Highland-Faulpelz sein, Sozialhilfe kassieren und ein bisschen wildern?«

»Oh, die Polizei ist prima für mich. Doch sollte ich hier wieder ein größeres Verbrechen haben, schicken die mir womöglich einen Assistenten, und ich brauche keinen, der mich in die Flucht schrubbt.«

»Und was machen Sie hier, wenn Sie eigentlich bei Ihrer Liebsten sein sollten? Apropos Schrubben, da macht unserer Priscilla auch keiner so schnell was vor.«

Hamish sah ihn verständnislos an, und plötzlich hatte Mr. Johnson das Gefühl, unverschämt zu sein.

»Oh, ich habe etwas Tratsch für Sie«, sagte der Hotelmanager hastig. »Drim gehört doch zu Ihrem Zuständigkeitsbereich, oder?«

»Ja, aber da ist nie irgendwas passiert und wird es auch nicht. Das muss der ödeste Flecken auf den Britischen Inseln sein.«

»Oh, es ist aber sehr wohl etwas passiert! Die Schönheit hat nach Drim gefunden, und nicht in Gestalt einer Frau, sondern in der eines Mannes. Die Leute sagen, er sieht wie ein Filmstar aus.«

»Was führt den an einen Ort wie Drim?«

»Weiß der Himmel. Er kam eines Tages ins Dorf spaziert, hat sich einen kleinen Bauernhof gekauft und angefangen, ihn zu renovieren. Ein vornehmer Typ. Engländer.«

»Ach, einer von denen.«

»Ja, der wird eine Weile lang Dörfler spielen, vom einfachen Leben schwärmen, und nach einem Winter hier oben ist er wieder weg.«

»So schlimm sind die Winter nicht.«

»Ich rede nicht vom Wetter, Hamish. Was ich meine, ist, dass sich hier alles im Winter verlassen anfühlt. Man sitzt da und glaubt, der Rest der Welt wäre irgendwo zu einer Party gefahren und hätte einen in der dunklen Wildnis zurückgelassen.«

»Geht mir nicht so.«

»Nein? Tja, dann liegt es eventuell daran, dass ich aus der Stadt komme«, sagte Mr. Johnson, der aus Glasgow war.

»Ich könnte mal drüben in Drim vorbeischauen und diesem Kerl einen Besuch abstatten. Kann ich einen der Wagen vom Hotel leihen?«

»Was ist mit Ihrem Land Rover passiert?«

Hamish wurde verlegen. »Der steht unten an der Wache. Ich bin zu Fuß hier und wollte mir nur den Rückweg ersparen.«

»Nun, wenn Sie ihn beizeiten zurückbringen«, meinte Mr. Johnson, der sich noch rechtzeitig bremste, ehe er erwähnte, dass Hamish auch zu Fuß ins Dorf zurückgehen müsste, wenn er den Leihwagen wieder herbrachte. Er zog die Schreibtischschublade auf und angelte ein Schlüsselbund heraus. »Nehmen Sie den Volvo. Aber behalten Sie ihn nicht den ganzen Tag. Die neuen Gäste kommen heute. Ich rufe Priscilla an und sage ihr, dass sie lieber hier sein sollte, um sie in Empfang zu nehmen.«

Hamish nahm die Schlüssel und ging. Als er zur Straße nach Drim fuhr, kam es ihm vor, als wäre er im Urlaub und käme weit weg von der »entsetzlichen Weiberherrschaft«, wie John Knox es genannt hatte. Vor allem von der einen Frau, die wild entschlossen war, einen erfolgreichen Mann aus ihm zu machen. Priscilla hatte angefangen, sich mit der Frau von Chief Superintendent Peter Daviot anzufreunden. Sie wollte, dass Hamish weiter befördert wurde. Doch das hieße, in Strathbane zu wohnen, Prüfungen abzulegen und Detective zu werden … und nie wieder zurück nach Lochdubh zu dürfen. Diese schaurigen Gedanken verdrängte er gleich wieder.

Der Wind frischte auf und riss die milchigen Wolken in Fetzen. Die Sonne lugte hin und wieder hervor, die Heide leuchtete violett an den Berghängen, und als Hamish den Kamm eines Hügels erreichte, blickte er über eine atemberaubende Weite aus Berg- und Moorlandschaft, in der die kleinen Bergseen von Sutherland saphirblau glitzerten und tollpatschige Moorhühner vor einem Rudel Hirsche davonstolperten, ehe sie schließlich aufflatterten.

Hamish konzentrierte sich auf die Frage, was diesen Adonis in ein Dorf wie Drim verschlagen haben mochte.

Drim war ein eigenartiger Ort am Ende eines schmalen Lochs auf einem Stück Flachland, umgeben von hohen schwarzen Bergen. Der Loch war ebenfalls schwarz und verlief wie ein Korridor zwischen mächtigen Berghängen, auf denen nur mickrige Sträucher zwischen Geröll und dunklem Fels wuchsen. Der einzige Weg nach Drim, sofern man nicht wahnsinnig genug war, übers Wasser zu kommen, war eine schmale, einspurige Straße von Osten aus über die Hügel.

Das Dorf selbst bestand aus einer Gruppe von Häusern, einer Kirche, einem Gemeindesaal, einem Laden. Eine Polizeiwache gab es nicht, weshalb Hamish Macbeth aus Lochdubh hier zuständig war. Allerdings sah man ihn selten im Ort. Es hatte noch nie irgendwelche Vorkommnisse in Drim gegeben, nicht einmal Ruhestörung durch Betrunkene, denn hier gab es keinen Pub und keinen Alkohol zu kaufen.

Hamish parkte den Wagen und ging in den Dorfladen, den ein Hüne namens Jock Kennedy führte.

»Hamish«, rief Jock, »Sie habe ich ja seit Ewigkeiten nicht gesehen! Was führt Sie zu uns?«

»Reine Neugier«, antwortete Hamish. »Wie ich höre, haben Sie einen Neuzugang.«

»Oh ja, Peter Hynd. Netter junger Mann. Hat Geordie Blacks alten Hof oben überm Dorf gekauft. Verlegt gerade Abwasserrohre. Der alte Geordie hatte nur eine Bude hinten im Garten als Toilette benutzt, und es gab kein Bad. Geordie hielt nichts davon, sich von oben bis unten zu waschen, es sei denn für Beerdigungen oder Hochzeiten.«

»Dann ist Geordie tot?«

»Ja, vor sechs Monaten gestorben. Seine Tochter hat das Haus verkauft. Ich kann Ihnen sagen, die war genauso baff wie wir alle, als ihr dieser junge Bursche Geld dafür angeboten hat. Sie hat gedacht, das steht da ewig leer und fällt langsam in sich zusammen.«

»Vielleicht gehe ich mal hin und unterhalte mich mit ihm.« Hamish kaufte sich eine Flasche Limonade und zwei Würstchen in Brotteig, die er auf einer Bank vor dem Laden aß. Mit einem Anflug von schlechtem Gewissen dachte er, dass Priscilla zweifellos ein nahrhaftes Mittagessen gekocht hatte – Vollkornreis mit irgendwas. Er hätte sie anrufen sollen.

Der Loch war nur wenige Meter entfernt, und die schwarzen Wellen schwappten auf den öligen Strand. Alles war sehr still. Die Berge schirmten den Wind, aber auch das meiste Licht ab. Ein grimmiger, trüber Ort. Was in aller Welt machte ein schöner junger Engländer hier?

Dieses von der Zeit vergessene Dorf bestand aus mehreren Cottages um den Laden herum. Das einzige neue Gebäude war der hässliche, quadratische Gemeindesaal mit Blechdach und schwefelgelben Mauern. Dahinter stand die kleine Kirche mit einem keltischen Kreuz am einen Dachende und einer Eisenglocke am anderen. Überrascht stellte Hamish fest, dass er zwar Jock Kennedy kannte, sonst jedoch kaum jemanden hier, mit dem er reden könnte. Er stand auf, streckte sich und gab Towser den Rest des zweiten Würstchens. Dann machte er sich auf den Weg zu Peter Hynds Cottage.

Als er sich dem Haus näherte, hörte er eine Spitzhacke, die auf Fels geschlagen wurde. Das hässliche kleine graue Cottage hatte ein gewölbtes Blechdach. Ein neuer Zaun war um den von Unkraut überwucherten Garten gezogen worden. Hier wuchsen keine Blumen. Hamish folgte dem Geräusch der Spitzhacke um das Cottage herum, und dort in einem Graben arbeitete mit freiem Oberkörper der schönste Mann, den Hamish je gesehen hatte.

Sobald er ihn bemerkte, legte der Mann die Hacke ab, stieg geschmeidig aus dem Graben und sah Hamish an, die Hände in die Hüften gestemmt.

Peter Hynd musste knapp einen Meter neunzig groß sein, war schlank, muskulös und leicht sonnengebräunt. Sein goldblondes Haar lockte sich. Er hatte hohe Wangenknochen und mittelbraune, von dichten Wimpern gesäumte Augen. Sein Mund war fest und wohlgeformt und sein Hals von der Art, wie sie sich klassische Bildhauer erträumten. »Hallo«, grüßte er. »Ist das ein offizieller Besuch?«

»Nein«, antwortete Hamish. »Ich wollte nur mal Guten Tag sagen.«

Da lächelte Peter, und Hamish blinzelte geblendet. »Dann kommen Sie lieber mit rein. Was kann ich Ihnen anbieten? Tee oder Kaffee?«

»Kaffee wäre nett«, sagte Hamish, der auf einmal schüchtern wurde.

Peter nahm ein kariertes Hemd von einem Nagel am Zaun und zog es an. Er hatte einen leichten, angenehmen Oberklassenakzent, aber ohne jede Arroganz oder Affektiertheit.

Hamish folgte ihm ins Haus, wobei er den Kopf einziehen musste, weil die Tür so niedrig war. Innen war es im üblichen Stil gestaltet, mit einem großen Herd auf der einen Seite und einem Wohnbereich auf der anderen. Peter hatte daraus eine Behelfsküche gemacht und auf einer Seite einen Tresen mit Regalen aufgestellt, auf denen sich Teller stapelten, darüber hingen Töpfe und Pfannen. In der Raummitte stand ein großer, von hochlehnigen Stühlen umrahmter Küchentisch.

Peter stellte einen Kessel auf einen Campingkocher am Tischende. »Zuerst habe ich den alten Kessel an der Kette überm Feuer benutzt«, erklärte er grinsend, »aber der braucht unendlich lange. Der Torf hier bringt nicht viel Hitze. Milch und Zucker?«

»Schwarz, bitte«, sagte Hamish und entspannte sich ein wenig.

»Ich baue hinten eine neue Küche an«, erklärte Peter und nahm zwei Becher aus einem der Regale.

»Und was machen Sie im Garten?«, fragte Hamish.

»Da verlege ich Abwasserrohre und grabe eine Sickergrube. Ich habe vor, eine Toilette und ein Bad einzubauen. Sie haben ja keine Ahnung, wie es ist, wenn man sich mitten in der Nacht erleichtern und dazu raus zu der Bude im Garten muss.«

»Es könnte schwierig sein, Hilfe zu bekommen«, sagte Hamish. »Die Einheimischen sind meistens etwas abweisend.«

Peter wirkte verwundert. »Ganz im Gegenteil. Ich habe schon mehr Hilfsangebote bekommen, als ich zählen kann. Die Leute sind sehr freundlich. Ich habe allerdings nicht gewusst, dass wir einen Polizisten haben.«

»Haben Sie auch nicht. Ich bin drüben in Lochdubh. Dieses Dorf fällt aber mit in meine Zuständigkeit.«

»Passiert hier viel?«

»Nein, zum Glück ist es sehr ruhig.«

»Macbeth, Macbeth, der Name kommt mir bekannt vor. Ah, ich weiß! Sie waren an einigen Mordermittlungen hier oben beteiligt.«

»Ja, und ich hoffe, dass es nie wieder vorkommt. Danke für den Kaffee.«

Peter setzte sich ihm gegenüber hin und streckte sich wie eine Katze.

Wie gut, dass es in Drim keine jungen Frauen gibt, dachte Hamish, mit diesem Herzensbrecher im Ort.

»Wollen Sie hierbleiben?«, fragte er neugierig.

»Ja, warum nicht?«

»Sie sind ein junger Mann. Hier gibt es nichts für Sie.«

»Oh doch! Ich denke, hier habe ich gefunden, wonach ich gesucht habe.«

»Und was wäre das?«

Peter zögerte, und Hamish fröstelte plötzlich. »Ruhe«, antwortete Peter ausweichend. »Dinge bauen, mit meinen Händen arbeiten.«

Hamish trank den Kaffee aus und stand auf.

»Kommen Sie gern wieder«, sagte Peter, und das blendende Lächeln erschien erneut.

Hamish lächelte ebenfalls. »Ja, tue ich, und vielleicht packe ich nächstes Mal mit an.«

Immer noch lächelnd, ging er von dem Cottage weg. Als er jedoch Abstand zu Peter Hynd gewonnen und den Wagen im Dorf erreicht hatte, schwand sein Lächeln, und er schüttelte sich ein wenig. Peter Hynd war ohne Frage sehr charmant. Nur passte er irgendwie nicht hierher, und Hamish war es beinahe, als würde er den Mann nicht mögen, ja, er fürchtete sich fast vor ihm. Und er fragte sich, warum. Seufzend öffnete er die Beifahrertür, damit Towser ins Auto springen konnte, und stieg dann auf der anderen Seite ein.

Seine Stimmung hellte sich auf, als er den Hügel hinauf, aus Drim hinaus und in den Sonnenschein fuhr. Vorerst musste er nicht wieder in diesen Ort zurückkehren. Eine ganze Weile nicht.

Er parkte den Hotelwagen vor dem Tommel Castle Hotel und ging hinein, um Mr. Johnson die Schlüssel zurückzugeben.

»Priscilla ist hier«, sagte der Manager. »Soll ich ihr Bescheid geben, dass Sie da sind?«

»Nein, nein, ich muss arbeiten. Ich rufe sie später an.«

Hamish eilte davon.

Fünf Minuten später kam Priscilla ins Hotelbüro. »Jemand hat mir erzählt, dass er Hamish und Towser gesehen hat.«

»Ja, und Hamish hat gesagt, dass er keine Zeit hat, weil er arbeiten muss.«

»Was mag das wohl sein?«, entgegnete Priscilla spitz. »Er muss nichts weiter tun, als das Abendessen, das ich ihm hingestellt habe, in den neuen Ofen schieben. Hat er Ihnen von dem Elektroherd erzählt?«

»Ja, er hat es erwähnt. Hatten Sie ihn gefragt, ob er einen neuen Herd will?«

»Nein, warum? Dazu bestand kein Grund, denn der alte Herd war eine Zumutung.«

»Ich glaube, Hamish hat ihn gemocht«, sagte Mr. Johnson vorsichtig. »Im Winter war er gemütlich.«

»Er hat jetzt eine Zentralheizung.«

»Ja, aber es geht nichts über ein richtiges Feuer. Sie werden Hamish nicht ändern, Priscilla.«

»Das versuche ich gar nicht! Doch Sie vergessen, dass ich auch in der Polizeiwache wohnen werde.«

»Tja, wie Sie meinen.«

»Übrigens muss ich jetzt kurz hin. Ich habe die Bedienungsanleitung für den Herd auf den Tisch gelegt, aber Sie kennen ja Hamish.«

»Ja, er ist ein erwachsener Mann, kein Kind mehr.«

Priscilla spielte nervös mit einem Stift auf dem Schreibtisch. »Trotzdem sehe ich lieber nach, wie er zurechtkommt.«

Mr. Johnson schüttelte traurig den Kopf, als sie fort war. Es war, als hätte sich die sonst so ruhige und gelassene Priscilla in den Kopf gesetzt, Hamish Macbeth auf Biegen und Brechen zu einem anderen Mann zu machen.

Priscilla hielt vor der Polizeiwache. Dr. Brodie kam vorbei und lüpfte die Mütze.

Der Arzt war einer der wenigen Menschen im Dorf, die gegen die bevorstehende Heirat von Hamish Macbeth und Priscilla Halburton-Smythe waren. Über Priscillas Schulter hinweg sah er Hamish vom Ufer näher kommen. Priscilla musste an ihm vorbeigefahren sein, ohne ihn zu sehen.

»Falls Sie Hamish suchen«, sagte Dr. Brodie, »der wollte zu Angus Macdonald.«

»Dem alten Schwindler!«

»Ihm geht es in letzter Zeit nicht gut.«

Priscilla öffnete die Autotür wieder. »Dann rette ich Hamish besser, ehe Angus ihm einredet, dass er ihm die Zukunft voraussagen kann.«

Sie fuhr los.

Das war kindisch von mir, dachte der Arzt. Ich wollte Hamish nur eine Verschnaufpause verschaffen, aber jetzt wird sie ihn sehen.

Als er jedoch zum Ufer blickte, war Hamish nirgendwo mehr zu entdecken. Priscillas Wagen preschte davon. Dann tauchte Hamish auf, und Dr. Brodie grinste. Der Polizist war offenbar in Deckung gegangen. Priscilla sollte jemanden von ihrem Schlag heiraten, ging es dem Arzt durch den Kopf, wo sich altmodischer Snobismus mit gesundem Menschenverstand paarte.

Angus Macdonald hatte einen gewissen Ruhm als Weissager erlangt. Priscilla hielt ihn für einen gerissenen alten Mann, der sich sämtlichen Dorfklatsch anhörte und seine angeblichen Prophezeiungen entsprechend formulierte.

Als sie bei ihm ankam, arbeitete er im Garten. Er winkte ihr zu.

Widerwillig näherte sie sich ihm. Der Land Rover hatte vor der Wache gestanden, und Hamish war gewiss nicht zu Fuß hergekommen. »Dr. Brodie hat gesagt, es geht Ihnen nicht gut«, begann sie. »Wo ist Hamish?«

»Wie kommt er darauf? Hamish habe ich nicht gesehen.«

»Dann fahre ich lieber zurück.«

»Ach, bleiben Sie doch eine Minute, und gönnen Sie einem alten Mann das Vergnügen Ihrer Gesellschaft.«

Priscilla folgte dem Seher in sein Cottage und bemerkte verdrossen, dass er den Wasserkessel auf das Torffeuer stellte. Bei dem Geld, das er den Leuten auf betrügerische Weise abknöpfte, könnte er sich leicht etwas Moderneres leisten, dachte sie.

Doch sie erkundigte sich höflich nach seinem Befinden und erfuhr, dass es ihm »besser denn je« ging, was ihren Verdruss noch steigerte.

Endlich setzte sich Angus mit der Teekanne zu ihr und stellte ihr eine Menge Fragen über die Leute im Dorf.

»Ich dachte, Sie sind Seher«, sagte Priscilla nach einer Weile ungeduldig. »Da müssten Sie das doch eigentlich alles so wissen, indem Sie nur auf Ihrem Allerwertesten sitzen und träumen.«

»Oh, ich sehe Dinge.« Angus Macdonald war ein großer dünner Mann in den Sechzigern. Er hatte dichtes schlohweißes Haar und ein wettergegerbtes Gesicht mit einer riesigen Hakennase. Lächelnd fügte er hinzu: »Ich sehe Ihre Zukunft.« Seine Stimme hatte einen seltsam melodischen Ton angenommen, und Priscilla war wider besseres Wissen hypnotisiert. »Sie werden Macbeth nicht heiraten. Ein schöner Mann wird zwischen Ihnen stehen.«

Priscilla lachte laut. »Oh, Angus, also ehrlich! An Hamish ist nun wirklich gar nichts Homosexuelles.«

»Das habe ich auch nicht gesagt. Ich sehe einen schönen jungen Mann, der zwischen Ihnen beiden stehen wird.«

Priscilla nahm ihre Handtasche auf. »Ich habe nicht vor, Hamish untreu zu sein. Schöner junger Mann, von wegen!«

Sie fuhr zurück zur Polizeiwache, und als sie eben durch die Küchentür eintreten wollte, hörte sie von drinnen Männerlachen. Sie ging um das Haus herum und spähte durchs Küchenfenster. Hamish und Dr. Brodie saßen am Küchentisch, zwischen sich eine offene Whiskyflasche. Und Hamish wirkte so entspannt und amüsiert wie schon seit Langem nicht mehr.

Priscilla zog sich wieder zurück und stieg ins Auto. Sicher hatte Dr. Brodie sie nicht willentlich belogen, was Angus betraf. Dennoch wollte sie nicht ins Haus gehen und ihn darauf ansprechen. Außerdem sollten ungefähr jetzt die neuen Gäste im Hotel ankommen. Sie würde sich wieder mehr wie sie selbst fühlen, wenn sie sich an die Arbeit machte. Beim Arbeiten ging es ihr dieser Tage immer besser.

Bei ihrer Ankunft im Hotel blickte Mr. Johnson aus dem Büro und bemerkte: »Mrs. Daviot ist für Sie am Apparat.«

Priscilla strahlte. Die Frau des Chief Superintendent. »Hallo, Mrs. Daviot!«

»Ich habe doch gesagt, Sie sollen mich Susan nennen«, erwiderte Mrs. Daviot. »Ich habe nachgedacht, Priscilla, meine Liebe. Um Strathbane herum gibt es einige sehr hübsche Häuschen. Wenn Hamish befördert wird, müssten Sie hier wohnen, und es kann gewiss nicht schaden, sich mal ein paar Häuser anzusehen.«

»Nein, wohl nicht«, antwortete Priscilla vorsichtig. »Aber Hamish gefällt es vermutlich nicht. Er will unbedingt in Lochdubh bleiben.«

»Dieser junge Mann braucht bloß mal einen kleinen Schubs«, erklärte Mrs. Daviot. »Haben Sie ihn erst mal aus Lochdubh raus, wird er vergessen, dass es das Nest gibt.«

Kapitel 2

Welch Ungemach entspringt der Schönheit.

SAMUEL JOHNSON

Hamish war erstaunt, Priscilla den ganzen nächsten Tag nicht zu Gesicht zu bekommen. Die kurze Trennung sorgte rasch dafür, dass seine Gefühle für sie in den Höhenflug gingen, er ihr Putzen vergaß und nur an ihre Küsse dachte. Der Herd glänzte in der Ecke seiner dunklen Küche, und er fand, dass er recht sparsam mit seiner Dankbarkeit gewesen war, um es gelinde auszudrücken.

Am späten Abend entschloss er sich gerade, sie anzurufen, als Priscilla in einer Wolke französischen Parfüms erschien.

»Meine Güte, du siehst aber elegant aus!«, sagte Hamish, der einen Schritt zurücktrat, um den kurzen schwarzen Seidenrock, die schwarzen Strümpfe und das glitzernde Abendtop zu bewundern.

»Wir hatten einen Empfang für die Gäste, eine Computerfirma mit Geld im Überfluss. Nur das Beste von allem. Gott, bin ich müde!«

Zum ersten Mal fiel Hamish auf, wie dünn sie geworden war. Und sie hatte dunkle Schatten unter den Augen. »Du musst lernen, dich zu entspannen«, sagte er.

Priscilla seufzte. »Ich glaube nicht, dass ich weiß, wie das geht.«

»Ich zeige es dir«, raunte er, legte die langen Arme um sie und drückte sie an sich, bevor er sie leidenschaftlich küsste. Sie erwiderte den Kuss, verspannte sich dann aber merklich in seinen Armen. Hamish beendete den Kuss und sah sie an. Sie starrte über seine Schulter zur Ecke der Küchendecke.

»Was ist?«, fragte Hamish und drehte den Kopf, um ihrem Blick zu folgen.

»Da ist eine riesige Spinnwebe. Wie konnte ich die übersehen?«

»Priscilla, vergiss die dumme Spinnwebe, vergiss das Putzen und komm mit ins Bett.« Er begann, die Knöpfe hinten an ihrem Oberteil zu öffnen.

Sie entwand sich ihm. »Jetzt nicht, Hamish. Dafür bleibt noch genug Zeit, wenn wir verheiratet sind.« Kaum hatte sie die furchtbaren Worte ausgesprochen und begriffen, dass sie wie eine prüde Landadlige klang, wurde Priscilla rot. »Bis morgen, Hamish.« Sie küsste ihn flüchtig auf die Wange und floh geradezu aus dem Haus.

Auf der Fahrt zurück nach Tommel Castle hallten ihr die Worte des Sehers durch den Kopf. Doch wenn sie Hamish jetzt nachgab, hätte sie nie mehr die Kraft, ihre ehrgeizigen Pläne für ihn zu verwirklichen. Und Hamish Macbeth brauchte wirklich nur einen Schubs.

In der Hotelrezeption kam ihr Mr. Johnson entgegen. »Sie müssen die Bar für die letzte Stunde übernehmen, Priscilla. Roger ist umgekippt.« Roger war der Barkeeper.

»Betrunken?«, fragte Priscilla.

»Mal wieder.«

»Hat er die Drinks geklaut?«

»Nein, da muss ich ihn in Schutz nehmen«, entgegnete Mr. Johnson. »Die Gäste haben immer wieder gesagt: ›Und nehmen Sie sich selbst auch einen, Roger.‹ Das hat er getan. Leider können die Hausmädchen diese raffinierten Cocktails nicht mixen.«

»Wo ist mein Vater?«

»Zu Bett gegangen.«

»Ich mache es.«

»Vielleicht knöpfen Sie lieber Ihre Bluse hinten wieder zu. Die rutscht Ihnen gleich von den Schultern.«

Priscilla wurde wieder rot.

»Warten Sie, ich helfe Ihnen.« Der Manager schloss die Knöpfe wieder und lächelte zustimmend, weil er dies als hoffnungsvolles Zeichen sah, dass Hamish endlich zur Sache kam.

Erleichtert stellte Priscilla fest, dass es nicht mehr sehr voll in der Bar war. Sie löste das Hausmädchen ab, das einen Gast ratlos fragte, wie man einen Manhattan mixte. Die Bar schloss um elf, und Priscilla blickte zur Uhr. Nicht mehr allzu lange.

Dann, als die Leute einer nach dem anderen auf ihre Zimmer oder nach nebenan gingen, um fernzusehen, bemerkte sie an einem Ecktisch einen der schönsten jungen Männer, die sie jemals gesehen hatte. Er las eine Zeitschrift und hatte ein halb volles Bierglas vor sich stehen. Sein blondes Haar schimmerte sanft im Lampenschein, und die langen Wimpern warfen Schatten auf die sonnengebräunten Wangen. Er schaute auf, sah, dass sie ihn beobachtete, und warf ihr ein träges, seltsam vertrautes Lächeln zu, das Priscilla wie von selbst erwiderte.

Ein anderer Gast kam, und kurz vergaß sie den schönen jungen Mann.

Doch kurz vor Schluss trat er an die Bar und fragte: »Habe ich noch Zeit für einen Drink?«

»Knapp«, antwortete Priscilla. »Noch ein Bier?«

»Nein, ich nehme einen Whisky für den Weg.«

»Passen Sie auf, dass Sie nicht über der Promillegrenze sind.« Priscilla hielt ein Glas unter den Abfüllhahn. »Die Polizei kann ziemlich streng sein.«

»Ich glaube nicht, dass Hamish Macbeth bei irgendwas allzu streng ist«, erwiderte er.

Plötzlich wurde ihr unbehaglich. War dies der schöne junge Mann, den Angus erwähnt hatte? Doch sie drehte sich um, stellte das Glas auf die Bar und sagte: »Demnach kennen Sie unseren Polizisten?«

»Er hat mich heute besucht. Ich wohne in Drim.«

»Haben Sie dort Verwandte?«

Er bezahlte seinen Drink. »Nein, ich bin einfach eines Tages dort hingekommen und geblieben. Wie ist es mit Ihnen?«

»Meinen Eltern gehört dieses Hotel.«

»Sie Arme! Die Arbeit muss sehr anstrengend sein. Haben Sie jemals einen Abend frei?«

»Hin und wieder, wenn nicht viel los ist.«

»Sie müssen mal nach Drim kommen und sich mein Haus ansehen.« Er lehnte sich über die Bar und streckte ihr die Hand hin. »Peter Hynd.«

»Priscilla Halburton-Smythe.« Sie ergriff seine Rechte und sah ihn erschrocken an, weil ihr war, als schösse ein Stromschlag ihren Arm herauf. »Auch an meinen freien Abenden bin ich nicht frei«, sagte sie. »Ich bin verlobt, und damit ist meine Freizeit ausgefüllt.«

»Wer ist der Glückliche?«

»Hamish Macbeth.«

Er trat einen Schritt zurück und musterte die kühle, kultivierte Priscilla von oben bis unten – oder vielmehr von ihrem glatten blonden Haar bis zu ihrem teuren französischen Top, denn mehr konnte er von ihr hinter der Bar nicht sehen. »Na, schau einer an. Sie erstaunen mich!«

Priscilla schüttelte sich im Geiste. Peter Hynd redete mit ihr, als würden sie sich schon lange kennen. Diesen Eindruck vermittelte er weniger durch seine Worte als durch sein Verhalten, das für eine befremdlich vertraute Atmosphäre sorgte. Zum Glück kam ein anderer Gast an den Tresen, und Peter nahm den Whisky mit an den Ecktisch. Er blieb in der Bar, bis Priscilla sie schloss und das Gitter vor dem Tresen nach unten zog. Dann schien er wieder etwas zu ihr sagen zu wollen, doch sie huschte schnell nach draußen und zu Mr. Johnson. Bei ihr trat das gleiche verstörende Phänomen auf wie bei Hamish: Kaum war sie Peters magischem Orbit entkommen, stellte sie fest, dass sie ihn weder mochte noch ihm traute.

Ich muss es Hamish erzählen, dachte sie. Doch dann vergaß sie die Begegnung und sollte sich erst einige Zeit später wieder an sie erinnern.