Hamish Macbeth riskiert Kopf und Kragen - M. C. Beaton - E-Book

Hamish Macbeth riskiert Kopf und Kragen E-Book

M.C. Beaton

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Beschreibung

Eigentlich wollte der gebeutelte schottische Dorfpolizist Hamish Macbeth im charmanten Küstenstädtchen Skag einfach nur Urlaub machen. Doch dann ist das Essen furchtbar, und der Typ im Nebenzimmer nervt ihn so sehr, dass er ihm ordentlich die Meinung geigt. Leider treibt der Kerl wenig später leblos im Fluss, und Hamish ist plötzlich der Hauptverdächtige in einem Mordfall. Statt Urlaub heißt es also: den eigenen Kopf aus der Schlinge ziehen und den Mörder dingfest machen!

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Über das Buch

Eigentlich wollte der gebeutelte schottische Dorfpolizist Hamish Macbeth im charmanten Küstenstädtchen Skag einfach nur Urlaub machen. Doch dann ist das Essen furchtbar, und der Typ im Nebenzimmer nervt ihn so sehr, dass er ihm ordentlich die Meinung geigt. Leider treibt der Kerl wenig später leblos im Fluss, und Hamish ist plötzlich der Hauptverdächtige in einem Mordfall. Statt Urlaub heißt es also: den eigenen Kopf aus der Schlinge ziehen und den Mörder dingfest machen!

Über die Autorin

M. C. Beaton ist eines der zahlreichen Pseudonyme der schottischen Autorin Marion Chesney. Nachdem sie lange Zeit als Theaterkritikerin und Journalistin für verschiedene britische Zeitungen tätig war, beschloss sie, sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Mit ihren Krimi-Reihen um die englische Detektivin Agatha Raisin und den schottischen Dorfpolizisten Hamish Macbeth feierte sie große Erfolge in über 17 Ländern. Sie verstarb im Dezember 2019 im Alter von 83 Jahren.

M. C. BEATON

Hamish Macbeth

Hamish riskiert Kopf und Kragen

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe:Copyright © 1995 by M. C. BeatonPublished by Arrangement with M.C. Beaton LimitedTitel der englischen Originalausgabe: »Death of Nag«

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, KölnTextredaktion: Dorothee Cabras, GrevenbroichTitelillustration: © Arndt Drechsler, LeipzigUmschlaggestaltung: Kirstin OsenaueBook-Erstellung: two-up, Düsseldorf

ISBN 978-3-7517-0968-2

luebbe.delesejury.de

Erstes Kapitel

Oh, welche Schmach! –Der Skandal, der unglaubliche Niedergang!

SIR MAX BEERBOHM

Hamish Macbeth erwachte zu einem neuen Tag. Sein Hund Towser lag schnarchend auf seinen Füßen, und Sonnenlicht fiel durch den Spalt zwischen den Vorhängen herein. Im Büro der Polizeiwache schrillte das Telefon, dann sprang der Anrufbeantworter an. Hamish sollte aufstehen und nachsehen, was los war. Es war seine Pflicht als Police Constable im Dorf Lochdubh und der näheren Umgebung der Grafschaft Sutherland. Doch Hamish wollte sich nur die Decke über den Kopf ziehen und wieder einschlafen.

Ihm fiel kein einziger Grund ein, aus dem Bett zu steigen und sich dem Tag zu stellen.

Bis zu seiner Degradierung vom Sergeant zurück zum Constable und der gelösten Verlobung mit Priscilla Halburton-Smythe, der Tochter eines hiesigen Hoteliers, war Hamish sehr beliebt gewesen. Und er hatte die glücklichen Umstände für selbstverständlich gehalten. Doch irgendwie ging das Gerücht, er hätte Priscilla grausam abserviert, die sowieso viel zu gut für ihn gewesen war, und so kam es, dass er bei seinen Streifengängen nichts als vorwurfsvolle Blicke sah.

Obwohl auch Chief Superintendent Peter Daviot wegen der geplatzten Verlobung wütend gewesen war, war Hamish nicht deswegen degradiert worden. Er hatte einen Mordfall aufgeklärt, indem er eine Leiche präsentiert hatte, die er für das Opfer hielt, um ein Geständnis zu provozieren. Es hatte funktioniert, auch wenn es die falsche Leiche gewesen war.

Wie sich herausstellte, handelte es sich um ein hervorragend erhaltenes Exemplar eines frühen Kelten, was der Polizei den Vorwurf eintrug, ein Haufen ungehobelter Idioten zu sein, der sich nicht einmal schämte, so mit einem kostbaren Fund umzugehen. Also musste jemand bestraft werden, und natürlich war dieser Jemand Hamish Macbeth.

Hamish war kein ehrgeiziger Mann. Tatsächlich war er mit seinem Los als gewöhnlicher Police Constable recht zufrieden. Nur der Missmut der Dorfbewohner setzte ihm zu. Bevor er in Ungnade gefallen war, war er gern schnorrend und plaudernd durchs Dorf geschlendert.

Jetzt schien keiner mehr mit ihm reden zu wollen; zumindest wirkte es so auf sein finsteres Gemüt. Wäre Priscilla noch geblieben und hätte für jedermann sichtbar zu ihm gehalten, stünde er nicht als Schuft da. Aber sie war für einen längeren Besuch zu Freunden nach Gloucestershire gereist. Und für die Leute hier bedeutete es, Hamish hätte sie in die »Fremde« getrieben, wo sie ihr gebrochenes Herz kurieren musste. Hamish hingegen war beachtenswert wenig erschüttert über das Ende ihrer Romanze.

Mrs. Halburton-Smythe machte es um nichts besser, denn wann immer Hamishs Name fiel, murmelte sie kopfschüttelnd: »Arme Priscilla!« Jedoch galt es eher ihrer einsetzenden Furcht, ihre kühle, distanzierte Tochter würde überhaupt nie heiraten.

Stöhnend quälte Hamish sich aus dem Bett. Towser grummelte, sprang auf den Boden und tapste in die Küche.

Hamish zog die Vorhänge auf. Von der Polizeiwache hatte man direkten Blick auf Loch Lochdubh, den Meeresarm, dessen Wasser an diesem Morgen so ruhig dalag wie eine Glasscheibe.

Nachdem Hamish sich gewaschen und angezogen hatte, ging er durch ins Büro. Die Nachricht auf dem Anrufbeantworter war aus der Zentrale in Strathbane und erinnerte ihn daran, dass er noch keinen Bericht zu einem Einbruch in einem kleinen Hotel an der Strecke nach Drum eingereicht hatte. Hamish schlurfte in die Küche, wo er sich ein Frühstück richtete, das aus Brot und Käse bestand, weil er vergessen hatte, den Ofen anzufeuern. Priscilla hatte für die Wache einen nagelneuen Elektroherd angeschafft, aber Hamish hatte ihn, kindisch wie er war, zurückgeschickt.

Er fütterte Towser und stand unentschlossen auf einem Bein da, was an einen grübelnden Reiher an einem Teich erinnerte. Depressionen waren ihm bisher fremd gewesen, und er musste etwas unternehmen, egal was, um sie zu lindern. Er könnte anfangen, den Bericht zu tippen. Andererseits musste Towser raus.

Wieder klingelte das Telefon, also verließ Hamish hastig die Wache, dicht gefolgt von Towser, und machte sich im heißen Morgensonnenschein auf den Weg ans Wasser. Es war tatsächlich heiß, was für Nordschottland äußerst ungewöhnlich war. Hamish schob seine spitze Polizeimütze auf dem feuerroten Haar nach hinten und sah Unheil in Gestalt der Currie-Schwestern Jessie und Nessie nahen. Die beiden Dorfjungfern hielten ihm dauernd vor, ein herzloser Weiberheld zu sein.

Hamish tippte sich an die Mütze. »Schönen guten Morgen.«

»Ist er für manche. Ist er für manche«, antwortete Jessie, die die enervierende Angewohnheit hatte, alles zu wiederholen. »Aber anderen wurde das Herz gebrochen.«

Hamish passierte die beiden. Verdruss und Selbstmitleid rangen in seiner Brust. Einmal hatte er den Currie-Schwestern aus einer gefährlichen Bredouille geholfen und für sie sogar Beweise vernichtet. Verdammt, er hatte schon einer Menge Leuten in diesem Dorf geholfen! Warum redete man ihm nun Schuldgefühle ein?

Seine Gedanken schweiften zu Angela Brodie ab, der Frau des Arztes. Sie hatte sich nicht gegen ihn gewandt. Und so bog er auf den kurzen Weg ein, der nach oben zum Haus des Doktors führte, ging zur Hintertür und klopfte an.

Angela öffnete. Ihre Hunde sprangen ihr um die Füße und kläfften. Sie strich sich das dünne Haar aus dem Gesicht und sagte zerstreut: »Ah, Hamish, wie nett! Kommen Sie rein und trinken Sie einen Kaffee.«

In der Küche hob sie Bücherstapel vom Tisch, um Hamish Platz zu machen, und deponierte sie auf dem Boden.

»Mir ist, als hätten wir schon ewig nicht mehr geplaudert«, bemerkte Angela munter. »Haben Sie von Priscilla gehört?«

Hamish, der sich eben auf einem Küchenstuhl niederlassen wollte, richtete sich wieder auf. »Wenn Sie jetzt auch noch anfangen …«, begann er mürrisch.

»Setzen Sie sich hin«, sagte Angela erschrocken. »Womit anfangen?«

Langsam ließ Hamish sich nieder. »Sie sind die Einzige gewesen, die nicht von Priscilla redet«, antwortete er, wobei es klang, als kämen im Namen seiner Ex-Verlobten drei »R« hintereinander vor. Hamishs Highland-Akzent wurde ausgeprägter, wenn er wütend oder aufgeregt war.

»Oh, verstehe.« Angela schenkte ihm einen Becher Kaffee ein und schob ihn über den Tisch. »Ich habe nur nach Priscilla gefragt, weil ich dachte, Sie beide sind noch befreundet.«

»Sind wir auch!«, sagte Hamish. »Aber das sollte man nicht glauben, wenn man diesen Haufen in Lochdubh hört. So, wie die reden, meint man fast, ich wäre irgendein viktorianischer Schwerenöter!«

»Das gibt sich wieder«, beruhigte Angela ihn. »Solches Gerede verbreitet sich wie ein Infekt in diesen Dörfern. Mrs. Wellington hat es in die Welt gesetzt.« Mrs. Wellington war die Pfarrersfrau. »Sie fing an damit, dass Sie ein nutzloser Frauenheld wären und so. Sie wissen ja, wie sie ist. Aber Sie haben sich das selbst eingebrockt!«

»Wie?«

»Sie hat zufällig gehört, wie Sie sie zum Vergnügen der Pfadfinder sehr gut nachgeäfft haben.«

»Ah.«

»Deswegen hat sie aus Groll gegen Sie Gerüchte verbreitet, und Groll ist hochgradig ansteckend. Mich hat übrigens schon immer fasziniert, wie beispielsweise ein Querulant es schafft, dass eine ganze Fabrikbelegschaft streikt, und das so lange, bis die Firma in die Knie geht und alle ihre Jobs verlieren. Abgesehen davon laufen Sie ziemlich bedrückt herum, was die Gerüchte noch befeuert. Sie wirken, als wären sie schuldig.«

»Ich bin etwas down«, gestand Hamish. »Ja, ich habe auf einmal eine Abneigung gegen Lochdubh und alle hier.«

»Hamish! Sie lieben diesen Ort!«

»Im Moment nicht, nein.«

»Sie haben doch sicher noch Urlaub zu bekommen, oder nicht? Verreisen Sie einfach. Sie könnten eine Pauschalreise nach Spanien buchen. Oder einen von diesen All-inclusive-Urlauben in Griechenland.«

»Ich überlege es mir«, sagte Hamish finster. »Vielleicht mache ich ein paar Tage Urlaub irgendwo in Schottland, wenn das Wetter schon mal gut ist.«

Angela stand auf und begann, in einem Stapel alter Zeitschriften auf einem Küchenstuhl zu kramen. Aus dem angelte sie eine farbige Sonntagsbeilage heraus. »Wie wäre es hiermit?«, fragte sie blätternd. »Skag. Kennen Sie Skag?«

»Das ist drüben am Moray Firth. Ich bin noch nicht da gewesen, aber ich war in Forres, was ganz in der Nähe ist.« Er betrachtete die Farbfotos. Es sah aus wie ein Badeort in Cornwall mit langen weißen Sandstränden und einem hübschen Dorf mit Hafen. Es gab eine Seite mit Werbeanzeigen von Hotels und Pensionen in Skag. »Ich nehme das mit, wenn ich darf, Angela.«

»Behalten Sie es«, antwortete die Arztfrau. »Ein Stück Altpapier weniger. Ich bringe es nie übers Herz, Zeitschriften wegzuwerfen oder sie auch nur ins Wartezimmer der Praxis zu bringen.«

»Was ist der neueste Tratsch?«, fragte Hamish.

Angela trank von ihrem Kaffee und wirkte so gedankenverloren wie immer. Dann stellte sie den Becher wieder hin. »Tja, der saftigste – sieht man von Ihnen ab – ist Jessie Currie.«

»Was ist mit ihr?«

»Angus Macdonald, der Seher, hat ihr erzählt, sie wäre noch vor Jahresende verheiratet.«

Hamishs braune Augen blitzten amüsiert. »Das hat sie ihm nicht geglaubt, oder?«

»Sie sagt Nein, doch seitdem mustert sie die Männer im Dorf auffallend aufmerksam, und Nessie hat Angst, dass sie allein zurückbleibt.«

»Und wer soll der Charmeur sein, der Jessie dahinschmelzen lässt?«

»Angus hat nur verraten, dass es ein geschiedener Fischer ist.«

»Wir haben hier keine geschiedenen Fischer!«

»Das habe ich Jessie auch erklärt, und ihre Reaktion war: ›Ja, noch nicht.‹«

»Da muss sie schon eine Menge Dusel haben«, meinte Hamish. »Eine vertrocknete alte Jungfer wie sie.«

»Hamish, das ist grausam!«

»Ach, na, sie soll sich eben um ihren eigenen Kram kümmern statt um den anderer Leute.«

»Ich denke wirklich, Sie müssen mal raus. Willie Lamont erzählte neulich, dass Sie sich im Restaurant immerzu beschweren.«

Willie Lamont, Hamish früherer Untergebener, hatte die Polizei verlassen und eine junge Verwandte des italienischen Restaurantbesitzers geheiratet. Seither arbeitete er in dem Lokal weit mehr als jemals in seiner Zeit als Police Constable.

»Die Portionen werden kleiner und kleiner und die Preise höher.«

»Trotzdem passt Nörgeln nicht zu Ihnen. Ich wette, wenn Sie erst eine Pause von uns hatten, sind Sie hinterher froh, wieder herzukommen und uns zu sehen.«

Hamish stand auf. »Mal schauen. Danke für den Kaffee, Angela.«

Er ging am Wasser entlang und hockte sich auf die Hafenmauer. Towser legte sich seufzend hin, und Hamish blätterte in der bunten Beilage. Dort inserierte eine Pension namens The Friendly House:

Nur einen Steinwurf vom Strand entfernt mit Blick aufs Meer, traditionelle Küche. Besonders niedrige Preise für Halbpension im Juli …

Hamish ließ das Magazin sinken und blickte über das Dorf. Es war größtenteils im georgianischen Stil gehalten, hauptsächlich innerhalb eines Jahres von einem der Herzöge von Sutherland errichtet, um die Fischerei anzukurbeln, mit kleinen, weiß getünchten Häusern, die zum Loch ausgerichtet waren.

Hamish kannte jeden im Dorf, von den Leuten, die schon ihr Leben lang hier wohnten, wie die Currie-Schwestern, bis hin zu denen, die erst kürzlich hergezogen waren. Nach seiner Unterhaltung mit Angela Brodie fühlte er sich besser, viel besser. Er hatte die Dinge verzerrt gesehen und sich eingeredet, dass alle gegen ihn wären.

Und so kam es, dass er Mrs. Maclean, der Frau von Archie, dem Fischer, die mit einem schweren Einkaufskorb nahte, freundlich zulächelte.

»Faul wie immer?«, fragte Mrs. Maclean. Sie war eine verbissene Hausfrau, nie ohne Schürze unterwegs, und roch stets streng nach Seife und Desinfektionsmittel. Ihr Haar war mit Lockenwicklern aufgedreht und von einem Kopftuch bedeckt.

»Ich genieße den Tag«, entgegnete Hamish versöhnlich.

»Wie Sie irgendwas genießen können, wenn sich das arme Mädchen unten in England die Augen aus dem Kopf heult, ist mir unbegreiflich!«

Hamish betrachtete sie nachdenklich, und ein boshaftes Funkeln erschien in seinen Augen. »Priscilla heult sich nicht die Augen aus dem Kopf, aber das wird eine arme Fischersfrau bald tun.«

»Wie meinen Sie das?«

Hamish hüpfte von der Mauer, rollte die Zeitungsbeilage auf und steckte sie in die Hosentasche. »Na, Angus Macdonald hat Jessie Currie erzählt, dass sie noch vor Jahresende heiraten wird, und zwar einen Fischer, einen geschiedenen Fischer. Wie geht es Archie dieser Tage?«

»Dem geht es bestens«, antwortete Mrs. Maclean, die sich verstohlen umblickte, als erwartete sie, ihren Mann in der Nähe zu sehen. Im Dorf war allgemein bekannt, dass Archie, wenn er nicht zum Fischen draußen war, seine Frau tunlichst mied, damit sie ihn nicht »zu Tode schrubbte«, wie er es ausdrückte. »Und überhaupt ist das alles Unsinn«, sagte sie. »Jessie Currie! Allein die Vorstellung!«

Und dann tauchte zu Hamishs Entzücken Archie in der Ferne auf. Auf Höhe des Currie-Cottages blieb er stehen, weil Jessie ihm etwas über die Hecke zurief, und unterhielt sich mit ihr.

»Da drüben ist ja Ihr Mann«, bemerkte Hamish vergnügt, »und plaudert mit Jessie.«

Mrs. Maclean starrte in die Richtung, in die Hamish zeigte, und stieß einen kurzen Schrei aus, bevor sie loslief. Doch Archie sah sie kommen, ließ Jessie stehen und verschwand blitzschnell einen der Wege hinauf.

Hamish schlenderte zurück zur Wache, rief in Strathbane an und sagte, er wolle drei Wochen Urlaub nehmen. Es wurde ohne Umschweife genehmigt. Der Fluch seines Lebens, Detective Chief Inspector Blair, war in Glasgow, und es hatte seit Monaten keinerlei Straftaten in der Gegend gegeben. Daher wurde beschlossen, dass Sergeant Macgregor aus Cnothan Hamishs Bezirk mit übernehmen sollte. Hamish durfte ab dem Wochenende seinen Urlaub antreten.

Als Nächstes rief er in der Pension in Skag an, wo man ihm zu seiner Freude mitteilte, dass sie wegen einer Stornierung noch ein Zimmer in der Zeit frei hätten, die er wünschte, und Hunde erlaubt seien.

So glücklich wie schon länger nicht mehr machte Hamish sich auf, die Versorgung seiner Schafe, Hühner und Enten zu arrangieren, beschloss jedoch, dem Seher einen Besuch abzustatten und ihn zu fragen, was in ihn gefahren war, Jessie derart zum Narren zu halten.

Angus Macdonald, ein großer, verknitterter Mann, der etwas von einem weniger bedeutsamen Propheten hatte, blickte links und rechts an Hamish vorbei nach einem Mitbringsel, ehe er ihn ins Haus ließ. Die Dorfbewohner brachten ihm gewöhnlich eine Flasche Whisky oder einen Kuchen mit.

»Nein, ich habe nichts für Sie dabei«, sagte Hamish und folgte ihm in das kleine Wohnzimmer. »Ich will Ihre Dienste nicht, sondern möchte wissen, was Ihnen einfällt, Jessie zu erzählen, dass sie einen geschiedenen Fischer heiraten wird.«

»Ich hab’s gesehen«, antwortete Angus beleidigt. »Ich denke mir nichts aus.«

»Kommen Sie schon! Jessie!«

»Na, das habe ich gesehen.«

»Mit solch einem Quatsch fangen Gerüchte an.«

»Das hoffen Sie vielleicht, Hamish.«

»Warum sollte ich?«

»Dann hören die Leute auf, über Sie und Ihr Mädchen zu tratschen.«

»Ich denke, Sie sind ein alter Schwindler«, erwiderte Hamish. »Ich habe schon immer gedacht, dass Sie ein Betrüger sind.«

»Sie haben bloß miese Laune, weil Sie glauben, keiner mag Sie. Ah, da kommt Mrs. Wellington!«

Erschrocken sprang Hamish auf. Er flitzte los und eilte den Hügel hinunter, scheinbar taub für den dröhnenden Gruß der Pfarrersfrau.

»Dieser Mann!«, sagte die trotz der Hitze in Tweed gewandete Mrs. Wellington, als sie sich in einen von Angus’ Sesseln plumpsen ließ. »Ich kann es kaum erwarten, dass er verschwindet.«

»Will er irgendwo hin?«, fragte Angus.

»Eben habe ich Mrs. Brodie getroffen, und sie hat erzählt, dass Hamish überlegt, nach Skag zu verreisen.«

»Aha«, murmelte Angus. »Also, was kann ich für Sie tun, Mrs. Wellington?«

»Diese Geschichte mit Jessie Currie. Das kann nicht wahr sein.« Sie blickte ihn prüfend an. »Es sei denn, Sie haben etwas gehört.«

»Ich sehe Dinge«, entgegnete Angus.

»Und Sie hören mehr Klatsch als jeder andere hier«, beharrte Mrs. Wellington streng. »Ich habe Ihnen einen meiner Obstkuchen mitgebracht. Steht drüben auf dem Tresen. Also, Mr. Patel vom Laden hat mir erzählt, dass er beobachtet hat, wie Archie sich mit Jessie Currie unterhalten hat, und als er seine Frau vom anderen Uferende kommen sah, ist er weggelaufen.«

»Ich sage nichts«, erwiderte Angus bedeutungsschwanger. »Aber trinken wir einen Tee und probieren den Kuchen.«

Früh am Samstagmorgen hängte Hamish Macbeth ein Schild an die Tür zur Polizeiwache, man möge sich mit allen Fragen an Sergeant Macgregor in Cnothan wenden. Er schloss den Land Rover der Polizei in der Garage ein, legte Towser die Leine an und nahm seinen Koffer auf. Dann begann das Telefon in der Wache zu klingeln. Er beschloss ranzugehen, weil er hoffte, dass ihm jemand aus dem Dorf einen schönen Urlaub wünschen wollte.

Doch der Seher war am anderen Ende der Leitung. »Ich an Ihrer Stelle würde nicht nach Skag fahren.«

Tatsächlich überkam Hamish ein abergläubisches Unbehagen. »Warum nicht?«, fragte er.

»Ich sehe Tod. Ich sehe Tod und Ärger für Sie, Hamish Macbeth.«

»Für Ihren Mist habe ich keine Zeit«, schimpfte Hamish und knallte den Hörer auf.

Am anderen Ende lauschte Angus dem Klicken und lächelte. Hatte Hamish Macbeth ihn einen »Betrüger« genannt? Na, das dürfte ihm zu denken geben!

Hamish verließ die Wache und wanderte zum Hafen, um den Bus nach Bonar Bridge zu nehmen. Von dort würde er einen weiteren Omnibus nach Inverness besteigen und danach weitere Busse bis Skag.

Dieser Bus war wie üblich zu spät, zwanzig Minuten, um genau zu sein. Und Hamish war der einzige Fahrgast. Er dachte oft, dass der Fahrer, Peter Dunwiddy, absichtlich zu spät losfuhr, um einen Vorwand zu haben, das Tempolimit zu überschreiten, sogar mit einem Polizisten an Bord. Hamish hielt sich fest, und Towser machte sich auf dem Boden ganz flach, als der Bus aus Lochdubh brauste und kreischend die Haarnadelkurven gen Bonar Bridge nahm.

Hamish hatte erwartet, eine gewisse Erleichterung zu verspüren, weil er Lochdubh und dessen Bewohner hinter sich ließ. Stattdessen war er auf eine nagende Art traurig. Passend zu seiner Stimmung war es ein grauer Tag, der alle Farben in der Landschaft verwässerte wie auf einem japanischen Druck. Hamish hoffte, dass das schöne Wetter zurückkehrte. Vielleicht hätte er nicht so engstirnig darauf beharren sollen, unbedingt in Schottland Urlaub zu machen. Wann gab es hier jemals eine Garantie für Sonne und Wasser, das warm genug war, um darin zu schwimmen?

Als er das Dorf Skag erreichte, war er so müde, als wäre er zu Fuß hergekommen. Er erkundigte sich nach dem Weg zum Friendly House und marschierte los. Es befand sich außerhalb des Ortes und nicht direkt am Strand, sondern hinter einer Reihe von Sanddünen, die wiederum eine Viertelmeile von der Nordsee entfernt waren.

Es handelte sich um eine alte viktorianische Villa, deren Holzbalkone und blauen Fensterläden vage an Schweizer Chalets erinnerten. Hamish sah auf seine Uhr. Halb sechs. Abendessen gab es um sechs.

Er betrat eine dämmrige Diele, in der auf einem Beistelltisch eine Auswahl von Tourismusbroschüren neben einer großen Messingschale mit verstaubtem Pampasgras auslag. Außerdem standen ein Sessel und eine Reihe von Gummistiefeln bereit. Hamish drückte einen Klingelknopf an der Wand, und im Hintergrund wurde eine Tür geöffnet.

Ein korpulenter Mann kam auf ihn zu. Er hatte blondes Haar, leuchtend blaue Augen und seltsam porzellanartig glänzende Haut. Hamish schätzte, dass er in den Fünfzigern war. »Sie müssen Mr. Macbeth sein«, sagte er fröhlich. »Rogers, Harry Rogers. Sie werden feststellen, dass wir hier eine glückliche Familie sind. Kommen Sie mit nach oben, dann zeige ich Ihnen und dem Hundchen Ihr Zimmer.«

Das Pensionszimmer bot keinen modernen Luxus wie ein Telefon oder einen Fernseher. Aber das Bett sah bequem aus, und durchs Fenster konnte Hamish die graue Linie der Nordsee erkennen. »Das Bad ist am Ende des Flurs, und wie Sie sehen, gibt es ein Waschbecken hier in der Ecke. Der Tee wird um sechs serviert. Ja, wir halten hier nichts von diesem Dinner-Unsinn. Guter, altmodischer High Tea!«

Hamish dankte ihm, und Mr. Rogers ging. Müde von der langen Wanderung stieg Towser aufs Bett und schloss die Augen. Hamish packte rasch aus, holte eine Schale hervor, die er mit Wasser für den Hund füllte, und eine Dose Hundefutter, einen Dosenöffner und eine weitere Schale. In Letztere schüttete er das Hundefutter und stellte sie neben Towsers Wasser auf den Boden.

Der verwöhnte Hund mochte kein Dosenfutter. Aber im Urlaub muss er damit vorliebnehmen, dachte Hamish. Natürlich könnte er ihm eventuell etwas Kochschinken als Leckerli kaufen. Den fraß Towser sehr gern. Hamish zog sich eine Jeans und ein kariertes Hemd an, überlegte kurz, ob er eine Krawatte umbinden sollte, entschied sich jedoch dagegen und ging nach unten. Dort trat er durch eine Tür mit der Aufschrift Esszimmer.

Eine kleine, spitzgesichtige Frau, die sich als Mrs. Rogers entpuppte, begrüßte ihn. »Mr. Macbeth, Ihr Tisch ist hier … bei Miss Felicity Gunnery.«

Hamish nickte Miss Gunnery zu und nahm Platz. Die anderen Gäste saßen bereits. Mr. Rogers erschien und machte alle miteinander bekannt. Mit seinem geübten Polizistenverstand merkte Hamish sich gleich alle Namen und prägte sich das Aussehen der einzelnen Gäste ein.

Miss Gunnery ihm gegenüber war die Art Erscheinung, die man selbst heutzutage noch »alte Jungfer« nannte. Sie hatte strenge Züge, trug eine Goldrandbrille und hatte den Mund so dauerverkniffen, dass er lippenlos wirkte. Trotz des schwülwarmen Tages trug sie ein grünes Tweed-Kostüm mit weißer Bluse.

Am Nebentisch saß ein Ehepaar, Mr. und Mrs. Harris, beide mittleren Alters. Sie hatte eine ordentlich frisierte Dauerwelle, kühle Gesichtszüge und trug einen Wollpullover und eine Strickjacke zu einem schwarzen Rock. Ihr Mann war mit einem Hemd, das er oben aufgeknöpft hatte, einer modischen schwarzen Lederjacke und Jeans bekleidet – ein Outfit, wie es müde Geschäftsleute gern wählten, wenn sie sich auf die Suche nach ihrer verblassenden Jugend begaben. Er hatte graues Haar, einen starren Blick und eine große Nase.

Es folgten Mr. und Mrs. Brett mit ihren drei Kindern, Heather, Callum und Fiona, sieben, vier und drei Jahre alt. Alle wirkten gutmütig und nicht übermäßig intelligent. Mrs. Brett war künstlich rothaarig, hatte ein kleines Gesicht und nachgemalte Augenbrauen. Entweder waren sie gezupft, was dieser Tage kaum noch modern war, wie Hamish wusste, oder ausgefallen. Oder sie war so geboren worden. Sie hatte die Brauen zu einem Bogen gemalt, sodass sie permanent verwundert aussah.

Am Fenstertisch saßen zwei junge Frauen namens Tracey Fink und Cheryl Gamble aus Glasgow. Beide hatten ihrem Haar mittels Chemikalien einen »sonnengebleichten« Look verliehen und dürften unter den dicken Make-up-Schichten sehr blass sein. Sie waren identisch gekleidet: schwarz-weiß gestreifte Pullis und schwarze Hosen zu schmutzigen Turnschuhen.

Hinten in der Ecke saß ein Mann, dem die Ehre zuteilwurde, einen Tisch für sich zu haben. Er hieß Mr. Andrew Biggar, hatte ein sonnengebräuntes Gesicht und dichtes braunes Haar mit grauen Strähnen, wache braune Augen und einen breiten Mund, dessen Form nach er humorvoll sein musste.

High Tea, die schottische Mahlzeit, die kaum noch irgendwo serviert wurde, bestand aus einem Hauptgericht, üblicherweise kalter Braten, Salat und Pommes frites, zu dem man Tee trank. In der Mitte eines jeden Tisches befand sich eine Etagere, auf deren unterer Ebene dünn mit Butter bestrichene Weißbrotscheiben lagen. Auf der zweiten Ebene waren Scones und Teekuchen drapiert, und ganz oben folgten kleine Kuchen mit Sprühsahne und grellbunter Glasur.

»Herrlicher Tag«, sagte Hamish zu Miss Gunnery, um Konversation zu machen. Jeder Tag in Schottland, an dem es nicht eiskalt war und in Strömen goss, galt als »herrlich«.

Sie blickte streng durch ihre Brille zu ihm. »Ist es? Ich finde es feucht und bedeckt.«

Hamish schwieg wieder und wünschte, er wäre nicht hergekommen. Doch Mr. Harris, der Mann mit der modischen Lederjacke, übertönte deutlich die Gespräche an den anderen Tischen, und Hamish horchte hin.

»Tja, dieser Urlaub war deine Idee, Doris«, sagte er.

»Ich habe bloß festgestellt, dass der Tee ein kleines bisschen dünn ist«, entgegnete seine Frau.

»Du hast an allem was auszusetzen, das ist dein Problem«, erwiderte Mr. Harris. »Würdest du mehr Sport treiben und weniger über deinen Bauch nachdenken, könntest du so fit sein wie ich.«

»Ich habe doch nur gesagt …«

»Du hast gesagt … Du hast gesagt …«, ätzte er und schaute sich im Raum um. »Frauen, was? Dauernd am Nörgeln.«

»Bob, bitte«, flüsterte seine Frau.

»Bitte was?«

»Das weißt du.« Ängstlich sah sie zu den anderen Tischen. »Alle hören zu.«

»Sollen sie doch. Mich plagen deine kleinen Vorortängste nicht, meine Liebe.« Er verstellte die Stimme zu einem hohen Falsett. »Was sollen die Nachbarn denken?«

Und so ging es immer weiter.

Die schweigsame Miss Gunnery, die von sich behauptete, »ihre Meinung gemeinhin für sich zu behalten«, fühlte sich genötigt, den Mund zu öffnen und zu dem großen, schlaksigen Rotschopf ihr gegenüber zu sagen: »Der Mann ist ein Scheusal.«

»Ja, von der übelsten Sorte«, stimmte Hamish ihr zu, und als er lächelte, taute Miss Gunnery noch mehr auf und fügte hinzu:

»Mrs. Harris hat aber recht. Der Tee ist furchtbar schwach, der Schinken besteht größtenteils aus Fett, und diese Kuchen sehen schrecklich aus. Ich weiß ja, dass diese Pension billig ist …«

»Vielleicht gibt es einen Fish-and-Chips-Laden im Dorf«, sagte Hamish hoffnungsvoll. »Da könnte ich später mal hingehen. Mein Hund mag Fish and Chips.«

»Oh, Sie haben einen Hund? Welche Rasse?«

»Towser ist eine Mischung aus allen Rassen.«

Miss Gunnery wirkte amüsiert. »Towser! Ich hätte nicht gedacht, dass jemand heute noch einen Hund Towser nennt – oder Rover.«

»Angefangen hatte es eigentlich als Witz«, gestand Hamish. »Und dann blieb der Name an dem armen Tier hängen.«

»Was machen Sie beruflich, Mr. Macbeth?«

Das Scheusal war vorübergehend verstummt, und es herrschte Stille im Esszimmer. »Ich bin im Öffentlichen Dienst«, antwortete Hamish. Er erzählte ungern, dass er Polizist war, weil es die meisten Menschen abschreckte. Und diese Antwort war seiner Erfahrung nach langweilig genug, dass niemand nachhakte, bei welcher Behörde er war.

»Ich bin Lehrerin im Vorruhestand«, erklärte Miss Gunnery. »Vorher war ich noch nie in Skag. Es kam mir wie eine gute Gelegenheit vor, einen günstigen Urlaub zu machen.«

»Wann sind Sie angekommen?«

»Heute, wie die anderen auch. Wir sind alle neue Gäste.«

Mr. Rogers und seine Frau wuselten zwischen den Tischen umher und räumten Teller ab, sobald es so aussah, als hätte jemand aufgegessen.

»Im Salon gegenüber steht ein Fernseher«, verkündete Mr. Rogers. Seine Frau sortierte vorsichtig die ungegessenen Kuchen in eine große Plastikbox. Hamish vermutete – ganz richtig, wie sich herausstellen sollte –, dass sie die nächsten Tage wieder serviert würden, bis sie alle aufgegessen oder hart geworden waren.

Die Gesellschaft begab sich ins Wohnzimmer. Bob Harris hatte es vorerst aufgegeben, mit seiner Frau zu schimpfen, aber Andrew Biggar beging den Fehler, Doris Harris zu fragen, was sie gern sehen würde.

»Gleich kommt Coronation Street«, antwortete Doris schüchtern. »Das würde ich mir gern anschauen, falls es niemandem etwas ausmacht.«

Sogleich übertönte sie die Stimme ihres Mannes: »War ja klar, dass du allen deine Vorliebe für Soaps aufzwingst. Wie du dir diesen Mist ansehen kannst, werde ich nie verstehen.«

Hamish ging zum Fernseher, suchte den Kanal, auf dem Coronation Street lief, und drehte die Lautstärke höher. »Ich mag die Serie auch«, behauptete er und lächelte Doris an. »Die sehe ich immer.«

Er setzte sich neben Miss Gunnery. Ihm entging nicht, dass das Ekel während der gesamten Folge die Figuren der Serie verhöhnte. Seufzend blickte Hamish sich um. Die Sessel standen in einem Halbkreis zum Fernseher ausgerichtet. Der Kamin war von zwei elektrischen Heizgeräten blockiert. Zerlesene Taschenbücher, die zweifellos einmal früheren Gästen gehört hatten, füllten zwei Bücherregale. Die Rogers’ waren wahrscheinlich zu geizig, selbst Ferienlektüre zu kaufen.

Die Sesselpolster waren mit einem kratzigen Stoff bespannt, der Teppich war abgewetzt und mit verblichenen gelben Blumen gemustert. Es hingen einige trübsinnige Bilder an den Wänden: Highland-Rinder im Highland-Nebel und eine Fotografie einer grimmigen viktorianischen Dame, die vorwurfsvoll auf alle herabblickte. Bestimmt die ursprüngliche Besitzerin, dachte Hamish.

Als die Sendung endete, die er nur Mrs. Harris zuliebe bis zum Schluss angeschaut hatte, sagte er zu Miss Gunnery: »Ich spaziere mit meinem Hund durchs Dorf und sehe mal, ob es hier irgendwo Fish and Chips gibt. Möchten Sie mitkommen?«

»Fish and Chips esse ich nicht«, antwortete sie hochnäsig.

Die Reizbarkeit, die er seit Monaten empfand, trat wieder an die Oberfläche. »Ah, Sie ziehen diesen erstklassigen Fraß vor, den wir zum Abendessen hatten?«

Da war eine Note von Verachtung in seiner Highland-Stimme, und Miss Gunnery wurde rot. »Ach was, ich bin nur albern.« Sie richtete sich auf. »Ich würde gern spazieren gehen.«

Hamish ging nach oben, um Towser zu holen, doch als er zurück in die Diele kam, wartete dort nicht bloß Miss Gunnery auf ihn, sondern der Rest der Gesellschaft, mit Ausnahme des Ehepaares Harris.

Es kam kein »Wir möchten mitkommen, falls es recht ist« oder Ähnliches, sondern sie reihten sich schlicht hinter dem Polizisten und seinem Hund ein wie artige Kinder.

Mr. Brett brach als Erster das Schweigen. »›Nur einen Steinwurf vom Strand entfernt‹«, rief er aus. »Da braucht man aber einen verteufelt starken Arm, einen Stein so weit zu werfen.«

»Sind Sie sicher, dass es hier eine Chips-Bude gibt, Jimmy?«, fragte Cheryl. Sie kam aus Glasgow, wo so ziemlich jeder Jimmy heißen musste, hörte man die Einheimischen reden.

»Weiß ich nicht«, antwortete Hamish. »Vielleicht auch einen Pub, der Essen anbietet.«

»Ich bin schon halb verhungert«, gestand Tracey und bückte sich zu Towser. »Ich könnte ein Pferd zwischen zwei Brotlastern verdrücken.«

Cheryl schlug ihr spielerisch auf den Rücken, und beide Mädchen kicherten.

»Ein Jammer, dass die kleine Mrs. Harris nicht mitkommen konnte«, bemerkte Andrew Biggar. »Ich glaube nicht, dass sie viel Spaß im Leben hat. Sind Sie zufällig in der Armee, Mr. Macbeth?«

»Hamish. Ich heiße Hamish. Nein, Andrew. Im Öffentlichen Dienst. Wie kommen Sie darauf?«

»Als ich Sie das erste Mal gesehen habe, hatte ich den Eindruck, dass Sie sonst eine Uniform tragen. Da habe ich mich wohl geirrt. Ich war selbst in der Armee, leider in den Ruhestand gezwungen worden.«

»Oh, diese schrecklichen Kürzungen«, sagte Miss Gunnery mitfühlend.

»Da haben Sie recht«, stimmte Mrs. Brett zu, die, wie sich herausstellte, mit Vornamen June hieß. »Dieser Harris gehört erschossen.«

»Das kannst du laut sagen«, pflichtete Dermott Brett, ihr Mann, ihr bei, was June umgehend tat, woraufhin das Paar in brüllendes Gelächter über den eigenen Witz ausbrach.

»Ich weiß nicht, ob ich diesen Urlaub ertrage«, raunte Miss Gunnery Hamish zu.

»Ach«, sagte Hamish, der sich allmählich besser fühlte, »die anderen sind doch ganz nett, und es geht nichts über ein gemeinsames Feindbild, um Leute zusammenzubringen.« Innerlich krümmte er sich, weil er daran denken musste, dass genau dieser Effekt ihn aus Lochdubh vertrieben hatte.

»Harris, meinen Sie?«, fragte Miss Gunnery. »Aber mit seiner lauten Stimme kann man ihn schlecht überhören, und dies ist ein kleiner Ort.«

Sie erreichten das Dorf Skag. Es bestand aus einer Reihe von teils reetgedeckten Häusern auf einer Landzunge. Zur einen Seite verlief der Fluss Skag, auf der anderen erstreckte sich die Nordsee. Die Hauptstraße war mit Kopfstein gepflastert, die kleinen Seitenstraßen hingegen waren unbefestigt, und der weiße Sand blies überallhin und tanzte in kleinen Wirbeln im zunehmenden Wind.

»Es wird frischer«, bemerkte Hamish. »Sehen Sie mal, ein bisschen blauer Himmel!«

Sie wanderten zum Hafen und blieben am Rand stehen. Die Flut kam, und das Wasser sog gierig an den Holzbohlen unter ihnen. Große Seegrasbüschel hoben und senkten sich mit den Wellen. Über ihnen zogen die grauen Wolken ab, bis heller Sonnenschein erstrahlte.

Hamish schnupperte in die Luft. »Ich rieche Fish and Chips. Es kommt von dort drüben.«

Die anderen machten sich mit ihm auf den Weg, und sie fanden eine kleine Imbissbude. Hamish schlug vor, dass sie ihr Essen mit an den Strand nahmen und dort aßen.

Mit ihren Päckchen in den Händen trotteten sie zur anderen Seite des Hafens, wo Segelboote in einem kleinen Becken vertäut waren und der Wind in den Segeltuchbündeln und Persennings summte und knatterte. Ein schäbiges Café mit Blick auf den Segelhafen war geöffnet, allerdings leer, und die bunten Lichter eines Spielautomaten blinkten im dämmrigen Innern.

Ein Weg führte hinter das Café, vorbei an verrostenden Autos und Kühlschränken, alten Sofas und kaputten Tischen, zu einer Schieferanhöhe und wieder nach unten, wo der Schiefer aufhörte und ein langer weißer Sandstrand begann.

»Sie verwöhnen den Hund«, sagte Miss Gunnery, als Hamish eine großzügige Fischportion auf einem Pappteller vor Towser auf den Sand stellte.

Hamish antwortete nicht. Ihm war bewusst, dass er seinen Hund verwöhnte, trotzdem schätzte er es nicht, von anderen darauf hingewiesen zu werden.

»Warum heiratet eine Frau wie Doris solch einen Idioten?«, fragte Andrew Biggar.

June Brett knuffte ihrem rundlichen Mann in die Rippen. »Bevor man sie heiratet, sind sie alle Heilige, und dann kommt die Bestie zum Vorschein.«