Hamish Macbeth spuckt Gift und Galle - M. C. Beaton - E-Book

Hamish Macbeth spuckt Gift und Galle E-Book

M.C. Beaton

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Beschreibung

Zuerst sind es nur Abermillionen von Mücken, die über Lochdubh herfallen. Doch dann sucht ein noch größerer Plagegeist das schottische Dorf heim: Trixie Thomas. Die laute, aufdringlichen Frau hat hier eine Pension gekauft und wird bleiben, wie Hamish Macbeth mit Schrecken erfährt. Während die Dörflerinnen bald bewundernd zu Trixie aufsehen, gehen die Männer auf die Barrikaden. Denn Trixie will das Rauchen und den Alkohol aus Lochdubh verbannen und sorgt damit für viel Ungemach. Als Trixie schließlich vergiftet wird, spuckt auch Hamish Gift und Galle. Denn er muss ermitteln - und das in einem Dorf voller Verdächtiger.

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Seitenzahl: 220

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Achtes Kapitel

Über das Buch

Zuerst sind es nur Abermillionen von Mücken, die über Lochdubh herfallen. Doch dann sucht ein noch größerer Plagegeist das schottische Dorf heim: Trixie Thomas. Die laute, aufdringlichen Frau hat hier eine Pension gekauft und wird bleiben, wie Hamish Macbeth mit Schrecken erfährt. Während die Dörflerinnen bald bewundernd zu Trixie aufsehen, gehen die Männer auf die Barrikaden. Denn Trixie will das Rauchen und den Alkohol aus Lochdubh verbannen und sorgt damit für viel Ungemach. Als Trixie schließlich vergiftet wird, spuckt auch Hamish Gift und Galle. Denn er muss ermitteln – und das in einem Dorf voller Verdächtiger.

Über die Autorin

M.C. Beaton ist eines der zahlreichen Pseudonyme der schottischen Autorin Marion Chesney. Nachdem sie lange Zeit als Theaterkritikerin und Journalistin für verschiedene britische Zeitungen tätig war, beschloss sie, sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Mit ihren Krimi-Reihen um den schottischen Dorfpolizisten Hamish Macbeth und die englische Detektivin Agatha Raisin feiert sie bis heute große Erfolge in über 17 Ländern. M.C. Beaton lebt abwechselnd in Paris und in den Cotswolds.

M.C. BEATON

Hamish Macbeth

Hamish spuckt Gift und Galle

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:Copyright © 1989 by M.C. BeatonPublished by Arrangement with Marion Chesney GibbonsTitel der englischen Originalausgabe: »Death of a Perfect Wife«

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, KölnLektorat: Judith MandtTextredaktion: Dorothee Cabras, GrevenbroichTitelillustration: © Arndt Drechsler, RegensburgUmschlaggestaltung: Kirstin OsenauE-Book-Produktion: two-up, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-5588-8

www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.de

Erstes Kapitel

»Willst du in meine Stube gehen?«, sagte die Spinnezu der Fliege. »Eine hübschere hast du nie gesehen.«

MARY HOWITT

Wieder mal war es ein Tag, wie er herrlicher nicht sein könnte.

Police Constable Hamish Macbeth schlenderte mit seinem Hund am Ufer des Lochdubh entlang und fühlte sich rundum glücklich. Seit zwei Wochen war das Wetter perfekt.

Über Hamish wölbte sich ein azurblauer Himmel, und vor ihm lag der belebte kleine Hafen vor dem Hintergrund des unglaublich blauen Meeres, dessen gekräuselte Oberfläche in der Sonne funkelte wie von Abertausenden Diamanten gesprenkelt. Um das Dorf herum ragten die Berge von Sutherland auf, die ältesten der Welt, die im hellen Sonnenschein geradezu freundlich anmuteten. Auf der anderen Seite des Loch war der Gray Forest, ein kühler, dunkler Kiefernwald. Früh blühende Rosen rankten an Gartenzäunen, und die zarten Blüten von Edelwicken flatterten hübsch in der sehr leichten Brise. An den Berghängen sorgte Grauheide, die bereits im Juni blühte, für violette Tupfer im Graubraun der sich erhebenden Moore. Die rautenblättrigen schottischen Glockenblumen zitterten zwischen leuchtend gelben und lila Wicken sowie weißen Winden am Wegesrand.

Hamish bemerkte die Currie-Schwestern, Jessie und Nessie, zwei von Lochdubhs alten Jungfern, in ihrem kleinen Garten. Dort war alles beinahe militärisch korrekt angeordnet, so wie die Blumen in ordentlichen Reihen zwischen Muschelkanten standen.

»Ein schöner Tag«, sagte Hamish, der sich lächelnd über die Hecke beugte. Beide Schwestern, die in einem Beet Unkraut jäteten, richteten sich auf und beäugten den Constable missmutig.

»Mal wieder nichts zu tun, nehme ich an«, bemerkte Nessie streng. Das Sonnenlicht spiegelte sich in ihren dicken Brillengläsern.

»Und ist das nicht das Beste von allem?«, entgegnete Hamish munter. »Kein Verbrechen, keine verprügelten Ehefrauen, nicht mal ein Betrunkener, den ich einsperren muss.«

»Dann sollte man die Polizeistation hier schließen. Ja, man sollte die Polizeistation schließen«, konstatierte Jessie, die grundsätzlich alles zweimal sagte. »In meinen Augen ist es eine Sünde und Schande, wenn ein gut gebauter Mann wie Sie immerzu faulenzt. Eine Sünde und Schande ist das.«

»Ach, ich werde schon noch eigens für Sie einen Mord finden«, sagte Hamish. »Und dann haben Sie etwas, über das Sie sich beschweren können.«

»Wie ich höre, ist Miss Halburton-Smythe wieder da«, sagte Jessie und sah den Constable boshaft an. »Und sie hat einige Freunde aus London mitgebracht.« Auch diese Bemerkung wiederholte sie noch einmal.

»Eine gute Zeit, um herzukommen.« Hamish blieb unbeirrbar freundlich. »Bei diesem Wetter.«

Er lächelte, tippte sich an die Mütze und spazierte weiter. Allerdings erstarb sein Lächeln, sobald er außer Sichtweite der beiden war. Priscilla Halburton-Smythe war die Liebe seines Lebens. Er fragte sich, wann sie angekommen war und wen sie wohl mitgebracht hatte. Und er fragte sich auch, wann er sie sehen würde. Seine Sorge wurde zu einer dunklen Wolke, die sich auf sein Gemüt legte. Umso verblüffender erschien es ihm, dass der Tag immer noch vollkommen war. Die Sonne schien weiter, und eine Robbe rollte sich träge im ruhigen Wasser der Bucht.

Hamish versuchte, seine gute Laune wiederzufinden. Die Luft roch nach Salz, Teer und Kiefernharz, und Hamish betrat das Lochdubh Hotel in der Hoffnung, eine Tasse Kaffee schnorren zu können.

Mr. Johnson, der Hotelmanager, war in seinem Büro, als Hamish es betrat. »Bedienen Sie sich«, sagte er mit einem Nicken zur Kaffeemaschine in der Ecke. Er wartete, bis Hamish sich mit dem Kaffee hingesetzt hatte, und fügte hinzu: »Das Willets-Haus ist verkauft.«

Hamish zog die Augenbrauen hoch. »Ich hätte nicht gedacht, dass das jemand nimmt.« Bei der Immobilie handelte es sich um eine viktorianische Villa unweit des Ufers. Seit fünf Jahren stand sie zum Verkauf und war in einem erbärmlichen Zustand.

»Wie ich es verstanden habe, haben die Käufer es für kleines Geld bekommen. Jemand hat etwas von zehntausend Pfund gesagt.«

»Und wer sind die Käufer?«

»Sie heißen Thomas. Engländer. Mehr weiß ich nicht. Angeblich sollen sie heute einziehen. Vielleicht springt für Sie ja was dabei raus.«

Hamish grinste. »Ein Verbrechen, meinen Sie? Bei solchem Wetter kann nichts Schlimmes passieren.«

»Das Barometer zeigt einen Wetterumschwung an.«

»Ich habe noch kein Barometer gesehen, das tatsächlich das Wetter vorhersagen konnte«, erwiderte Hamish. »Wie stehen die Dinge oben auf Tommel Castle?« Er fragte betont beiläufig, doch Mr. Johnson machte er nichts vor. Die einige Meilen außerhalb von Lochdubh gelegene Burg war Priscilla Halburton-Smythes Zuhause.

»Priscilla ist mit einigen Freunden zu Besuch gekommen«, sagte der Hotelmanager.

Hamish trank einen Schluck Kaffee. »Was für Freunde?«

»Aus den feinen Kreisen, glaube ich. Zwei Männer und zwei Frauen.«

Hamish war umgehend erleichtert. Das klang nach zwei Paaren, und er hatte schon befürchtet, dass Priscilla einen neuen Freund mitgebracht hatte. »Haben Sie die schon gesehen?«

»Oh ja. Sie waren gestern zum Dinner hier.«

Hamish stutzte. »Und was ist aus der Gastfreundschaft des Colonels geworden, wenn seine Tochter ihre Freunde zum Essen ins hiesige Hotel einladen muss?«

Mr. Johnson wurde verlegen. »Sie sind schon seit über einer Woche da«, sagte er und blickte gen Zimmerdecke, um die Enttäuschung des armen Hamish nicht sehen zu müssen.

Langsam stellte der Constable seinen Kaffee hin, den er noch nicht mal ausgetrunken hatte. »Ich setze mal lieber meine Runde fort«, sagte er. »Komm, Towser.« Der große Mischling trottete hinter seinem Herrchen her, den buschigen Schwanz auf Halbmast, als spürte er Hamishs Unglück.

Vor dem Hotel blieb Hamish zwischen den Kübeln mit scharlachroten Geranien stehen und blinzelte in die Sonne. Es war befremdlich, dass sie immer noch schien. Über eine Woche war Priscilla schon da! Und sie hatte sich nicht bei ihm gemeldet.

Er ging zur Polizeistation und dort durch den Garten zur kleinen Weide, um nachzusehen, ob seine Schafe genügend Wasser hatten. Die Sonne brannte ihm heiß auf den Rücken, Brachvögel pfiffen in der Heide, und über ihm segelte ein Bussard wie Ikarus direkt auf die Sonne zu.

Ein großes schwarzes Mutterschaf kam herbei und stupste Hamishs Hand an. Automatisch streichelte er das Schaf, während seine Gedanken wieder bei der Frage waren, was auf Tommel Castle vor sich gehen mochte. Vor ihrer letzten Abreise hatte Priscilla eine scherzhafte Bemerkung zu seinem mangelnden Ehrgeiz gemacht. Und gewiss war er kein Mann mit großen Ambitionen. Ihm gefiel sein beschauliches Leben, und er liebte Western Sutherland mit seinen Bergen, der Heide und dem Atlantik jenseits des Loch Lochdubh, wo der Legende zufolge die »Blauen Männer« auf den Wellen ritten und die Toten als Robben wiederkehrten.

Hamish beschloss, dass es nicht schaden könnte, einfach mal hinauf zur Burg zu fahren und nachzusehen.

Er hatte einen neuen weißen Land Rover, eine freundliche Gabe der Polizeidirektion in Strathbane – zweifellos mit dem Segen von Detective Chief Inspector Blair. Letzterer genoss es, in dem Ruf zu stehen, mit Hamishs Hilfe Morde aufgeklärt zu haben. In Wirklichkeit hatte Hamish allein die Fälle gelöst; er hatte den rüpelhaften Inspector jedoch gern die Lorbeeren einstreichen lassen.

Der Weg zur Burg wand sich durch die Hügel, und Hamish wurde leichter ums Herz, als ihn die Straße immer höher über das Dorf brachte. Es musste eine simple Erklärung dafür geben, warum Priscilla bisher nicht bei ihm gewesen war. Ihr Vater, der Colonel, war strikt gegen ihre Freundschaft mit dem Dorfpolizisten. Wahrscheinlich hat ihr Vater ihr den Kontakt zu mir verboten, dachte Hamish, wobei er absichtlich vergaß, dass Priscilla sich noch nie von dem cholerischen Colonel davon hatte abhalten lassen, Hamish zu besuchen.

Er parkte den Land Rover am Straßenrand vor dem Tor. Zunächst wollte er die Lage einschätzen, bevor man ihn sah.

Langsam ging er die Einfahrt hinauf. Er konnte Rufen und Lachen hören, daher folgte er nicht der Biegung zum Vordereingang. Stattdessen tauchte er in den Kiefernwald an der Seite ein und bewegte sich lautlos auf den Kiefernnadeln vorwärts, bis er einen freien Blick auf den Garten hatte, ohne selbst gesehen zu werden.

Priscilla und ihre Freunde spielten Krocket. Zuerst hatte Hamish nur Augen für sie. Sie war über den Schläger gebeugt, und das goldene Haar fiel ihr ins Gesicht. Priscilla trug eine schlichte weiße Bluse, einen kurzen, gerade geschnittenen roten Baumwollrock und flache schwarze Sandalen mit dünnen Riemen. Hamishs Aufmerksamkeit schwenkte zu dem Mann, der zu ihr trat und die Arme um sie legte, um ihr zu zeigen, wie sie richtig abschlug. Er war groß, hatte krauses dunkles Haar, ein hübsches Gesicht und einen bläulichen Bartschatten am Kinn. Aus dem offenen Kragen seines karierten Hemdes sprossen schwarze Brusthaare. Die Ärmel hatte er aufgekrempelt, und auch die kräftigen, sonnengebräunten Unterarme waren von schwarzem Haar bedeckt.

Die beiden jungen Frauen hatten die blasierten Gesichter, die typisch für das reiche Chelsea waren, und elegante Frisuren. Der andere Mann hatte etwas Kaninchenhaftes und trug eine Brille mit Goldrand.

Dann, während Hamish zusah, lächelte Priscilla den Dunkelhaarigen an. Es war ein strahlendes, glückliches Lächeln, bei dem Hamish eiskalt wurde. Finsternis breitete sich in ihm aus. Priscilla Halburton-Smythe war in diesen haarigen Affen, diesen Neandertaler, verliebt. Hamishs Verzweiflung war scharf und schmerzhaft. Plötzlich wurde Priscilla ernst, blickte sich um und sah zu den Bäumen.

Hamish schlich leise davon. Er war benommen. Das Elend sog an seinen Füßen wie nasser Lehm, als er zurück zum Land Rover ging.

Sehr vorsichtig, wie ein Betrunkener, der nüchtern zu werden versuchte, fuhr er nach Lochdubh zurück.

Dann sah er einen großen, staubigen Umzugslaster vor dem Willets-Haus. Die neuen Bewohner waren angekommen.

Anstatt allein mit sich und seinen Gedanken zu bleiben, fuhr Hamish direkt zu dem Haus und parkte neben dem Lastwagen. Ein Paar – eine hochgewachsene, recht elegante Frau und ein korpulenter Mann – lud Sachen aus.

»Brauchen Sie Hilfe?«, fragte Hamish. »Ich bin Hamish Macbeth, der hiesige Polizist.«

Die Frau wischte sich die Hand an der Hose ab und streckte sie Hamish hin. »Trixie Thomas«, sagte sie. »Und das ist mein Mann, Paul.«

Sie war fast so groß wie Hamish, hatte langes braunes, Haar, das sich auf den Schultern wellte, und sehr große braune Augen, in denen das Weiße etwas bläulich schimmerte. Ihr Mund war schmal, und ihre Zähne, von denen sie beim Lächeln sehr viel zeigte, schimmerten sehr weiß. Hamish schätzte sie auf Mitte vierzig. Ihr Mann, ein Hüne mit einem faltigen Gesicht, sah wie jemand aus, der kürzlich sehr viel abgenommen hatte. Seine Haut wirkte, als wäre sie zu groß für ihn, als hätte sie einmal einem viel dickeren Menschen gehört. Paul Thomas hatte kleine schwarze Augen, einen großen Mund und eine platte Nase. Hamish fühlte sich unwillkürlich an einen Chinesischen Faltenhund erinnert.

»Kommen Sie zurecht?«, fragte er.

»Wir tun unser Bestes«, antwortete Trixie seufzend. »Aber es ist so heiß. Wir haben diesen Umzugswagen geliehen, weil wir uns keine Möbelpacker leisten können, also müssen wir es wohl schaffen … irgendwie.« Ihre Augen wurden noch größer, ihre Mundwinkel bogen sich nach unten, und sie wedelte ratlos mit den Händen.

»Ich fasse mal mit an.« Hamish nahm seine spitze Mütze ab und rollte die Ärmel seines blauen Uniformhemds nach oben.

»Oh, würden Sie?«, hauchte Trixie. »Der arme Paul ist so hilflos.« Sie hatte eine leicht atemlose Stimme, und Hamish bemerkte einen Hauch von Cockney-Singsang.

Hamish blickte zu Paul, um zu sehen, wie es ihm gefiel, als »hilflos« bezeichnet zu werden, doch der Hüne lächelte freundlich.

Hamish war froh, sich von seinem Kummer ablenken zu lassen, und arbeitete fleißig. Paul und er luden Möbel, Krimskrams und Bücher aus, während Trixie im Haus umherging und ihnen zeigte, was wohin sollte.

»Wir brauchen mehr Möbel«, stellte sie fest. »Wir sind beide arbeitslos und haben beschlossen, hieraus eine Frühstückspension zu machen.«

»Tja, wenn Sie schnell sind, können Sie vielleicht schon an den Touristen im Juli und August verdienen«, sagte Hamish. »Und falls sie Secondhand-Sachen kaufen wollen, gibt es einen guten Laden drüben in Alness. Es ist ein bisschen weit …«

Trixies Mundwinkel wanderten abermals nach unten. »Wir haben nicht einen Penny mehr für Möbel übrig. Ich hatte gehofft, dass die Einheimischen vielleicht Sachen haben, die sie nicht mehr brauchen.«

»Vielleicht habe ich etwas, das ich Ihnen überlassen kann«, sagte Hamish. »Wenn wir fertig sind, kommen Sie zur Polizeistation, und ich bereite Ihnen erst mal etwas zu essen zu.«

Er bereute die Einladung in dem Moment, in dem sie ihm über die Lippen kam. Auch wenn er nicht die Spur eitel war, hatte er das Gefühl, dass Trixie mit ihm flirtete. Sie strahlte eine forsche Verführungslust aus, stieß Hamish immer wieder versehentlich an und lächelte ihm vielsagend zu. Und noch mehr bereute er seine Einladung, als das Paar in der Polizeistation war. Während er in der Küche das Essen zubereitete, schritt Trixie, ohne zu fragen, alle anderen Zimmer ab.

Bald darauf kam sie zurück, das Gesicht ein wenig gerötet und die Augen größer denn je. »Mir ist aufgefallen, dass Sie Ihren Kamin nicht benutzen«, sagte sie. »Und da ist so eine alte Kohlenschütte. Wir haben keine.« Sie lächelte betrübt. »Die konnten wir uns nicht leisten.«

Hamish hatte die Kohlenschütte von einer Tante geschenkt bekommen. Sie stammte aus dem achtzehnten Jahrhundert, hatte emaillierte Beschläge, und Hamish hing sehr an ihr. Trixies Augen schienen ihn zu verschlingen, und er war erstaunt, welche Anstrengung es ihn kostete, den Kopf zu schütteln und zu sagen: »Nein, die benutze ich den ganzen Winter über. Sie werden wohl kaum erwarten, dass ich während einer Hitzewelle den Kamin anfeuere.«

Nun inspizierte Trixie die Küchenregale. Sie nahm ein Glas selbst gemachte Marmelade herunter und studierte das Etikett. »Erdbeere! Sieh nur, Paul. Und selbst eingekocht. Ich liebe selbst gemachte Marmelade.«

»Nehmen Sie die mit, wenn Sie gehen«, sagte Hamish.

Trixie schlang die Arme um ihn. »Ist er nicht entzückend!«, rief sie aus.

Hamish entwand sich ihr und servierte das Essen auf dem Küchentisch.

Er entwickelte eine Abneigung gegen Trixie Thomas, wusste allerdings bisher nicht, warum die so schnell so stark wurde. Hamish wandte seine Aufmerksamkeit Paul zu. Der große Mann hatte erzählt, dass sie entschieden hatten, der Tretmühle der Stadt zu entfliehen und in die Highlands zu kommen, um dort vielleicht mit zahlenden Gästen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. »An dem Haus ist eine Menge zu machen«, sagte er. »Aber das sollte nicht allzu lange dauern, und dann dachte ich, dass ich einen Gemüsegarten anlegen könnte. Der Garten am Haus ist ziemlich groß.«

»Das Problem ist«, erklärte Hamish, während er seine Beine zur Seite streckte, um Trixie auszuweichen, die ihres immer wieder an seines drückte, »dass die letzten Sommer nicht sehr gut waren. Deshalb reisen die Leute lieber ins Ausland. Doch es gibt zum Glück immer noch Hartgesottene, die ihren Urlaub in Großbritannien verbringen.«

»Wir haben schon Anzeigen im Glasgow Herald und The Scotsman geschaltet, Werbung für die Unterkunft im Juli und August«, sagte Trixie.

Hamish fand es seltsam, dass das Paar so wenig Geld hatte, aber anscheinend einiges für Werbung ausgab. Und es war beinahe Ende Juni. Da müssten sie sich ordentlich ins Zeug legen, um rechtzeitig Gästezimmer bereitzuhaben.

Als sie aufstanden, um nach Hause zu gehen, sagte Trixie: »Ich möchte ja nicht lästig sein, aber falls Sie irgendwas an Möbeln haben …? Ich meine, es ist ja sowieso alles von der Regierung bezahlt.«

»Nur der Schreibtisch, der Stuhl, der Aktenschrank und das Telefon im Büro sind von der Polizeibehörde gestellt«, entgegnete Hamish. »Die Wohnräume habe ich möbliert. Ich habe jetzt keine Zeit, alles durchzusehen. Wenn ich irgendwas finde, sage ich Ihnen Bescheid.«

Ehrlich erleichtert geleitete er sie zur Haustür. Erst als er ihnen nachblickte, wie sie sich auf den Weg zum Willets-Haus machten, wurde ihm mit einem kleinen Schrecken bewusst, dass das Wetter umgeschlagen war. Die Luft fühlte sich feucht an, und ein dünner Wolkenschleier bedeckte die Sonne. Bedächtig ging Hamish um die Vorderseite der Polizeistation herum und blickte hinunter zum Loch.

Regenwolken trieben mit einem nasskalten Wind vom Meer herbei und malten lange Schatten auf das nun ölig schwarze Wasser.

Und prompt fielen die winzigen Stechmücken ein, diese Plage der Highlands. Während der langen Trockenperiode waren sie ausgeblieben, was eine Wohltat gewesen war. Jetzt jedoch kamen sie in Schwärmen herab und flogen Hamish in Augen und Nase. Fluchend rannte er zurück in die Küche, um die Tür von innen zuzuknallen.

Mit der Idylle war es vorbei. Das Wetter hatte gewechselt, Priscilla war mit einem Mann angereist, und dieses Paar war nach Lochdubh gezogen, um eine Atmosphäre von Unbehagen und Ärger zu verbreiten.

An diesem Abend setzte sich Dr. John Brodie zu einem üppigen Essen, das aus Steak und Pommes frites bestand. Seine Frau und er aßen am runden Küchentisch. Längst hatte Dr. Brodie die Hoffnung aufgegeben, den Tisch jemals freigeräumt zu sehen. Sein Teller war umgeben von Büchern, Zeitschriften und unbeantworteten Briefen. In der Obstschale vor ihm lagen Büroklammern, Haarnadeln, zwei Schraubenzieher, eine Tube Alleskleber und eine verschrumpelte Zitrone.

Ihm gegenüber saß seine Frau, ein Buch an die Weinflasche gelehnt. Dr. Brodie betrachtete Angela liebevoll. Sie hatte ein kluges, schmales Gesicht und große graue Augen. Ihr Haar, das so fein war wie das eines Babys, fiel ihr in die Augen, und sie hob eine kohleverschmierte Hand, um es nach hinten zu streichen. Dr. Brodie war ein zufriedener Mann. Er liebte seine kleine Praxis im Dorf, und obgleich er sich bisweilen wünschte, seine Frau Angela wäre ein wenig begabter in Haushaltsangelegenheiten, hatte er sich doch an sein chaotisches, vollgestelltes Zuhause gewöhnt. Angelas zwei Spaniels schnarchten unter dem Tisch, und der Kater Raffles stolzierte auf ihm herum.

»Raffles ist eben über deinen Teller gegangen«, bemerkte der Doktor.

»Ach, ist er? Husch, husch!«, sagte Angela gedankenverloren, schwenkte eine Hand und blätterte die Seite in ihrem Buch um.

»Im Willets-Haus wohnen neue Leute«, berichtete der Doktor, goss sich braune Soße auf sein Steak und gab Ketchup auf seine Pommes frites. Er zog die Weinflasche weg und schenkte sich ein Glas ein. Angelas Buch fiel um. »Ich sagte, dass neue Leute ins Willets-Haus gezogen sind.«

Der verträumte Blick seiner Frau richtete sich auf ihn. »Dann sollte ich morgen mal hingehen und sie begrüßen. Ich werde ihnen einen Kuchen backen.«

»Du wirst was? Seit wann kannst du Kuchen backen?«

Angela seufzte. »Ich bin keine sehr gute Hausfrau, was? Aber bei dieser Gelegenheit werde ich gut sein. Ich habe eine Backmischung gekauft, da muss ich bloß die Anleitung befolgen.«

»Wie du meinst. Priscilla Halburton-Smythe war heute in der Praxis, um ein Rezept für ihren Vater abzuholen. Hinterher ist sie gleich wieder weggefahren.«

»Und?«

»Nun, sie ist schon über eine Woche zurück und war noch nicht ein Mal auf der Polizeistation.«

»Armer Hamish. Warum gibt er es nicht auf? Er ist ein attraktiver Mann.«

»Priscilla ist eine sehr hübsche junge Frau.«

»Ja, nicht wahr?« Da war keine Spur von Neid in Angelas Stimme. »Vielleicht backe ich Hamish auch einen Kuchen.«

»Der Feuerlöscher ist über dem Herd, denk dran«, warnte ihr Mann sie. »Als du versucht hast, Marmelade einzukochen, ging alles in Flammen auf.«

»Das kommt nicht wieder vor«, sagte Angela. »Da muss ich irgendwie in Gedanken gewesen sein.«

Sie stand auf, öffnete den Kühlschrank und nahm zwei Glasschälchen mit Trifle heraus, das sie heute beim Bäcker gekauft hatte. Das Trifle bestand aus gummiartiger Vanillecreme, dünner rote Marmelade und Sahne-Ersatz. Der Doktor aß es dennoch mit Genuss, spülte es mit Chianti hinunter und zündete sich eine Zigarette an.

Er war in den Fünfzigern, ein schlanker, gepflegter kleiner Mann mit schütterem Haar, hellblauen Augen, Sommersprossen und stets in schäbigen Tweed gekleidet, sommers wie winters.

Nach dem Essen ging das Paar ins Wohnzimmer, während der Kater auf dem Küchentisch das schmutzige Geschirr beschnupperte.

Das Feuer war ausgegangen. Angela putzte den Kamin erst, wenn sich so viel Asche angesammelt hatte, dass man kein Feuer mehr anbekam. Nun kniete sie sich davor und begann, die graue Asche in einen Eimer zu schaufeln.

»Wozu die Mühe?«, fragte der Doktor. »Mach den elektrischen Kamin an.«

»Gute Idee«, sagte Angela. Sie stand auf, ließ die Asche im Kamin und stöpselte das Kabel ein, bevor sie das elektrische Feuer einschaltete. Das Cottage war alt, mit dicken Wänden und Steinfußböden. Dann kehrte sie zum Küchentisch zurück, tätschelte versonnen die Katze und nahm ihr Buch, mit dem sie ins Wohnzimmer ging, um weiterzulesen.

Der Doktor hatte gelernt, mit der dürftigen Haushaltsführung seiner Frau zu leben. Er wäre äußerst überrascht, wüsste er, dass Angela selbst oft meinte, es nicht länger zu ertragen.

Häufig nahm sie sich vor, sich mal an die Arbeit zu machen und alles gründlich zu putzen, nur um sogleich von einer dunkelgrauen Depression heimgesucht zu werden. Zum Entspannen hatte sie früher gern Frauenzeitschriften gelesen, doch die konnte sie mittlerweile nicht mehr sehen. All die Hochglanzbilder von blitzblanken Küchen und sauberen Vorhängen gaben ihr das Gefühl, hoffnungslos zu versagen.

Am nächsten Morgen jedoch, nachdem sie ihrem Mann das Frühstück zubereitet hatte – gebratene Blutwurst, Haggis, Bacon, Würstchen, Röstbrot und zwei Eier –, hob sich ihre Stimmung. Angela hatte einen Plan. Sie würde sich wie eine gute Ehefrau verhalten, einen Kuchen backen und ihn den neuen Nachbarn bringen.

Als sie die Anleitung auf der Packung der Backmischung las, überkam sie leider neuer, nicht zu knapper Verdruss. Wenn das eine Fertigmischung sein sollte, warum musste sie dann noch Eier, Salz und andere knifflige Sachen hinzufügen, die schon in der Packung sein sollten?

Sie suchte nach der Kuchenform, bis ihr wieder einfiel, dass die Hunde sie als Wassernapf benutzten. Angela schüttete das Wasser aus und stellte den Hunden stattdessen eine Suppenschale mit Wasser hin. Die Kuchenform wischte sie mit einem Stück Küchenpapier aus, fettete sie ein und stürzte sich in die Arbeit.

Am Nachmittag machte sie sich auf den Weg zu den Willets’ – nein, den Thomas’, erinnerte sie sich – und war mächtig stolz auf sich. Wie eine Krone auf einem Kissen trug sie einen Biskuitkuchen mit Sahnehaube vor sich her.

Um die alte viktorianische Villa herum herrschte reichlich Betrieb. Archie Maclean, einer der hiesigen Fischer, brachte einen kleinen Tisch ins Haus; Mrs. Wellington, die Pfarrersfrau, putzte die Fenster, und Bert Hook, ein Kleinpächter, war oben auf dem Dach und reinigte die Regenrinnen.

Die Haustür stand offen, also ging Angela hinein.

Eine hochgewachsene Frau kam auf sie zu. »Ich bin Trixie Thomas«, sagte sie. »Oh, was für ein wunderbarer Kuchen! Wir lieben Kuchen, aber da wir beide arbeitslos sind und von staatlicher Hilfe leben, müssen wir uns solchen Luxus verkneifen.«

Angela stellte sich vor und empfand eine neue Welle von Stolz, als Trixie erklärte: »Übrigens sind wir bereit für eine Kaffeepause. Wir essen den Kuchen jetzt gleich.«

Sie ging voraus in die Küche. Dort wusch Paul, ihr Mann, die Wände ab. »Das Einzige, was der arme Schatz kann«, murmelte Trixie bedauernd. Dann ergänzte sie lauter: »Liebling, hier ist die Frau des Arztes mit einem köstlichen Kuchen. Wir machen eine Pause und trinken Kaffee. Nehmen Sie doch Platz, Angela.«

Angela setzte sich an einen Tisch mit einer rot-weiß karierten Tischdecke. Schmeißfliegen summten an der Fensterscheibe. »Sie sollten sich ein Spray besorgen«, sagte Angela. »Diese Fliegen sind heute wieder furchtbar.«

»Ich finde, die Ozonschicht wurde schon ausreichend geschädigt«, erwiderte Trixie. »Was ich brauche, sind ein paar altmodische Fliegenpapierstreifen.«

Sie bereitete den Kaffee in etwas zu, das wie eine brandneue Maschine aussah. »Ich mahle die Bohnen selbst«, erklärte sie über die Schulter. Paul saß bereits am Tisch und beäugte den Kuchen wie ein gieriges Kind. »Aber nur ein kleines Stück, ja?«, ermahnte ihn seine Frau. »Du bist auf Diät.«

Angela beobachtete Trixie voller Bewunderung. Sie trug eine Art weißen Leinenkittel mit großen Taschen zu einer Jeans und Turnschuhen. Ihre Schuhe waren schneeweiß und hatten nicht mal einen winzigen Grasfleck. Angela zupfte unglücklich an ihrer verknitterten Bluse, die über den Bund ihres weiten Rockes gerutscht war, und kam sich ungepflegt vor.

»Na, dann wollen wir mal den Kuchen probieren«, sagte Trixie und trat mit einem Messer an den Tisch. Paul neigte sich vor und wartete gespannt.

Das Messer sank in den Kuchen. Trixie versuchte, ein Stück herauszuziehen, doch in der Mitte war der Biskuitboden noch roh. Gelbliche Kuchenmasse sickerte heraus.

»Ach du meine Güte!«, sagte Angela. »Den können Sie nicht essen. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Ich habe alles genau so gemacht, wie es auf der Packung stand.«

Paul winkte ab. »Ist schon gut. Ich esse den.«

»Nein, tust du nicht«, widersprach Trixie und warf Angela ein verschwörerisches »Männer!«-Lächeln zu.

»Ich bin ein hoffnungsloser Fall«, stöhnte Angela.

»Ach was. Ich zeige Ihnen, wie man einen Kuchen backt. Es ist genauso einfach, ihn gleich selbst zu machen anstatt mit einer dieser Backmischungen. Und es war doch eine reizende Idee.« Trixie schob den Kuchen außer Reichweite ihres Mannes. Der seufzte, stand auf und ging wieder an die Arbeit.

»Ich kann überhaupt nichts richtig machen«, sagte Angela. »Im Haushalt bin ich vollkommen nutzlos. Bei mir sieht es aus wie auf einer Müllhalde.«

»Wahrscheinlich haben Sie es zu lange schleifen lassen«, erklärte Trixie mitfühlend. »Warum holen Sie sich nicht jemandem zum Putzen?«