Hammer + Veilchen Nr. 19 -  - E-Book

Hammer + Veilchen Nr. 19 E-Book

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Beschreibung

Das Jahrbuch für 2018, am 15. März 2019 erschienen, enthält sämtliche Texte aus den 2018 erschienenen Ausgaben 15 bis 18 der im Vierteljahresrhythmus erscheinenden Online-Ausgaben der Flugschriften. Mehr siehe www.Hammer-und-Veilchen.de

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Seitenzahl: 41

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Inhaltsverzeichnis
Martin Jürgens
Nicht bei Trost
Maria Soulas
Drei merkwürdige Geschichten
Der Anruf
Kassensturz
Abschied
Andreas Greve
Segelboot oder Seenot tut gut
Cornelia Manikowsky
Kleine Geografien II.
Jörn Birkholz
Brückentag
Orla Wolf
Drei Texte
Im Innern der Frage
Das Meer über mir
Trichterfeld
Ronald Glomb
Neue Mikrogeschichten
Drohbriefträger
Kapriolen
Immer wieder
Mit spitzer Feder
Ein Komiker trainiert
Der Desillusionist
Theaterdonner
Die Autoren

Inhaltsverzeichnis

Martin Jürgens

Nicht bei Trost

Maria Soulas

Drei merkwürdige Geschichten

Der Anruf

Kassensturz

Abschied

Andreas Greve

Segelboot oder Seenot tut gut

Cornelia Manikowsky

Kleine Geografien II.

Jörn Birkholz

Brückentag

Orla Wolf

Drei Texte

Im Innern der Frage

Das Meer über mir

Trichterfeld

Ronald Glomb

Neue Mikrogeschichten

Drohbriefträger

Kapriolen

Immer wieder

Mit spitzer Feder

Ein Komiker trainiert

Der Desillusionist

Theaterdonner

Die Autoren

Impressum

Orientierungsmarken

Cover

Hammer + Veilchen

Flugschriften für neue Kurzprosa

Herausgegeben von Günther Emig und Peter Engel

Ausgabe 19 · 2019

Mit Beiträgen von Martin Jürgens · Maria Soulas · Andreas Greve · Cornelia Manikowsky · 

Jörn Birkholz · Orla Wolf · Ronald Glomb

Martin Jürgens

Nicht bei Trost

1

Sie kamen nicht vor neun und gingen nach elf. Wenn eben möglich, saßen sie am hinteren Ende des Tresens, nah beieinander: Ruhige Gespräche, während sie rauchten und tranken, er Bier, manchmal einen Brandy, sie Weißwein, er einen Kopf größer als sie, älter als sie, immer in einer alten schwarzen Lederjacke, das graue Haar gelichtet und zu einem Zopf gebunden, sie in Jeans und Pullover, im Winter in einem dunklen Anorak, er Taxifahrer, sie bis vor einigen Jahren Rechtsanwaltsgehilfin.

Manchmal saßen sie über einem Würfelspiel, das kaum einer kannte; »Kniffel« heißt es. Manchmal spielte er mit einem der Gäste – Mahmoud oder Kenny – Pool-Billard, und sie sah zu. Er hatte seinen eigenen Queue, schwarzes Holz mit Einlegearbeiten, den Marko in einem Schrank hinter dem Tresen aufbewahrte, und er liebte es kompliziert, machte es sich so schwer wie möglich: Zweimal über die Bande, auch wenn die Kugel schon ganz in der Ecke lag, bereit, eingelocht zu werden.

Er konnte unangenehm werden, wenn er Marko beim Zapfen beobachtete und sah, wie der, um den Vorgang zu beschleunigen, aus einem halbvollen Glas einen Rest Bier nachgoß. »Du beschädigst die Blume und merkst es nicht mal«, sagte er, »aber du solltest das wissen, als Wirt. Das ist wie Pfusch am Bau. Mach weiter so, und es schmeckt wie Pferdepisse!« Denkwürdig waren seine Abgänge in den Wintermonaten. Sie schon fast an der Tür, er wartete auf das Wechselgeld, ließ den Tresen los, setzte sich in Bewegung, faßte im Gehen lässig, fast wie zufällig die Heizung unter dem Fenster an, blieb stehen, ließ die Hand einen Moment liegen, drehte sich zu Marko um mit einem »Bist du bei Trost?« oder mit »Ich glaub, ich werd nicht mehr!«, schrak zusammen, als fröstele er plötzlich, sah auf seine Hände mit den blauen Adern unter der Haut, blickte wieder Marko an, und dann folgte seine von unterdrückter Wut bebende Schimpfkanonade: »Unglaubliche Frechheit« und »deine gottverdammte Sparmausigkeit« und »Da holst du dir ja den Tod« und ein oder zweimal, schon weniger heftig: »Wir gehen miteinander um, als komme es nicht drauf an.« Nach einiger Zeit nahm sie dann seine Hand und zog ihn zur Tür.

Irgendwann kamen sie seltener und dann, vor sieben Jahren, es war Winter, hieß es, er habe Krebs, dann, es sei Lungenkrebs und dann »Er ist jetzt im Krankenhaus«. Er starb im Frühsommer, und Marko sagte, er habe zur Beerdigung gehen wollen, am anderen Ende der Stadt, habe es aber zeitlich nicht geschafft. Man habe seine Asche in einem kleinen Birkenwäldchen verstreut, so was gebe es jetzt, sie sei dabei gewesen und sein Sohn, Herbert, und Klaus, einer der Thekenfreunde, früher bei den städtischen Reinigungsbetrieben und noch früher Veranstalter eines Rockfestivals an der Küste; auch er band sich die Haare zu einem Zopf zusammen.

2

Zwei oder drei Tage später. Es war jetzt auch am Abend warm, die Tür stand offen, es wurde dunkel, und ich sah über die Länge des Tresens hinweg nach draußen, nur einen Gedanken im Kopf: Zu viele Tote in den letzten Jahren, Elmar in seiner großen weißen, fast leeren Wohnung in Hamburg, Herbert, dem innerhalb eines Jahres die Muskeln versagten nach und nach, Axel, der sich bis zum Ende mit seiner Freundin gestritten hatte, heillos, Anja, der die zweite Ersatzniere nicht mehr half, als der Krebs kam, und dann René in dem Städtchen in der Provence mit dem schnell fließenden Fluß, in dem die Forellen schwammen und weg waren, ehe man zum zweiten Mal hinsah, und die letzte Frage des Arztes in der Klinik – »Voulez-vous dormir, Monsieur?«