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Süchtige Jugendliche – Was können Eltern tun? - Autor schreibt aus langjähriger Erfahrung als Therapeut süchtiger Jugendlicher - Der erste umfassende Elternratgeber - Mit zahlreichen Materialien, die auch in der Jugend-Suchthilfe eingesetzt werden können Alkohol, Cannabis, Ecstasy, Crystal Meth & Co. sind für fast alle Jugendlichen heute leicht erreichbar, und nicht wenige geraten in eine Abhängigkeit, aus der schwer wieder herauszufinden ist. Besorgte, oder auch alarmierte Eltern finden hier Antworten auf ihre zentralen Fragen: Woran erkenne ich, dass mein Kind konsumiert? Wie harmlos oder schädlich sind die verschiedenen Suchtmittel? Sind Langzeitschäden für Körper, Gehirn und Psyche zu erwarten? Was braucht mein Kind? Eltern oder andere Bezugspersonen und auch der betroffene Jugendliche selbst verstehen durch die Lektüre, was das Suchtmittel leistet und welche Bedürfnisse dadurch befriedigt werden: ein wichtiger Ansatzpunkt, um miteinander ins Gespräch zu kommen und Behandlungsschritte einzuleiten. Nicht zuletzt hängt es von den Eltern und anderen aufmerksamen Erwachsenen, ihrem Verhalten und ihrer Unterstützung ab, ob die Befreiung von der Sucht gelingt. Dieses Buch richtet sich an: - Eltern von suchtgefährdeten oder abhängigen Kindern und Jugendlichen - andere Bezugspersonen und BetreuerInnen
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Seitenzahl: 143
Florian Bredt
Harmlos oderbrandgefährlich?Suchtmittelkonsum bei Jugendlichen
Was für Eltern und Betroffene wichtig ist
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Printausgabe: ISBN978-3-608-86133-4
E-Book: ISBN 978-3-608-12126-1
PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20498-8
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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1 Einleitung
2 Zahlen und Fakten
3 Wann spricht man von Abhängigkeit, wann von schädlichem Gebrauch? – Diagnostische Kriterien
3.1 Schädlicher Gebrauch
3.2 Abhängigkeit
3.2.1 Starkes Verlangen nach Substanz
3.2.2 Verminderte Kontrolle über Substanzkonsum
3.2.4 Toleranzentwicklung
3.2.5 Einengung der Interessen auf Substanzkonsum
3.2.6 Anhaltender Konsum trotz schädlicher Folgen
4 Fallbeispiele
4.1 Fallbeispiel Nico, 16 Jahre
4.2 Fallbeispiel Lucie, 17 Jahre
4.3 Fallbeispiel Tim, 14 Jahre
4.4 Fallbeispiel Malte, 15 Jahre
5 Wie entsteht eine Sucht?
5.1 Soziologisches Modell
5.2 Verhaltensmodell
5.3 Modelllernen
5.4 Trias-Modell
5.5 Intrapsychisches Modell
6 Kurzfristig positive Wirkungen der Suchtmittel
7 Warum es so schwer ist, sich aus einer Sucht zu befreien
7.1 Suchtverlagerung
7.2 Die Angst vor dem Danach
8 Risiko- und Schutzfaktoren
8.1 Risikofaktoren
8.2 Schutzfaktoren
9 Suchtmittelkonsum und die längerfristigen Folgen
9.1 Auswirkungen auf das Gehirn
9.2 Auswirkungen auf den Körper
9.3 Auswirkungen auf das soziale Miteinander
9.4 Auswirkungen auf Schule und Ausbildung
9.5 Auswirkungen auf die Psyche
10 Suchtmittel – Wirkungen, Nebenwirkungen und Folgewirkungen
10.1 Alkohol
10.2 Cannabis
10.3 Amphetamine
10.4 Kokain
10.5 Opiate (Heroin)
10.6 Medikamente (Benzodiazepine)
10.7 »Partydrogen« Ecstasy und
LSD
10.8 Crystal Meth
10.9 Pilze
10.10 Klebstoff, Deo und Co.
10.11 Legal Highs / Neue psychoaktive Substanzen
11 Begleiterkrankungen
11.1 Depression
11.2 Störung des Sozialverhaltens
11.3 Angststörungen
11.4 Posttraumatische Belastungsstörung
11.5 Psychotische Störungen
12 Co-Abhängigkeit
13 Was können Eltern tun?
13.1 Anzeichen einer möglichen Sucht
13.2 Sucht ist eine Krankheit – Umgang mit Enttäuschungen
13.3 Drogenfund, was tun?
13.4 Bleiben Sie ruhig – Suchen Sie Hilfe
13.5 Zeigen Sie Interesse
13.6 Seien Sie klar und deutlich
13.7 Bieten Sie Alternativen an
13.8 Seien Sie ein Vorbild
14 Wie kann ich als Freund helfen?
15 Was kann ich selbst tun? – Tipps für Betroffene
16 Ein Rückfall, und jetzt?
17 Psychotherapeutische Hilfen
17.1 Erstgespräch und Diagnostik
17.2 Einzeltherapie
17.3 Elternarbeit
17.4 Schweigepflicht
17.5 Herausforderungen bei der Behandlung konsumierender Jugendlicher
18 Welche Hilfe zu welchem Zeitpunkt?
19 Hilfsangebote – Ein Überblick
Internetseiten:
20 Begriffserklärungen
Literatur
Bücher
Zeitschriften
Internetseiten
Anhang
Arbeitsblatt 1: Sechs Soforthilfemaßnahmen für Betroffene
Arbeitsblatt 2: Abstinenzvertrag
Arbeitsblatt 3: Liste positiver Aktivitäten (Alternativen)
Arbeitsblatt 4: Persönlicher Notfallplan
Arbeitsblatt 5: Notfallkarte
Arbeitsblatt 6: Fragebogen Cannabiskonsum
Arbeitsblatt 7: Fragebogen Alkoholkonsum
Arbeitsblatt 8: Fragebogen Co-Abhängigkeit für Eltern
Arbeitsblatt 9: Rückfallprotokoll
Arbeitsblatt 10: Suchtdrucktagebuch
Kontakt zum Autor
Der Konsum von Suchtmitteln bei Jugendlichen ist ein ernst zu nehmendes Thema. Ein nicht geringer Teil der Jugendlichen konsumiert legale oder illegale Suchtmittel, zumindest haben sie Suchtmittel schon einmal ausprobiert.
Der Konsum von Alkohol ist rückläufig, dafür ist der Konsum von Cannabis deutlich zunehmend in den letzten Jahren. 2018 hatten ca. 10% der 12–17-Jährigen schon einmal Cannabis ausprobiert (vgl. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung beim Bundesministerium für Gesundheit 2019).
Die Diskussion über die Legalisierung von Cannabis verharmlost aus meiner Sicht dessen Konsum. In letzter Zeit fordern z. B. Parteien wie SPD, Grüne, FDP und Linke die Freigabe von Cannabis (Bundestag 22.2.2020). Unterstützung finden sie dabei von Künstlern und Schauspielern (WAZ 22.5.2020) – natürlich nur für Erwachsene. Was für Erwachsene vielleicht möglich ist, lässt schwerwiegende Folgen für Jugendliche außer Acht. Ich möchte mich aber in diesem Ratgeber nicht nur auf den Cannabiskonsum konzentrieren, sondern auf alle wichtigen Suchtmittel (ausgenommen sind hier unter anderem Tabak- und Koffeinkonsum).
Aufgrund meiner langjährigen Arbeit mit abhängigen Jugendlichen erscheint es mir sehr wichtig, sich mit den Wirkungen, Folgen und auch den langfristigen Nebenwirkungen des Konsums bei Heranwachsenden zu beschäftigen, da sie deutlich gravierendere Konsequenzen für Jugendliche haben, als man ahnt.
Aber auch die kurzfristig positiven Effekte der Suchtmittel sollen nicht vernachlässigt werden, da dadurch ein besseres Verständnis für deren Attraktivität aufgebaut werden kann und so Hilfen besser und effizienter ansetzen können.
In meiner praktischen Arbeit mit abhängigen Jugendlichen bzw. von Abhängigkeit bedrohten Jugendlichen und deren Familien kamen ich und unser Behandlungsteam immer wieder an unsere Grenzen. Auch fragten Eltern bzw. Angehörige immer wieder, wie sie mit dem Jugendlichen umgehen sollten.
In meiner Beratung von Wohngruppen war Suchtabhängigkeit und der Umgang damit ebenfalls immer wieder ein Thema. Da es für Eltern und Angehörige keine empfehlenswerte Literatur gab, entwickelte ich die Idee eines praktisch orientierten Ratgebers, der sich speziell mit dem Thema Suchtmittelkonsum bei Jugendlichen befasst.
Der Ratgeber unterteilt sich in einen theoretischen und einen praktisch orientierten Teil. Zunächst geht es um ein allgemeines Verständnis von Sucht, Abhängigkeit und schädlichem Gebrauch, bevor die Auswirkungen an Fallbeispielen dargestellt werden. Im weiteren Verlauf wird auf die einzelnen Suchtmittel, deren Wirkweise auf den Jugendlichen und auf die häufigsten begleitenden Erkrankungen eingegangen. Abgeschlossen wird das Buch mit einem praktischen Teil zum Umgang mit betroffenen Jugendlichen. Hierbei erhalten Eltern, Angehörige, Pädagogen und MitarbeiterInnen in Suchteinrichtungen praktische Hinweise. Auch für die Jugendlichen selbst sind konkrete Tipps für ein abstinentes Leben und zur Abwendung von Rückfällen beschrieben. Im Anhang befinden sich Arbeitsblätter zu verschiedenen Kapiteln des Buches, die zu einer Selbsteinschätzung und zur Arbeit mit den Jugendlichen dienen können.
Dieser Ratgeber muss nicht von vorne bis hinten gelesen werden. Beginnen Sie mit den für Sie relevanten Kapiteln und wählen Sie aus, was Sie interessiert. Sie erwerben hiermit theoretisches und anwendungsbezogenes Wissen, das sicherlich hilfreich ist, um betroffenen Jugendlichen gut und angemessen helfen zu können.
Nach jahrelanger Arbeit mit konsumierenden Jugendlichen und den damit verbundenen positiven, aber auch schwierigen Erfahrungen war es mir eine Herzensangelegenheit, diesen Ratgeber zu schreiben. Ich wünsche mir, dass den Jugendlichen durch dieses Buch schneller und angemessener geholfen werden kann und dass Eltern, Angehörige und Pädagogen besser verstehen, was in dem oder der Heranwachsenden vorgeht und dadurch passgenaue Unterstützung anbieten können.
Es wäre schön, wenn Erwachsene und Jugendliche selbst mit diesem Ratgeber gemeinsam einen Schritt in Richtung Abstinenz gehen könnten. Abstinenz bedeutet ja nicht mehr Einschränkungen, sondern mehr Leben. Für jeden einzelnen Jugendlichen, der hierdurch Hilfe erfährt, hat sich dieser Ratgeber schon gelohnt.
Noch zwei Anmerkungen zum Lesen des Buches:
Der einfacheren Lesbarkeit wegen spreche ich in dem Ratgeber von Eltern. Damit gemeint sind aber alle Personen, die privat oder beruflich mit Jugendlichen zu tun haben, die Suchtmittel konsumieren.
Ebenso verwende ich im Text meist eine inklusive Sprache. Wo dies nicht möglich ist, habe ich die männliche Form für eine bessere Lesbarkeit des Textes gewählt.
In meiner langjährigen Tätigkeit in der Entgiftungsbehandlung von Jugendlichen habe ich viele abhängige und von Abhängigkeit bedrohte Jugendliche behandelt. Die meisten kamen mit Cannabiskonsum in die stationäre Aufnahme, gefolgt von Jugendlichen mit Alkoholkonsum und Jugendlichen mit Amphetaminkonsum.
In den letzten 10–15 Jahren ist der Konsum von Opiaten deutlich zurückgegangen. Dies könnte an guter Aufklärungsarbeit liegen, an den doch kaum einschätzbaren »Nebenwirkungen« des Opiatkonsums und dem deutlich höheren Preis gegenüber Cannabis. Auch scheint die Verfügbarkeit von Cannabis deutlich zugenommen und die von Opiaten abgenommen zu haben.
Wenn wir nun einmal die Zahlen (von 2018) genauer betrachten, sehen wir, dass ca. 10 % der 12–17-Jährigen schon einmal Cannabis probiert haben. Die Tendenz ist seit 2011 wieder steigend (vgl. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung beim Bundesministerium für Gesundheit 2019).
Eine große Problematik beim Cannabis ist der zunehmende THC-Gehalt der Pflanzen (durch die Weiterentwicklung und Zucht der Pflanze), was zu deutlich stärkeren Wirkungen – aber auch Nebenwirkungen – bei den Konsumenten führt. Dazu wird im Drogenbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung beim Bundesministerium für Gesundheit (2019) Folgendes berichtet:
»In den vergangenen Jahrzehnten ist der THC-Gehalt des auf dem Drogenmarkt verfügbaren Cannabis weltweit stark angestiegen. Dies gilt auch für Deutschland. Hier lag der Medianwert des polizeilich sichergestellten Haschisch im Jahr 1996 bei 4,9 Prozent und hat sich bis 2018 mit 16,7 Prozent mehr als verdreifacht.«
Aus Sicht der Praktiker könnte sich dadurch auch die Anzahl der Jugendlichen in Entgiftungsbehandlungen erhöhen bzw. erhöht haben, die unter einer drogeninduzierten psychotischen Störung leiden.
Der Alkoholkonsum scheint derzeit eher rückläufig zu sein. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung beim Bundesministerium für Gesundheit (2019) berichtete: »Die neuen Studienergebnisse zeigen, dass aktuell 8,7 Prozent der Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren regelmäßig, das heißt mindestens einmal wöchentlich, Alkohol konsumieren. Das ist ein historisch niedriger Stand. In dieser Altersgruppe lag der Wert im Jahr 2004 noch bei 21,2 Prozent.«
Der Konsum anderer illegaler Suchtmittel erscheint eher gering unter Jugendlichen. Hier wären noch der Konsum von Amphetaminen, LSD und Ecstasy zu erwähnen. Die Problematik in Bezug auf Crystal Meth scheint eine regionale zu sein. Es gibt Kliniken, in denen die Behandlung wegen Crystal Meth deutlich zugenommen hat, und Kliniken, in denen so gut wie keine Patienten wegen Crystal Meth gesehen werden.
Allgemein ist festzustellen, dass es dringend notwendig ist, sich mit der Suchtproblematik bei Jugendlichen zu befassen. Ein nicht unerheblicher Teil der Jugendlichen konsumiert Suchtmittel und erkrankt daran. Die Auswirkungen auf Jugendliche und deren Entwicklung können sehr gravierend sein, da sie sich ihre Zukunft verbauen, soziale Verbindungen beschädigen und ihre Lebensfreude und Neugier auf die Welt der Arbeit und das Erwachsenenleben eher ab- als zunimmt.
In diesem Kapitel möchte ich Ihnen kurz die diagnostischen Kriterien für schädlichen Gebrauch und Abhängigkeit erläutern. Dies soll dazu dienen, dass Sie für sich eine erste Einschätzung treffen können, wie betroffen Ihnen der Jugendliche erscheint bzw. der Jugendliche für sich selbst einschätzen kann, wie betroffen er ist. Ich weise aber ausdrücklich darauf hin, dass es sich dabei um eine erste Einschätzung handelt und eine Diagnose nur durch eine Fachperson (Psychotherapeut, Psychiater, Arzt) vergeben werden darf. Sollten Sie den Verdacht auf eine gravierende Problematik haben, wenden Sie sich bitte an eine Fachperson.
Auch Selbsttests im Internet können nur eine erste Tendenz aufzeigen. Solche Selbsttests findet man z. B. unter www.drugcom.de/selbsttests. Bei Auffälligkeit sollte man sich auf jeden Fall an eine Fachstelle wenden.
Eltern fragen sich manches Mal: Welcher Zeitpunkt ist der richtige, um Fachleute einzubeziehen? Oftmals wird der Zeitpunkt zu weit nach hinten geschoben, weil Scham und Vermeidung der Auseinandersetzung mit dem Betroffenen Zurückhaltung bewirken. Laienhaft ausgedrückt ist der schädliche Gebrauch eine »Vorstufe« zur Abhängigkeit. Aus meiner praktischen Erfahrung heraus ist ein frühes fachliches Abklären sinnvoll, und bei einem schädlichen Gebrauch bei Jugendlichen sollte bereits über eine Therapie nachgedacht werden, um so die Entwicklung einer Abhängigkeit zu verhindern.
Um von einem schädlichen Gebrauch zu sprechen, müssen bestimmte diagnostische Kriterien nach dem ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten) erfüllt sein. Nach Remschmidt et al. (2006) gehören folgende Kriterien dazu:
Deutlicher Nachweis, dass Substanzgebrauch verantwortlich für das körperliche oder psychische Problem ist.
Eine Schädigung, z. B. eine psychische oder körperliche Erkrankung, muss klar bezeichnet werden können.
Konsum besteht seit mindestens einem Monat oder wiederholt in den letzten 12 Monaten.
Es besteht keine andere psychische Störung auf Grund der Substanz, z. B. eine Abhängigkeit.
Jugendliche können also eine ernsthafte und behandlungsbedürftige Störung haben. Es gibt bereits »Schäden«, und in dieser Phase des Konsums gilt es, diese Schäden zu minimieren. Die Chancen, langfristig abstinent zu leben und keine Schäden zu behalten, sind zu diesem Zeitpunkt für Jugendliche noch recht gut.
Im oberen Abschnitt haben wir gesehen, wann von einem schädlichen Gebrauch gesprochen wird und dass dieser bereits zu einer Behandlung führen sollte. Somit ist auch klar, dass eine Abhängigkeit dringend zu einer Behandlung, empfehlenswert wäre eine stationäre Aufnahme, führen sollte.
Wir sprechen hier von Abhängigkeit und nicht von Sucht. »Da ›Sucht‹ mit sehr negativen Bewertungen verbunden war und es keine Abstufung des Störungsgrades gab, hat die Weltgesundheitsorganisation 1964 empfohlen, das Wort ›Sucht«‹durch den neutraleren Begriff ›Abhängigkeit« zu ersetzen.‹ (Schneider 2010) Remschmidt et al. (2006) führen folgende Abhängigkeitskriterien auf: Es müssen drei oder mehr der folgenden Kriterien über mindestens einen Monat bestehen oder innerhalb der letzten 12 Monate wiederholt bestanden haben.
Starkes Verlangen nach dem Suchtmittel.
Verminderte Kontrolle über den Konsum (Beginn, Menge, Beendigung etc.).
Körperliche Entzugssymptome beim Nicht-Konsum.
Toleranzentwicklung: Für den gleichen Effekt muss immer mehr desselben Suchtmittels konsumiert werden.
Einengung auf den Konsum und dadurch Vernachlässigung anderer wichtiger Aufgaben oder Interessen, z. B. Schule oder Hobbys.
Anhaltender Konsum trotz Schädigung (psychisch, sozial oder körperlich).
Es wird hier deutlich, dass eine Abhängigkeit keine »Kleinigkeit« ist, sondern gravierende Auswirkungen auf den Jugendlichen hat. Eine Abhängigkeit bleibt auch nach einer erfolgreichen Behandlung bestehen. Der Jugendliche erhält aber ein großes Maß an Selbstbestimmung und erweitert seine Lebensmöglichkeiten, auch wenn er sein Leben lang gut auf sich achten muss, um nicht wieder rückfällig zu werden. Eine passende Faustregel zu Abhängigkeit lautet:
»Abhängig ist, wer den Konsum einer psychisch wirksamen Substanz nicht beenden kann, ohne dass unangenehme Zustände körperlicher oder psychischer Art eintreten, oder wer den Konsum des Suchtmittels nicht einstellen kann, obwohl er sich oder anderen immer wieder schweren Schaden hinzufügt.« (Lindenmeyer 2005 a)
Das Verlangen nach Substanzen ist häufig schon ein zwangartiges Verhalten. Der Jugendliche fühlt einen starken Drang, Substanzen konsumieren zu müssen. Er ist damit beschäftigt, wie er an Suchtmittel kommt und wie und wo er sie einnehmen kann. Häufig scheinen diese Jugendlichen in der Schule oder in Gesprächen abgelenkt zu sein. Besteht eine Abhängigkeit, kann in solchen Situationen davon ausgegangen werden, dass sie sich gedanklich mit ihrem Konsum beschäftigen.
»Fallbeispiel Alex, 16 Jahre:
Alex konsumiert seit längerer Zeit schon Cannabis. Derzeit hat er aber nichts zur Verfügung und sein Dealer teilt ihm mit, dass er aktuell auch nichts hat. Alex sitzt im Schulunterricht, und der Lehrer nimmt ihn dran. Alex bekommt das nicht mit, weil er in Gedanken gerade plant, wie er wieder an Cannabis kommt. Er kann sich nicht auf den Unterricht konzentrieren.
Dem Lehrer ist dies schon häufiger aufgefallen, auch, dass Alex seine Hausaufgaben selten macht und die Klassenarbeiten immer schlechter ausfallen. Alex hat scheinbar keine Kraft, diese Situation zu ändern. Auch der Wunsch des Lehrers, mit den Eltern zu sprechen, wird von Alex nicht weitergegeben. Erst nach einem Telefonat kommen die Eltern in die Schule und erfahren erstaunt, dass die Leistungen ihres Sohnes abgenommen haben.
Zunächst scheinen die Jugendlichen ihren Konsum unter Kontrolle zu haben. Diese Kontrolle lässt mit der Entwicklung einer Abhängigkeit nach und geht verloren. Das Suchtmittel hat dann die Kontrolle über den Jugendlichen.
Der Jugendliche richtet sich dementsprechend nach seinem Suchtempfinden, wann und wie viel er konsumiert. Er verliert die Kontrolle über Beginn, Menge und Beendigung des Konsums. Der Konsum bestimmt nun seinen Tagesablauf.
»Fallbeispiel Linda, 14 Jahre:
Linda trinkt seit einiger Zeit regelmäßig Alkohol. Zunächst trank sie mit älteren Freunden ab und zu mal am Wochenende oder abends unter der Woche. Linda trank Mischgetränke und auch Schnaps. Irgendwann traf sie sich dann jeden Abend mit diesen Freunden und sie tranken gemeinsam Alkohol. Linda hatte das Gefühl, ohne Alkohol nicht schlafen zu können und trank manchmal, wenn sie nicht verabredet war, heimlich alleine in ihrem Zimmer. Da die Schule zu dieser Zeit stressig war und sie das nicht gut aushielt, trank sie auch schon vor der Schule und in den Pausen.
Wollen Jugendliche wieder ohne Suchtmittel leben, können Entzugssymptome auftreten. Das geschieht dann, wenn das Suchtmittel nicht in ausreichender Menge konsumiert wird oder nicht konsumiert werden kann.
Entzugssymptom bedeutet Folgendes: »Der Körper signalisiert, dass er den ›Stoff‹ braucht, um seine Aufgaben erfüllen zu können. Das Körpergefühl ist erst dann normal, wenn das Suchtmittel im Körper vorhanden ist. Hingegen fühlt sich der Betreffende unwohl, wenn er ohne seinen ›Stoff‹ auskommen muss.« (Schneider 2010)
Entzugssymptome sind je nach Suchtmittel unterschiedlich. In der Praxis sehen wir häufig Unruhezustände, Zittern, Schwitzen, Schlafstörungen und Ängste. Es kann aber auch zu Erbrechen, Krampfanfällen, Muskelschmerzen etc. kommen. In jedem Fall wird fachlich abzuklären sein, ob die Symptome im Zusammenhang mit dem Entzug des konsumierten Suchtmittels stehen.
»Fallbeispiel Max, 17 Jahre:
Max konsumiert schon seit längerer Zeit Amphetamine. Er nimmt diese schon vor der Schule und auch während der Unterrichtszeit ein. Auf eine Klassenfahrt über mehrere Tage hatte er nicht genug Amphetamin mitgenommen und konnte sich auch keine besorgen. Er wurde unruhig, schwitzte vermehrt, fühlte sich unwohl und weniger leistungsfähig. Diese Symptome ließen erst nach, als er wieder zu Hause war und konsumieren konnte.