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Der Sultan hat die 33 Perlen seiner Gebetskette in Baklava versteckt und diese in der Stadt verteilt. Wer sie alle findet, wird in seinen Palast eingeladen, erhält einen lebenslangen Vorrat an Baklava und darf seine berühmte Baklava-Fabrik besichtigen. Hasan, ein Junge, der bei seiner Stiefmutter lebt, träumt davon, sich an Baklava satt zu essen und jede einzelne Perle zu entdecken. In diesem Märchen verschmelzen süßeDer Legende nach hat der Sultan 33 Leckereien mit Geschichten und Figuren aus Religion, Politik, einem fiktiven Osmanischen Reich und dem Erwachsenwerden zu einem lustigen Abenteuer.
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Seitenzahl: 71
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Hasan und die Baklavafabrik
I
Elifa Shafiku
Copyright © 2025 Elifa ShafikuAlle Rechte vorbehalten / All rights reservedDieses Werk ist Fiktion. Namen, Charaktere, Orte und Ereignisse sind entweder Produkte der Fantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Ereignissen oder Personen, lebend oder tot, ist rein zufällig.This is a work of fiction. Names, characters, places, and incidents are either products of the author’s imagination or are used fictitiously. Any resemblance to actual events or persons, living or dead, is entirely coincidental.
März / March 2025
“Bayram Mubarak! Bayram Mubarak!”, grüßten sich die Menschen zum Zuckerfest nach dem Gebet. Hasan, der kleine, drahtige Junge, sprang barfuß die steilen Gassen hinunter, stolperte und hüpfte wie ein Ball von Stein zu Stein. “Baklava, Baklava, Baklava!”, rief er laut und voller Freude. Die neuen Sandalen, fest an seine Brust gepresst, durften nicht mitspringen – ein Riss, und die Stiefmutter würde ihn mit dem Holzpantoffel bestrafen.
Sein Geburtstag fiel mit dem Zuckerfest zusammen, wie bei den anderen Jungen, die auch johlend und lachend durch die Gassen stürmten. Meryeme fehlte. Sicher half sie ihrer Mutter Haneme Hikyam bei Familienbesuchen. Er dachte kurz an Meryemes zarte Hände, die den Gästen geschickt Lokum und dampfenden Tee reichten. Doch er schüttelte den Gedanken ab und rannte weiter, zu Mehmet, dem Bäckermeister.
Mehmets Laden war überfüllt. Hasan reihte sich in die Schlange ein und sog tief den süßen Duft von Baklava, Lokum und Tulumba ein. Die Menschen drängten sich, die Arme voller Süßigkeiten. Orhan, der Narr, blockierte fast die Tür mit seinem klobigen Körper. Mit klebrigen Fingern stopfte er ein Stück Baklava oder Lokum in seinem zahnlosen Mund, das er den scheidenden Gästen abluchste. Kadaif rührte er seit jenem Tag nicht mehr an, als Armir ihm Heu mit Pferdepisse statt Kadaif mit Sirup unterjubelte.
Hasan hörte plötzlich draußen ein ohrenbetäubendes Trommeln. Die Menge verließ den Laden, und er eilte ebenfalls hinaus. Die Herolde des Sultans verkündeten lautstark, begleitet vom Gesang und dem Derwischtanz der rot gekleideten Fabrikmitarbeiter und der Leibgarde des Sultans:
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“O Millet!Volk der Süßen,folgt dem Sultan,er sei gepriesen!Hört nun zu,was er euch sagt:33 Perlensind verteilt,versteckt sind sieim Baklava,in der Stadt,überall.Findet sieund bringt sie her,ihr werdet reichund glücklich sein.Der Sultan lädt euchzum Festmahl ein,in seinen Palast,mit Baklava.Gratis, Bedava,bis zum Tod,Inshallah.”
Die Menge verließ Mehmets Laden und stürmte jubelnd in den Baklava-Läden des Sultans, “Versüßte Träume”. Auch Hasan rannte aus Mehmets Laden heraus. Mehmet rief den Kunden, die nun draußen überrascht standen, hinterher. Hasan nahm seinen einzigen Piaster, drängte sich durch die Menge und kaufte sich ein Stück Baklava. Er biss hinein, mit einem Funken Hoffnung auf eine Perle. Er fand nur Pistazien und Honig, war aber dennoch froh, denn es schmeckte köstlich. Danach schlenderte er durch die Gassen, wo Kinder mit Baklava in ihren klebrigen Händen spielten. Er sah wie eine Mutter mit ihren Kindern schimpfte. Sie küsste sie anschließend beide und er dachte an seiner Stiefmutter, die ihn nie küsste.
Sie war hart zu ihm, wahrscheinlich weil sie arm waren und sie jeden Tag von früh bis spät in einem Hamam arbeitete, wo er sie manchmal begleitete. Er glaubte, dass seine Stiefmutter aus einem fernen Land stammte, denn sie ging nicht in die Moschee, trug kein Kopftuch, sprach fremde Sprachen und warnte ihn mit Geschichten von toten und übelgerichteten Straßenbanditen. Seine Mutter kannte er nicht, und an seinen Vater konnte er sich kaum erinnern. Nur Arnaut Kabadayi war gut zu ihm; der gefürchtete Gangster in ganzer Arnautkoy gab ihm manchmal Geld oder Süßigkeiten. Er merkte, dass die Kinderbanden, die einem das Baklava oder das Burek aus dem Mund rissen, ihn deshalb nicht hänselten.
Hasan ging langsam durch die Gassen, klopfte mit einem Stock an die Wände und träumte von den 33 Perlen der Gebetskette, der Eintrittskarte in den Sultanspalast, wo die größte Baklava-Fabrik der Welt stand. Dort könnte er endlich satt werden. In die Berge von Baklava, Kadaif und Tulumba eintauchen. Er würde albanische Boza und Ayran in Strömen trinken, um Platz für noch mehr Süßes zu schaffen. Selbst seiner Stiefmutter wollte er etwas mitbringen. Vielleicht würde sie dann süßer und sanfter werden, weniger mürrisch sein und ihm nicht länger jene gruseligen Geschichten erzählen, die ihm Albträume bereiteten.
Wie diese Geschichte mit Ishmael Kardryni, einem Dichter und Leibgardisten des Sultans, der den Alltag des Sultans in Versen festhielt und niederschrieb – vielleicht sogar, wenn er ins Hamam ging oder die Toilette aufsuchte. Es hieß, er habe den Sultan danach verraten und dessen Baklava gestohlen. Dennoch glaubte Hasan kein Wort davon, dass Kardryni an einem riesigen Stück Baklava erstickt sei. Vielleicht hatten Sultans Spionen ihn vergiftet oder ihm einen Dolch in die Kehle gerammt. Zuvor soll er einen Berg Baklava verschlungen haben, bis Sorbet statt Blut durch seine Adern floss. So gestärkt habe er eine Garnison Janitscharen niedergemetzelt, dem Sultan zehn Haremsfrauen entrissen und sie durch einen selbstgegrabenen Tunnel aus dem Baklava-Palast geschmuggelt. Hasan runzelte die Stirn. Nein, das musste der Sultan gewesen sein, der ihn heimtückisch ermordet hatte. Ein Baklava konnte doch niemanden töten – das schmolz doch auf der Zunge! Außer vielleicht es war eine Helvasi oder Hasuda. Diese albanischen Burschen schaufelten so viel Hasuda in sich hinein, dass sie beim Laufen Hals und Schultern strecken mussten, um nicht zu ersticken. So sann Hasan und leckte sich die Lippen, als ein leises Flüstern sein Ohr streifte.
“Hasan, mein Sohn, komm her!”
Hasan drehte sich um und sah den alten Wucherer, der einen Antiquitätenladen betrieb. Ein schräger Typ, das wusste jeder. Er lockte die Straßenkinder mit Süßigkeiten und verlangte dann das Vier- oder Fünffache zurück. Ob in Bonbons oder Trödel, oder etwas Finsterem, das wusste er nicht. Seine Stiefmutter hatte Hasan strickt verboten, mit ihm zu reden.
“Komm her, mein Junge, ich habe etwas für dich”, rief Nathan, klein und gebückt in seinem langen Kaftan, halb hinter der Ladentür verborgen. Hasan zögerte. Seine Stiefmutter, diese alte Hexe, würde es herausfinden, wenn er etwas Verbotenes tat. Ihre spitzen Ohren fingen alles auf, was in der Nachbarschaft gesprochen oder getan wurde. Und sie hasste den Wucherer. Vielleicht, weil sie seine Sprache verstand; er stammte aus dem Land der Griechen, war aber weder Grieche noch Albaner, so sagte sie.
“Komm schon! Siehst du das?” Der Wucherer schüttelte eine Gebetskette vor sich hin, deren Perlen leise klackerten. “Hier versteckt sich eine echte Perle aus der Gebetskette des Sultans, mein Junge. Eine Perle! Die Eintrittskarte zur Baklava-Fabrik des Sultans. Willst du nicht in die Baklava-Fabrik?”
“Sind die echt?”, fragte Hasan und trat zögernd näher. Die Dämmerung brach herein und der Chor der Muezzine rief von den Moscheen zum Abendgebet. Und wie immer war der Muezzin der Arnaut-Mami-Moschee aus dem Takt – mal zu früh, mal zu spät. Diesmal hinkte er zehn Verse hinter den anderen her. Man sagte, in den albanischen Bergen ticke die Uhr anders, genau wie in Amerika oder Australien, wo jetzt wohl schon Morgen war. Was für ein Chaos, dachte Hasan – das sollte der Sultan nicht dulden! Wenn er ihn eines Tages beim Baklava-Fest träfe, würde er ihm raten, alle Muezzine – Albaner, Araber, Tscherkessen oder Türken – im Gleichtakt singen zu lassen. Vielleicht wollte Sultan Erdogan mit den 33 Perlen genau das erreichen: dass alle sein Baklava aus seiner Fabrike nach seinen Rezepten essen. Doch Gülen Beys Baklava auch war ziemlich gut – wenn nicht sogar ein bisschen besser.
Es war ihm ein Rätsel, wie die Männer entschieden, in welche Moschee sie gehen wollten. Manchmal sah er, wie einige stehen blieben, als hätte die Zeit stillgestanden, grübelten lange und schafften es nicht rechtzeitig zum Gebet. Seine Stiefmutter habe ihm einmal gesagt, wer zu lange grüble, werde zum Bauern in einem anderen Schachspiel. So sei es einem gewissen Kadaifi ergangen, einem libyschen Kämpfer, der sich gegen den Sultan rebellierte, sich aber nicht entscheiden konnte, ob er dem fränkischen oder dem spanischen König vertrauen sollte. In seiner Unentschlossenheit erstarrte er und wurde wie ein Läufer über ein Schachbrett geschoben, bis er gegen einen Bauer ausgetauscht wurde. Aber auch wer seinem ersten Gedanken folgt, endet als Bauer auf dem Schachbrett, hatte sie gesagt. Erst der zweite oder dritte Gedanke mache einen zum Spieler. Und genau dem folgte Hasan.
“Darf ich sie sehen? Sind sie echt?” fragte Hasan den Wucherer und streckte die Hand aus.