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HdW-B 006: Ultimate
Erno Fischer: »Das Geheimnis des Sternenvogts – zweiter Teil des Vergangenheitszyklusses!«
Ein Experiment entartet zu einer Katastrophe, die die Erde bedroht. Außerdem nehmen die Psychonauten ihre Verdrängung nicht so ohne Weiteres hin, sondern setzen sich zur Wehr. Und es gibt noch andere Unzufriedene, die gegen die Allmacht von Ultimate, dem Konzern der Konzerne, protestieren...
Zu allem Überfluss mischen sich außerirdische Zivilisationen ein, die vor der technischen Anwendung des Überlichtfluges und ihrer unmittelbaren und drastischen Störung des Raum-Zeit-Gefüges eindringlich warnen. Ihr »Botschafter von den Sternen« ist das Wesen Soschnyz-Baschraz-Som.
Erwartungsgemäß wird der Extraterrestrier nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Ganz im Gegenteil: Mit knapper Not kann er entkommen, mit einem gekaperten Schiff der irdischen Raumflotte und verfolgten Psychonauten an Bord...
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Impressum:
Die Bände 16 bis 18 von HERR DER WELTEN hier in einem Buch zusammengefasst!
ISSN 1614-3302
Copyright neu 2015 by HARY-PRODUCTION, Canadastraße 30, D-66482 Zweibrücken, Telefon: 06332 48 11 50, HaryPro.de, eMail: [email protected]
Sämtliche Rechte vorbehalten!
Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von
HARY-PRODUCTION!
Coverhintergrund: Anistasius
Titelbild: Gerhard Börnsen
Nähere Angaben zum Autor siehe hier: de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._Hary
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Veröffentlichungsjahr: 2015
Ultimate
Erno Fischer
»Das Geheimnis des Sternenvogts – zweiter Teil des Vergangenheitszyklusses!«
ISSN 1614-3302
Copyright neu 2015 by HARY-PRODUCTION
Canadastraße 30 * D-66482 Zweibrücken
Telefon: 06332 48 11 50 * Fax: 01805 060 343 768 39
www.HaryPro.de
eMail: [email protected]
Dieses Buch basiert auf den Bänden 16 bis 18 der gleichnamigen Serie!
Sämtliche Rechte vorbehalten!
Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von
HARY-PRODUCTION!
Lektorat: David Geiger
Covergestaltung: Anistasius
Copyright Titelbild: Gerhard Börnsen,
Steinruther Str. 13, D-58093 Hagen
Irgendwann in fernster Zukunft: Viele tausend Welten sind von Menschen besiedelt. Überlichtschnelle Flüge sind verboten, weil es sich erwiesen hat, dass diese auf Dauer das energetische Gleichgewicht des Universums und somit das Raum-Zeit-Gefüge stören, was in manchen Bereichen des Universums in der Vergangenheit zu schrecklichen Katastrophen führte.
Die von Menschen besiedelten Welten haben keinen direkten Kontakt miteinander, da es keine überlichtschnellen Kommunikationsmöglichkeiten gibt. Dennoch entstand im Verlauf der Jahrtausende ein funktionierendes Handelssystem: Riesige Container-Schiffe sind im Unterlichtflug unterwegs zu ihren Zielwelten, mit mannigfaltigen Waren bestückt. Sie sind teilweise Jahrtausende unterwegs, um ihr Ziel zu erreichen, aber da der Strom der Handelscontainer niemals abreißt, werden die Planeten untereinander reibungslos versorgt.
Die Erde beispielsweise ist eine gigantische »Zuchtanstalt für Menschenmaterial« - dem wichtigsten »Exportartikel« für die Erde. Die Betreffenden werden in Tiefschlaf versetzt, bevor sie auf den Weg gehen. Ein übriges tut die Zeitdilatation, so dass sie unbeschadet den langen Flug überstehen.
Dieses komplizierte Handelssystem ist natürlich hochempfindlich - und muss überwacht werden. Dafür zuständig ist der Sternenvogt - der HERR DER WELTEN! Nur ein Sternenvogt besitzt das Monopol des Überlichtfluges, um seiner Aufgabe auch gerecht werden zu können. Aber dieser verhältnismäßig minimale Einsatz des Überlichtfluges hat keine negativen Auswirkungen auf die universale Ordnung.
Es gibt mehr als nur einen Sternenvogt, doch das Universum ist groß genug für alle - und so begegnen sie sich untereinander nur, wenn es unbedingt nötig erscheint...
John Willard, geboren auf einer unmenschlichen Erde, wird unter dramatischen Umständen der »Diener des Sternenvogts«, denn dieser geht selten persönlich in einen notwendig werdenden Einsatz, um die sogenannte universale Ordnung zu sichern. Sein Diener fungiert als eine Art Stuntman.
Der erste Einsatz führt John Willard auf den »Planeten der Amazonen«: Aufgrund von Umwelteinflüssen kommen hier nur Frauen zur Welt. Um ihren Fortbestand zu sichern, müssen sie Männer von der Erde »importieren«. Und jetzt haben sie das Geheimnis des Überlichtfluges enträtselt und sagen dem Handelssystem den Kampf an.
Es gibt einen Bereich im Weltall, in dem Handelscontainer einfach verschwinden. John Willard findet hier eine Art »Miniuniversum«, das durch radikal veränderte Naturgesetze entstand. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als einzudringen, obwohl es noch niemals zuvor eine Rückkehr von hier gab.
Es gelingt John das bislang Unmögliche - und er kehrt zurück. Inzwischen hat der Sternenvogt einen zweiten Diener - einen kampfstarken intelligenten Androiden: Bron! Und der nächste Einsatz wartet bereits: Johns Bewusstsein wird ausgetauscht mit dem Bewusstsein eines jungen Mannes namens Bereter. Er ist ein sogenannter Sucher - unterwegs in einer alptraumhaften Welt, die durch das Kollektiv der Träumer entstanden ist. Als Bereter kann sich John nicht an seine eigentliche Identität erinnern. Seine Aufgabe ist es, das Geheimnis der Traumwelt zu ergründen und den nicht abbrechbaren Traum in Bahnen zu lenken, die keine Gefahr mehr für die universale Ordnung bedeuten, ausgehend vom »Planeten der Träumer«. Kommt er als Bereter zu Tode, ist dies auch sein Ende als John Willard. Aber er hat eine wichtige Unterstützung auf seinem Weg: Bron!
John Willard überlebt nicht nur als Bereter, sondern er bewährt sich. Kein Wunder, dass der Sternenvogt das gleiche Prinzip auch beim nächsten Einsatz beibehält: Johns Bewusstsein wird diesmal mit dem Bewusstsein eines Mannes namens Karem Eklund ausgetauscht - auf einer Welt der krassen Gegensätze. Die Bewohner glauben, auf der Erde zu sein. Sie leben großenteils in einer halbzerverfallenen Stadt, die schier den halben Planeten umspannt. Es gibt allerdings einen Bereich, wo sie keinerlei Zugang haben: Das ist der Bereich der Unsterblichen, die sich mittels einer riesigen Energieglocke gegen alles schützen, was von außen Einfluss nehmen könnte.
John soll als Karem Eklund die Zusammenhänge klären - und vor allem prüfen, ob von hier eine Gefahr ausgeht und ob diese Welt vielleicht sogar Aufnahme finden könnte in den Handelsverband.
Nach dem Bestehen (und vor allem »Überstehen«) auch dieser Aufgabe macht der Sternenvogt John zu einem PSI-Menschen - und beweist damit, welche unvorstellbaren Möglichkeiten er eigentlich hat. Nach einer entsprechenden Ausbildung, in der John lernt, mit seinen neuen Fähigkeiten umzugehen, muss er in den Bereich des sogenannten Weißen Planeten - eine Zone, die sich energetisch vom übrigen Universum abkapselt. Dies ist eine tickende energetische Zeitbombe, die John entschärfen soll. Dabei gibt es nur eine Alternative: Das Rätsel lösen - oder sterben!
Danach nimmt der Sternenvogt John Willard wieder alle PSI-Fähigkeiten, die er für den Einsatz benötigt hat - und beginnt, das Rätsel seiner eigenen Herkunft - und vor allem seiner Bestimmung zu lösen. Er lässt die fernste Vergangenheit virtuell neu entstehen, um John teilhaben zu lassen an Schlüsselereignissen zu einer Zeit, als der Mensch erst seit wenigen Jahrhunderten den Weg ins All gefunden hatte. Er tat dies damals mittels eben der PSI-Menschen. Doch der irdische Ultimate-Konzern arbeitet an einem »technischen Ersatz« (genannt: Ultimatecraft), nicht nur, um die PSI-Menschen (die man aufgrund ihrer besonderen Aufgabe in der interstellaren Raumfahrt PSYCHONAUTEN nennt) abzulösen, sondern vor allem, um sich künftig das alleinige Monopol für die überlichtschnelle Raumfahrt zu sichern. Aber es gibt schon von Anbeginn an Probleme. Ein Experiment entartet gar zu einer Katastrophe, die die Erde bedroht. Außerdem nehmen die Psychonauten ihre Verdrängung nicht so ohne Weiteres hin, sondern setzen sich zur Wehr. Und es gibt noch andere Unzufriedene, die gegen die Allmacht von Ultimate protestieren... Zu allem Überfluss mischen sich außerirdische Zivilisationen ein, die vor der technischen Anwendung des Überlichtfluges und ihrer unmittelbaren und drastischen Störung des Raum-Zeit-Gefüges eindringlich warnen. Ihr »Botschafter von den Sternen« ist das Wesen Soschnyz-Baschraz-Som.
Erwartungsgemäß wird der Extraterrestrier nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Ganz im Gegenteil: Mit knapper Not kann er entkommen, mit einem gekaperten Schiff der irdischen Raumflotte und verfolgten Psychonauten an Bord...
Die Zentrale konnte hermetisch abgeriegelt werden. Das machte einen Aufstand an Bord von vornherein unmöglich. Für Soschnyz-Baschraz-Som ein schwacher Trost. Er fand sich am Boden wieder, als auch ihn seine Kräfte verließen.
Wieviel Zeit war vergangen? Die Soldaten würden Mittel und Wege finden, die von den Rebellen und Sosch eroberte Zentrale zu knacken.
Soschnyz-Baschraz-Som erholte sich erstaunlich schnell. Zwar erlangte er nicht seine alten Kräfte zurück, aber er konnte sich wieder aufrichten. Nur zehn Psychonauten hatten es überlebt. Bewusstlos lagen sie da, dem Tode näher als dem Leben. Doch das war im Moment von sekundärer Bedeutung. Mit den medizinischen Möglichkeiten an Bord würde er die zehn retten können. Zunächst einmal musste er das Schiff völlig unter Kontrolle bringen.
Es gab nur einen Ausweg: Sein eigenes Schiff musste eingreifen! Von diesem wusste der Gegner noch gar nichts! Es war auch zu klein, als dass er damit allein hätte die Psychonauten retten können.
Er konzentrierte sich, rief danach. Schnell musste es gehen, ehe die verfolgenden Raumer auf die Vorgänge aufmerksam wurden.
Soschnyz-Baschraz-Som dirigierte sein Schiff. Die Schutzschirme der gekaperten SOLAR, in deren Zentrale er sich befand, waren ausgeschaltet. Ungehindert durchdrangen die Betäubungsstrahlen die Wandungen, verschonten nur die Zentrale.
Soschnyz-Baschraz-Som durfte aufatmen. Eilig zog er sein Schiff wieder zurück, um es nicht unnötig zu gefährden.
Kaum war das geschehen, meldete sich Captain Sari Oon, sozusagen die oberste Verfolgerin, über Funk. Soschnyz-Baschraz-Som verzichtete zunächst auf eine Antwort, sondern leitete den Rest des Piratenstückes ein.
Sari Oon beobachtete über ihre Bildschirme, dass sich die SOLAR in Bewegung setzte. Sie wurde immer schneller. Und dann erreichte die Captain ein Spruch. Allerdings erschien nicht Captain Ann, die eigentliche Captain der SOLAR, auf dem Sichtschirm, sondern Soschnyz-Baschraz-Som. Man sah ihm trotz seiner Fremdartigekeit die Erschöpfung an, denn er musste nunmehr allein die SOLAR steuern.
»Ich bat um ein Schiff und danke für die SOLAR«, sagte er. »Meines habt ihr zerstört.« Eine glatte Lüge zwar, aber die Verfolger sollten es nicht besser wissen. »Doch will ich keine Rache. Um die Besatzung brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Obwohl es ihr gelang, alle Psychonauten zu töten bis auf mich, werde ich sie mit den Booten aussetzen. Doch ich warne Sie, Captain Sari Oon: Sobald Sie schießen, werde ich alle mitnehmen und schneller sein als Ihre Vernichtungswaffen. Meine Flucht können Sie nun nicht mehr verhindern!«
Captain Sari Oon und alle Beobachter waren überzeugt davon, dass das erbeutete Schiff die Reise zu der Heimatwelt von Soschnyz-Baschraz-Som antrat. In Wirklichkeit nahm Sosch Kurs auf die Erde. Den Flug würde er in mindestens zwei Etappen vornehmen. Unterwegs musste er erst einmal stoppen, um sich um die Bewusstlosen zu kümmern und um sich selbst.
»Heimat ist ein spezifisches Problem für denjenigen, der sich damit identifiziert - nicht für den, der sie überall findet, wo er seine Lebensaufgabe sieht.«
(Ausspruch von Soschnyz-Baschraz-Som, dem Außerirdischen, gegenüber seinen menschlichen Freunden - Erde 1 Normalzeit 2501 sogenannter christlicher Zeitrechnung)
*
Genius Dirk van Meren hieb auf die rotmarkierte Taste.
»Programm läuft!«, murmelte er vor sich hin. Sein fiebriger Blick heftete sich auf den Bildschirm. Smaragd, der grünschillernde Asteroid. Van Meren wusste nicht, wer dem Steinbrocken diesen Namen gegeben hatte. Die ursprüngliche Bezeichnung war verloren gegangen. Smaragd raste auf seiner vorgeschriebenen Bahn durch das Sonnensystem, rund um die Sonne. Knapp vier Jahre brauchte er für eine Umrundung. Seit Jahrmillionen zog er so seine Bahn. »Nicht mehr lange!«, knurrte Dirk van Meren, der im Auftrag seines Chefs Derryl Reed verbissen nach einem sicheren Ultimatecraft-Transmitter forschte. Es klang aggressiv.
Der zweite Bildschirm. Sternförmig verteilt sechs Raumschiffe der irdischen Militärs.
Etwas geschah dort. Es war undefinierbar, unbeschreiblich, grauenvoll. Gleichzeitig blitzte es bei den Raumern auf. Gleißendes Licht, das den Weltraum auffraß. Ja, auffraß! So sah es aus. Lautlos geschah es. Ein Loch entstand, mit glühenden Rändern. Darin waberte es wie Glut.
»Nein!«, stöhnte Dirk van Meren. Unfassbar auch für ihn der Anblick. Obwohl er alles vorausberechnet hatte. Als ob er einen Blick direkt ins Jenseits werfen würde!
Das gähnende Loch wartete auf Smaragd wie das Maul eines Molochs. Da, der symbolische Stern, den die Formation der Raumschiffe bildeten, schrumpfte; die sechs Raumschiffe drifteten aufeinander zu; ein Raumschiff wurde mehr beschleunigt als die anderen. Smaragd würde nicht genau die Mitte treffen.
Im Hintergrund, hinter van Meren, ein lauter Knall - wie das Peitschen eines Schusses. Es stank nach Ozon. Jemand stöhnte vor Schmerz. Dirk van Meren riskierte einen kurzen Blick. Aus der Schaltwand hinter ihm quoll Rauch. Der Wissenschaftler, der davor seinen Dienst versah, hielt den blutenden Arm.
Wieder die Bildschirme. Unaufhaltsam das Nähern von Smaragd. Wenn das Loch zum Hyperraum weiter schrumpfte, dann passte Smaragd nicht mehr hinein. Was geschah dann?
Noch fünftausend Meilen Entfernung.
»Beschleunigung!«, ächzte ein anderer Wissenschaftler.
Tatsächlich, Dirk van Meren sah es selbst: Smaragd wurde schneller. Dirk van Meren bildete sich ein, ein saugendes Geräusch zu hören, gierig, hungrig, ekelerregend. Die ausgefransten Ränder veränderten sich, wurden glatt und rund. Der Eindruck eines Mauls vertiefte sich. Die Glut im Innern nahm Form an. War das etwa eine zuckende Zunge?
Wurden sie alle verrückt?
»Irrsinswerte!«, keuchte der Wissenschaftler von soeben. Er sprang auf und verließ fluchtartig seinen Platz. Mit Recht! Auch bei ihm gingen Instrumente entzwei. Ein Funkenregen knatterte nieder.
Dann traf das Beobachtungsschiff ein mächtiger Schlag, wie von einer Riesenfaust. Das kalte Glitzern der Sterne wurde aggressiv. Es schienen die Augen von Ungeheuern zu sein. Plötzlich verwandelten sie sich in wirbelnde Punkte. Sie rasten ineinander.
»Raumverzerrung!« Eine panikerfüllte Stimme. Niemand brauchte Dirk van Meren zu sagen, dass das Experiment aller Kontrolle entglitt. Es wäre das Vernünftigste gewesen, sofort alle Energien auf Nullwerte zu schalten. Aber dann hätte er nicht mehr beobachten können. Für ihn undenkbar. Smaragd war am Ziel. Verharrte der Asteroid, als würde er sich gegen das >Maul< wehren?
Eine blendende Lichterscheinung. Ein weiterer Schlag gegen das Schiff. Dirk van Meren musste sich festhalten. Etwas verfehlte ihn haarscharf, sirrte durch die Beobachtungszentrale, krachte in ein Schaltpult. Eine kleine Explosion, die Dirk van Merens Trommelfelle marterte und ihm den Atem nahm.
Das >Maul< schnappte zu, verschlang den Asteroid Smaragd. Die sechs Raumschiffe, die das Entmaterialisationsfeld projiziert hatten, verließen vollends ihre Bahn. Die Piloten bemühten sich verzweifelt, eine Kollision zu vermeiden. Sie schafften das schier Unmögliche und retteten sich und ihre Besatzungen.
Sechs Raumschiffe? Der Forschungschef runzelte die Stirn. Er zählte nur noch fünf! Wo war das sechste geblieben? Eine Horrorvision stieg vor Dirk van Meren auf. Eines der Raumschiffe hatte den Übergang in den Hyperraum mitgemacht - unfreiwillig!
*
Captain Quendolain war neben PSI-Koordinatorin Helia die einzige an Bord des Raumschiffs der Raumgarden, die eine gewisse Entscheidungsfreiheit besaß. Ihr Verstand sagte ihr, dass es besser wäre, sofort alle Energien herunterzuschalten und nicht noch weiter das sogenannte Ultimate-Tor zu speisen. Aber soweit gingen ihre Kompetenzen und Entscheidungsfreiheiten nicht. Sie musste den Befehl ausführen - kostete er auch ihr Leben. Sie war schließlich eine Raumgardistin.
Ein Rütteln ging durch die Schiffswandungen. Das Garde-Raumschiff ächzte und stöhnte. Die LUNA 10 gehörte zu dem sternförmig angeordneten Schiffsverband, der die Aufgabe gehabt hatte, den Asteroid Smaragd in den Hyperraum - zu befördern. An einem genau vorausberechneten Punkt jenseits der Plutobahn sollte Smaragd wieder materialisieren.
Der Ultimate-Konzern, unter Konzernchef Derryl Reeds energischer Führung, versprach sich von einem positiven Ausgang dieses Experiments sehr viel. Mit einem solchen Transmittersystem konnte man ungeheure Mengen von Frachtgütern befördern - bis hinauf zu der Größe des Asteroiden Smaragd. Falls es klappte!
Im Moment allerdings zweifelte Captain Quendolain nicht daran, dass die Versuche zum Scheitern verurteilt waren. Und sie konnte nichts dagegen tun!
Das Rütteln verstärkte sich. Die ersten Instrumente versagten. Sie waren überlastet. Schatten huschten über die Wände in der Zentrale. Die Captain glaubte, dass die Zentrale auf einmal enger wurde. Die Bildschirme versagten. Sie zeigten nur noch verschwommene, flimmernde Bilder. Eines sah aus wie eine Krallenhand, die nach dem Schiff greifen wollte.
Wurden jetzt die Kräfte aus dem Hyperraum frei - um die Menschen für ihre Frevel zu bestrafen?
Es gab die kühnsten Theorien über den Hyperraum. Obwohl sämtlicher interstellarer Verkehr durch ihn abgewickelt wurde, konnte ihn kein Mensch beschreiben. In der Vergangenheit hatte es nur die sogenannten Psychonauten gegeben. Sie vermochten es unter Weltraumbedingungen, ihre PSI-Fähigkeiten so einzusetzen, dass sie ein ausgewachsenes Raumschiff nicht nur mit Geisteskraft steuern, sondern auch durch den Hyperraum führen konnten. Ein Umstand, der manchem mystisch anmutete.
Den Flug durch Hyperraum konnten nur Psychonauten mit wachem Bewusstsein überstehen. Das blieb eine Tatsache. Normale Menschen, die keine PSI-Begabungen aufwiesen, mussten vorher in Tiefschlaf versetzt werden. Am Ziel weckte man sie dann wieder.
Manch ein Psychonaut hatte schon versucht, unterwegs im Hyperraum das Schiff zu verlassen. Einige waren seitdem verschollen. Die es schafften, wieder zurückzukehren, konnten sich anschließend an nichts erinnern.
Die kühnste Behauptung von allen war, dass der Hyperraum eine Art Jenseits war! Hier sollten die Geister aller Verstorbenen hausen - und Schlimmeres! Nicht nur die Geister von verstorbenen Menschen, sondern von allen denkenden Lebewesen des Universums!
Das waren die Dinge, die in diesen Sekunden Captain Quendolain durch den Kopf schossen. Sie spürte auf einmal Angst, obwohl dieses Gefühl für eine Captain der Raumgarden normalerweise etwas Fremdes war. Dies hier waren besondere Umstände, und Captain Quendolain war ein normaler Mensch, kein Psychonaut.
Als ob sie ahnte, dass ihr Schiff durch einen unerklärlichen Schicksalsschlag dazu bestimmt war, durch das selbstgeschaffene Tor einzugehen in den Hyperraum! Und die Angst wurde stärker als alle Befehle. »Stopp!«, schrie sie mit sich überschlagender Stimme.
Sofort hatte sie sich wieder in der Gewalt. Jetzt klang ihre Stimme nicht mehr panikerfüllt, sondern energisch, befehlsgewohnt: »Alle Energievorgänge stoppen! Wir schalten uns aus dem Verbund aus. Keine Energie mehr auf die Ultimate-Projektion!«
Die Ultimate-Projektion war van Merens neue Erfindung und erlebte im Augenblick ihren ersten Test. Schon gab es die ersten Raumschiffe, die mittels Ultimatecraft durch den Hyperraum flogen. Viele Menschen begrüßten es, dass man das Problem interstellarer Raumfahrt endlich technisch gelöst hatte und nicht mehr auf das Mysterium Psychonauten und Psychonauten-Kraft angewiesen war. Wer es am meisten begrüßte, war Derryl Reed - nicht nur Chef des Ultimate-Konzerns, sondern darüber hinaus Vorsitzender des Weltrats - des Zusammenschlusses sämtlicher Konzernführer. Damit war er Weltpräsident im weitesten Sinne des Wortes - und oberster Führer der irdischen Armee, der Raumgarden.
Keine irdische Kolonie im Sternenreich der Menschheit, die nicht seinem Wort unterstand. Mit der Ultimatecraft hatte er das Machtmittel in den Händen, um seine Stellung zu behaupten! Daran änderten auch all die warnenden Stimmen nichts, die bei der Anwendung der Ultimatecraft schlimme Folgen voraussahen.
*
Die Besatzung in der Zentrale warf ihrer Captain zwar erstaunte Blicke zu ob ihres Befehls, aber die Raumgarden waren ausgebildete Elitesoldaten und -polizisten, ideal und perfekt konditioniert und programmiert.
Was ihr Captain sagte, war Gesetz und musste augenblicklich und ohne Zögern befolgt werden...
Die Energien wurden also tatsächlich abgeschaltet - sämtlich - auch die für Antrieb und Waffensysteme. Augenblicklich erlosch auch das Licht in der Zentrale.
Nicht für lange. Aus den Wänden kroch ein grünlicher Schein. Schatten tauchten darin auf, und diese Schatten schienen ein eigenes Leben zu besitzen.
Die Geister der Verstorbenen! dachte Captain Quendolain eigenartig teilnahmslos. Es schien, als sei ein Teil ihres Verstandes abgespalten und sähe dem aufkommenden Wahnsinn des anderen Teils interessiert zu.
Paralysiert, dachte die Captain. Ich bin nicht mehr Herr meiner selbst.
Auf einmal hatten normale physikalische Gesetze keine Gültigkeit mehr. Einer der diffusen Schatten griff nach ihr wie ein hungriger Dämon. Gleichzeitig wurde das Schiff transparent. Ja, Captain Quendolain konnte durch die ultraharten Wandungen aus molekular verdichtetem Material blicken, als bestünden sie aus Glas. Sie sah, was draußen geschah.
Die Hölle hatte sich aufgetan. Da war der gähnende Schlund des Molochs Hyperraum, der Asteroid, der hineinraste, um davon verschlungen zu werden. Aber auch die LUNA 10, das Raumschiff, das Captain Quendolain befehligte, wurde von einem unwiderstehlichen Sog erfasst. Waren es die sprunghaft veränderten Schwerkraftverhältnisse des Asteroiden, dem das Schiff zu nahe gekommen war?
Die anderen Schiffe. Sie blieben zurück, rasten aufeinander zu, verfehlten sich nur knapp. Das konnte Captain Quendolain deutlich erkennen - bis ihr bewusst wurde, dass der Übergang abgeschlossen war. Sie befand sich bereits im Hyperraum. Das Tor hatte sich geschlossen. Für immer? Die Szene draußen blieb bestehen.
Nichts sah die Captain vom eigentlichen Hyperraum als grünes Leuchten und diffuse Schatten, die sich immer wieder auf sie warfen, ihr aber nichts anzuhaben schienen. Verdankte sie es den Schatten, dass sie alles miterleben konnte?
Die Captain sah die Raumverzerrungen. Aber da war noch etwas, und darüber erschrak sie zutiefst. Es hatte ein Tausch stattgefunden:
Der Asteroid Smaragd und das Raumschiff LUNA 10 gegen Energien von Hyperraum! Kein Mensch hatte es wahrscheinlich bemerkt. Es würde eine Weile dauern, bis es deutlich wurde, denn im Moment hatte draußen jeder vollauf damit zu tun, am Leben zu bleiben.
Die fünf übriggebliebenen Raumgarden-Raumer rasten davon, von einer ungeheuren Kraft loskatapultiert. Obwohl sich das Beobachtungsschiff mit Forschungsleiter Dirk van Meren an Bord über eine Million Meilen entfernt befand, wuchs es heran, weil es Captain Quendolain so wollte. Natürlich bewegte es sich in Wirklichkeit keinen Zoll. Es geschah nur optisch.
Captain Quendolain verlor sofort den Kontakt mit dem normalen Einsteinuniversum und fand sich an Bord des eigenen Schiffes wieder. Es hatte sich nichts verändert. Überall das grüne Leuchten. Die Schatten wanderten, rasten auf die Menschen zu, vereinigten sich scheinbar mit ihnen, tauchten nicht wieder auf. Die nächsten Schatten kamen.
»PSI-Koordinatorin!«, keuchte Captain Quendolain.
Ja, sie rief nach der PSI-Koordinatorin, denn die LUNA 10 hatte noch eine Psychonauten-Crew an Bord - wie jedes Schiff, das an dem Experiment teilgenommen hatte. Nur waren die Psychonauten keineswegs damit beschäftigt gewesen, das Schiff mit ihren Kräften zu führen, sondern vielmehr, in tiefer Trance eigene Eindrücke vom Fortgang des Experiments zu sammeln. Man hatte an alles gedacht - auch daran, dass die Psychonauten vielleicht wichtige Feststellungen machen konnten, die der überwachenden Technik verborgen blieben.
»PSI-Koordinatorin Helia!«
Die PSI-Koordinatorin antwortete nicht. Sie tauchte auch nicht auf.
Die Captain winkte einem ihrer Offiziere zu, der sofort aus der Zentrale zum Logenraum eilte, in dem sich die Psychonauten während des Experiments aufhalten sollten. Mit dem Bordvisio versuchte er es erst gar nicht. Eine Minute später kehrte er zurück.
Eine Minute? Captain Quendolain ließ sich von diesem Gedanken einspinnen, ließ ihn nicht sogleich wieder los. Was war eine Minute in Hyperraum? Ja, bei der Raumgarden-Sphinx, ich befinde mich überhaupt nicht mehr im Diesseits, sondern in diesem unbegreiflichen, unfassbaren Bereich anderer Dimensionen. Und warum nehme ich das alles mit wachem Verstand wahr? Seit wann ist das möglich?
Das Tor! Die verdammte Ultimatecraft hat es ermöglicht! Und ich gehe bereits soweit, dass ich den Weltraum, der mich geboren hat, »das da draußen« nenne!
»Bericht!«, schnarrte sie. Ihr Untergebener machte ein betretenes Gesicht. Ein Unding, denn man sagte den Raumgarden nach, dass sie kein Gefühl mehr hatten. In der Tat wirkten sie wie Roboter, trugen eine starre Maske zur Schau - wenn sie das Gesicht nicht gerade hinter der spezialverdichteten Panzermaske einer Kampfrüstung verbargen.
Die Unmöglichkeiten häuften sich, denn der Offizier begann zu stottern, als könnte er nicht fassen, was er mit eigenen Augen gesehen hatte.
»Ehrwürdige Captain, die PSI-Koordinatorin ist nicht mehr da!«
»Was?« Captain Quendolain sah ihn und wollte nichts glauben. Das sollte ihr Offizier sein? Ein völlig konfuser Mann, der mit der Situation keineswegs fertig wurde! Wie war das nur möglich?
»Reißen Sie sich gefälligst zusammen!«
Er schlug die Hacken gegeneinander, nahm Haltung an.
»Jawohl, Captain, ich höre und gehorche.«
Captain Quendolain konnte nicht anders. Sie trat auf den Offizier zu.
»Hauptmann, was ist los mit Ihnen?« Sie betrachtete ihn von Kopf bis Fuß. Jetzt wirkte er ganz normal.
»Ehrwürdige Captain, nicht nur die PSI-Koordinatorin ist verschwunden, sondern auch alle ihre Psychonauten!«
Zum ersten Mal in ihrem Leben wusste Captain Quendolain nicht, wie sie sich verhalten sollte.