Head Hunting - André Vögtlin - E-Book

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André Vögtlin

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Beschreibung

Martin - Unternehmensberater in Basel - besucht mit Freunden ein internationales Schachturnier in Amsterdam. Der Zufall will es, dass sein bester Kunde, ohne Martins Wissen, auch zu diesem Turnier reist, jedoch am Vorabend der ersten Runde ermordet wird. Anfänglich fällt der Verdacht auf Martin. Hat der Mord etwas mit ihren Geschäftsbeziehungen zu tun? Wer hat Bohdan Melnik tatsächlich umgebracht?

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Seitenzahl: 57

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

1

«Jemand muss diesem ukrainischen Schachspieler hierher gefolgt sein und ihn gestern Abend in seinem Hotelzimmer ermordet haben», dachte Martin Strittmatter laut. Er stand mit Remo, seinem langjährigen Schachfreund, in einer langen Schlange vor der Mehrzweckhalle des kleinen Küstenortes Wijk aan Zee und wartete auf den Einlass in den Turniersaal.

«Bohdan Melnik hiess er», sagte Remo neben ihm. «Mehrere Messerstiche in den Thorax. Der Mörder oder die Mörderin haben das ganze Zimmer durchwühlt und wild auf ihn eingestochen. Niemand hat davon etwas mitbekommen.» Der Tatort habe einen grauenvollen Anblick geboten: heruntergerissene Vorhänge, ein zertrümmerter Spiegel und überall Blut. «Melnik wohnte im gleichen Hotel wie ich, dem Het Hoge Duin, oben auf der Düne», fügte Remo bei. «Du siehst von hier nur einen Teil des neuen Seitentraktes.»

Im windigen Nieselregen unterhielten sich die beiden über das Mail, das sehr früh am Morgen an alle Teilnehmenden des Tata Chess Tournament verschickt worden war. Remo hatte sich nach dem Frühstück gleich an der Hotelrezeption näher über den Vorfall informiert.

«Was meinst Du, eine politisch motivierte Tat? Ein Auftragsmord?»

Remo schaute Martin überrascht an und zog fragend seine Lippen zusammen. «Schon möglich. Wer weiss? Aber halte Dich fest. Er hat in Basel gewohnt. Ich habe seinen Namen auf der Turnierwebsite nachgeschaut, und da steht Land UKR, Wohnort Basel, Switzerland.»

«Was?», reagierte Martin überrascht.

«Ich habe ihn auf unserer Website swisschess.ch nicht gefunden. Er war als Mitglied bei keinem Schachklub in der Region Nordwestschweiz gemeldet und besass auch keine Einzelmitgliedschaft in unserem Verband», meinte Remo.

Martin schaute abwesend auf die Wartenden vor ihm. Er hatte den Schirm im Auto vergessen, und seine Harris-Tweed-Mütze begann den Regen durchgehen zu lassen.

Remo und er waren beide Funktionäre beim Schweizerischen Schachbund und kannten die Schachszene in der Schweiz recht gut. Sie hatten sich vor einigen Jahren an einem Qualifikationsturnier zur Schweizer Jugendmeisterschaft in Zürich kennengelernt. Remos Sohn spielte damals bei der U-8 ganz vorne. Martin war als Verantwortlicher der Schweizer Junioren beim Verband wie üblich vor Ort. Remo war wie Martin Unternehmensberater, und sie hatten an jenem Turnier lange über ihren Berufsalltag geplaudert. Remo trat später in den Schachklub Muttenz ein, in dem Martin seit Jahren spielte.

«Bohdan Melnik war heute mit seinen früheren Schachklubkollegen aus der kriegsversehrten Stadt Charkiv verabredet», meinte Remo. «Gemeldet war er in der Kategorie 3b des Weekender-Turniers.»

Martin blieb erneut ruhig. Etwas schien ihn zu beschäftigen.

2

Einmal im Jahr reisten Martin und Remo mit einer kleinen Gruppe aus der Region Basel für drei Tage an das weltweit bekannteste Schachturnier nach Amsterdam. Sie waren am Freitagnachmittag von Basel per Flugzeug angereist. Die meisten in der Gruppe waren um die vierzig, Familienväter, und spielten als gute Klubspieler in ihrer Freizeit Schach. Remo war mittlerweile ein sehr starker Spieler geworden und seit kurzem Klubmeister. Er hatte damals seinem Sohn Sonntag für Sonntag an den vielen Jugendturnieren zugeschaut und selbst Lust auf das Spiel bekommen. Als Beratertyp fand er grosse Freude daran, Strategien zu entwickeln und am Schachbrett die Gegner mit taktischen Finten zu überwältigen. Remo hatte ein nordisches Aussehen: blond, grossgewachsen, und er war äusserst offen im zwischenmenschlichen Kontakt.

Er hatte nach der Turnieranmeldung sofort gebucht und war im Het Hoge Duin untergekommen, der Rest der Gruppe im Hotel Fletcher. Das ebenfalls grosse Strandhotel lag einen halben Kilometer entfernt auf der langgezogenen Düne, die den kleinen Ort vom Meer trennte. Wjik aan Zee wurde «das bestgehütete Geheimnis der Nordsee» genannt und war früher ein Kurort für die Behandlung von Lungenkrankheiten gewesen.

Gemeinsam lief die Gruppe vor der ersten Turnierrunde zur Anmeldung ins Dorf. Alle Teilnehmenden mussten mindestens eine halbe Stunde vor Spielbeginn persönlich erscheinen und sich anmelden. Aus diesem Grund warteten nun Hunderte in Wind und Regen auf den Einlass in die für das winzige Wjik aan Zee überdimensioniert wirkende Turnhalle.

In diesem Jahr werden wegen des Ukrainekrieges nur wenige Russen mitspielen und das unter der internationalen Flagge des Weltschachbundes FIDE, überlegte Martin, ähnlich wie in anderen Sportarten. Sie spielen im A- und B-Meisterturnier und sind mit grosser Wahrscheinlichkeit im gleichen Hotel, in dem Melnik untergebracht war. Aber er hat wohl kaum mit ihnen Kontakt gehabt, denn die Top-Spieler bleiben während Turnieren ganz unter und für sich.

Während sie im Regen warteten, erreichte eine weitere Meldung die Turnierteilnehmer: «Alle Ukrainer haben sich vor einer Stunde vom Turnier zurückgezogen und reisen noch heute ab. Die Turnierleitung bedauert diese Entscheidung. Die Paarungen für die erste Runde werden neu erstellt. Das Turnier beginnt mit einer Verspätung von 15 Minuten.»

Die Eingangstüre wurde geöffnet, und Martin zeigte einem Teil der Gruppe nach der Anmeldung die Paarungslisten der verschiedenen Kategorien im Foyer. «Du spielst in der Kategorie … 2c. Hier. Schau. Am Brett … 125 mit Schwarz. Ein Holländer aus Haarlem. Viel Glück. Und Deine Kategorie ist da drüben. … 4h. Brett … 28 … auch mit Schwarz.»

Das Tata Chess Turnier, das holländische Schachvolksturnier per se, war im Jahr 1938 erstmals durchgeführt worden und begann jetzt nach der zweijährigen Corona-Pause mit über 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie dem Weltmeister, Magnus Carlsen, als Attraktion.

«Hey, gute Partie!»

«Danke. Dir auch»

Martin lief die Treppe hinauf in den ersten Stock, den Balkonbereich.

Es herrscht wie jedes Jahr das übliche Chaos nach Bekanntgabe der Startpartien. Alle wollen die Ersten am Brett sein, dachte er. An den Wänden hingen Portraits der alten Meister aus der Ära Garry Kasparov und Anatoly Karpov; Russen, Ungaren, Tschechen, Deutsche und Holländer. Martin kannte sie alle aus seiner Jugendzeit. Der Ungare Lajos Portisch war ein Spieler, dessen Partien er als Junior gerne nachgespielt hatte. Heute waren junge Inder und Usbeken die Zukunft.

Auf dem Balkon oberhalb des grossen Spielsaals waren zwei lange Reihen mit je zehn Brettern aufgestellt. Die Weekender, die nur drei Tage spielten, waren in kleine Vierergruppen eingeteilt, damit jeder einmal gegen jeden spielte. Dadurch entstand eine vertraute Atmosphäre, und es kam oft vor, dass man einen Schachkollegen vom Vorjahr im Saal begrüsste.