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"Das bis jetzt noch fast unbekannt gewesene medicinische Hauptwerk der Aebtissin Hildegard von Bingen (1098 bis ca. 1180) giebt uns über volksthümliche Heilkunde im 12. Jahrhundert so reichen Aufschluss, dass ich gern von der Erlaubniss Gebrauch mache, in diesen Heften eine Uebersetzung der für Mediciner interessanten Stellen abdrucken zu lassen. Von den Ansichten der Hildegard über Physiologie und Pathologie des Menschen gebe ich nur charakteristische Proben; ihre diätetischen und therapeutischen Vorschläge übersetze ich in reichere Auswahl." Paul Kaiser
Hildegard von Bingen war Benediktinerin, Äbtissin, Dichterin, Komponistin und eine bedeutende Universalgelehrte. In der römisch-katholischen Kirche wird sie als Heilige und Kirchenlehrerin verehrt. Daneben wird auch in der anglikanischen, der alt-katholischen und der evangelischen Kirche mit Gedenktagen an sie erinnert. Ihre Werke befassen sich unter anderem mit Religion, Medizin, Musik, Ethik und Kosmologie.
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Vorwort des Übersetzers
1. Die Bedeutung des Mondes
2. Die Zeit der Zeugung
3. Vom Wasser
4. Von der Empfängnis
5. Von den Krankheiten
6. Vom Nebel
7. Die Schöpfung Adams
8. Der Mensch besteht aus den Elementen
9. Von der Empfängniss
10. Von der Milch
11. Die fleischliche Lust
12. Die Temperamente des Menschen
13. Sanguiniker
14. Vom Monatsfluss
15. Vom Schlaf
16. Von nächtlicher Befleckung
17. Vom Athmen
18. Vom Uebermaass des Schlafes
19. Von körperlicher Bewegung
20. Die sanguinischen Weiber
21. Von den phlegmatischen Weibern
22. Von den cholerischen Weibern
23. Von den melancholischen Weibern
24. Von den Haaren
25. Vom Kopfschmerz
26. Vom Zahnschmerz
27. Vom Milzschmerz
28. Vom Magen und schlechter Verdauung
29. Vom Podagra
30. Von der Verdauung
31. Vom Schlummern
32. Vom Durst nach dem Schlaf
33. Von der Lähmung
34. Vom Fieber
35. Vom Essen
36. Vom Trinken
37. Von Jahreszeiten und Mahlzeiten
38. Vom Aderlass
39. Vom Schröpfen
40. Vom Speichelauswurf und Schnauben
41. Vom Nasenbluten
42. Vom Schnupfen
43. Von Reinigungstränken
44. Von der Diät
45. Von Blattern
46. Von Geschwulst, Geschwüren u.s.w
47. Vom Aussatz
48. Gegen Haarschwund
49. Gegen Kopfschmerz
50. Gegen Verrücktheit
51. Gegen Migräne
52. Gegen Kopfschmerz, der von Magendunst herrührt
53. Gegen Kopfschmerz, der vom Schleim entsteht
54. Gegen Lungenübel
55. Gegen Verrücktheit
56. Gegen Augenleiden
57. Gegen Gehörleiden
58. Gegen Zahnschmerz
59. Gegen Herzleiden
60. Gegen Lungenleiden
61. Gegen Leberverhärtung
62. Gegen Milzleiden
63. Gegen Magenleiden
64. Gegen Zerreissung des Segels
65. Gegen Nierenschmerzen
66. Gegen Seitenstechen
67. Gegen Geschwulst des Gliedes
68. Gegen Harnzwang
69. Gegen Impotenz
70. Gegen Unfruchtbarkeit
71. Gegen Podagra
72. Gegen Fisteln
73. Gegen Geschwüre
74. Gegen Eiterungen
75. Gegen Schlaflosigkeit
76. Gegen Ausbleiben der Menstruation
77. Gegen übermässige Menstruation
78. Gegen schwere Geburt
79. Zur Beförderung des Stuhlganges und Auswurfes
80. Gegen Nasenbluten
81. Gegen Schnupfen
82. Von Heiltränken
83. Gegen Ueppigkeit
84. Gegen Gedächtnissschwäche
85. Gegen Schlucken
86. Gegen Vergiftung
87. Gegen Krampf
88. Gegen Zorn und Schwermuth
89. Gegen Augenverdunkelung in Folge Weinens
90. Gegen unmässiges Lachen
91. Gegen Trunkenheit
92. Gegen Erbrechen
93. Gegen Durchfall
94. Gegen Blutfluss
95. Gegen Blutfluss aus dem Mastdarm
96. Gegen Blutspeien
97. Von Hämorrhoiden
98. Vom Blutspeien
99. Gegen Rose [?]
100. Gegen Krebs
101. Gegen Ausschlag [De scabie]
102. Gegen Gelbsucht
103. Gegen Kolik
104. Vom Pulsschlag
105. Von Bädern
Das bis jetzt noch fast unbekannt gewesene medicinische Hauptwerk der Aebtissin Hildegard von Bingen (1098 bis ca. 1180) giebt uns über volksthümliche Heilkunde im 12. Jahrhundert so reichen Aufschluss, dass ich gern von der Erlaubniss Gebrauch mache, in diesen Heften eine Uebersetzung der für Mediciner interessanten Stellen abdrucken zu lassen. Von den Ansichten der Hildegard über Physiologie und Pathologie des Menschen gebe ich nur charakteristische Proben; ihre diätetischen und therapeutischen Vorschläge übersetze ich in reichere Auswahl. Die Uebersetzung ist möglichst treu: doch habe ich mich bei Anordnung und Wiedergabe der ohnehin kaum von Hildegard herrührenden Capitelüberschriften nicht immer nach der Vorlage gerichtet und habe die oft unerträgliche Breite der lateinischen Darstellung im Deutschen zu kürzen gesucht.
Dr. phil. Paul Kaiser, 1902
…. Magen und Blase des Menschen nimmt Alles auf, womit er sich nährt. Wenn diese beiden zu viel Speisen und Getränke bekommen, verursachen sie im ganzen Leibe einen Sturm der bösen Säfte, wie die Elemente nach Art des Menschen.
Denn zur rechten Zeit der Wärme und Kälte wirft der Mensch das Saatkorn aus, und dieses geht zur Frucht auf. Wer wäre denn so thöricht, bei zu grosser Sommerhitze oder Winterkälte zu säen? Und die Saat würde verderben und nicht aufgehen. So geht es mit den Menschen, die nicht die Reife ihres Lebensalters und die Zeit des Mondes in Betracht ziehen, sondern zu einer beliebigen Zeit nach ihrer Willkür zeugen wollen. Deswegen gehen ihre Kinder unter vielen Schmerzen körperlich ein. Aber wie sehr sie auch am Leibe schwach sind, Gott sammelt doch seine Edelsteine zu sich. Daher soll der Mann die Reife seines Körpers erwarten und nach den rechten Mondzeiten mit solchem Fleiss forschen, wie einer, der seine Gebete rein darbringt; auf dass er zur rechten Zeit einen Sohn zeuge und seine Kinder nicht elendiglich verkommen. Er soll nicht sein wie ein Mensch, der die Speise in sich schlingt, ein Vielfrass, der nach der rechten Essenszeit nicht fragt – sondern wie einer, der die rechte Zeit innehält, dass er nicht gierig sei. So muss es der Mensch halten und die richtige Zeit der Zeugung wahrnehmen. Der Mann suche das Weib nicht auf, wenn es noch ein Kind ist, sondern eine Jungfrau, weil sie dann reif ist; und er soll ein Weib erst berühren, wenn er einen Bart hat, weil er dann erst reif ist, einen Sprössling zu zeugen. Denn wer in Fressen und Saufen aufgeht, der wird oft in seinen Gliedern aussätzig und gebrestenhaft; wer aber mässig isst und trinkt, hat gutes Blut und gesunden Leib. So verstreut Jener, der immer wollüstig ist und in der Geilheit seines Körpers seinen Lüsten nachgeht, in dem Sturm seiner Zeugungslust unnütz seinen Samen und geht oft selbst mit seinem Samen zu Grunde. Wer aber seinen Samen richtig ergiesst, bringt es zur richtigen Zeugung.
… Sumpfwasser, wo auch immer auf der Erde es sei, ist ganz wie Gift; denn es hat in sich die werthlosen und schädlichen Feuchtigkeiten der Erde und den giftigen Geifer der Würmer. Dies ist ganz schlecht zum Trunk und überhaupt zum Gebrauch der Menschen und kann nur zum Waschen dienen, wenn man es hierzu nehmen muss. Wer es aber aus gänzlichem Mangel an anderm Wasser trinken will, muss es vorm Genuss erst kochen und dann abkühlen lassen; auch kann man Brot, Speise und Bier, das mit ihm gekocht wird, in Maassen nehmen, weil man es durchs Feuer reinigt … Aber das Wasser von Brunnen, die tiefer in die Erde gegraben sind, so dass es steht und nicht ausfliessen kann, ist besser und angenehmer zur Speise, zum Trunk und anderem Gebrauch, als fliessendes Quellwasser. Im Vergleich zu Quellwasser ist es wie milde Salbe, da es nicht fortwährend ausfliesst und durch den milden Hauch der Luft erwärmt wird. Denn Quellwasser ist hart und widersteht daher den Speisen, so dass sie sich kaum erweichen und kochen lassen. Und da es ganz rein ist, hat es wenig Schaum und vermag darum die Speisen weniger so zu reinigen, wie anderes Wasser ……… Doch ist das Quellwasser leichter und reiner als Flusswasser, das durch Erde oder Sand oder Steine, über die es strömt, gereinigt wird. Zum Trunk taugt es, da es rein ist, und es ist auch hart und gesellt sich einigermaassen in seinen Eigenschaften dem Wein, doch ist es an Speisen für den Genuss schädlich und wegen seiner Härte auch beim Waschen den Augen. Aber das Wasser von Flüssen, die über die Erde fliessen, ist dick, weil es von der Sonne und der Luft getroffen wird, und ist voll Schaum und zum Trinken nicht gesund, da sich unterschiedliche Eigenschaften der Luft und der Elemente mit ihm mischen und es auch von dem Rauch und Nebel, der von gewissen ungesunden Bergen niedersteigt, inficirt wird … Wenn Menschen oder andere Geschöpfe das Wasser trinken, bringt es ihnen Tod oder macht die Glieder hervorstehen, weil es sie verbildet oder schwächt … Aber kleine und ganz klare Bäche, die von anderen Gewässern gleichsam wie Adern abfliessen, die sind vermöge ihres Ausflusses rein und recht nützlich zu jedem Gebrauch für Mensch und Vieh. Regenwasser aber ist hart und nimmt kranken Menschen Unrath, böse Säfte und Eiter, doch gesunden Menschen schadet es, weil es bei ihnen nichts zum Reinigen findet. Wenn es aber in Cisternen steht, wird es milder und ist für Gesunde und Kranke gut; doch is Quell- und Flusswasser viel besser u.s.w….
Wenn das Blut eines Mannes in der Gluth der Wollust aufschäumt, giebt es Schaum von sich, den wir Samen nennen; so giebt ein Topf am Herdfeuer in Folge der Feuerhitze Schaum von sich. Wenn nun einer vom Samen eines Kranken empfangen wird oder von schwächlichem, ungekochtem Samen, der mit eitrigem Saft gemischt ist, der ist in seinem Leben meistens krank und voll Fäulniss, wie Holz, das, von Würmern durchbohrt, vermodert. So einer wird denn oft voll von Geschwüren und Eiterbeulen und zieht den eitrigen Krankheitsstoff aus den Speisen leichter an sich zu dem Eiter, den er schon hat. Wer davon frei ist, ist gesunder. Wenn der Same aber geil ist, wird der aus ihm empfangene Mensch unmässig und geil … . Wenn ein Mann unter Erguss kräftigen Samens und in treuer Liebe zur Frau zu ihr kommt und sie dann auch die rechte Liebe zum Manne hat, dann wird ein männliches Kind empfangen; denn so hat es Gott eingerichtet … Wenn der Mann seine Frau treu liebt, die Frau aber den Mann nicht, oder auch die Frau den Mann liebt, aber der Mann nicht die Frau, und der Mann dermalen nur dürftigen Samen hat, so entsteht ein weibliches Kind…. Die Wärme der Frauen von dicker Constitution ist stärker als der Samen des Mannes, so dass das Kind häufig ihnen ähnlich wird; die Frauen von magerer Constitution bekommen oft ein Kind, das dem Vater ähnelt….